Profilbild von Tamagotchi

Tamagotchi

Lesejury Star
offline

Tamagotchi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Tamagotchi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.06.2022

Die nordirischen 'Troubles' im Angesicht der Kinder

Amelia
0

Nachdem ich den Klappentext gesehen hatte, wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Da mich der Nordirlandkonflikt immer wieder mal beschäftigt hat, erwartete ich viel historischen Hintergrund und gleichzeitig ...

Nachdem ich den Klappentext gesehen hatte, wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Da mich der Nordirlandkonflikt immer wieder mal beschäftigt hat, erwartete ich viel historischen Hintergrund und gleichzeitig mehr über die Wirkung auf die Heranwachsenden zu erfahren. Das auf den ersten Seiten vorgestellte Mädchen Amelia war mir sympathisch, wenn auch etwas außergewöhnlich mit ihrer Sammelleidenschaft und ihrem Spielverhalten.
Meine Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die Autorin zeichnet ein grauenvolles Bild der Troubles, die sich von 1969 bis in die 90er Jahre hinzogen, wobei sie hauptsächlich die Verrohung der Kinder bzw. Jugendlichen beschreibt. Es ist die Zeit des sinnlosen Abschlachtens und der puren Verzweiflung, die sich natürlich auf die Kinder überträgt.
Im Laufe der Seiten meint man nur noch auf Psychopathen zu treffen, die ihr soziales Umfeld bedrohen und auch vor lebensbedrohenden Aktionen nicht zurückschrecken. Dabei hatte ich zunehmend das Gefühl, dass es sich überwiegend um Gewaltphantasien handelte, aus denen der Leser mühsam die Realität rausfiltern sollte. Aber wo ist die Grenze? Das wurde mir nicht klar. Ebenso wenig wurde mir klar, warum diese Gewaltexzesse ihren Platz in diesem Buch finden, denn man hätte sich ja auch mit den Traumata der Heranwachsenden, deren Ursachen und Auswirkungen beschäftigen können. Das hätte mir besser gefallen.
Ganz im Gegenteil werden hier jedoch perverse Spielchen beschrieben, die von kleinen Kindern mit ihren Puppen nachgespielt werden, oder brutale Attacken mit diversen Gegenständen, die großen Schaden anrichten, und verbreitet widerlichen Missbrauch. Sehr makaber fand ich den Auftritt von Mary, die ihr Baby im 'Plastikbeutel' spazieren fährt, wobei wahrscheinlich die Plazenta gemeint ist.
Amelia kann einem Leid tun, denn sie hat keinen, der wirklich zu ihr steht. Sie driftet jedoch nicht in Gewalttätigkeiten ab, sondern flieht in Anorexie und Alkoholabhängigkeit. Sie möchte nach London, um dem Grauen zu entkommen. Zunächst wird sie nur belächelt und nicht ernst genommen. Als sie schließlich den Ausbruch schafft, ist nicht sicher, ob es ihr gelingt, die traumatisierenden Erfahrungen zu vergessen oder zumindest zu bekämpfen.
Die Atmosphäre in diesem Buch ist durchgehend niederdrückend, keine unbeschwerte oder sachliche Lektüre. Das Buch zeigt auf erschreckende Weise, was ein kriegerisches Umfeld aus einem Menschenleben machen kann, was gerade in dieser Zeit hochaktuell ist. Mir waren jedoch die Brutalität und die Gewaltbereitschaft, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, eindeutig 'too much'.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.05.2022

Ein sehr gemächlicher Krimi

Tiefes, dunkles Blau
0

Der Arzt einer Kinderwunschklinik, Dr Jansen, wird tot im Zürichsee gefunden, und bald stellt sich heraus, dass er viele Drogen im Körper hatte. Zufällig hat Seepolizistin Rosa kurz zuvor bei diesem Arzt ...

