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Veröffentlicht am 28.04.2022

Wurzeln und Flügel

Liebe, schmetterlingsbunt
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Allein mit der Mutter groß geworden, hat sich Ella eine kleine, hübsche Wohnung eingerichtet und arbeitet Seite an Seite mit ihrer besten Freundin in einer Werbeagentur. Umso erstaunter ist sie, als sie ...

Allein mit der Mutter groß geworden, hat sich Ella eine kleine, hübsche Wohnung eingerichtet und arbeitet Seite an Seite mit ihrer besten Freundin in einer Werbeagentur. Umso erstaunter ist sie, als sie eines Tages ein Päckchen in der Post findet: ihr Vater, der die Familie verlassen hat und an den sie sich kaum erinnern kann, ist schwer krank und lädt sie nach so langer Zeit auf sein Gut in England ein. Trotz widerstrebender Gefühle packt sie die Neugierde und schon sitzt sie im Flieger von Berlin nach Manchester. Wird sie dort wieder eine Bindung zu ihrem verloren geglaubten Vater aufbauen können?

Vom Titelbild weg fesselt dieser warmherzige Roman mit stimmungsvollen Bildern, rauer, aber erholsamer Landschaft und zutiefst empathischen Menschen. Trotz allem Leid, das zur Sprache kommt, strahlt immer ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke, so „dass das Leben uns selten etwas zumutet, was wir nicht irgendwie ertragen können.“ (kindle, Pos. 2045) So bunt und vielfältig wie die bereits im Titel flatternden Schmetterlinge ist die Gefühlswelt, die Hannah Juli hier thematisiert. Vordergründig oder aber auch in manchen Bereichen nur angedeutet, geht es um die Wahrheit im Leben, auch wenn sie auf den ersten Blick falsch aussieht und verletzt, einen bunten Regenbogen von der Geburt bis zum schmerzhaften Tod.

Wie bereits in „Liebe, lavendelblau“ berührt die Autorin den Leser ohne jemals in Kitsch abzudriften, wählt sie ihre Worte mit Bedacht und beschreibt einen spürbaren und recht abwechslungsreichen Reigen von Misstrauen und Liebe, Angst und Geborgenheit, Trauer und Zuversicht. Mit ihren Figuren schafft sie reale und vorstellbare Charaktere, denen man gerne im realen Leben begegnen möchte, egal, ob es sich um den etwas distanziert wirkenden Gutsverwalter Edward handelt, dessen zupackende Mutter Agatha, die zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einer Kanne Tee aufwartet, den bodenständigen Schafhirten Todd oder den herzlichen, aber immer wieder in sich gekehrten Künstler Jacob, Thomas und Ella nicht zu vergessen. Ein jeder trägt „sein Päckchen“, es ist nicht einfach, sich allen Widrigkeiten im Leben zu stellen. Manchmal braucht es auch einen ordentlichen Schubs, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen und nach vorne zu schauen.

Trotz vorhersehbarer Ereignisse gibt es spannende Überraschungen, fesselt der Roman durch sprachliche Gewandtheit und bunte, lebendige Szenen. Abwechselnd stehen einem als Leser Tränen in den Augen, streift Gänsehaut über die Arme oder zaubert sich ein freudiges Lächeln ins Gesicht. Kurzum, Hannah Juli schafft es auch diesmal, mit Leichtfüßigkeit und Heiterkeit ernsthafte Themen aufs Papier zu bringen und mit ihren farbenfrohen, filigranen Schmetterlingen Verletzlichkeit, aber auch Trost und Lebensfreude zwischen die Seiten zu pinseln. Ein herzliches Dankeschön für zu Herzen gehende und gleichzeitig vergnügliche Lesestunden!



Titel Liebe, schmetterlingsbunt

Autor Hannah Juli

ISBN 978-3-548-06441-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 368 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 28. April 2022

Verlag Ullstein Taschenbuch Verlag

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.04.2022

Ein Strand mit Haken

Der Tod macht Urlaub in Schweden
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Im südschwedischen Österlen will Immobilienmaklerin Jessie Anderson eine Reihen von Luxusvillen bauen, die allerdings laut vielen Einheimischen ganz und gar nicht ins Ortsbild passen. Als Anderson eines ...

