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Veröffentlicht am 05.05.2022

Das beste allgemeinverständliche Buch über unser Immunsystem

Immun
4

Normalerweise wurde ich bislang von allerlei populärwissenschaftlicher Literatur vorwiegend enttäuscht – bei Büchern von Laien oder Fachfremden fehlt oftmals das fundierte Basiswissen, um dem Leser etwas ...

Normalerweise wurde ich bislang von allerlei populärwissenschaftlicher Literatur vorwiegend enttäuscht – bei Büchern von Laien oder Fachfremden fehlt oftmals das fundierte Basiswissen, um dem Leser etwas Sinnvolles vermitteln zu können, bei Büchern aus der Feder von Experten wird oftmals zu viel spezifische Detailkenntnis beim Leser vorausgesetzt, als dass man es mit Freude noch Lesen und Genießen kann. Philipp Dettmers Buch „Immun“ hebt sich hierbei deutlich ab und ist eine ganz große Ausnahme. Als Macher des youtube-Kanals „Kurzgesagt – In a Nutshell“ bringt der Autor natürlich auch die nötige Kenntnis mit, wie man wichtige und interessante Informationen in Text und Bild klar vermittelt.

Obwohl ich das Buchcover auf den ersten Blick ein wenig zu kitschig empfand, muss ich sagen, dass die Illustrationen im Buch genau das Wesentliche und Charakteristische erklären und die Sprache ähnelt eher der, die man aus dem Alltag gewohnt ist, als einer eher abgehobenen Vortragssprache. Großartig wird einem im Detail alles wichtige über unser Immunsystem vermittelt, welche Zelltypen, Antikörper, Eiweiße, etc. es gibt, wo sie gebildet und im Gefahrenfalle vermehrt werden, wie sie sich im Laufe unseres Lebens verändern und vieles mehr. Von manchen Organen und Abläufen im Körper hat man auch als medizinisch Interessierter noch nie etwas gehört. Alles wird auch exemplarisch an einer Vielzahl von Beispielen untermauert und bildhaft gemacht, der Leser begibt sich hier sozusagen gemeinsam mit den jeweils relevanten Zelltypen auf eine Reise zur Abwehr von Bakterien oder Viren (auch hier werden die entsprechenden Unterschiede vermittelt). Es werden die Zusammenhänge erklärt, welche Prozesse im Körper ablaufen, wenn wir z.B. in einen rostigen Nagel treten, warum eine Entzündung und Schwellung hilfreich sein kann, was bei einem Infekt im Immunsystem passiert und was andererseits im Falle von Autoimmunerkrankungen oder gar Krebs im Körper falsch interpretiert wird, schief und komplett aus dem Ruder läuft.

„Immun“ von Philipp Dettmers ist ein interessantes und mitreisendes Sachbuch, welches mich von Anfang bis zum Ende komplett überzeugt hat und den Spannungslevel eines Thrillers besitzt. Obwohl auf den ersten Blick aufs Cover eher der Eindruck eines Kinderbuches entstehen könnte, ist das Buch so grandios, dass auch Erwachsene oder Wissenschaftler, die nicht aus dem Fachbereich der Zellbiologie kommen, möglicherweise aber auch Experten noch einiges Neues darin lernen können. Gerade in Zeiten von Pandemien und Covid-19 ein „must have“-Buch, das meines Erachtens jeder gelesen haben sollte. Ich fand das Werk so überragend, dass ich sowohl das Buch gelesen, als auch die Hörbuchvariante gehört habe. Während ich am Buch wirklich überhaupt nichts auszusetzen habe, möchte ich bei der Hörbuchversion anmerken, dass es für meinen Geschmack von der sympathischen Stimme Christoph Jablonkas richtig toll aber einen kleinen Ticken zu schnell gelesen wurde. Darüber hinaus sind beim Hörbuch die detailreichen Illustrationen nicht so umfangreich wie beim Buch. Dennoch kann ich beide Varianten jedem, der auch nur ein wenig Interesse an den Abläufen unseres Immunsystems besitzt, nur allerwärmstens empfehlen – es ist wirklich ein besonderes Buch der absoluten Extraklasse.

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Veröffentlicht am 04.05.2022

Hochspannung und Verwirrung, die der Leser mit dem Protagonisten Markus "shared"

Sharing – Willst du wirklich alles teilen?
6

In dem Thriller „Sharing – Willst du wirklich alles teilen?“ von Arno Strobel betreiben Markus Kern und seine Frau Bettina ein Unternehmen für Car- und Wohnungssharing und was man sonst alles nicht unbedingt ...

