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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.06.2017

Exotisch, unterhaltsam, romantisch

Der Mondscheingarten
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Ihr reist gerne in die Vergangenheit, seid fasziniert von exotischen Orten und deckt gerne Familiengeheimnisse auf? – Dann ist „Der Mondscheingarten“ genau das richtige Buch für euch. In Corina Bomanns ...

Ihr reist gerne in die Vergangenheit, seid fasziniert von exotischen Orten und deckt gerne Familiengeheimnisse auf? – Dann ist „Der Mondscheingarten“ genau das richtige Buch für euch. In Corina Bomanns gefühlvollem Roman dreht sich alles um eine alte, sehr außergewöhnliche Geige, die die Antiquitätenhändlerin Lilly eines Tages von einem Fremden einfach so geschenkt bekommt. Weil sie unbedingt wissen will, woher diese Geige stammt, macht sich Lilly kurzentschlossen auf zu ihrer besten Freundin, die in London lebt und Musikinstrumente restauriert. Bald finden sie heraus, dass die Geige vor mehr als hundert Jahren der Stargeigerin Rose Gallway gehörte, bis Rose eines Tages plötzlich verschwand. Fasziniert vom Schicksal der Geigerin begibt sich Lilly auf deren Spuren, die sie bis nach Sumatra führen. Mir hat dieser Roman außerordentlich gut gefallen. Bomann schreibt sehr angenehm, gefühlvoll und vor allem szenisch. Die Charaktere – vor allem Lilly und Rose – sind sehr detailliert gezeichnet und man kann sich wirklich gut in sie hineinversetzen. Abwechselnd begleitet der Leser Lilly bei ihren Nachforschungen und erfährt welches Schicksal Rose ereilt hat. Nebenbei lernt man auch noch ein bisschen etwas über die Kolonialzeit in Indonesien Anfang des 20. Jahrhunderts. Obwohl es vielleicht schon ein paar viele Zufälle gibt, hat es Bomann geschafft, die Geschichte so zu konstruieren, dass sie nie unlogisch wird und man einfach jede Handlung relativ gut nachvollziehen kann. Ein wunderbarer Roman über eine tragische Liebe – unterhaltsam, fesselnd und romantisch.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Politischer Roman und Familiensaga

Das Geisterhaus
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Die Geschichte einer Familie und die Geschichte eines Landes: In ihrem Erstlingsroman „Das Geisterhaus“ erzählt Isabel Allende über vier Generationen – von circa 1915 bis in die 1980er Jahre – die Geschichte ...

Die Geschichte einer Familie und die Geschichte eines Landes: In ihrem Erstlingsroman „Das Geisterhaus“ erzählt Isabel Allende über vier Generationen – von circa 1915 bis in die 1980er Jahre – die Geschichte der Familie Trueba. Ihren Aufstieg und ihren Fall. Der Roman ist aber auch eine Chronik der Ereignisse in Chile im 20. Jahrhundert. Eine besondere Rolle spielt vor allem der Militärputsch 1973, bei dem der drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Präsident gestürzt wurde. Im Mittelpunkt des Romans steht Esteban Trueba, der tyrannische Patriarch. Esteban stammt aus einfachen Verhältnissen und kommt durch harte Arbeit als Goldgräber zu Vermögen. Als Großgrundbesitzer bekämpft er die Arbeiterbewegung und beginnt durch seinen Jähzorn, seine Sturheit und seine Machtbesessenheit nach und nach auch seine Familie zu zerstören. Mit seinem Verhalten besiegelt er auch das Schicksal seiner Frau Clara, seiner Tochter Blanca und schließlich seiner Enkelin Alba, die der Leser ebenfalls begleitet. Ich muss zugeben, dass ich ein paar Seiten gebraucht habe, um in die Geschichte hineinzufinden. Gerade den etwas mystischen Part fand ich anfangs befremdlich: So kann Clara in die Zukunft sehen und ihre Schwester Rosa hat grünes Haar. Schwierig fand ich zu Beginn auch die Erzählperspektive: Auf der einen Seite ist Enkelin Alba die auktoriale Erzählerin der Geschichte, es gibt aber auch Passagen, die aus Estebans Sicht in Ich-Perspektive erzählt werden. Diesen Perspektivenwechsel fand ich zunächst sehr verwirrend, vor allem, weil man von Alba erst recht spät im Buch erfährt und anfangs also gar nicht weiß, wer denn jetzt hier erzählt. Und noch ein dritter Punkt hat mich gestört: Allende verwendet kein einziges Mal im Roman Jahreszahlen – man muss sich also irgendwie selbst anhand der beschriebenen Ereignisse zusammenreimen, in welchem Jahr man sich gerade circa befindet. Nichts desto trotz hat mich der Roman aber nach ein paar Seiten doch sehr gefangen genommen und am Ende war ich ziemlich begeistert. Das liegt zum einen an der wirklich grandiosen Handlung und auch an Allendes Schreibstil. Sie schreibt sehr bildhaft und poetisch und hat es irgendwie geschafft, dass die Geschichte noch sehr lange in mir nachgeklungen ist. Trotz der doch recht tragischen und düsteren Handlung, gelingt es ihr immer mal wieder einen sehr feinen Humor einfließen zu lassen. Sehr gelungen ist auch ihre Charakterzeichnung der Figuren – sie bekommen dadurch etwas sehr Menschliches, Authentisches. „Das Geisterhaus“ ist durchaus lesenswert: ein intelligenter, politischer Roman und eine fesselnde, dramatische, todtraurige Familiensaga.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Der Untergang des Osmanischen Reichs