Im südschwedischen Österlen will Immobilienmaklerin Jessie Anderson eine Reihen von Luxusvillen bauen, die allerdings laut vielen Einheimischen ganz und gar nicht ins Ortsbild passen. Als Anderson eines schönen Tages tot im Musterhaus aufgefunden wird, stellt sich die Frage, ob es sich um einen Unfall handelt oder möglicherweise in Sachen Mord ermittelt werden soll. Der bekannte Stockholmer Peter Vinston, erfahrener Kriminalkommissar und eigentlich nur zur Erholung am Lande, stellt der jungen Tove Esping jedenfalls gerne seine Expertise zur Verfügung.

Blühende Landschaft mit idyllischer Bachhütte (Bäckastuga), prunkvolle Villen und gemütliche Gasthäuser laden ins schwedische Schonen ein. Der distinguierte Kriminalist im dreiteiligen Anzug und stets in penibel geputzten rahmengenähten Schuhen fällt hier besonders auf. Insbesondere Esping, die gerne selbständig ihren ersten echten Fall lösen möchte, fühlt sich durch Vinstons Anwesenheit gestört.

Fein charakterisiert und durchwegs mit Humor ein wenig überzeichnet begegnen uns nicht nur die beiden Kommissare, sondern auch etliche Personen, die ein Mordmotiv haben. Trotz ihrer Gegensätzlichkeit sind sowohl Esping als auch Vinston vom ersten Moment an total sympathisch und fachen die Neugier des Lesers an. Kriminalistische und private Szenen halten einander die Waage, bieten ausreichend Abwechslung und lassen gute Einblicke in Hintergründe und Zusammenhänge zu. Dennoch bleibt genug Spielraum für Spekulationen und Überraschungen.

Der Schreibstil der beiden Autoren ist flüssig, bildhaft kann sich der Leser die einzelnen Szenen vorstellen, da und dort entlockt das Geschehen einem ein Schmunzeln oder gar einen herzhaften Lacher. Trotz aller Spannung und einer Toten kommen Komik und Witz hier nicht zu kurz, sodass das Lesen zum wahren Vergnügen wird.

Der Tod macht Urlaub in Schweden bildet den Auftakt zu einer erfolgversprechenden Serie, die ich sehr gerne im Auge behalten werde. Fünf Sterne!



Titel Der Tod macht Urlaub in Schweden

Autor Anders de la Motte, Mans Nilsson

ISBN 978-3-426-30876-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 369 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 2. Mai 2022

Verlag Droemer

Reihe Die Österlen-Morde, Teil 1

Originaltitel Döden går på visning

Übersetzer Marie-Sophie Kasten

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.04.2022

Giovanni Segantini

Schatten im Silsersee
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Staatenlos und ohne offizielle Vermählung lebt der Maler Giovanni Segantini mit seiner Gefährtin Luigia und den gemeinsamen vier Kindern in der Schweiz. Auf der Suche nach Freiheit verschlägt es die Familie ...

Staatenlos und ohne offizielle Vermählung lebt der Maler Giovanni Segantini mit seiner Gefährtin Luigia und den gemeinsamen vier Kindern in der Schweiz. Auf der Suche nach Freiheit verschlägt es die Familie immer weiter in die Graubündener Alpen, wo die Natur noch vollkommen ist und das besondere Licht zu neuen Techniken auf Giovannis Leinwand inspiriert. Jedoch ist es nicht leicht, Anschluss zu finden im idyllischen Maloja, das von katholischen Bauern besiedelt ist. Aus gutem Gründen hält Segantini Abstand zur Kirche und marschiert lieber mit der Magd als Modell oder gar einsam und allein in die Berge, die Kinder werden vom Hauslehrer unterrichtet. Einzig der vermögende, benachbarte Käsebauer bringt regelmäßig Kostproben vorbei und wechselt ein paar Worte mit den Zugezogenen. Als gerade dieser ermordet aufgefunden wird, gerät Segantini unter Verdacht.
Malerisch und voller stimmiger Bilder präsentiert Christine Neumeyer die Pracht der Natur in den Schweizer Alpen, luftige Höhen, lockeres Geröll und inmitten der steilen Felsen farbenfrohe Blüten, dazu der Himmel mit seinen verschiedensten Schattierungen an Blau- und Grautönen. Die Freiheit, die Lebendigkeit, die Giovanni einsaugt wie ein Lebenselixier, sind so deutlich spürbar zwischen den Zeilen, dass man immer neugieriger wird auf dessen Lebensgeschichte, die hier genauestens recherchiert zu Papier gebracht wird. Geschickt flicht die Autorin auch viele historische Momente ins Geschehen ein, so begegnen wir nicht nur Klimt als Mentor Segantinis, sondern erfahren auch einiges über technische Neuerungen wie die Elektrizität, die immer mehr Einzug hält, die Industrialisierung und nicht zuletzt die Weltausstellung in Paris.
Ruhig und mit viel Atmosphäre ist der Schreibstil zu bezeichnen, detailliert und genau sind die Figuren herausgearbeitet. Die Familie des Malers ist von Anfang an ausgezeichnet vorstellbar, vom Meister höchstpersönlich bis hin zum Hund Fingal, der gerne rund um die bunten Schmetterlinge kreist.
Auch wenn die Kriminalhandlung sich nicht in den Vordergrund drängt, so ergibt sie doch zusätzliche Informationen über den Künstler Giovanni, der stets seine Familie im Mittelpunkt sieht und zeigt seinen wahren Charakter, nämlich die Ehre der Familie zu verteidigen, egal, worum es geht.
So verbinden sich also Historie, Roman und Krimi zu einem gefälligen Ganzen. Wer gerne mehr über das Leben von Giovanni Segantini erfahren möchte und Bilder der rauen rätoromanischen Natur schätzt, sowie ein wenig Rätselraten um den Mord am Käsebauern, der ist hier goldrichtig. Mich hat „Schatten im Silsersee“ jedenfalls sehr gut unterhalten, weshalb ich dieses Buch, ebenso wie „Der Offizier der Kaiserin“ (Leseprobe am Ende) gerne weiterempfehle.