In dem Thriller „Sharing – Willst du wirklich alles teilen?“ von Arno Strobel betreiben Markus Kern und seine Frau Bettina ein Unternehmen für Car- und Wohnungssharing und was man sonst alles nicht unbedingt besitzen, sondern auch bequem mit anderen teilen kann. Und natürlich verdienen die beiden auch ganz gut daran. Markus‘ Welt wird allerdings auf den Kopf gestellt, als Bettina, die eines Abends noch mit einer Freundin ins Fitness-Studio wollte, nicht nach hause kommt. Er überlegt in vielerlei Richtung, ob sie möglicherweise ein Verhältnis haben könnte oder was sonst denn der Grund dafür sein könnte, bis er schließlich einen Internet-Link zugesendet bekommt und er sich mittels Tor auf Onions ins Darknet begibt.

Was er dort erblickt, lässt ihn erschaudern und das Blut in den Adern gefrieren: Auf dem Bildschirm sieht er den gefesselten und entblößten Körper seiner Frau und die Ankündigung, dass Bettina im Sinne des Sharing-Konzepts ihrer Firma in Bälde mit mehreren Männern „geteilt“ - sprich missbraucht - werden wird. Die Zahl der eingeloggten User, mit denen der Entführer gutes Geld verdienen wird, steigt ins Unermessliche. Markus allerdings fliegt aus der Leitung heraus. Am nächsten Morgen wird er dann zu einer seiner Wohnungen gelotst, wo er Bettina tot auffindet. Schnell gerät er bei der Polizei als Hauptverdächtiger unter Verdacht. Dennoch versucht er die Aufklärung des Falls selbst in die Hand zu nehmen. Es folgt ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem Markus und der Leser ebenso bald nicht mehr weiß, wer in diesem Spiel gut und wer böse ist, wer Markus hilft und unterstützt oder ihm schadet und ins Verderben reiten möchte. Schließlich zweifelt Markus auch an sich und zieht in Betracht - ebenso wie seine Tochter und der Leser auch -, dass er selbst tatsächlich der Mörder seiner Frau sein könnte. Als aber seine Tochter auch noch entführt wird, weiß er, dass er nun nochmals alle Kräfte und Energien mobilisieren muss, um seine Tochter zu befreien.

Mit „Sharing – Willst du wirklich alles teilen?“ hat Arno Strobel einen sehr mitreißenden und hochspannenden Thriller geschrieben, bei dem der Leser das Buch schlichtweg nicht mehr aus der Hand legen kann. Fast jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, was den Spannungslevel noch einmal zusätzlich steigert. Der Protagonist Markus, gleichsam dem Leser, wird einerseits auf richtige und anderseits auf falsche Fährten geführt und zusammen mit der Spannung steigt auch die Verwirrung beim Leser. Erst ganz am Ende wird dann alles mit einer überraschenden und unerwarteten Auflösung schlüssig zusammengeführt. Mir persönlich hat „Sharing – Willst du wirklich alles teilen?“ sehr gut gefallen, einziger Kritikpunkt ist für mich, dass für mein Ermessen ein paar Stellen, wie beispielsweise gleich der Beginn des Buches, ein wenig zu brutal, zu reißerisch und zu voyeuristisch geraten sind – Spannungslevel und Plot sind bereits hoch genug, als dass es die überaus brutalen und voyeuristischen Elemente meines Erachtens nicht unbedingt gebraucht hätte; andererseits spiegelt diese Komponente wohl sehr deutlich und authentisch wider, wie unsere Gesellschaft durchaus tickt. Buchcover und -titel sind ganz hervorragend auf die Handlung abgestimmt und richtig beeidruckend. Unterm Strich ist Arno Strobel mit „Sharing – Willst du wirklich alles teilen?“ ein enorm spannender Thriller gelungen, dessen Spannungslevel zu keinem Zeitpunkt auch nur im Geringsten abfällt. Die Hörbuchvariante wird ganz hervorragend von Sascha Rotermund, der deutschen Stimme von beispielsweise Benedict Cumberbatch und Jon Hamm, gelesen und lässt den Adrenalinlevel beim Hörer zu keinem Zeitpunkt abklingen.

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Veröffentlicht am 04.05.2022

Ein herausragendes Buch zum Thema Umweltschutz und Klimawandel

Klimawandel - ein Appell
5

Fred Vargas ist französische Professorin für Umweltschutz … nein, das ist sie nicht: Sie ist genau genommen Autorin für Kriminalromane. Umso verwunderlicher, dass sie sich in „Klimawandel - Ein Appell ...

