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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Erholsam ruhig

Ein Elefant im Mückenland
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Eine Reise durch Finnland, kuriose und liebenswerte Charaktere, ein bisschen Gesellschaftssatire und hier und da blitzt der typische finnische Humor auf: skurril, schwarz, aber trotzdem irgendwie immer ...

Eine Reise durch Finnland, kuriose und liebenswerte Charaktere, ein bisschen Gesellschaftssatire und hier und da blitzt der typische finnische Humor auf: skurril, schwarz, aber trotzdem irgendwie immer in Moll. „Ein Elefant im Mückenland“ ist ein typischer Paasilinna. Vielleicht ist der Roman nicht sein humorigster, trotzdem hat mich das Buch wieder gut unterhalten. Paasilinna erzählt die Geschichte der Elefantendame Emilia, die von heute auf morgen kein Zuhause mehr hat. Im finnischen Zirkus kann sie nicht bleiben, da ein neues EU-Gesetz die Haltung von wilden Tieren zum Gelderwerb verbietet. Damit Emilia nicht getötet werden muss, nimmt sich Tierpflegerin Lucia Lucanda der Elefantendame an und möchte sie nach Afrika verschiffen. Bis es soweit ist, müssen sich Emilia und Lucia auf eine ereignisreiche Odyssee quer durch Finnland begeben und gegen einige Widrigkeiten kämpfen, wie etwa gegen militante Tierschützer oder den finnischen Lebensstil. Paasilinna erzählt die Geschichte auf eine sehr ruhige Art, schweift auch mal ein bisschen ab und vermittelt dem Leser Wissen über die finnische Geschichte oder eben Elefanten. Paasilinnas Sprache ist sehr einfach, aber vor allem angenehm. Natürlich ist „Ein Elefant im Mückenland“ kein rasanter Roadtrip, auch nicht übermäßig witzig oder extrem spannend – mir gefällt dieses Buch gerade aber, weil es irgendwie so erholsam ruhig ist. Wie ein finnischer Sommerurlaub. Und man bekommt auch wieder ein stückweit mehr die finnische Lebensart näher gebracht.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Liebe und Verrat im 30-jährigen Krieg

Die Wundärztin
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Liebe und Verrat im 30-jährigen Krieg: In „Die Wundärztin“ – dem Auftakt einer Trilogie – erzählt Heidi Rehn die Geschichte der Söldnertochter Magdalena, die als Wundärztin im kaiserlichen Tross arbeitet. ...

Liebe und Verrat im 30-jährigen Krieg: In „Die Wundärztin“ – dem Auftakt einer Trilogie – erzählt Heidi Rehn die Geschichte der Söldnertochter Magdalena, die als Wundärztin im kaiserlichen Tross arbeitet. Schon als Kind lernt sie den Waisen Eric kennen, der nach dem Tod seiner Eltern als Zimmermannlehrling im Tross unterkommt. Nach Jahren werden die beiden ein Paar. Doch die Liebe ist eine verbotene, denn die Väter der beiden waren verfeindet. Nach einer Schlacht verschwindet Eric spurlos und Magdalena muss eine folgenschwere Entscheidung treffen. Im Prinzip hat mir der Roman ganz gut gefallen. Rehns Schreibstil zieht einen schnell in die Geschichte rein, sie erzählt sehr bildhaft und durchaus atomsphärisch. Auch zu den Charakteren findet man recht schnell Zugang. Ein wenig holprig fand ich den Übergang vom Prolog zum ersten Teil des Romans, auch gab es am Anfang noch ein paar Ungereimtheiten, die sich dann aber nach und nach weitgehend aufklären. Doch Vorsicht: Wer einen detaillierten, gut recherchierten Roman über den 30-jährigen Krieg lesen will, ist mit diesem Buch falsch beraten. Rehn schildert zwar sehr genau und informativ das Leben eines Feldschers im Tross und überhaupt das Leben des Tross-Gefolges, über die Hintergründe oder politischen Verstrickungen zu jener Zeit erfährt der Leser aber so gut wie nichts. An manchen Stellen hätte ich mir zwar auch tiefergehende Informationen und weniger Gefühlsduselei gewünscht, im Großen und Ganzen hat mich dar Roman aber trotzdem extrem gut unterhalten. Und irgendwie gelingt es Rehn dann doch die Stimmung der Menschen, die zu jener Zeit geherrscht haben muss, zu transportieren.