Titel Schatten im Silsersee
Autor Christine Neumeyer
ISBN 978-3-7408-1477-9
Sprache Deutsch
Ausgabe Flexibler Einband, 224 Seiten
ebenfalls erhältlich als ebook
Erscheinungsdatum 19. April 2022
Verlag Emons

Veröffentlicht am 14.04.2022

Inkognito

Ostseekreuz
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Nach traumatischen Erlebnissen bucht Kommissarin Pia Korittki unter falschem Namen einige Tage in einem beschaulichen Ostsee-Kloster, um unerkannt zur Ruhe zu kommen. Aber wie das Leben so spielt, wird ...

Nach traumatischen Erlebnissen bucht Kommissarin Pia Korittki unter falschem Namen einige Tage in einem beschaulichen Ostsee-Kloster, um unerkannt zur Ruhe zu kommen. Aber wie das Leben so spielt, wird alsbald ein lebloser Mönch in den Reihen der Kirchenbänke aufgefunden. Hat er einen Herzstillstand erlitten oder liegt Fremdeinwirkung vor? Während Pia noch ihre wahre Identität geheim hält, befällt sie Sorge um einen verschwundenen Gast. Jetzt muss sie handeln, bevor es zu spät ist.

Als Korittki-Krimi-Neuling findet man sofort den Anschluss in die Geschichte, Almstädt verpackt knappe, aber völlig ausreichende Hinweise auf die Vergangenheit. Schnell erkennt der Leser, dass Pia so nicht weiter arbeiten kann. Sie braucht psychologische Unterstützung, oder zumindest Abstand und Ruhe, damit sie auch künftig als gewissenhafte und zuverlässige Ermittlerin eingesetzt werden kann.

Nach einem kurzen, aufreibenden Zwischenfall geht die Geschichte erst einmal ruhig weiter, der Leser erfährt einiges über Pia, ihren Vorgesetzten und ihr familiäres Umfeld. Das Leben im Kloster ist dem Grundsatz „ora et labora“ gewidmet, die Zahl der anderen Gäste überschaubar. Und dann der Tote – es geht los mit dem Ausschließen von Verdächtigen, der Suche nach Alibis und Motiven. Ohne es zu wollen, steckt Pia ganz plötzlich in einem neuen Fall.

Interessant gewählt hat Autorin Eva Almstädt nicht nur die betuliche Klosteratmosphäre als Rahmen, sondern auch Pias Zwiespalt zwischen unauffälligem Gast und Ermittlerin. Dadurch ergeben sich natürlich ganz andere Aspekte und Handlungsmöglichkeiten für die Kommissarin als bei ihren bisherigen Einsätzen. Der Spagat zwischen der lebhaften Polizistin Pia Korittki und dem unbedarften Gast Pia Cordes wird zunehmends schwieriger. Dazu fließen immer wieder private Szenen ins Geschehen ein.

