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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.06.2017

Lyrik und Mord

Blinde Vögel
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Das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger haben es wieder mit einem prekären Fall zu tun: Auf einem Campingplatz werden zwei Tote gefunden. Die Frau wurde erwürgt, der Mann erschossen. ...

Das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger haben es wieder mit einem prekären Fall zu tun: Auf einem Campingplatz werden zwei Tote gefunden. Die Frau wurde erwürgt, der Mann erschossen. Die einzige Verbindung zwischen dem Pärchen ist eine Lyrik-Gruppe auf Facebook, in der beide Mitglied waren. Beatrice schleust sich unter falschem Namen in der Facebook-Gruppe ein und bald stirbt ein weiteres Mitglied der Gruppe. Mir hat auch der zweite (Erwachsenen-)Thriller von Ursula Poznansik sehr gut gefallen. Sie hat wirklich ein gutes Gespür für außergewöhnliche Plots, erzählt sehr fesselnd und lebendig und weiß einfach, wie man einen spannungsgeladenen und durchdachten Thriller schreibt. Mir fiel es wieder extrem schwer, das Buch zur Seite zu legen und ich hatte tatsächlich bis zur Auflösung keine Ahnung, wer der Täter oder was sein Motiv ist. Sehr intensiv beschreibt Poznanski auch ihre beiden Hauptfiguren Beatrice und Florin. Man bekommt einiges aus dem Privatleben der Ermittler mit und gerade Beatrice ist sehr sympathisch und wächst einem sehr ans Herz. Nebenbei lernt man bei „Blinde Vögel“ auch noch viele wunderschöne Gedichte kennen. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall mit Beatrice und Florin.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Über das Scheitern

Spinner
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Seit zwei Jahren haust der 20-jährige Jesper Lier nun schon in einer heruntergekommenen Kellerwohnung in Berlin und versucht seinen Traum zu verwirklichen: ein großer Schriftsteller zu werden. Völlig zurückgezogen ...

Seit zwei Jahren haust der 20-jährige Jesper Lier nun schon in einer heruntergekommenen Kellerwohnung in Berlin und versucht seinen Traum zu verwirklichen: ein großer Schriftsteller zu werden. Völlig zurückgezogen feilt Jesper an seinem Mammutroman „Der Leidensgenosse“. Das Projekt überfordert ihn aber mehr und mehr. Er ernährt sich schlecht, hat kaum Geld und trinkt zu viel. Eines Tages scheint Jesper an einem Wendepunkt im Leben angelangt zu sein und es beginnt für ihn eine turbulente Woche, in der er eine wilde Odyssee quer durch die Hauptstadt erlebt und lernt, wieder zu sich selbst zu finden. Mit „Spinner“ ist Benedict Wells ein sehr authentischer, unterhaltsamer und auch weiser Roman gelungen, der sich auf jeden Fall aus der Masse der Romane über orientierungslose Jugendliche abhebt. Wells erzählt sehr dynamisch und ihm gelingt es leise Töne mit einem sehr feinen, vielleicht auch manchmal zynischen Humor zu vermischen. Ein wunderbarer Roman über das Scheitern, über Hoffnungen und die Frage, welche Entscheidungen im Leben die richtigen sind. Ein bemerkenswerter Roman, wenn man bedenkt, dass Benedict Wells gerade mal 19 Jahre alt war, als er ihn geschrieben hat.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Hoffnung, Liebe und Schuld im alten Russland

Das Lied der Hoffnung
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Im Frühjahr 1861 geschieht in der Geschichte Russland etwas beinahe unglaubliches: Zar Alexander II. hebt die Leibeigenschaft auf. Er reagiert damit auf jahrzehntelange Unruhen und Aufstände im Land. Das ...

