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Veröffentlicht am 30.09.2022

Behind the Scenes in Windsor Castle

Das Windsor-Komplott
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"Das Windsor Komplott" ist ein gemütlicher, sehr lesbarer Krimi, der sehr stark von seinen beiden Protagonistinnen lebt: Die Queen, über die man trotz ihrer allgegenwärtigen Präsenz doch wenig genug weiß, ...

"Das Windsor Komplott" ist ein gemütlicher, sehr lesbarer Krimi, der sehr stark von seinen beiden Protagonistinnen lebt: Die Queen, über die man trotz ihrer allgegenwärtigen Präsenz doch wenig genug weiß, um einem Autor zu gestatten so einiges auf Basis der verfügbaren Hintergrundinformationen dazu zu erfinden und die junge Rozie, die versucht ihrer Chefin zur Seite zu stehen und zuzuarbeiten. Das ungleiche Gespann ermittelt nun in einem leider etwas verworrenen Fall, der den Chef des Geheimdiensts schlecht aussehen lässt, Prince Philip ärgert und dessen Zusammenhänge sich auch am Ende des Romans leider nicht so ganz erschließen.

Zu Beginn kommt die Handlung noch ganz logisch und nachvollziehbar daher: ein Russe wird ermordet - das können nur die Russen gewesen sein, um ein Zeichen zu setzen! Doch sehr bald zerfasert der Krimi-Plot und auch wenn die Bezüge der einzelnen Handlungsteile noch deutlich sind, so verschwimmt das eigentliche Motiv für die Verschwörung doch immer weiter im Dunkeln - es hat leider den Anschein, als ob die Autorin irgendwie selbst nicht so genau wusste, wie sie den Plot zu einem vernünftigen Ende bringen sollte. Mit der Handlung verschwindet auch Rozie mehr und mehr an der Seitenlinie und wird eher nur noch dann und wann von der Reservebank geholt.

Dazu kommen leider so einige Unwägbarkeiten in der deutschen Übersetzung - es ist kein gutes Zeichen, wenn auf der Sinnebene so einiges "Lost in Translation" gerät oder wenn man durch wortwörtliche Rückübersetzung dahinter kommt, was gemeint ist.

Insgesamt ein durchaus vergnüglicher Lesespaß, der aber mit so einigen Schwächen zu kämpfen hat.

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Die Waise von Kirchheim

Gretas Erbe
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„Gretas Erbe“ ist ein großes und welcher Art bzw. wem sie dieses Erbe zu verdanken hat, daran besteht schon sehr früh im Roman kein Zweifel – dies ist leider dem Spannungsbogen nicht sonderlich zuträglich, ...

