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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.06.2017

Die Melancholie eines Sommertags

Mein Sommer am See
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Müsste man die Stimmung dieses Buches beschreiben, dann könnte man sie mit einem bedrückend heißen Sommertag vergleichen. Der Herbst naht schon und alles was bald bleiben wird, sind sehnsüchtige Erinnerungen ...

Müsste man die Stimmung dieses Buches beschreiben, dann könnte man sie mit einem bedrückend heißen Sommertag vergleichen. Der Herbst naht schon und alles was bald bleiben wird, sind sehnsüchtige Erinnerungen an magische Sommermärchen. Emylia Halls Debüt-Roman hat mich extrem beeindruckt und mich emotional total gefangen genommen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Beth. Sie ist Ende 20 und lebt in London. Eines Tage bekommt sie überraschend ein Päckchen aus Ungarn, darin ein Fotoalbum. Es sind Bilder von jenen Sommerferien, die Beth als Kind und Jugendliche bei ihrer Mutter Marika in Ungarn verbracht hat. Bis zu jenem Jahr, in dem der Kontakt zwischen Mutter und Tochter abrupt endete. Seitdem hat Beth versucht alle Gedanken an diese Zeit zu verdrängen. Doch das Album bringt nun alle Erinnerungen wieder zurück: an schwüle Sommertage am kühlen Waldsee, duftende Himbeerkuchen und das erste Verliebt sein. Aber auch an den Tag, an dem alles endete. „Mein Sommer am See“ ist eher ein ruhiger Roman, der vor allem durch seine Sprache und die Stimmung, die er aufbaut, besticht. Hall schreibt sehr eindringlich und bildhaft. Es fühlt sich an, als würde man selbst den Sommerurlaub in Ungarn, in der Villa Serena, verbringen, durch die Wälder streifen, sich die Sonne auf die Haut brennen lassen und sich den Bauch mit gutem Essen vollschlagen. Man fühlt aber auch die Traurigkeit und Melancholie, die sich unter dieses Gefühl von Unbeschwertheit mischt. „Mein Sommer am See“ lässt sich leicht lesen, ist aber nicht unbedingt leichte Kost. Es ist eine Geschichte über Liebe, Verlust und eine unbändige Sehnsucht. Eine bewegende Familiengeschichte, traurig, schmerzlich und bittersüß.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Genialer Plot

Für jede Lösung ein Problem
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Bisher kannte ich von Kerstin Gier lediglich ihre Jugendbuch-Trilogie „Liebe geht durch alle Zeiten“ – die mir sehr gut gefallen hat. Daher wollte ich jetzt auch mal einen ihrer Frauenromane ausprobieren. ...

Bisher kannte ich von Kerstin Gier lediglich ihre Jugendbuch-Trilogie „Liebe geht durch alle Zeiten“ – die mir sehr gut gefallen hat. Daher wollte ich jetzt auch mal einen ihrer Frauenromane ausprobieren. Und ich muss sagen, „Für jede Lösung ein Problem“ hat mich extrem überrascht und zwar in positivem Sinn. Selten habe ich so einen unterhaltsamen, humorvollen und dabei doch auch intelligent gemachten Frauenroman gelesen. Klar, die Protagonistin Gerri ist eine typische Frauenroman-Heldin: um die 30, Dauersingle, wird deswegen von Freunden und Familie bemitleidet und im Job läuft es gerade auch nicht so gut. Trotzdem hebt sich dieser Roman definitiv von anderen Frauenromanen ab, was schon an dem etwas außergewöhnlichen, wirklich genialen Plot liegt: Geri schreibt Liebes- und Arztromane für einen Heftromanverlag. Als der Verlag allerdings aufgekauft wird und sie ihren Job zu verlieren droht, fällt Gerri in ein tiefes Loch. Sie sieht nur noch einen Ausweg: Selbstmord. Vorher schreibt sie aber noch etliche Abschiedsbriefe an Verwandte, Freunde und Bekannte. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund und sagt ihren Mitmenschen ordentlich die Meinung. Wie man ahnen kann, klappt es mit dem Selbstmord glücklicherweise nicht. Die Briefe sind aber trotzdem schon im Umlauf. Trotz des doch recht ernsten Themas ist der Roman extrem witzig – ohne sich aber über Selbstmord lustig zu machen. Gerade die doch sehr bissigen Briefe, die es immer am Ende eines jeden Kapitels zu lesen gibt, fand ich gut gemacht. Die Protagonistin Gerri ist einem sofort sympathisch und auch die anderen Charaktere hat Gier sehr lebendig gestaltet. Manche sind vielleicht ein wenig überzeichnet – aber gerade deswegen bleiben sie im Gedächtnis hängen und geben der Geschichte den besonderen Witz. Gelungen fand ich auch die ganze Heftroman-Verlags-Szenerie im Roman und generell die Anspielungen auf Groschenromane. Ein wirklich gelungener, kurzweiliger Roman für Zwischendurch.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Verbotene Liebe in einer dunklen Zeit