Fred Vargas ist französische Professorin für Umweltschutz … nein, das ist sie nicht: Sie ist genau genommen Autorin für Kriminalromane. Umso verwunderlicher, dass sie sich in „Klimawandel - Ein Appell - Wir müssen jetzt handeln, um unser Klima zu retten“ mit dieser Thematik auseinandersetzt. Kann sie das überhaupt als Nichtexpertin? - Oh ja, sie kann und macht das mehr als hervorragend und als ehemalige Mitarbeiterin des renommierten Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Paris kennt sie sich natürlich mit dieser Materie auch aus.

Ohne das Buch in separate Kapitel einzuteilen fügt sie gut recherchiertes Material dennoch sehr schlüssig zusammen. Dies führt also nicht etwa zu einer losen Auflistung der umweltpolitischen Ursachen, Gefahren und Konsequenzen, sondern alles wird in einen Gesamtkontext sehr strukturiert eingebunden. Wie im Untertitel bereits hervorgehoben, ist es nicht nur eine Kritik an der gegenwärtigen Situation, sondern vielmehr ein Appell all an jene, die auch etwas verändern wollen. Hier wird nicht nur beschrieben, wie wir unser Alltagsverhalten ändern müssen, sondern was auch technologisch möglich ist, wenn wir unseren einzigartigen Planeten noch retten wollen.

Ein insgesamt wirklich großartiges Buch, sehr unterhaltsam verfasst und als Hörbuch auch mitreißend gelesen, welches alle wichtigen Punkte anspricht. Einzig störender Punkt bleibt für mich der elektronische Zensor, der anfangs ganz witzig rüber kommt, auf Dauer aber ein wenig nervt. Er tritt immer dann auf, wenn die Autorin ihre eigene Meinung ins Spiel bringen möchte. Da das Werk als Ganzes allerdings so hervorragend ist, kann ich über diesen einen Schwachpunkt großzügig hinwegsehen.

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Veröffentlicht am 03.05.2022

Interessantes Politik-Nachschlagewerk von Deutschlands bekanntester „Anchorwoman“

Nachts im Kanzleramt
5

Wer kennt die Situation nicht, wenn ein Spitzenpolitiker im Interview Deutschlands wohl bekanntester Investigativ-Journalistin, Moderatorin und „Anchorwoman“ auf hervorragend recherchierte und präzise ...

Wer kennt die Situation nicht, wenn ein Spitzenpolitiker im Interview Deutschlands wohl bekanntester Investigativ-Journalistin, Moderatorin und „Anchorwoman“ auf hervorragend recherchierte und präzise formulierte Fragen Rede und Antwort stehen muss. Oft kommen die Politiker bei ihr dabei dann gehörig ins Schwitzen, denn ein Nicht- oder ausweichendes Beantworten ihrer Fragen ist für die Journalistin ein absolutes No-Go – zu Recht. Die Rede ist natürlich von der ZDF-Journalistin Marietta Slomka.

Mit „Nachts im Kanzleramt“ - der Titel und das dazu stimmige Buchcover erinnern dabei natürlich an den Hollywood-Movie „Nachts im Museum“ - hat sie ein richtig interessantes Sachbuch für Jung und Alt geschrieben, in welchem alle wichtigen Punkte aus Politik und Wirtschaft, vorwiegend in Bezug auf unsere Demokratie in Deutschland, erläutert werden. In erster Linie richtet sich das Buch an Jugendliche, die noch nicht alle Details über Politik wissen, aber auch jeder der sich seit Jahrzehnten mit Politik befasst, lernt hier und da Neues hinzu oder kann sich mit großem Genuss bereits Bekanntes in Erinnerung rufen. Das Buch ist außerordentlich gut strukturiert, sprachlich leicht zu verstehen, hat eine sehr gut gewählte Detailtiefe und führt vor allem all jenen, die gerne an unserem Staat und „den Politikern“ im Allgemeinen herum kritisieren vor Augen, in welch toller Demokratie wir hier in Deutschland leben dürfen. Das Buch ist mehr oder weniger ein Grundkurs in Politik, in welchem alle wesentlichen Begriffe definiert und in den Gesamtkontext unserer Staatsform eingebettet werden. Dabei wird auch mit anderen Regierungsformen verglichen, sei es beispielsweise mit Anarchie, Diktatur oder faschistischen Systemen. Und selten, aber dennoch immer mal wieder wird eine von Frau Slomkas Anekdoten aus ihrer Journalistenkarriere humorvoll oder kritisch mit eingeflochten.

