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Veröffentlicht am 04.06.2017

Ein Leben für die Kunst

Die Schwester des Tänzers
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Ein Leben für die Kunst: In ihrem Roman „Die Schwester des Tänzers“ widmet sich Eva Stachniak dem Leben der Ballerina und Choreografin Bronislawa Nijinska. Nijinska war unter anderem einer der Stars bei ...

Ein Leben für die Kunst: In ihrem Roman „Die Schwester des Tänzers“ widmet sich Eva Stachniak dem Leben der Ballerina und Choreografin Bronislawa Nijinska. Nijinska war unter anderem einer der Stars bei den Ballets Russes, eines der bedeutendsten Balletensembles des 20. Jahrhunderts, und gilt als Wegbereiterin des Neoklassizismus im Ballett. Trotzdem stand sie immer ein bisschen im Schatten ihres Bruders, dem legendären Tänzer Waslaw Nijinsky. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht Bronislawas und so begleitet der Leser die Tänzerin von 1894 bis 1939 – von Russland über Paris und London bis nach New York. Für ihren Roman hat sich die Autorin hauptsächlich auf nachgelassenes biografisches Material – wie Tagebücher oder Interviews – sowie auf Nijinskas Buch „Early Memoirs“ gestützt.

Den Schreibstil hab ich gerade am Anfang als sehr angenehm und auch gefühlvoll empfunden. Bronislawa und Waslaw wurden bereits in eine Tänzerfamilie geboren und so bekommt man vor allem im ersten Teil des Romans ganz gut mit, wie schwer so ein Künstlerleben war – die ständigen Umzüge, die Angst, kein Engagement zu bekommen. Interessant fand ich generell die Einblicke in die klassische russische Ballettkunst und man erfährt auch, wie hart es war, einen Platz in der kaiserlichen Tanzakademie in Sankt Petersburg zu bekommen. Weil Bronislawa zu einer Zeit gelebt hat, in der die ganze Welt im Wandel war, spielen natürlich auch einige historische Ereignisse in den Roman mit hinein: Der Zar wird in Russland gestürzt und der 1. Weltkrieg bricht aus. Auch hier bekommt man ganz gut mit, was diese politischen Ereignisse für Bronislawa und ihre Familie bedeuteten.

Recht gelungen ist der Autorin die Charakterzeichnung der beiden Geschwister Nijinsky. Vor allem Waslaws unterschiedliche Facetten und generell das Verhältnis der beiden Geschwister zueinander hat sie sehr gut herausgearbeitet.

Und dennoch: Trotz der wirklich interessanten Geschichte, konnte mich der Roman nicht komplett bannen. Zu ruhig gleitet die Geschichte dahin, zu behäbig, ja fast langatmig wird sie erzählt. Obwohl im Leben der Tänzerin wirklich viel passiert und ihre Lebensumstände auch oft sehr schwierig und tragisch waren, gingen mir diese Lebenseinblicke nicht unter die Haut. Man hat oft das Gefühl, das viele wichtige Einschnitte im Leben der Geschwister nur so nebenbei abgehandelt werden, einfach runtererzählt werden. Die geschilderten Ereignisse waren mir oft einfach nicht intensiv genug. Im Gegenzug hält sich die Autorin dafür im so länger und ausführlicher bei den Themen Tanztechnik und Ballett auf. Das Verhältnis hat da für mich einfach nicht gestimmt.

Summa summarum ein gut recherchierter Roman über eine interessante, starke Frau und eine Liebeserklärung an das russische Ballett. Leider aber mit ein paar erzählerischen Schwächen.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Guter Schreibstil, langweilige Geschichte

Nachttankstelle
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Ein netter Langweiler Ende 30, der ein bisschen ziellos durchs Leben stolpert, Musiker-Vergangenheit, eine Kneipe, in der sich am Ende alle finden und natürlich Berlin als Schauplatz – das sind die Zutaten ...