Bildlich vorstellbar zeichnet Almstädt nicht nur das Kloster in seiner Umgebung am Ostseeufer, sondern auch Pias Kollegen, sowie die anderen, sehr unterschiedlichen Gäste und die Mönche unter ihren dunklen Gewändern. Während über etliche Kapitel viel Information an den Leser weitergegeben wird und die Polizei routinemäßig ihre Arbeit aufnimmt, kommt es insbesondere im letzten Drittel zu einer drastischen Spannungssteigerung. Das Tempo legt deutlich zu, die Seiten fliegen immer rascher dahin. Atemberaubende Szenen münden schließlich in einer nachvollziehbaren Auflösung, die nun wiederum neugierig werden lässt, wie es mit Pia künftig weitergehen wird. Auf einen 18. Band darf jedenfalls gehofft werden.

Fazit: ein sehr unterhaltsamer und abwechslungsreicher Krimi, nach dem man sehr gerne von vorne beginnen möchte mit „Kalter Grund“, um Pia Korittkis Vorgeschichte auch noch kennen zu lernen.



Titel Ostseekreuz

Autor Eva Almstädt

ISBN 978-3-404-18573-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 416 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Reihe Pia Korittki, Teil 17

Erscheinungsdatum 25. März 2022

Verlag Lübbe

Veröffentlicht am 12.04.2022

Religion und Philosophie

Das undenkbare Universum: Meister Eckhart und die Erfindung des Jetzt
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Esse est Deus (Eckhart)

Als Zwölfjähriger klopft Eckhart zögerlich ans Tor des Dominikanerklosters in Erfurt. Sein Entschluss, Wissen zu erlangen, weicht kurz der Unsicherheit, was ihn wohl hinter diesen ...

Esse est Deus (Eckhart)

Als Zwölfjähriger klopft Eckhart zögerlich ans Tor des Dominikanerklosters in Erfurt. Sein Entschluss, Wissen zu erlangen, weicht kurz der Unsicherheit, was ihn wohl hinter diesen Mauern erwartet. Wird das Leben mit den Mönchen seinen Drang, die Welt zu erkennen, Gott zu erleben, tatsächlich stillen?

Hervorragend recherchiert, präsentiert Autor Thomas Hohn das Leben und Schaffen Eckharts, vom bildungshungrigen Kind bis zum weisen Alten. Viele romanhafte Details fließen mit tatsächlichen Begebenheiten zusammen und lassen so eine wunderbare Geschichte entstehen, die flüssig und interessant zu lesen ist.

Während einige Mönche Eckhart rasch unter ihre Fittiche nehmen und ihm Mentor sind, gibt es aber auch Neider und Widersacher im Kloster. Und auch außerhalb lockt die Stadt mit allerhand Verführungen. Der Drang, alles Wissen zu sammeln und das Göttliche zu erfahren, bleibt aber lebenslang sein innerster und unumstößlicher Wunsch. So verwundert es nicht, dass Eckhart schon in jungen Jahren Sprachen lernt und schwierige Schriften studiert, Fleiß und Ehrgeiz ihn rasch auch ins Ausland reisen lassen, wo er nicht nur in Paris und Köln mit bekannten Persönlichkeiten diskutiert. Von Beginn an bis ins hohe Alter jedoch, muss er immer wieder und immer öfter seine Theorien verteidigen. Die Heilige Inquisition macht auch vor den Lehren des Meister Eckhart nicht Halt, insbesondere, weil er Religion und Philosophie zu verständlichen Denkmustern verquickt und auch das „einfache Volk“ an seinen Erkenntnissen teilhaben lässt, in deutscher Sprache seine Predigten abhält.

In lebendigen und anschaulichen Szenen dürfen wir als Leser Meister Eckhart begleiten, seinen Demütigungen ebenso beiwohnen wie seinen großen Erfolgen, seine applaudierenden Anhänger kennenlernen und mitfiebern, ob er weltlichen Verführungen widerstehen kann, wie er mit Intrigen und Verleumdungen umgeht.

Thomas Hohn versteht es meisterlich, aus geschichtlichen Tatsachen und alten Aufzeichnungen und Überlieferungen einen fesselnden Roman zu zaubern, der allen diesbezüglich interessierten Lesern nur ans Herz gelegt werden kann.



Titel Das undenkbare Universum: Meister Eckhart und die Erfindung des Jetzt

Autor Thomas Hohn

ISBN 978-3-86282-821-0

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 384 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 28. März 2022

Verlag Acabus