„Gretas Erbe“ ist ein großes und welcher Art bzw. wem sie dieses Erbe zu verdanken hat, daran besteht schon sehr früh im Roman kein Zweifel – dies ist leider dem Spannungsbogen nicht sonderlich zuträglich, ebenso wenig wie die sehr klar definierte Liebesgeschichte zwischen Greta und Robert, dem Sohn der Pflegefamilie, in der sie. Leider hat Robert im Verlauf der Geschichte keine echten Nebenbuhler, denn Gretas Herz ist fest an ihn vergeben – auch das ist ebenso von Beginn an klar, wie das Robert sich gleichermaßen für Greta interessiert wie sie für ihn. Die Dramatik der Story muss also anderweitig hergestellt werden und wird daher aus der der Beziehung feindlich gesinnten (Pflege-)Familie und zahlreichen Missverständnissen zwischen den Liebenden generiert. Ansonsten erinnert der Plot sehr stark an Aschenputtel. Greta ist das ungeliebte Pflegekind, dass von der Familie Hellert nach allen Regeln der Kunst als kostenlose und fügsame Arbeitskraft ausgenutzt wird. Greta wird vor allem beim Weinanbau eingesetzt und so erfährt der Leser ganz nebenbei zahlreiche interessante Details der Weinlese. Allerdings dehnt sich die Handlung auch immer wieder sehr in die Länge, viele Episoden gleichen sich und bestimmte Versatzstücke der emotionalen Befindlichkeit Gretas werden immer und immer wieder wiederholt, sodass man so manches Mal das Gefühl hat sich im Kreis zu drehen. Auch ihren Zusammentreffen mit Robert fehlt mitunter die Variation. Unbefriedigend oder aber auch überraschend ist außerdem die Tatsache, dass eigentlich im Text angelegte Elemente nicht ganz zu Ende geführt werden, wie z.B. Gretas Wunsch, das Abitur zu machen.
Bei der Figurenkonzeption muss man feststellen, dass Greta etwas zu strahlend, märchenhaft schön und engelsgleich gut geraten ist. Fast nie durchzuckt ein abschätziger Gedanke ihren Geist, sie setzt sich kaum zur Wehr, kämpft gegen Eifersucht, da Eifersucht keine Zierde ist, ihr einziger Traum ist, von ihrer Pflegefamilie als eine der ihren anerkannt zu werden. Da muss ich mich allerdings schon stark fragen, warum. Denn selbst wenn man die Ungleichbehandlung und „Versklavung“ Gretas außer Acht lassen würde, bliebe immer noch die Tatsache, dass die Hellerts ein äußerst unsympathischer, engstirniger, bigotter, unsympathischer und noch dazu sehr eindimensionaler Haufen sind, denen man eigentlich schnellstmöglich den Rücken kehren sollte. Daran können weder der überaus egoistische Robert noch der sensible Matse etwas ändern.

Aber auch wenn die Handlung oftmals vorhersehbar ist, die Figuren sehr einfach konzipiert sind und die zeitgeschichtlichen Einsprengsler doch recht bemüht wirken, habe ich „Gretas Erbe“ gern gelesen und auch gemocht. Es hat etwas Märchenhaftes und die Geschichte eines jungen Mädchens, das quasi alle gegen sich hat und diesen Widerstand immer wieder überwindet, bietet eine nette Alltagsflucht. Ich hadere allerdings noch ganz schwer mit den Optionen, die das Ende andeutet – das erscheint mir doch zu nah am Märchen oder Groschenroman und völlig unrealistisch – aber bis dahin war es bis auf die eine oder andere Länge gute Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 14.03.2022

Der kleine Schmerz und die Wahrheit

Die dritte Hälfte eines Lebens
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Anna Herzigs Kurzroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ könnte viel erzählen, entscheidet sich dann aber für das Schicksal des Steinlachner Sepp, dessen Leben aufgrund seines Status als uneheliches Kind ...

Anna Herzigs Kurzroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ könnte viel erzählen, entscheidet sich dann aber für das Schicksal des Steinlachner Sepp, dessen Leben aufgrund seines Status als uneheliches Kind und seiner Hautfarbe von den Bewohnern des Dorfes Krimmwing so zur Hölle gemacht wird, dass er eines Tages beschließt, dem Ort den Rücken zu kehren. Die genauen Umstände seines Verschwindens sind weniger klar als die Bedingungen seiner Rückkehr, aber die Dorfgemeinschaft hat so einiges darüber gehört und deshalb viel dazu zu sagen.

Dieser Roman hat sich der Ausleuchtung des „kleinen Schmerzes“ verschrieben, der eigentlich ein ganz großer ist und durch die bigotte Haltung der „normalen“ Dorfbewohner verursacht wird, die die Wahrheit dehnen, wenden und ignorieren, solange sie die Außenseiter, diskreditiert. Auf diese Weise macht der Roman auf die Enge und Begrenzung des Lebens innerhalb einer Dorfgemeinschaft aufmerksam, er zeigt aber gleichzeitig auch, dass in der Andersartigkeit der Wille und die Kraft zur Freiheit und Ablösung ruht, zum Aufbruch in "die dritte Hälfte eines Lebens". Neben diesem Thema zerrt der Roman auf recht subtile Weise auch die zentrale Frage nach Wahrheit und Lüge bzw. Gerücht in den Mittelpunkt und spielt auf diese Art und Weise vor allem im zweiten Teil auf amüsante Weise Katz und Maus mit dem Leser.

