Die Bücher von Charlotte Roche sind ja bekanntermaßen recht umstritten. Einige feiern sie, gefühlt noch viel mehr hassen sie. In jedem Fall wird jedes Mal ein ziemlicher Wirbel um die Bücher veranstaltet. Ich mache mir da ja gerne immer ein eigens Bild. Ihren ersten Roman „Feuchtgebiete“ wollte und will ich aber nicht lesen, weil ich gerade bei solchen Themen rund um Exkremente und Körperflüssigkeiten doch recht empfindlich bin. „Schoßgebete“ hat mich aus diversen Gründen auch nie so wirklich angesprochen. Der Klappentext zu ihrem dritten Roman „Mädchen für alles“ klang jetzt aber doch recht interessant. Um es gleich mal vorweg zu sagen: Der Roman ist für mich jetzt keine literarische Offenbarung, aber so schlecht und schlimm, wie viele sagen, fand ich den Roman jetzt auch nicht.
Erzählt wird der Roman aus der Sicht von Christine, die im Grunde an einer ausgewachsenen Despression leidet. Sie ist verheiratet und hat eine kleine Tochter – kann aber weder zu Mann noch Kind eine Beziehung aufbauen. Eigentlich bekommt sie gar nichts auf die Reihe. Den lieben langen Tag macht sie kaum etwas anderes als schlafen oder befördert sich mithilfe von Alkohol und Drogen in einen komatösen Zustand. Um sie im Haushalt zu unterstützen stellt ihr Mann eine junge Studentin als Babysitterin und Haushaltshilfe ein. Marie kann nicht nur alles, sondern sieht auch noch super aus. Bevor ihr Mann sie kriegt, denkt Christine, nimmt sie sie doch lieber selber. Und schon bald befinden sich Marie und Christine auf einer unmoralischen Reise mit einem gefährlichen Ziel.
Obwohl Christine doch recht traumwandlerisch durchs Leben geht, sind ihre Gedanken aber keinesfalls einschläfernd. Im Gegenteil: Christines Gedanken sind sogar recht erfrischend und unterhaltsam. Dazwischen hat sie auch immer mal wieder Gewaltphantasien, die aber zum Teil viel zu absurd und übertrieben daher kommen, um sie als wirklich brutal zu bezeichnen. So ähnlich wie bei einem Tarantino-Film eben. Getragen wird die Geschichte auch von ein paar ganz netten, witzigen Ideen: So darf Christine beispielsweise keinen Sport machen, weil ihr Ehmann Leute, die Sport machen, schrecklich findet. Weil sie aber zunimmt, macht Christine heimlich Sport und muss sich dafür, wie bei einem heimlichen Date, aus dem Haus schleichen. Ihre Bauchmuskeln versteckt sie sorgfältig unter ihrem Bauchfett. Ein bisschen versext ist das Buch natürlich auch, aber auch das fand ich im Rahmen und nicht wirklich abstoßend. Es geht halt um das Thema Sex unter Frauen und Kontrollfantasien – alles keine Tabuthemen mehr.
Über die Sprache lässt sich bestimmt streiten. Der Schreibstil ist schon ein bisschen frei Schnauze und eher minimalistisch. Die Sätze sind kurz und generell bedient sich Charlotte Roche dem etwas dümmlichen Jugendsprech, wie wir ihn von Instagram, Youtube und Co. kennen. Das war für mich anfangs zwar gewöhnungsbedürftig, aber nicht so störend, um das Buch deswegen schlechter zu finden. Und um ehrlich zu sein, ist mir so etwas allemal lieber, als die aufgesetzte, pseudorebellische und pseudointellektuelle Sprache, derer sich andere Autoren ähnlicher Werke oft bedienen (z.B. Helene Hegemann in Axolotl Roadkill). Zu der Figur Christine und ihren Gedanken hat die Sprache meiner Meinung recht gut gepasst und sie sehr authentisch gemacht.
In der Summe also ein recht guter, wenn auch spezieller Roman, in dem es im Grunde um unglückliches Mutterdasein geht – ein Thema, das momentan auch noch recht aktuell ist - man denke nur an #regrettingmotherhood.