Mir ganz persönlich hat dieses Buch, welches in der Hörbuchvariante im Übrigen ganz hervorragend von Marietta Slomka selbst und Peter Lontzek gelesen wird, enorm gut gefallen und ich kann es nur jedem politisch Interessierten bzw. all jenen, die dies noch werden mögen, nur wärmstens empfehlen. Es ist ein Nachschlagewerk für politische Begriffe, darüber hinaus aber auch ein überaus gelungener Versuch zur politischen Bildung von Jugendlichen.

Auf längeren Autofahrten hat sich bei uns in der Familie das Hören von guten und interessanten Hörbüchern etabliert und es liegt für mich auf der Hand, was meine Kinder, die nun im besten Teenageralter und somit im idealen Alter für dieses (Hör)Buch sind, bei der nächsten Urlaubsfahrt sich anhören dürfen. Es wird vermutlich die letzte Fahrt sein, bei der ich die Thematik maßgeblich vorgeben kann – nach dem Hören von „Nachts im Kanzleramt“ werden meine Kinder ein so fundiertes und gesundes Verständnis von Demokratie besitzen, dass wir in Zukunft sicherlich darüber abstimmen werden, was nun gehört wird. - Aber das nehme ich für die im Buch großartig vermittelte politische Bildung sehr gerne in Kauf. Es lebe die Demokratie, mit bestem Dank an die Autorin.

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Veröffentlicht am 11.04.2022

Talentierte Junganwältin im Wechselbad von Moral und Gerechtigkeit steht urplötzlich selbst unter Mordverdacht

Verweigerung
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Nach einem Oscar für das Drehbuch zu „The Imitation Game“, seinem grandiosen, mit dem Anthony Awards ausgezeichneten, Krimi-Debüt „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ und dem überaus faszinierenden, ...

Nach einem Oscar für das Drehbuch zu „The Imitation Game“, seinem grandiosen, mit dem Anthony Awards ausgezeichneten, Krimi-Debüt „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ und dem überaus faszinierenden, semi-historischen Roman „Die letzten Tage der Nacht“ widmet sich Graham Moores jüngstes Werk „Verweigerung“ nun dem Genre des Justizthrillers. Der Autor begibt sich hiermit auf das üblicherweise von John Grisham angestammte Gebiet und ganz natürlich stellen sich somit die beiden Fragen: Kann der Tausendsassa Graham Moore auch Justizthriller schreiben und wird „Verweigerung“ bei solch großartigen Romanen wie beispielsweise „Die Jury“, „Die Firma“, „Die Kammer“ oder „Der Regenmacher“ mithalten können? - Gedulden wir uns noch ein wenig, eine Antwort darauf folgt dann am Ende dieser Rezension.

Klären wir erst einmal, worum es in „Verweigerung“ überhaupt geht. Zum Einstieg nehmen wir an einem Gerichtsprozess teil, bei dem die junge Anwältin Maya Seale erfolgreich eine Klientin verteidigt, die von ihrem Mann übelst misshandelt wurde, ihn daraufhin getötet und ihm den Kopf abgetrennt hatte. Maya wird im weiteren Verlauf unsere Hauptprotagonistin bleiben, allerdings wird das Narrativ in erster Linie durch zwei weitere Gerichtsprozesse geprägt sein, über die auf zwei unterschiedlichen Zeit- und Handlungsebenen erzählt wird.
Zum einen wird in einer Rückblende um 10 Jahre von einem der spektakulärsten Gerichtsprozess des letzten Jahrzehnts berichtet. In diesem soll der afroamerikanische Aushilfslehrer Bobby Nock seine minderjährige Schülerin Jessica Silver, welche die Tochter eines der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer in Los Angeles ist, getötet haben, um seine Affäre mit ihr zu vertuschen. Jessicas Leiche wurde jedoch nie gefunden. Maya war damals eine der zwölf Geschworenen gewesen, hatte zunächst als einzige auf unschuldig plädiert, nach und nach alle anderen Geschworenen auf ihre Seite gezogen und letztlich wurde Bobby aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Zum anderen wird, initiiert durch einen Fernsehsender, 10 Jahre nach dem Prozess nun ein Treffen dieser Geschworenen stattfinden, bei welchem der Fall nochmals aufgerollt und neu betrachtet werden soll - insbesondere nachdem der wie Bobby Nock ebenfalls Schwarze Rick Leonard, ein weiterer Geschworener im damaligen Prozess, auf diesem Treffen nach jahrelanger, hartnäckiger Recherche medienwirksam den ultimativen Beweis für Bobbys Schuld präsentieren möchte. Rick und Maya hatten während des damaligen Prozesses eine kurze, geheim geglaubte Affäre und möchten nochmals unter vier Augen miteinander sprechen. Das Gespräch gerät allerdings zum Streit, Rick wird ein wenig später tot in Mayas Hotelzimmer aufgefunden und Maya wird zur Hauptverdächtigen gegen die alle Indizien zu sprechen scheinen. Sie wird verhaftet, kommt gegen Kaution wieder frei und versucht unterdessen auf eigene Faust zu ermitteln, wird aber vor ihrem eigenen Prozess nicht davonlaufen können. Durch geschicktes Verknüpfen der beiden Zeitebenen, auf denen wir immer genauere Details über das Privat- und Berufsleben von Bobby, Jessica und ihrer Familie, Rick und Maya, aber auch jedes einzelnen der anderen, damaligen Geschworenen und deren jeweiliger Perspektive auf das Geschehen erfahren, entfaltet sich eine ungemein spannende Geschichte mit zahlreichen Wendungen, die in sich aber stets schlüssig bleibt und bei der am Ende alles mit allem verwoben zu sein scheint.