Der Arzt einer Kinderwunschklinik, Dr Jansen, wird tot im Zürichsee gefunden, und bald stellt sich heraus, dass er viele Drogen im Körper hatte. Zufällig hat Seepolizistin Rosa kurz zuvor bei diesem Arzt Eizellen einfrieren lassen. Wer wollte ihn aus dem Weg räumen und warum? Zunächst führt eine Spur zu seiner Noch-Ehefrau, aber es gibt außerdem weitere Spuren, vor allem auch ins Rotlichtmilieu. Skurrilerweise führen alle Verdächtigungen nur zu Frauen, die dem Gynäkologen nach dem Leben getrachtet haben könnten.
Nach dem noch spannenden Prolog, in dem ein Toter in einer Fischreuse gefunden wird, sinkt die Spannungskurve, was verständlicherweise der Einführung des Settings geschuldet ist. Man muss ja erst einmal die Protagonistin, ihr Umfeld und den Handlungsort kennenlernen. Dies erfolgt sehr ausführlich und gut vorstellbar. Spätestens jetzt müsste der Spannungsbogen wieder ansteigen, aber da ist nichts! Die Ermittlungen laufen nebenher, im Mittelpunkt stehen in meinen Augen dagegen ein umfassendes Bild von Zürich und von der Ermittlerin Rosa. Die Geschehnisse plätschern dahin, und besonders die Ausführungen zur Gentechnik und ihrer Gefahren fand ich recht langatmig. Vergebens wartet man auf überraschende Wendungen oder andere krimitypische Stilmittel.
Meine Erwartungen wurden enttäuscht, das Buch konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Trotz des mörderischen Geschehens ordne ich dieses Buch eher dem Genre Roman zu.
Die Protagonistin und Ermittlerin Rosa Zambrano ist sympathisch, lebt naturverbunden und hat viele Hobbys, die in diesem Buch auch intensiv beschrieben werden. Vor allem scheint sie das Kochen und Schlemmen zu lieben, allerlei Rezepthinweise machen Lust aufs Ausprobieren. Die Beschreibung Zürichs ist ebenfalls verlockend, man möchte sich das mal vor Ort ansehen und in den gemütlichen Lokalen einkehren. Aber ich hatte ja einen Krimi lesen wollen.
So hat das Buch mich partiell gut unterhalten, aber es konnte absolut kein Krimi-Feeling aufkommen. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.04.2022

Krass und voller Überraschungen

Zurück nach Übertreibling
0

Vikki Victoria, stadtbekannt und glamouröse Transfrau, muss sich verstecken. Der Grund: Toni ist aus dem Gefängnis ausgebrochen, und nun will er sich sicher an ihr rächen, denn Vikki war nicht unschuldig ...

Vikki Victoria, stadtbekannt und glamouröse Transfrau, muss sich verstecken. Der Grund: Toni ist aus dem Gefängnis ausgebrochen, und nun will er sich sicher an ihr rächen, denn Vikki war nicht unschuldig an seiner Festnahme. Toni soll seine Frau bestialisch umgebracht haben, aber ist das wirklich so gewesen? Die ausbrechende Panik setzt eine regelrechte Kettenreaktion in Gang, in deren Verlauf sich so einige kriminelle Energie entlädt und Wahrheiten ans Licht kommen. Hierbei spielen eine Motorradrockergang und ein türkischer Drogenboss mit seinen Leuten eine wesentliche Rolle.
Die Spannung ist schwankend, mal sehr stark, dass man unbedingt weiterlesen muss, aber es gibt auch Passagen, die recht langatmig sind, die wie Lückenstopfer erscheinen und nur nichtssagendes Gerede wiedergeben. Gerade zum Ende hin ist eigentlich schon alles klar, aber der Showdown zieht sich sehr in die Länge.
Zugegeben, das Buch hat mich oft zum Schmunzeln gebracht, denn Vikki legt ihre Gedanken ausführlich dar, worin ich Wortwitz, Ironie und skurrile Beschreibungen entdeckt habe, was mir sehr gut gefallen hat. Der Schreibstil ist sprachgewaltig, sie benutzt Wortneuschöpfungen und lustige Verbindungen (z.B. "damals....vor 30 kg" oder "er okayt"). Die Beschreibungen sind gut vorstellbar und natürlich übertrieben. Aber in meinen Augen ließ mit der Zeit die Kreativität nach oder ich wurde mit der Zeit überdrüssig.
Ach ja, nebenbei wird noch gegen E-Autos gewettert und SUVs hochgepriesen. Das finde ich nicht zeitgerecht. Schon mal etwas von Klimawandel gehört? Oder gehörte das in die Kategorie 'Humor ist, wenn man trotzdem lacht'?
Die Bewertung fällt mir nicht leicht, da das Buch zwar lesenswerte Züge hat, aber sich andererseits immer mehr in Übertreibungen verliert, die irgendwie erzwungen wirken. Leider war es so, dass das Krimigeschehen immer mehr in den Hintergrund rückte und Platz machen musste für unsinniges Palaver.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.04.2022

Heimatinsel Sylt

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
0

Als ich das Cover dieses Buches sah, habe ich sofort Westerland erkannt, wo ich schon öfters während unserer Sylt-Urlaube war. Sofort beschlich mich ein heimeliges Gefühl, und nachdem ich die Leseprobe ...