An den Ufern des Bosporus
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1918 – der 1. Weltkrieg ist zu Ende und Europa jubelt. In der Türkei jedoch ist der Schrecken noch nicht vorbei. Das Land gehört zu den Besiegten und Istanbul wird von den Siegermächten belagert, die die ...

1918 – der 1. Weltkrieg ist zu Ende und Europa jubelt. In der Türkei jedoch ist der Schrecken noch nicht vorbei. Das Land gehört zu den Besiegten und Istanbul wird von den Siegermächten belagert, die die Stadt untereinander aufteilen. Das Osmanische Reich scheint dem Untergang geweiht. Dieser wechselvollen, aufrührenden Zeit widmet sich Theresa Révay in ihrem Roman „An den Ufern des Bosporus“. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Leyla. Sie ist die Frau von Selim Bey, dem Sekretär von Sultan Mehmed VI. und lebt behütet mit ihren Kindern und ihrer Schwiegermutter in einem traditionellen Harem. Doch dann wird das prächtige Stadthaus der Familie von den Siegermächten beschlagnahmt und Selim wird gezwungen, einen französischen Offizier aufzunehmen. Derweil engagiert sich Leylas Bruder Orhan im Widerstand und bringt eines Tages einen verwundeten Kameraden ins Haus seines Schwagers, den Leyla heimlich gesund pflegen soll. Eine dramatische Liebegeschichte bahnt sich an und plötzlich findet sich Leyla selbst mitten im Widerstand.

Révay erzählt die Geschichte des Osmanischen Reichs nach dem 1. Weltkrieg und die grundlegenden Veränderungen für die Menschen sehr detailliert und eindringlich. Sie schildert, wie die verschiedenen Kulturen in Istanbul aufeinanderprallen, erzählt von den ersten Revolten, die aufflammen, bis hin zur Abschaffung des Sultanats 1922 und der Entstehung der heutigen Türkei. Auch die Lebensweise der Türken und ihre strengen Traditionen werden gut erklärt. Man merkt einfach, dass Révay wahnsinnig gut recherchiert hat. Mit Leyla haben wir eine starke Protagonistin, die zwar noch die alten Traditionen ihres Landes lebt, aber auch vom Anbruch der neuen Epoche fasziniert ist und sich von einem modernen Zeitgeist mitreißen lässt. Révay schreibt sehr flüssig, lebendig und bildhaft. Die Schauplätze – wie Istanbul oder die Landschaft Anatoliens – werden so bunt beschrieben, dass man glaubt, selbst dort zu sein. Weil Révay allerdings sehr viele historische Fakten in die Geschichte einbindet, wird der Lesefluss dadurch manchmal ein wenig gehemmt und auch die Schicksale der Protagonisten - so facettenreich und dramatisch sie auch sind - rutschen manchmal etwas arg in den Hintergrund. Nichts desto trotz ist „An den Ufern des Bosporus“ aber ein interessanter historischer Roman, bei dem man noch einiges dazulernt. Auf jeden Fall kann ich den Roman allen empfehlen, die sich für türkische Geschichte interessieren. Alle, die den Fokus des Romans auf der Liebesgeschichte erwarten – das suggerieren Klappentext und Cover nämlich – werden wohl eher enttäuscht sein.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Wer hat Nola getötet?