Im Frühjahr 1861 geschieht in der Geschichte Russland etwas beinahe unglaubliches: Zar Alexander II. hebt die Leibeigenschaft auf. Er reagiert damit auf jahrzehntelange Unruhen und Aufstände im Land. Das neue Gesetz verhilft den unterdrückten Bauern aber nicht nur zur Freiheit, sondern bringt auch viele Probleme. Denn Russland ist verarmt und viele ehemalige Leibeigene wissen gar nicht, wohin sie gehen sollen oder woher sie Geld nehmen sollen, um sich eigenes Land zu kaufen. Und natürlich bekommt auch der Adel die Veränderungen zu spüren. In diese Zeit des Umbruchs und des Aufruhrs hat Linda Holeman ihren Roman „Das Lied der Hoffnung“ angesiedelt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Gräfin Antonina, deren Welt zerbricht, als ihr kleiner Sohn Mischa von einer Kosakenbande entführt wird. Ihr Mann wird bei dem Überfall verletzt und erkrankt schwer. Antonina muss aber plötzlich nicht nur um ihr Kind bangen, sondern auch um den Landsitz der Familie, der ein Opfer der sozialen Unruhen im Land zu werden droht. In ihrer Not wendet sich die Gräfin an den Gutsverwalter Grischa, der allerdings ein dunkles Geheimnis verbirgt.

„Das Lied der Hoffnung“ ist ein wunderbarer, fesselnder und vielschichtiger Roman, der einen von Anfang bis Ende nicht mehr loslässt. Im Prinzip wird die Geschichte auf drei Ebenen erzählt. Zunächst begleitet der Leser Antonina ab dem Jahr 1861, bangt mit ihr um ihren Sohn und den Landsitz und erfährt einiges über die sozialen Umbrüche in jener Zeit. Dann besteht der Roman aber auch aus Rückblicken, in denen man zum einen vieles über Antoninas Jugend und zum anderen einiges über Grischas Vergangenheit erfährt. Linda Holeman schreibt äußerst feinfühlig, bildhaft und vereinnahmend; die Charaktere sind alle sehr greifbar. Wahnsinnig gut ausgearbeitet ist auch der Spannungsbogen: Die Höhen und Tiefen der Geschichte sitzen an der richtigen Stelle, immer wieder gibt es dramatische Wendungen und doch wirkt die Handlung zu keiner Zeit unrealistisch oder überzogen. Ein unterhaltsamer, spannender und herzergreifender Roman, der einen interessanten Einblick in ein Stück russische Geschichte bietet. Ein Roman über Hoffnung, Schuld und Liebe – melancholisch, wie die russische Seele, und erschütternd, aber doch so positiv.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Ergreifende Mutter-Tochter-Geschichte

Die vergessene Frau
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Tara Hylands ergreifender Roman beginnt im Jahr 1946 auf einer entlegenen Farm in Irland. Die 17 Jahre alte Franny – ein gutaussehendes, talentiertes Mädchen – träumt von einem anderen, einem besseren ...

Tara Hylands ergreifender Roman beginnt im Jahr 1946 auf einer entlegenen Farm in Irland. Die 17 Jahre alte Franny – ein gutaussehendes, talentiertes Mädchen – träumt von einem anderen, einem besseren Leben. Irgendwann einmal, so schwört sie sich, wird sie der Enge ihres Elternhauses entfliehen und wie ihre Idole einer berühmter Filmstar werden. Doch dann wird Franny ungewollt schwanger. In ihrer Not flieht sie nach London und kommt dort bei einer verwitweten Frau in Whitechapel unter. Um sich und ihre kleine Tochter Cara über Wasser zu halten, arbeitet Franny hart, verliert aber nie ihren Traum aus den Augen. Eines Tages bietet sich für Franny eine einmalige Chance, doch dafür muss sie ein großes Opfer bringen.