Handlungstechnisch wird der Roman hierdurch allerdings recht verwirrend und lässt einen zeitweise etwas orientierungslos und ratlos zurück – sicherlich das Ansinnen des Vexierspiels mit der Wahrheit, das aber immerhin für ein gelungenes Ende sorgt. Problematisch sind auf den ersten Blick auch manchmal grotesk anmutenden Szenen, die ihren Ursprung jedoch in der Gerüchteküche nehmen. Sprachlich ist der Roman in Teilen fast lyrisch, der Autorin gelingen ein paar wirklich fabelhafte Bilder, für Schmunzeln und Sprachgenauigkeit sorgen die sehr sporadisch eingestreuten englischen Sätze.

Wenn man an dem Roman etwas kritisieren kann, dann ist es wohl sein klares didaktisches Ansinnen, die Einseitigkeit seiner Ausrichtung und vielleicht seine sehr simple Einteilung der Personen in „gut“ und „böse“. Da erwartet man von einem Roman mit erwachsener Zielgruppe doch etwas mehr Raffinesse.

Insgesamt jedoch eine gelungene Leseherausforderung, die jedoch etwas eigenwillig und daher vielleicht nicht für jeden gleichermaßen geeignet ist.

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Veröffentlicht am 22.03.2021

Von der Amöbe bis zum Schwarzen Loch

Die Erfindung der Welt
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Ich bin einfach überwältigt, allerdings meine ich das – genau so wenig wie Thomas Sautner die allermeisten Aussagen in seinem Roman – nicht im augenscheinlichen Sinne. Stattdessen lässt mich der Roman ...

Ich bin einfach überwältigt, allerdings meine ich das – genau so wenig wie Thomas Sautner die allermeisten Aussagen in seinem Roman – nicht im augenscheinlichen Sinne. Stattdessen lässt mich der Roman mit einem Gefühl von „das war alles viel zu viel, aber eigentlich doch irgendwie gar nichts“ zurück. So ist der Auftakt des Romans nahezu genial und einfach überragend. Die Schriftstellerin Aliza Berg erhält einen ominösen Brief mit der Bitte, einen Roman über das Leben zu schreiben. Alizas Auseinandersetzung mit dem Schreiben, ihre Art nach literaturwissenschaftlicher Manier jedem Wort und jedem Satzzeichen der Aufforderung einen tieferen Sinn abzutrotzen, ist meisterhaft und wahnsinnig unterhaltend. Ebenso grandios werden ihre Ankunft in Litstein, dem Ort in dessen Nähe der Auftragsroman angesiedelt sein soll, sowie ihre ersten Begegnungen mit den eigenwilligen und interessanten Figuren dieser Gemeinde geschildert. Wäre es so weitergegangen, hätte ich diesen Roman für immer bei mir getragen.

Stattdessen schwingt sich der Roman jedoch hinauf in die weiten Sphären des Universums, in existenzielle Problemstellungen und verliert sich in das Leben, den Sinn des Lebens, des Liebens und das Dasein hinterfragenden Episoden und Anekdoten. Er wird bevölkert von Figuren, die da oder doch nicht anwesend sind, und zerrinnt in metaphysisch anmutenden Betrachtungen. Die Handlung bleibt dabei naturgemäß nahezu auf der Strecke, während die Figurenentwicklung auf dem Altar des Universums geopfert wird. Ab einem gewissen Punkt verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Imagination, nichts ist mehr so greifbar und bodenständig wie die entschlossen klackernden Absätze von Alizas Schuhen auf dem Trottoir noch zu Beginn (S. 31). Dies ist allerdings gar nicht schlimm, denn ich unterstelle, dass der Roman den Leser verwirren, infrage stellen und zum tieferen Nachdenken anregen möchte, und dies gelingt ihm auf ganzer Linie. Da der Text darüber hinaus sprachlich ein Genuss ist, ist die Lektüre reizvoll und auch die Haptik des Buches mit sinnvoll auf den Inhalt bezogenem Titelfoto, ungewöhnlichem Format und rosa Lesebändchen macht viel Freude.