Ein netter Langweiler Ende 30, der ein bisschen ziellos durchs Leben stolpert, Musiker-Vergangenheit, eine Kneipe, in der sich am Ende alle finden und natürlich Berlin als Schauplatz – das sind die Zutaten von
Tom Liehrs Roman „Nachttankstelle“ und irgendwie kommt einem das alles doch schon sehr bekannt vor. Tatsächlich musste ich beim Lesen relativ oft an „Herr Lehmann“ von Sven Regner denken, ein bisschen auch an die Werke von Frank Goosen, nur dass „Nachttankstelle“ im Vergleich sehr viel schlechter abschneidet. Das liegt an dem extrem dünnen,
langatmigen, vorhersehbaren und noch dazu überkonstruierten Plot. Wir begleiten den 38-jährigen Uwe Fiedler, dessen Leben seit Jahren stagniert: Er bekommt sein Studium nicht fertig und schiebt stattdessen Nachtschichten an einer Tankstelle. Weil es praktisch ist, lebt er auch noch mit seiner Ex-Freundin Rieke zusammen. Als ihn Rieke aber eines
Tages rausschmeißt, wird Uwe gezwungen seine Komfortzone zu verlassen.Eine neue Bekanntschaft und eine Erbschaft helfen ihm dabei.

Das Leben der Hauptfigur ist trostlos und die ganze Geschichte an sich ist es auch. Es gibt keine richtigen Höhen und Tiefen, die paar Wendungen konnte man erahnen oder sind sehr an den Haaren herbeigezogen und generell fehlen größere Spannungsmomente oder tiefergehende Psychogramme. Normalerweise hätte ich so eine Geschichte abgebrochen, wäre da nicht Tom Liehrs Schreibstil, denn der hat mir wirklich sehr gut
gefallen. Liehr erzählt sehr kreativ, mit viel Wortwitz, sehr menschlich und manchmal auch tiefgründig. Nur leider reicht das halt nicht immer. „Nachttankstelle“ war mein erstes Buch von Tom Liehr und leider nicht so mein Fall. Weil mich der Schreibstil aber wirklich überzeugt hat, werde ich mir auf jeden Fall nochmal ein anderes Buch von ihm anschauen.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Nicht scharfzüngig genug

Hier ist alles Banane
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Erich Honecker, ehemaliger Staatschef der DDR, starb am 29. Mai 1994 in Chile – so glaubt es die Welt. Doch jetzt kam die Wahrheit ans Licht: In Wirklichkeit hat Honecker seinen Tod damals nur vorgetäuscht ...

Erich Honecker, ehemaliger Staatschef der DDR, starb am 29. Mai 1994 in Chile – so glaubt es die Welt. Doch jetzt kam die Wahrheit ans Licht: In Wirklichkeit hat Honecker seinen Tod damals nur vorgetäuscht und lebte bis vor kurzem mit seiner Frau in einem gepflegten Reihenhaus im Stadtteil La Reina in Chile. Das beweisen die geheimen Tagebücher, die Honecker zwischen den Jahren 1994 bis 2015 verfasst hat und die sein ehemaliger Chauffeur Jorge Nicolás Sanchez Rodriguez jetzt veröffentlicht hat. Der Herausgeber und auch die Tagebücher sind natürlich nicht echt. Dahinter stecken der Literaturagent Daniel Wichmann und der Journalist Ralf Heimann. Das Autorenduo versucht mit „Hier ist alles Banane“ etwas, was Timur Vermes vor ein paar Jahren schon mit Adolf Hitler in „Er ist wieder da“ durchgespielt hat: Es geht um die Frage, was wäre, wenn ein diktatorischer, demagogischer Machthaber der Vergangenheit in der heutigen Zeit auftaucht. Stilistisch sind die beiden Werke nicht zu vergleichen. „Hier ist alles Banane“ ist keine Prosa, sondern besteht tatsächlich aus einzelnen Tagebucheinträgen. Darin plaudert Honecker nicht nur über sein Privatleben und weint ein bisschen der guten alten Zeit in der DDR hinterher, sondern kommentiert auch die weltpolitische Lage zwischen 1994 und 2015.

