Eine Kindheit mitten in den Troubles und noch viele Jahre mehr
AmeliaDie achtjährige Amelia wächst in Belfast auf und es sind die 1969 begonnenen Troubles, der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, die ihre Kindheit und die Jahre danach prägen. ...
Die achtjährige Amelia wächst in Belfast auf und es sind die 1969 begonnenen Troubles, der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken, die ihre Kindheit und die Jahre danach prägen. Was macht man, wenn man in einem Umfeld aufwächst, in dem Menschen gegeneinander kämpfen, mit Waffengewalt, in dem Bomben Zerstörung bringen, Häuser abgefackelt werden und es täglich Tote zu beklagen gibt. Man lebt darin, man lebt damit. Anfangs empfindet man nur Angst und sucht Schutz bei den Erwachsenen, aber diese können dem Kind diesen Schutz nicht geben. Und so nimmt man es an, das, was passiert und versucht trotzdem, schöne Empfindungen zu erleben, sich das Glück mit allerkleinsten Dingen, für kurze Zeit, selbst zu schenken.
Anna Burns, die spätere Booker Prize Gewinnerin (Milchmann, 2018), erzählt hier in ihrem Debütroman von 2001, von einem solchen Leben, mitten im Nordirlandkonflikt, im Zeitraum von 1969 bis zum Jahr 1996, zwei Jahre, bevor ein 'Waffenstillstand' dem Grauen für die Bevölkerung ein Ende setzte. Sie schreibt auf, was passiert, in der Abgeschlossenheit dieses Kriegsgebiets, schonungslos. Sie erzählt von Menschen, die zu Gewalttätern werden, gegen 'den Feind', bis hin zum Tod, von sexuellen Greueltaten, von Übergriffen, bei denen der Gegner gar keiner ist, davon, wie die menschlichen Sitten verrohen und wahlweise einem allumfassenden Hass oder der vollständigen Abstumpfung gegen die einst hochgehaltenen Werte von Anstand und Ehre weichen. Und die Lichtblicke dazwischen, die werden immer weniger, sehr bald gibt es sie nicht mehr. Und die Autorin, sie sorgt dafür, dass wir als Leser gezwungen sind, hinzusehen. Einfach umdrehen und davonlaufen ist keine Option. Der Roman beeindruckt durch eine Art Erbarmungslosigkeit und eine Radikalität, alles genauso zu zeigen, wie es ist. Burns weicht in ihrer Darstellung keinen Schritt zurück, einfach weil es ihr genauso richtig scheint. Und ich als Leser akzeptiere das.
Das Buch ist gut, nicht bzgl. eines einzelnen Aspekts, es ist einfach gut. Und schwer zu verdauen, noch lange danach.