Hier fehlte die Konzentration auf die Geschichte
Die leise Last der DingeDas Buch hat mich anfänglich begeistert. Der Teenager Benny verliert seinen Vater, lebt nun allein mit seiner Mutter Annabelle und diese beiden müssen versuchen, mit diesem Verlust und mit allerlei Lebenswidrigkeiten ...
Das Buch hat mich anfänglich begeistert. Der Teenager Benny verliert seinen Vater, lebt nun allein mit seiner Mutter Annabelle und diese beiden müssen versuchen, mit diesem Verlust und mit allerlei Lebenswidrigkeiten zurechtzukommen. Das ist von der Thematik her interessant und wird anfänglich hinreißend erzählt, trotz des für meinen Geschmack zu schlichten Schreibstils. Es gibt direkt zu Beginn einige Skurrilitäten, mit denen ich nicht viel anfangen konnte, so kommuniziert das Buch selbst sowohl mit dem Leser wie auch mit Benny, dessen Geschichte es erzählt, auch ist die Geschichte des verstorbenen Vaters etwas bemüht unkonventionell. Aber dies stört nicht weiter und kann als originelle Note etwas beitragen.
Die Beziehung zwischen Benny und seiner Mutter ist ausgezeichnet geschildert und sehr nachvollziehbar. Annabelle, die nicht nur ein Messie ist, sondern allgemein so verloren und naiv wie ein kleines Kind wirkt, bemüht sich anrührend, sich um ihren Sohn zu kümmern. Sie scheitert immer wieder an sich selbst und so haben ihre Interaktionen mit Benny etwas berührend Schmerzhaftes. Auch Benny, der in diesem Umfeld viel zu früh erwachsen agieren muß, zwischen Mitgefühl für und Zorn über seine Mutter schwankt, ist ausgezeichnet dargestellt. Die Szenen zwischen den beiden sind die besten des Buches, haben so viel Echtes. Bennys inneres Leid vermittelte sich beim Lesen intensiv. Ich habe geradezu mit ihm mitgefiebert und ihm die Daumen gedrückt.
In der zweiten Hälfte aber nimmt das Buch leider eine wenig erfreuliche Wendung. Die Autorin ist Zen-Priesterin und letztlich ist die Zen-Philosophie das Thema des Buches. Das lässt sich anfänglich noch gut an – überlagert die Geschichte nicht zu sehr und bringt eine interessante Note hinein, auch wenn ich diese nicht gebraucht hätte. Dann aber wird es für meinen Geschmack viel zu abgedreht. Benny lernt mehrere obskure Leute kennen und verbringt viel Zeit damit, sich von ihnen allerlei gewollt Philosophisches erzählen zu lassen. Es sind uninteressante, sich wiederholende Unterhaltungen, teilweise mit skurrilen Nicht-Inhalten, teilweise mit platten Allgemeinplätzen („Nicht du bist verrückt, die Welt ist verrückt“, „Böser Kapitalismus“), die als tiefgehende Einsichten verkauft werden. Immer, wenn eine solche Begegnung anfing, fiel das Lesevergnügen auf den Nullpunkt und da diese Begegnungen sich wiederholten, wurde das Buch immer weniger lesenswert.
Gleichzeitig damit entdeckt Annabelle durch einen Ratgeber die Zen-Philosophie und das führt zu den nächsten Tiefpunkten der Lektüre. Handbuchartig bekommen wir so allerlei Zen-Lehren vorgesetzt. Auch „das Buch“ nutzt seine Kommunikation mit uns Lesern dazu, uns reichlich Theorie vorzubeten und dies natürlich nicht als Theorie, sondern als absolute Wahrheit. In völlig unnötigen Szenen reisen wir dann auch immer wieder zu der Autorin des o.e. Zen-Ratgebers und erfahren dort: nichts, langatmig erzählt. So wird die anfänglich so interessante Geschichte zu einer Zen-Werbeveranstaltung. Dies ist an sich schon ärgerlich, aber hinzu kommt, dass dieser Zen-Aspekt zur Geschichte eigentlich nichts beiträgt, sie sogar eher schwächt. Annabelles und Bennys Geschichte hätte ohne diese skurrilen Ausflüge viel besser funktioniert. Nachdem die zweiten Hälfte des Buches also größtenteils in abgedrehten oder handbuchartigen Passagen versinkt und sich bemüht, möglichst ungewöhnlich zu sein, wird dann am Ende blitzschnell ein Happy End draufgeklatscht. Alle notwendigen Erkenntnisse geschehen ganz plötzlich, alle notwendigen Behörden spielen sofort mit, alles Unheil wird plötzlich abgewendet. Nachdem es zuvor so gemächlich ging, wirkt das lieblos, zudem unglaubwürdig. Die etwa zweihundert Seiten mit überflüssigen Szenen hätten herrlich genutzt werden können, Annabelles und Bennys inneren Weg aufzuzeigen und das Ende der Geschichte glaubhaft und nachvollziehbar einzuleiten. Hier wurde eine Möglichkeit in zu viel Unnötigem ertränkt. Schade, denn die erste Hälfte war großartig.