Die verbotene Zeit
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Zwei Zeitebenen, ein dunkles Geheimnis, Liebe und Verrat: Claire Winters Roman „Die verbotene Zeit“ gehört ganz klar in die Reihe der Bücher, in denen es um Familiengeheimnisse geht. Ein Genre, das ich ...

Zwei Zeitebenen, ein dunkles Geheimnis, Liebe und Verrat: Claire Winters Roman „Die verbotene Zeit“ gehört ganz klar in die Reihe der Bücher, in denen es um Familiengeheimnisse geht. Ein Genre, das ich immer wieder gerne lese, in dem es aber auch viel Kitsch gibt. Das trifft auf „Die verbotene Zeit“ schon mal nicht zu. Im Gegenteil: Der Roman ist mitunter einer der besten in diesem Genre, den ich je gelesen habe. Die Geschichte beginnt 1975 in London und wir lernen die junge Journalistin Carla kennen, die sich gerade erst von einem schweren Autounfall erholt. Das Tragische: An gut ein halbes Jahr vor dem Unfall kann sich Carla nicht mehr erinnern. Weil sie aber das Gefühl hat, von ihrem näheren Umfeld belogen zu werden, setzt sie alles daran, die verlorene Zeit zu rekonstruieren. In ihrem Notizheft findet Carla die Telefonnummer des Journalisten David Grant und erfährt von ihm, dass sie vor ihrem Unfall auf der Suche nach ihrer Schwester war. Anastasia verschwand vor 16 Jahren spurlos an der Küste von Cornwall und gilt seitdem als tot. Auf was war Carla vor ihrem Unfall gestoßen? Was verschweigen ihre Eltern ihr? Die Suche führt Carla in das Berlin der 1930er Jahre – in eine dunkle, grausame Zeit. Winter schreibt sehr lebendig, bildgewaltig und emotional. Von Anfang an wird man regelrecht in die Geschichte hineingezogen und kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Dazu trägt auch der gut ausgearbeitete Spannungsbogen bei. Die Charaktere sind sehr lebensecht und ihr Handeln plausibel. Da ein Teil der Geschichte im Berlin der 30er Jahre spielt, geht es im Roman natürlich zu großen Teilen auch um die Machtergreifung Hitlers. Wie Winter dieses historische Ereignis in ihrem Roman verarbeitet ist mehr als gelungen: Beinahe fassungslos verfolgt man als Leser mit, wie schnell sich die Ereignisse überschlagen: Da machen die liberalen Berliner Bildungsbürger 1932 noch Witze über die Nationalsozialisten und sind überzeugt, dass das nur eine vorübergehende Erscheinung ist. Nur knapp ein Jahr später werden aus Freunden und Nachbarn rechtlose Juden und wer sich gegen die Nazis stellt, ist plötzlich Volksfeind. Die Szenen, die Winter in diese Zeit gestellt hat, sind nicht nur extrem gut recherchiert, sondern auch sehr aufwühlend und machen betroffen. „Die verbotene Zeit“ ist ein wunderbar erzählter Roman über eine außergewöhnliche Freundschaft und eine verbotene Liebe in einer dunklen Zeit. Aber auch über große Verzweiflung und eine tiefe Schuld. Ein Roman, der unter die Haut geht.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Aus dem Alltag eines Lokalreporters

Die tote Kuh kommt morgen rein
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Schützenfeste, Liveticker über liegengebliebenen Busse oder Umfragen über das Wetter: In seinem halbdokumentarischen Roman „Die tote Kuh kommt morgen rein“ verarbeitet der Journalist Ralf Heimann seine ...