Ein paar Ideen im Buch und ein paar Gedankengänge, die die Autoren Honecker in den Mund legen, sind schon recht amüsant. Besonders lustig ist das Buch vor allem, wenn Honecker seinen Senf zum Weltgeschehen gibt. So könnte sich Honecker den Posten als Staatschef in der Schweiz vorstellen. Dort sei Startkapital vorhanden, nur die ewigen Volksabstimmungen müssten abgeschafft werden. Auch nett ist der unerschütterliche Glauben Honeckers an die Produktivität der DDR. Der Despot Honecker verliert auch ein bisschen an Schrecken, weil ihn die Autoren generell als einen recht dümmlichen Macho darstellen.

Obwohl ich für solche Art von Satire durchaus zu haben bin, hat „Hier ist alles Banane“ bei mir nicht richtig gezündet. Das Buch hat humorige Ansätze, doch schleicht sich manche Länge ein. Manche Anekdote bemüht das Autorenduo auch einfach zu oft, um dann noch darüber lachen zu können. Außerdem war mir das Werk – auch im Vergleich zu „Er ist wieder da“ – nicht scharfzüngig und nicht scharfsinnig genug, um eine rundum gelungene Satire zu sein. Ich konnte auch nicht wirklich etwas aus dem Buch ziehen – bei solchen Satiren erwarte ich aber schon auch, dass der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten wird. In der Summe gute Idee, gute Ansätze, aber leider mit ein paar Schwächen in der Umsetzung.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Vergeudete Ideen

Der geheime Salon
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Nachdem ich von Karin Engels Büchern „Die Kaffeeprinzessin“ und „Das Erbe der Kaffeeprinzessin“ sehr begeistert war, wollte ich unbedingt noch mehr Romane der Autorin lesen. Leider war „Der geheime Salon“ ...

Nachdem ich von Karin Engels Büchern „Die Kaffeeprinzessin“ und „Das Erbe der Kaffeeprinzessin“ sehr begeistert war, wollte ich unbedingt noch mehr Romane der Autorin lesen. Leider war „Der geheime Salon“ ein Fehlgriff für mich. Zwar geht es auch in „Der geheime Salon“ um das Schicksal einer starken Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, trotzdem ist der Roman ganz anders geraten als die anderen Bücher Engels. Zunächst ist „Der geheime Salon“ vielmehr ein Krimi als ein historischer Roman. Die Geschichte spielt zwar im Jahr 1905, das Jahr tut aber eigentlich überhaupt nichts zur Sache. Die Geschichte hätte genauso gut 50 Jahre zuvor oder danach angesiedelt sein können. De Roman handelt von der 38 Jahre alten Charlotte, Tochter einer angesehenen Bremer Kaufmannsfamilie, die vor Jahren unfreiwillig an einen spanischen Mandelbaumplantagen-Besitzer verheiratet worden ist – obwohl sie eigentlich das Familienunternehmen hätte erben sollen. Als sie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes auch noch völlig mittellos
dasteht, kehrt sie in ihr Elternhaus zurück und möchte herausfinden, warum ihr Vater sie damals hatte so dringend loswerden wollen. Im Großen und Ganzen geht es im ganzen Buch nur um die Frage, warum Charlotte bei ihren Eltern in Ungnade gefallen ist und ihre geplanten Rache.