Als ich das Cover dieses Buches sah, habe ich sofort Westerland erkannt, wo ich schon öfters während unserer Sylt-Urlaube war. Sofort beschlich mich ein heimeliges Gefühl, und nachdem ich die Leseprobe kennengelernt hatte, wollte ich das Buch unbedingt lesen.
Es fängt auch sehr interessant an, denn Susanne Matthiesen beschreibt aus Sylter Sicht den Lockdown, wie man ihn auf der Insel erlebte. Sylt gehörte endlich wieder den Einheimischen und nicht den Massen von Touristen. Amüsant fand ich die Anekdoten, wie Urlaubssüchtige trotzdem versuchten, ihre Lieblingsinsel zu erreichen.
Auch ansonsten gab es einige wissenswerte Hintergrundinformationen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, wie z.B. die Punkerinvasion, Details zur großen Flut von 1981, die Rebellion gegen die Touristen in den 80ern, Sylter Mythen und Sagen u.a. Diese Informationen werde ich sicher im Kopf haben, wenn ich Sylt wiedersehe.
Auch die Belastung der Natur durch den Massentourismus findet ihren Platz und die Umweltzerstörung wird angeprangert. Das gefällt mir.
Was mir nicht gefallen hat, sind langatmige Schilderungen von Personen oder Ereignissen, die kaum jemand interessieren. So fand ich z.B. die Schilderung der Silberhochzeit der Eltern sehr ermüdend, oder auch die Charakterisierung von Leuten, die nur im Leben der Autorin eine Rolle gespielt haben, wie z.B. als Nachbar.
Außerdem würde ich das Buch nicht als Roman kategorisieren, sondern eher als Sammlung von Erinnerungen. Es geht zwar immer wieder mal um Pfuschi, die Freundin der Autorin, aber in meinen Augen nicht so intensiv, wie es für einen Roman notwendig wäre. Auch vermisse ich einen Zusammenhang mit dem Cover, ich hatte eine interessante Geschichte dazu erwartet.
Alles in allem habe ich dem Buch viel Informatives entnehmen können, aber ich hatte zudem eine romanähnliche Erzählung erwartet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2021

Was geschah vor 25 Jahren?

Dein dunkelstes Geheimnis
6

Kathryns Vater sitzt im Gefängnis, weil er vor 25 Jahren ihre beste Freundin Elsie ermordet haben soll, seine Tochter hasst ihn dafür. Er äußert sich nicht zu den Vorfällen damals, und eine Leiche wurde ...

Kathryns Vater sitzt im Gefängnis, weil er vor 25 Jahren ihre beste Freundin Elsie ermordet haben soll, seine Tochter hasst ihn dafür. Er äußert sich nicht zu den Vorfällen damals, und eine Leiche wurde nie gefunden. Die Ereignisse von damals werden wieder zum Tagesgespräch, als genau 25 Jahre später ein weiteres Mädchen, das Elsie sehr ähnlich sieht und gleich alt ist, im selben walisischen Dorf verschwindet....Alte Theorien und neue Verdächtigungen werden wieder lebendig....

Der Schreibstil ist sehr flüssig, und man liest sich schnell ein, allerdings kommt zumindest in der ersten Hälfte keine richtige Spannung auf, da nur der Inhalt des Klappentextes verarbeitet wird, in der zweiten Hälfte des Buches ändert sich dies glücklicherweise, und man möchte unbedingt 'hinter die Kulissen' schauen, so dass man das Buch dann kaum aus der Hand legen kann. Es gibt auch einige Überraschungen, und die Autorin legt falsche Fährten, was mir gut gefallen hat. Am Ende kommt es zu einem großen Showdown, wobei der Ausgang des Dramas offen bleibt......

Allerdings habe ich mich die ganze Zeit gefragt, warum dies ein Psychothriller sein soll, denn spannenden Nervenkitzel auf psychologischer Ebene habe ich nicht verspürt. Meist geht es um die Ermittlungen, ihre Ergebnisse, ihre Behinderungen usw., aber die psychologischen Komponenten vermisse ich. Dass ich mal vor Spannung den Atem angehalten hätte, dass meine Nerven mal sehr gereizt gewesen wären, das kam nicht vor. Schade! In früheren Büchern der Autorin konnte man sich überzeugen, dass sie durchaus solche Inhalte schreiben kann.

Auch erschienen mir das Ende und die dazugehörigen Motive sehr unrealistisch und konstruiert, einige Fragen bleiben offen. Manche Entscheidungen kann man einfach nicht nachvollziehen. Leider kann ich nicht näher darauf eingehen, da ich sonst spoilern würde.

Die Grundidee ist durchaus lobenswert, aber das Gerüst hätte treffender gefüllt werden müssen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung