Eindringlich und erschreckend nah an der Realität
Sanctuary – Flucht in die FreiheitIm Jahr 2032 ist der Klimawandel weiter vorangeschritten mit weitreichenden Folgen für Mensch und Natur. Allen Bürgern der USA werden zur Überwachung Chips implantiert, so dass illegale Einwanderer herausgefiltert ...
Im Jahr 2032 ist der Klimawandel weiter vorangeschritten mit weitreichenden Folgen für Mensch und Natur. Allen Bürgern der USA werden zur Überwachung Chips implantiert, so dass illegale Einwanderer herausgefiltert und schneller abgeschoben werden können. Abschieben reicht der Regierung allerdings irgendwann nicht mehr aus. Man hat noch Schlimmeres im Sinn.
Auf dem Schwarzmarkt können Illegale gefälschte Chips erwerben. Doch diese funktionieren nur unzuverlässig , so dass sich die 16 jährige gebürtige Kolumbianerin Vali, ihr kleiner Bruder Ernesto und ihre Mutter sich gezwungen sehen zu fliehen, nachdem sogenannte Deportationseinheiten wie Pilze aus dem Boden schießen und Undokumentierte jagen. Bald schon hat Vali die alleinige Verantwortung für ihren Bruder und für ihrer beider Leben , denn ihre Mutter ist quasi vor ihren Augen verhaftet worden. Es folgt eine atemberaubende Jagd Richtung Kalifornien, dem einzigen Bundesstaat, der sich von dieser menschenverachtenden Politik losgesagt hat.
Die Autorinnen und Aktivistinnen Paola Mendoza und Abby Sher haben diesen Jugendroman aus Sorge vor einer 2. Amtszeit von Donald Trump geschrieben. Deshalb gab es wohl einen gewissen Zeitdruck, weil das Buch unbedingt vor der entscheidenden Wahl veröffentlicht werden sollte.
In ihrer Geschichte ist dieses Schreckensszenario einer extrem nationalistischen Regierung Realität geworden, und alles was hier beschrieben wird, ist in Ansätzen auch von Trump tatsächlich schon auf den Weg gebracht worden. Das Buch ist somit auch als Weckruf zu verstehen, sich aktiv für Freiheit und Demokratie einzusetzen.
Ich nehme an, es ist dem Zeitdruck geschuldet, dass die Charaktere nicht so komplex angelegt worden sind, wie man es sich als Leser vielleicht gewünscht hätte. Die Geschichte ist extrem aufwühlend, weil man sich eine Zukunft mit Trump genau so vorstellen kann, und die Gefahr ist ja keineswegs gebannt. Weltweit sieht man ja leider zunehmend nationalistische Tendenzen. Ich halte dieses Buch deshalb für sehr wichtig, und es ist sicher nicht umsonst für den deutschen Jugendbuchpreis 2022 nominiert worden. Allerdings hätte ich mir eine Triggerwarnung für Personen mit eigener Fluchterfahrung gewünscht. Das Buch ist an vielen Stellen ausgesprochen brutal und geht wirklich unter die Haut. Auch wenn der Verlag damit wirbt, ist der Roman keine Dystopie, sondern ein Near Future Roman. Es war für mich kein absolutes Highlight, und ich tue mich tatsächlich etwas schwer mit einer Bewertung. Ich wünsche diesem wichtigen Buch aber auf jeden Fall viele Leser*innen. Das Thema verdient jede nur mögliche Aufmerksamkeit.