Um Spannung zu erzeugen, hat Engel mehrere Handlungsstränge entworfen und erzählt die Geschichte aus der Sichtweise mehrerer Personen. Nur sehr zögerlich gibt sie nach und nach Stückchen preis, die dann zusammen zur Auflösung des Rätsels beitragen sollen. Dieser Kunstgriff ist Engel meiner Meinung nach misslungen. Anfänglich findet man die Geschichte dadurch tatsächlich sehr spannend, nach und nach strengt einen das viele nebulöse Geschwätz aber einfach an. Spätestens wenn man ab der Hälfte
des Romans merkt, wohin die Geschichte führen wird, wirkt der ganze Aufwand auf diese Art und Weise Spannung zu erzeugen einfach lächerlich. Viele Begebenheiten im Roman sind zudem sehr an den Haaren herbeigezogen. So trifft Charlotte natürlich ganz zufällig noch auf weitere Frauen, denen auch allen irgendwie mal Unrecht angetan worden ist und die sich jetzt an Charlottes Rachespielen beteiligen. Irgendwann wirkt der Roman wie eine seltsame Mischung aus „Club der Teufelinnen“ und einem Verwirrspiel, wie es normalerweise auf Volkstheaterbühnen
aufgeführt wird.

Schade, denn eigentlich stecken in dem Roman eine Menge Potenzial und gute Ideen. Es werden wahnsinnig viele Geschichten und Schicksale angeschnitten, die mich durchaus interessiert hätten die vielleicht sogar einen eigenen Roman verdient hätten. Leider werden sie aber nicht ausgearbeitet oder richtig zu Ende geführt. Sie bleiben einfach leer im Raum stehen. Da wird zum Beispiel der Hanfschmuggel zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwähnt, richtig viel erfährt man darüber dann aber nicht. Ein Buch, das mich nicht bannen konnte.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Leider nicht kuhl

MUH!
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Von Safier bin ich bisher eigentlich nur Gutes gewöhnt. „Mieses Karma“ war für mich ein richtiges Highlight. „Plötzlich Shakespeare“ und „Happy Family“ konnten mich auch noch begeistern. „Muh!“ kann allerdings ...

Von Safier bin ich bisher eigentlich nur Gutes gewöhnt. „Mieses Karma“ war für mich ein richtiges Highlight. „Plötzlich Shakespeare“ und „Happy Family“ konnten mich auch noch begeistern. „Muh!“ kann allerdings mit seinen Vorgängern überhaupt nicht mithalten. Wie in seinen anderen Büchern versucht Safier auch in „Muh!“ dem Leser auf skurrile und humorvolle Art und Weise eine Lebensweisheit mit auf den Weg zu geben. Diesmal geht es um die große Frage: „Was ist Glück?“ Das Glück finden will die Kuh Lolle, die auf einem ostfriesischen Bauernhof lebt. Nachdem sie ihren Stier Champion in flagranti mit einer anderen Kuh erwischt und erfahren hat, dass der Bauer alle Kühe schlachten lassen will, steckt Lolle in einer Lebenskrise. Da verrät ihr ein italienischer Kater, dass es einen Ort auf dieser Welt gibt, an dem Kühe wie im Paradies leben: Indien. Zusammen mit ihren Freundinnen Hilde und Radieschen will Lolle nun in dieses tolle Land fliehen, in der Hoffnung, dort auch das Glück zu finden. Die Idee mochte ich eigentlich sehr und die Geschichte hat auch ein paar brauchbare, gute Ansätze (der Kater mit seinen trockenen Sprüchen gefiel mir zum
Beispiel sehr). Die Umsetzung ist aber mehr als misslungen. Die Reise der Kühe zieht sich wie Kaugummi, es passiert kaum etwas Nennenswertes und die paar Wendungen, die es gibt, waren mir entweder zu albern, zu wirr oder zu belanglos. Safiers normalerweise so humorvoller, sarkastischer Schreibstil bleibt total auf der Strecke. In „Muh!“ war mir der Humor einfach viel zu flach und klamaukig, zum Teil ging es fast schon in Richtung Fäkalhumor. Eigentlich konnte ich kein einziges Mal schmunzeln, geschweige denn lachen. Auch so hat mich die Botschaft des Romans nicht wirklich erreicht oder berührt. Schade, denn Safier kann es besser.