Dennoch: der Gesamteindruck, der mich am Ende des Romans begleitet ist, dass der Autor sich mit seiner Parabel der Unmöglichkeit die Gesamtheit des Lebens zwischen zwei Buchdeckel zu bannen, ebenso scheitert, wie Aliza selbst – der Kniff, der aus dem Roman wieder ein kleines Kunstwerk macht, ist jedoch gerade diese Erkenntnis: Sautner hat versucht, einen Roman über die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens zu schreiben und tappt dabei in die Falle, die er seiner Romanfigur stellt – aber vielleicht ist genau das so gewollt.

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Veröffentlicht am 05.12.2020

Begierde und Tod

Mr. Crane
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Mr. Crane also: eines der großen Talente der amerikanischen Literatur, sehr früh mit Ende 20 an TB verstorben. Doch wer nun ein Psychogramm des Autors am Ende seines Lebens erwartet, wird sich wundern. ...

Mr. Crane also: eines der großen Talente der amerikanischen Literatur, sehr früh mit Ende 20 an TB verstorben. Doch wer nun ein Psychogramm des Autors am Ende seines Lebens erwartet, wird sich wundern. Eigentlich müsste der Roman vielmehr „Schwester Elisabeth“ heißen, denn nicht Mr. Crane, sondern die Entwicklung und Entfaltung der ihn 1900 in Badenweiler pflegenden Krankenschwester steht im Zentrum dieses sprachlich sehr wunderbaren Romans.

Während des auf zwei Zeitebenen erzählten Geschehens durchlebt Schwester Elisabeth nochmals die für sie alles definierenden Tage im Sommer 1900, die sie zu der Figur werden lassen, die sie am Ende des Buches ist. Auch wenn der Roman vermutlich keinen feministischen Ansatz verfolgt: am Ende des Tages setzt er ein Ausrufezeichen hinter die Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Frau. Irritierenderweise geht dieser Effekt auf Kosten der Protagonistin, die man zu Anfang der Geschichte als sympathische, fürsorgliche und etwas einsame Pflegerin wahrnimmt und am Ende als manipulativen und egozentrischen Charakter erkennt, die auf ihrem Weg den berühmten Autor zu einem Objekt ihrer Bedürfnisse macht. Diese Art der negativ verlaufenden Sympathielenkung findet man nicht häufig, sie ist hier der schonungslosen, ungefilterten Innensicht auf Elisabeths Gedanken und Emotionen geschuldet, auf ihr zielgerichtetes Vorgehen, ihre eigenen Wünsche erfüllt zu sehen. Unbequem wird Elisabeth als Figur vermutlich für den Leser auch dadurch, dass sie im Kontext ihrer Zeit „unangepasst“ wirkt und sich in ihrer Figur eine Vertauschung der Geschlechterrollen anbahnt. Während Crane immer schwächer und abhängiger wird, wird sie dominanter und rücksichtsloser in ihrem Handeln. Auch wenn Elisabeth also nicht meine Gunst erlangt, so ist sie als Figur sehr gut konzipiert.

Schwierigkeiten bereitete mir der obsessive Charakter der Beziehung zwischen Crane und Elisabeth. Ich mag dieses Verhältnis nicht als „Liebe“ bezeichnen, dazu war mir das Verhältnis zu „oversexed“. Sicherlich macht dieser Fokus Sinn, wenn es um die Idee einer Befreiung aus einer restriktiven Gesellschaft und Normenwelt geht, aber gestört hat es mich in dem Ausmaß den es hier einnahm dennoch – aber das ist selbstverständlich Geschmackssache.

Die wundervolle Sprache des Romans, die sehr gelungen und sinnvoll platzierten Bilder, haben mich jedoch begeistert und durch den Text getragen. Wortwahl und Stil haben mich von Anfang an in ihren Bann geschlagen. Was die Art des Schreibens angeht, gehört der Roman zu meinen Lieblingsbüchern in diesem Jahr – aber leider konnte die Story mich nicht ganz so abholen.

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