Wenn der Sohn in die falschen Kreise gerät
Die Region Lothringen in Frankreich: Nach dem Tod der Mutter müssen Frédéric, genannt Fus, und sein Bruder Gillou schon in jungen Jahren oft alleine zurechtkommen. Der Vater ist gelegentlich beruflich ...
Die Region Lothringen in Frankreich: Nach dem Tod der Mutter müssen Frédéric, genannt Fus, und sein Bruder Gillou schon in jungen Jahren oft alleine zurechtkommen. Der Vater ist gelegentlich beruflich über Nacht unterwegs. Dennoch schlagen sie sich noch recht passabel, obwohl die Mutter sehr fehlt. Doch dann gerät Fus mit Anfang 20 in den Dunstkreis einer rechtsextremen Gruppe…
„Was es braucht in der Nacht“ ist der Debütroman von Laurent Petitmangin.
Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in 23 kurze Kapitel und endet mit einem Brief, der als eine Art Epilog verstanden werden kann. Es gibt mehrere Zeitsprünge, wobei sich die Handlung nur ungefähr zeitlich einordnen lässt.
Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht des Vaters. Die Wortwahl entspricht eher der Umgangssprache, was mich in diesem Fall aber nicht gestört hat, weil es sehr authentisch und passend zum Arbeitermilieu wirkt. Der Schreibstil ist schnörkellos und wenig detailreich, aber atmosphärisch. Die reduzierte Ausdrucksweise erfordert ein Lesen zwischen den Zeilen und lässt Raum für Interpretationen.
Inhaltlich hat mich der Roman sehr gereizt. Die Frage, wie ein Kind in den Extremismus abrutschen kann und wie sich ein Elternteil verhalten sollte, ist sehr interessant und regt zum Nachdenken an. Diese aktuelle Thematik steht im Mittelpunkt des Romans.
Auf weniger als 150 Seiten herrscht durchweg eine schwelende Grundspannung, die neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte macht. Auch eine dramatische Wendung im letzten Drittel sowie der überraschende Schluss erzeugen einen hohen Unterhaltungswert. Alles in allem habe ich jedoch das Gefühl, dass die Geschichte zu viele Leerstellen und offene Fragen lässt.
Das größere Manko ist aber für mich die Ausgestaltung der drei Protagonisten. Sowohl der namenlose Vater als auch seine beiden Söhne blieben mir fremd und unsympathisch. Trotz der recht dramatischen Geschichte kamen bei mir kein Mitgefühl und nur wenig Verständnis auf. Gedanken und Beweggründe werden nur beim Vater richtig deutlich. Nachvollziehbar sind seine Reaktionen aber nicht für mich. Das trifft nicht nur, aber vor allem auf die letzten Kapitel zu.
Der deutsche Titel, der sich nahe am französischen Original („Ce qu‘il faut de nuit“) orientiert, erschließt sich mir leider nicht so ganz. Dagegen finde ich das Cover jedoch nicht unpassend.
Mein Fazit:
Meinen hohen Erwartungen wurde Laurent Petitmangin mit seinem Roman leider nicht in Gänze gerecht. Trotzdem ist „Was es braucht in der Nacht“ durchaus eine lohnenswerte Lektüre, die nachhallt. Auf die Verfilmung bin ich neugierig.