Tara Hyland erzählt das zum Teil harte und tragische, aber auch sehr erlebnisreiche Leben von Franny und ihrer Tochter Cara so lebendig, einfühlsam und mitreißend, dass man das Buch nur sehr schwer zur Seite legen kann. Obwohl der Roman rund 700 Seiten umfasst, hab ich das Buch fast in einem Rutsch gelesen. Der Leser begleitet Mutter und Tochter fast 30 Jahre lang – von 1946 bis Anfang der 70er Jahre. Man lernt dabei Glanz und Glamour der goldenen Hollywood-Ära in den 50er kennen und kommt auch mit den Schattenseiten des Ruhms in Berührung. Gleichzeitig erfährt der Leser aber auch einiges über die Lebenssituation der Arbeiterfamilien im zerbombten London der Nachkriegszeit, taucht ein in die Londoner Unterwelt und erlebt die pulsierenden 60er Jahre in der englischen Hauptstadt. Ein Teil des Romans spielt auch in der kargen Landschaft Irlands. Erzählt wird die Geschichte meist abwechselnd aus der Sicht von Franny und Cara. Obgleich der Roman mit sehr vielen Themen vollgepackt ist und die beiden Protagonistinnen wirklich viele Schicksalsschläge erleiden, wird die Geschichte niemals kitschig oder unglaubwürdig. Im Gegenteil: Der Roman bleibt bis zum Ende unterhaltsam, ergreifend und spannend. Das liegt vor allem an den starken und echten Charakteren. Vor allem Cara wächst einem ans Herz und man bekommt irgendwann das Gefühl, sie persönlich zu kennen. Grandios ausgearbeitet ist auch das Beziehungsgeflecht zwischen Franny und Cara – kompliziert, fragil, bitter und doch so liebevoll. Summa summarum ist „Die vergessene Frau“ eine mitreißende und bewegende Mutter-Tochter-Geschichte zwischen Irland, London und dem schillerenden Hollywood.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Herumlungern in Mombasa

Heinz Strunk in Afrika
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Den größten Erholungswert haben Reisen, auf denen nichts passiert. Diese Meinung vertritt Heinz Strunk in seinem vierten Buch „Heinz Strunk in Afrika“, das er bewusst keinen Roman nennt. Wie jedes Jahr ...

Den größten Erholungswert haben Reisen, auf denen nichts passiert. Diese Meinung vertritt Heinz Strunk in seinem vierten Buch „Heinz Strunk in Afrika“, das er bewusst keinen Roman nennt. Wie jedes Jahr reist er mit einem Freund in die Fremde. Diesmal soll es über Weihnachten nach Mombasa gehen, in eine gepflegte Anlage mit Meerblick, in der es genügend Alkohol und Spielcasinos gibt. Mehr wollen die beiden gar nicht. Doch schon die Anreise wird zur Herausforderung und am zweiten Weihnachtsfeiertag sind in Kenia Wahlen angesetzt. Es wird gemunkelt, dass das in einem Bürgerkrieg enden könnte.

Was dieses Geschichte so lesenswert macht ist Strunks ganz spezielle Art von Humor: Niemand verbindet tiefe Depression und Witz so gekonnt miteinander wie er. Im Prinzip haben Strunks Bücher immer etwas Tragikomisches. Die Figur Strunk ist einerseits ein Pechvogel, mit dem man manchmal fast Mitleid haben könnte, weil sein Leben so trost- und sinnlos erscheint. Er ist aber auch ein Stück weit ein griesgrämiger Menschenhasser. Schonungslos, voll bitterer Ironie und trocken zieht er über seine Miturlauber und die Hotelangestellen her und deckt ihre Schwächen auf. Das ist zwar zum Teil unglaublich böse, aber auch aus dem Leben gegriffen und gerade deswegen so urkomisch – zum Beispiel wenn er über die Anbaggerprobleme mittelalter Männer nachdenkt oder das Animationsprogramm abends im Club beschreibt. Zwar ist „Heinz Strunk in Afrika“ nicht ganz so gut wie „Fleisch ist mein Gemüse“, trotzdem kann ich das Buch nur empfehlen.