Anstrengend, aber lesenswert
Jenny | Der große Frauen- und Emanzipationsroman von Fanny Lewald | Reclams KlassikerinnenDie 16jährige Jenny entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit ihrem fröhlichen, offenen Wesen, ihrer Bildung und vor allem ihrer Schönheit, zieht sie bei gesellschaftlichen Anlässen ...
Die 16jährige Jenny entstammt einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Mit ihrem fröhlichen, offenen Wesen, ihrer Bildung und vor allem ihrer Schönheit, zieht sie bei gesellschaftlichen Anlässen viel Aufmerksamkeit auf sich. Sie verliebt sich in den bescheiden lebenden Pfarrer Gustav Reinhard und muss zur Ermöglichung einer Hochzeit den christlichen Glauben annehmen. Dies und die starren christlichen Rollenvorstellungen stellen Jenny vor eine große Herausforderung. Und auch Jennys Bruder Eduard ist unglücklich verliebt in die Christin Clara und muss erkennen, wie tief die gesellschaftlichen Gräben zwischen Juden und Christen sind.
Fanny Lewald schöpft aus ihren eigenen Erfahrungen und zeigt sehr deutlich wie tief der Antisemitismus in der Gesellschaft verankert ist und wie starr die gesellschaftlichen Rollen festgelegt waren. Das fand ich aus heutiger Perspektive sehr interessant zu lesen und Lewalds Ansichten erstaunlich modern.
Mir persönlich war es zwischendurch der dramatischen Gefühlsausbrüche etwas zu viel. Glücklicherweise legt sich das in der zweiten Hälfte des Buches bis zu einem dramatischen Ende. Die Aufmachung des Textes finde ich etwas unglücklich gewählt. Es ist recht klein geschrieben und eng gedruckt und die wörtliche Rede ist nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Somit wird der Zugang zu diesem fast 200 Jahre alten Text noch weiter erschwert. Sehr interessante fand ich wiederum das durchaus provokativ geschriebene Nachwort, das noch einmal auf die Stellung der Frau in Christentum und Judentum eingeht.
Insgesamt eine anstrengende, aber lesenswerte Lektüre.