Vordergründig geht es in dem von André Mumot ins Deutsche übersetzen Roman also um die Schuldfrage in den beiden mutmaßlichen Mordfällen Jessica Silver sowie Rick Leonard und um die Beziehung zwischen Maya und Rick. Hintergründig durchleuchtet Graham Moore jedoch sehr detailliert das traditionsbehaftete, angelsächsische Rechtssystem in Amerika und deckt dessen Schwächen auf, wenn sich eine 12-köpfige Jury bestehend aus Laien, querbeet ausgewählt durch alle Bevölkerungsschichten, unter Zeit- und äußerem (Medien-)Druck auf eine mehr oder weniger willkürliche Entscheidung einigt - oftmals stark beeinflusst vom Talent und der sprachlichen Gewandtheit der Verteidigung oder der Staatsanwaltschaft. Mit seinem mitreißenden Schreibstil vermittelt Graham Moore zudem die gesamte Palette ethnischer, moralischer und politischer Aspekte, von denen ein solches Strafverfahren begleitet wird. Der Autor bringt dabei eine ganz gehörige Portion Gesellschafts- und Politikkritik mit hinein und eine der ganz zentralen Botschaften des Buches ist, dass nicht unbedingt „Nichts als die pure Wahrheit“ zu einem Freispruch führt, sondern die schlüssigste und am geschicktesten zurechtgezimmerte Geschichte die im Gerichtssaal präsentiert wird; "Ehrlich währt am längsten" mutiert dabei zum "Am geschicktesten Lügen währt am längsten". Ganz besonders macht die sprachliche, gewitzte und teils auch humorvolle Raffinesse des Autors und die Aufteilung des Geschehens auf Handlungsebenen, die wie schon in „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ zeitlich auseinander liegen, das Buch zu einem ideenreichen Erlebnis und packenden Pageturner. Buchcover (das englische Original wartet gleich mit drei verschiedenen Varianten auf, die allesamt passender erscheinen als das deutsche) und -titel könnten meines Erachtens interessanter gestaltet und besser auf die Handlung abgestimmt sein, tun der Sache insgesamt aber keinerlei Abbruch.

Fazit: Mit „Verweigerung“ ist Graham Moore einmal mehr ein rundum atemberaubender Roman gelungen, der über seine gesamten 400 Seiten hinweg überzeugt und in jeglicher Hinsicht keine Vergleiche, auch nicht mit jenen, die dieses Genre seit Jahrzehnten dominieren, zu Scheuen braucht - in puncto Modernität und Aktualität überflügelt er jene sogar um Längen. Dem Autor ist hier ein überaus spannender, stets real wirkender Justizthriller geglückt, voll bepackt mit ethnischen und moralischen Aspekten, bei dem Emotionen, Humor und Kritik zu keinem Zeitpunkt zu kurz geraten. Jedem der im Buch auftretenden, charakterstarken und facettenreichen Figuren wird eine ganz eigene, lebendige Persönlichkeit eingehaucht und Raum zur Entfaltung zugestanden, die einzelnen Handlungsstränge werden großartig zusammengeführt und die am Ende noch offenen Fragen ebenso stimmig und glaubwürdig verpackt. Für mich ganz persönlich ein Meilenstein dieses Genres und bereits jetzt eines der ganz großen Lesehighlight dieses Jahres.

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