Schützenfeste, Liveticker über liegengebliebenen Busse oder Umfragen über das Wetter: In seinem halbdokumentarischen Roman „Die tote Kuh kommt morgen rein“ verarbeitet der Journalist Ralf Heimann seine Erlebnisse als Zeitungsredakteur in einer kleinen Lokalredaktion auf dem Land. Im Buch schickt Heimann sein Alter Ego nach Borkendorf, ein fiktives Kaff im Münsterland. Dort soll er ein Jahr lang in der Redaktion des Borkendorfer Boten die Schwangerschaftsvertretung für eine Kollegin machen. Seinen Lokalreporter-Alltag in Borkendorf schildert Heimann nun in 20 Episoden. Eine seiner ersten journalistischen Herausforderungen ist die Karnevalsprunksitzung im Ort, wo er gleich mal vom Vorsitzenden einen Zettel in die Hand gedrückt bekommt, verbunden mit der Anweisung: „Dat kannste allet so übernehmen!“ Heimann darf auch einen ganzen Samstag mit einem Taubenzüchter verbringen und eine Homestory über eine abgehalfterte Schlagersängerin schreiben, die seit über 30 Jahren keinen Song mehr rausgebracht hat. Sie ist aber der einzige Promi im Ort. Da ich selbst einige Jahre in einer Zeitungsredaktion in einer sehr kleinen Stadt gearbeitet habe, war ich natürlich besonders neugierig auf das Buch. Und ich muss sagen: Heimann hat eine scharf beobachtete, wirklich gelungene und dazu noch witzige Chronik des Lokalreporter-Daseins vorgelegt. Ich musste wirklich bei ganz vielen Szenen laut auflachen, weil ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe bzw. vergleichbares erlebt habe. Natürlich sind einige Figuren etwas überzeichnet und hin und wieder sind einige Ereignisse leicht überspitzt dargestellt. Als Satire würde ich den Roman trotzdem nicht bezeichnen. Orte wie Borkendorf und Typen wie in diesem Roman gibt es wirklich. Und auch in Lokalredaktionen kann es so zugehen. Da gibt’s den übereifrigen Leserbriefschreiber – ein Lehrer, der seine Leserbriefe immer mit Zitaten großer Persönlichkeiten beginnt. Der fast 80-jährige Organisator des Lauftreffs, der die Terminankündigung jede Woche auf einem handgeschriebenen Zettel in die Redaktion bringt und dann bis Mittag sitzen bleibt. Und nicht zu vergessen der freie Mitarbeiter, der schon seit 30 Jahren grauselige Artikel liefert in denen „das Tanzbein geschwungen wird“ und in denen „sich im Anschluss die Angler erhoben, um den Toten zu gedenken“. Klar, dieser Roman ist jetzt nicht literarisch wertvoll, dennoch kann ich ihn allen empfehlen, die wissen möchten, wie es in einer Lokalredaktion zugeht. Ein sehr kurzweiliges, lustiges Buch, in dem Heimann aber auch die moderne Medienwelt und die Rolle der Zeitung in der heutigen Zeit hinterfragt.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Was wäre wenn?

Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner
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Was wäre wenn? – Bestimmt hat sich schon mal jeder irgendwann in seinem Leben diese Frage gestellt. So geht es auch Kati in Kerstin Giers Roman „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“. Kati ist ...

Was wäre wenn? – Bestimmt hat sich schon mal jeder irgendwann in seinem Leben diese Frage gestellt. So geht es auch Kati in Kerstin Giers Roman „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“. Kati ist eigentlich glücklich mit Felix verheiratet. Inzwischen haben sich aber Alltag und Berufsleben so sehr in ihr Liebesleben geschlichen, dass Kati immer öfter Zweifel kommen: Ist Felix wirklich der Mann, mit dem sie alt werden möchte? Als Kati Mathias kennenlernt, werden ihre Zweifel nur noch stärker. Bevor es aber so richtig kompliziert werden kann, hat Kati einen Unfall und kommt im Krankenhaus wieder zu sich – exakt fünf Jahre zuvor. Diesmal möchte Kati alles richtig machen: sich für den richtigen Mann entscheiden und noch so ein paar andere Sachen in ihrem Lebenslauf aufpolieren. Mir hat die Idee hinter dieser Geschichte extrem gut gefallen und Kerstin Gier hat ein weiteres Mal bewiesen, dass Frauenromane nicht unbedingt seicht, kitschig oder albern sein müssen. Gier erzählt die schon ein bisschen abgedrehte Geschichte sehr leichtfüßig und mit ganz viel Humor und Situationskomik. Gerade Katis Gedankengänge sind manchmal zum brüllen komisch. Es gibt aber auch ganz viele Passagen, die einen zum Nachdenken bringen. Ganz toll fand ich auch die vielen Zitate und Sprüche, die als Art Randnotizen im Buch auftauchen. Auch die Charaktere sind wieder wunderbar ausgearbeitet worden. Vor allem Kati muss man sofort ins Herz schließen. Ein wunderbarer, herzerfrischender Roman mit einer sehr tollen Botschaft.