Ein ganz unterhaltsamder Historienschmöker, trotzdem werde ich die Folgebände ziemlich sicher nicht mehr lesen. Die haben dann nämlich gar nichts mehr mit dem 30-jährigen Krieg zu tun und so gepackt hat mich die Geschichte dann auch wieder nicht.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Psychologisch dichte Familiengeschichte

Sommer in Maine
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Ein Sommerhaus an einem malerischen Strand in Main und eine Familie, die seit Generationen ihren Urlaub dort verbringt. Das klingt nach Idylle. Ist es aber nicht. In ihrem Roman „Sommer in Maine“ erzählt ...

Ein Sommerhaus an einem malerischen Strand in Main und eine Familie, die seit Generationen ihren Urlaub dort verbringt. Das klingt nach Idylle. Ist es aber nicht. In ihrem Roman „Sommer in Maine“ erzählt Sullivan die Geschichte einer amerikanischen Großfamilie mit irischen Wurzeln. In den Mittelpunkt ihrer Erzählung stellt sie vier Frauen aus drei Generationen, deren Sehnsüchte und Probleme. Da ist zum einen die exzentrische Großmutter Alice, die seit dem Tod ihres Mannes fast das ganze Jahr über im Sommerhaus wohnt und nicht nur ein Geheimnis mit sich herumträgt. Enkelin Maggie wurde in New York von ihrem Freund verlassen. Deren Mutter Kathleen hat sich eigentlich vor Jahren vom Familienclan losgesagt und lebt mit ihrem Lebensgefährten, einem Althippie, in Kalifornien. Besonders hasst Kathleen ihre durchorganisierte Schwägerin Ann Marie, die Puppenhäuser bastelt und so versucht, das perfekte Zuhause zu kreieren. In diesem Sommer kommen die vier Frauen mehr oder weniger unfreiwillig im Sommerhaus zusammen und endlich werden die Karten auf den Tisch gelegt.

„Sommer in Maine“ ist eine vielschichtige Familiengeschichte, die mir vor allem wegen seiner psychologischen Dichte sehr gut gefallen hat. Die Charaktere sind sehr einzigartig und extrem gut ausgearbeitet. Nicht immer sind sie einem sympathisch und sehr oft möchte man die Frauen einfach nur schütteln. Gut gefallen hat mir auch die Erzählweise: Die Geschichte wird immer abwechselnd aus der Sicht einer der vier Frauen erzählt. So bekommt man einen ganz guten Einblick in die Gefühlswelt der Protagonisten. Geschickt bindet Sullivan so auch etliche Rückblicke mit ein - die Probleme der Frauen beruhen ja meist auf Geschehnissen in der Vergangenheit. Bald merkt man, dass das Hauptproblem in der Familie die fehlende Kommunikation ist und der Zwang, immer einen bestimmen Schein zu wahren. Wenn die Frauen dann zusammentreffen, kracht es richtig. Am Ende finden die vier zwar doch irgendwie zueinander und jede wächst über sich hinaus. Ein Friede-Freude-Eierkuchen-Ende ist es aber dennoch nicht. Ein Roman, der nicht so leichtfüßig daherkommt, wie Cover und Titel vermuten lassen. Dennoch ein lesenswerter Roman, der viele Themen anschneidet und auch zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Mantel-und-Degen-Abenteuer mit Goethe und Co.

Das Erlkönig-Manöver
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Ein actiongeladenes Mantel-und-Degen-Abenteuer und in den Hauptrollen die Dichtergrößen des 18./19. Jahrhunderts. Klingt verrückt? Ist es auch ein bisschen, aber in positivem Sinn. Die Handlung: Im Jahr ...