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
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Ein Buch im Buch, eine unmögliche Romanze, ein Kriminalfall, Gesellschaftsdrama und Kritik am Literaturbetrieb: Joel Dicker hat für seinen preisgekrönten Bestellseller-Roman einen außerordentlichen Mix ...

Ein Buch im Buch, eine unmögliche Romanze, ein Kriminalfall, Gesellschaftsdrama und Kritik am Literaturbetrieb: Joel Dicker hat für seinen preisgekrönten Bestellseller-Roman einen außerordentlichen Mix zusammengestellt – der durchaus lesenswert und unterhaltsam ist, aber ein paar kleine Schwächen hat.

Marcus Goldman, ein aufstrebender New Yorker Schriftsteller, leidet an einer Schreibkrise und sucht deshalb Hilfe bei seinem ehemaligen Professor, dem berühmten Autor Harry Quebert. Dieser lebt recht zurückgezogen im Städtchen Aurora in New Hampshire. Dann wird in Queberts Garten eine Mädchenleiche gefunden. Es handelt sich um die 15-jährige Nola, die 1975 spurlos verschwand. Das Pikante: Der damals 35-jährige Quebert hatte ein Verhältnis mit Nola. Quebert wird zum Hauptverdächtigen, sein Ruf ist ruiniert und ihm droht die Todesstrafe. Marcus glaubt aber an die Unschuld seines Mentors und begibt sich nun auf Spurensuche. Vordergründig wirkt „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ wie ein klassischer „Whodunit“-Rätselkrimi. Bald schon aber merkt man, dass der Roman weitaus komplexer ist: Goldmans Verleger zwingt ihn geradezu den Fall „Harry Quebert“ literarisch auszuschlachten und über seine Recherchen ein Buch zu schreiben. Nach kurzem Zögern sagt Goldman zu. Ihm bleibt ja ohnehin kaum etwas anderes übrig. Durch seine Schreibkrise ist er nämlich sowieso schon vertragsbrüchig geworden und ihm drohen Schadensersatzforderungen seitens des Verlags, wenn er nicht bald ein neues Manuskript abliefert.

Durch die verschiedenen Erzählstränge, die der Roman hat, schafft es Dicker auch noch sehr ironisch den Literaturbetrieb und die Vermarktungsmechanismen der Buchbranche zu kritisieren. Und auch Themen wie den Preis des Erfolgs zu behandeln oder die Frage, was Menschen bereit sind alles zu machen, um ein bestimmtes Bild in der Gesellschaft zu wahren. Wirklich gelungen sind der Aufbau und die Dramaturgie des Romans. Mit Hilfe von Rück- und Vorblenden wird der Kriminalfall langsam aufgedröselt, doch immer wenn der Leser denkt, zu wissen wer der Täter ist, kommt doch wieder alles ganz anders. Trotz der vielen Wendungen und Erzählstränge wird die Geschichte aber nie unlogisch und Dicker verliert auch nie den roten Faden.

„Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ ist durchaus ein spannendes, unterhaltsames Lesevergnügen; warum der Roman aber bei Erscheinen so hochgejubelt wurde, kann ich nicht verstehen. Dafür waren mir die Figuren zu wenig ausgearbeitet und die Geschichte hätte durchaus verdichteter erzählt werden können, so gibt es doch immer wieder ein paar unnötige Wiederholungen. Auch sprachlich war der Roman nichts Besonderes – aufgrund der vielen guten Kritiken hätte ich da etwas Elaborierteres erwartet. Möglicherweise gefällt der Roman so gut, weil man auf recht viel bekanntes trifft. So hat der Roman Anklänge von Nabokovs „Lolita“. Es gab aber auch Szenen die mich an „Clockwork Orange“, „Catch me if you can“ und „Mord ist ihr Hobby“ denken ließen. Alles in allem: Herausragend fand ich den Roman nicht, er hat aber Unterhaltungswert.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Hexenwahn in der frühen Neuzeit

Hexenliebe
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Der gefühlt tausendste Hexen-Roman auf dem Buchmarkt und dazu noch mit so einem kitschigen Titel – das waren meine ersten Gedanken, als ich den Debütroman von Marita Spang entdeckt habe. Aufgrund der vielen ...

Der gefühlt tausendste Hexen-Roman auf dem Buchmarkt und dazu noch mit so einem kitschigen Titel – das waren meine ersten Gedanken, als ich den Debütroman von Marita Spang entdeckt habe. Aufgrund der vielen guten Rezensionen und weil mich das Thema „Hexenverfolgung“ seit Jahren sehr interessiert, wollte ich dem Buch dann aber doch eine Chance geben. Eines kann ich schon mal sagen: Ich wurde nicht enttäuscht, der Roman hat meine Erwartungen sogar übertroffen.

Marita Spangs Roman beruht auf wahren historischen Begebenheiten beziehungsweise auf einer Legende aus Neuerburg bei Trier. Es ist das Jahr 1613 und rund um die Herrschaft Neuerburg werden erbarmungslos Hexen verfolgt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die kleine Eifelherrschaft selbst scheint aber noch vom Hexenwahn verschont. Bis eines Tages die Tochter des Landesvaters Wilhelm von Leuchtenberg Opfer eines Anschlags wird. Auf der Suche nach einem Schuldigen wird nun auch in Neuerburg die Hexenverfolgung gnadenlos vorangetrieben. Claudia, die kluge Nichte des Landesvaters, muss hilflos mit ansehen, wie Unschuldige der Hexerei angeklagt und gefoltert werden. Mit ihren Verbündeten ersinnt sie schließlich einen gefährlichen Plan, um das System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Marita Spang schreibt sehr fesselnd, atmosphärisch und eindringlich. Sprachlich hat sie sich der damaligen Zeit angepasst, was den Roman besonders authentisch macht. Die Protagonisten sind alle sehr detailliert ausgearbeitet und handeln glaubhaft. Spang hat zudem auch extrem gut recherchiert und kann dem Leser somit sehr viel Hintergrundwissen zum Thema „Hexenwahn und Hexenverfolgung“ liefern. Besonders gut und nachvollziehbar wird dargestellt, wie es denn überhaupt zu diesem extremen Hexenwahn und den Verfolgungswellen in der frühen Neuzeit kommen konnte. So sind es im Jahr 1613 Unwetter, Missernten und Kälteeinbrüche, die für Unmut und Existenzängste in der Bevölkerung sorgen. Dazu kommen noch Seuchen, die durch mangelnde Hygiene ausbrechen. Auch der bald nahende dreißigjährige Krieg ist schon zu spüren. Schuld an all dem Leid seien Zauberer und Hexen, glaubten die Menschen.

Spang räumt auch mit dem Vorurteil auf, dass allein die katholische Kirche Treiber der Hexenverfolgung war oder dass die Opfer fast nur kräuterkundige Frauen waren. Die Verfolgung geschah auch aus der Bevölkerung heraus und es konnte im Prinzip jeden treffen, willkommene Opfer waren nicht selten wohlhabende Bürger. Denn auch Geldgier spielte eine große Rolle bei der Hexenverfolgung, wurde doch der Besitz der verurteilten Menschen eingezogen. Gerade die Hexenmeister verdienten nicht schlecht daran.

„Hexenliebe“ ist ein gut recherchierter, packender historischer Roman, der den Leser in die frühe Neuzeit entführt und ein düsteres Stück deutsche Geschichte aufzeigt.