Ein actiongeladenes Mantel-und-Degen-Abenteuer und in den Hauptrollen die Dichtergrößen des 18./19. Jahrhunderts. Klingt verrückt? Ist es auch ein bisschen, aber in positivem Sinn. Die Handlung: Im Jahr 1805 bekommt Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe von seinem Herzog den Auftrag, den tot geglaubten französischen Thronfolger Louis-Charles aus den Fängen Napoleons zu befreien und in Sicherheit zu bringen. Unterstützung bekommt Goethe von keinem geringerem als seinem Freund Friedrich Schiller sowie von Alexander von Humboldt, Bettine Brentano, Achim von Arnim und Heinrich von Kleist. Auf der Odyssee quer durch Deutschland wird natürlich geschossen, gefochten und auch mit spitzfindigen Sprüchen nicht gegeizt. Mir hat es unheimlich viel Spaß gemacht, den Roman zu lesen. Löhr schafft einen perfekten Spagat zwischen Fiktion und Historie. So absurd die Geschichte auch klingen mag, sie wird zu keiner Zeit albern. Im Gegenteil: Der Roman bietet ganz viel Wortwitz und Situationskomik. So gibt es herrliche Anspielungen auf das Leben oder die Werke der Dichter und man stolpert auch immer wieder über bekannte Zitate, zum Beispiel aus „Kabale und Liebe“ oder „Die Leiden des jungen Werther“. Sprachlich ist der Roman auf jeden Fall brillant, weil Löhr sein Buch klingen lässt, als wäre es im 19. Jahrhundert geschrieben worden. Das lässt die irrwitzige Geschichte fast schon authentisch wirken. An manchen Stellen waren mir die Actionszenen zwar oft ein wenig zu viel. Nichts desto trotz aber eine intelligent gemachte, unterhaltsame, geistreiche, komische Geschichte.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Zum miträtseln

Blut und Kupfer
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Eine Sache vorweg: Wer zu diesem Buch greift, sollte sich auf gar keinen Fall vom Cover und schon gar nicht vom Klappentext in die Irre führen lassen. Dort ist nämlich folgendes zu lesen: „Sie ist eine ...

Eine Sache vorweg: Wer zu diesem Buch greift, sollte sich auf gar keinen Fall vom Cover und schon gar nicht vom Klappentext in die Irre führen lassen. Dort ist nämlich folgendes zu lesen: „Sie ist eine junge Witwe. Drei Männer machen ihr den Hof. Doch wem kann Marie trauen?“ – klingt ein bisschen nach romantischer Historienschmonzette, dachte ich zunächst. Das ist der Roman aber auf gar keinen Fall. „Blut und Kupfer“ ist im Grunde ein historischer Krimi mit vielen überraschenden Wendungen, der bis zum Schluss spannend bleibt. Es gibt zwar schon auch eine kleine Romanze, die wird aber eher nebensächlich und sehr auf dem Boden geblieben erzählt. Der Roman spielt um 1617, kurz vor Ausbruch des 30-jährigen Krieges. Eine Zeit also, in der die Menschen ganz besonders von Aberglauben durchdrungen waren. Eine Zeit, in der auch die Hexenverfolgung einen neuen Höhepunkt erreichte. All diese Themen spielen in den Roman hinein. Die Geschichte beginnt in Prag: Der Alchemist Sallovinus wird ermordet und aus seiner Werkstatt verschwinden Kupferstiche – Vorlagen für vier kostbare Marmortafeln. Zur selben Zeit muss die jung verwitwete Marie auf ihr elterliches Gut in Bayern zurückkehren. Einen besonderen Draht hat sie zu ihrem Onkel Remigius, der allerdings ein gefährliche Geheimnis hütet und im Besitz einer der vier Tafeln ist. Schon bald taucht auch noch der mysteriöse Böhme Ruben auf dem Gut auf und macht Marie den Hof. Sie weiß aber nicht, ob sie ihm trauen kann oder ob er sie nur benutzt, um an die Tafel zu kommen. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, den Roman zu lesen und zusammen mit Marie das Geheimnis der Tafeln zu lüften. An manche Stellen – besonders zum Schluss hin – ist die Handlung ein wenig unübersichtlich geraten und man muss beim Lesen generell sehr aufpassen, um kein Detail zu verpassen. Im Großen und Ganzen aber ein unterhaltsamer historischer Roman mit Krimielementen, bei dem der Leser miträtseln kann.