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Veröffentlicht am 23.08.2022

Eine Geschichte über ein Tabuthema

Point of View
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Inhalt:

Als Lucas eines Morgens nach dem Aufwachen zum Handy greift und dieses nicht mehr funktioniert, gerät er in Panik. Der Laptop zeigt nur noch ein blinkendes Fragezeichen an. Beide Geräte sind, ...

Inhalt:

Als Lucas eines Morgens nach dem Aufwachen zum Handy greift und dieses nicht mehr funktioniert, gerät er in Panik. Der Laptop zeigt nur noch ein blinkendes Fragezeichen an. Beide Geräte sind, das wird Lucas schnell klar, von einem Virus befallen. Warum, das kann er sich erklären.

Als Lucas Vater von den funktionsunfähigen Geräten erfährt, lässt er nicht lange mit sich handeln. Handy und Laptop soll sich sein Kollege Jérôme anschauen. Sébastien arbeitet in einer Computerfirma, dort hat man Ahnung. Das Problem wird vermutlich schnell gelöst sein.

Durch das,was Sébastien jedoch kurze Zeit später erfährt, droht er vollends den Boden unter den Füßen zu verlieren. Jérôme zeigt ihm ein Foto seines Sohnes, das diesen vollkommen rasiert, mit Öl eingerieben abbildet. Ob Lucas Opfer eines Pädophilen geworden ist? Sébastien wird schnell von seinem Kollegen und langjährigem Freund beruhigt. Denn der zwar sorgfältig gelöschte, aber für Jérôme noch zugängliche Browserverlauf zeigt, dass Lucas alleine in einer Nacht über 140 Pornos angeschaut hat. Lucas ist pornosüchtig.

Lucas Zensuren sind unterdessen immer schlechter geworden. Die Lehrer berichten davon, dass er mitten im Unterricht einschläft. Er isst ungesund und zu viel, hat stark zugenommen und interessiert sich kaum noch für seine Körperhygiene. Er hat keine Freunde, sitzt nur noch zu Hause in seinem Zimmer und schläft zu wenig. Ist all dies seiner Pornosucht geschuldet? Sébastien scheut das Gespräch mit dem Sohn. Aber es scheint wohl unvermeidbar.



Meinung:

Patrick Bard spricht mit seinem Roman, „Point of View – Wenn du nicht wegschauen kannst“, kein leichtes Thema an, soviel steht fest. Völlig unverblümt, offen und unverstellt nähert sie sich Themen, die für die meisten mit Tabus behaftet sind. Lucas ist pornosüchtig. Mit elf Jahren hat er sich illegal Filme und Serien auf den PC geladen und ist dabei durch ein Pop-Up auf seinen ersten Pornofilm aufmerksam geworden. Vielleicht war es die Neugierde, die ihn weitergeführt hat. Mit vierzehn Jahren zeigt er bereits signifikantes Suchtverhalten.

Immer auf der Suche nach dem einen Mädchen mit dem bestimmten Merkmal, klickt er sich von einem Video zum nächsten. Er hat bereits tausende Pornos gesehen. Er kennt mittlerweile Praktiken, die er in seinem Alter nicht kennen sollte. Es gibt Filme zum Thema Cosplay, die ihn aktuell sehr beschäftigen. Da sieht man Wonder Woman, Vampire, Zombies oder Androide beim Akt. Es fallen Worte, die Lucas anfangs vielleicht noch nichts sagten. Also klickt er auf den Link.
Das zentrale eskalierende Moment in seiner Sucht. Das Buch nimmt sich das Recht, dabei auf Triggerwarnungen zu verzichten. Hier fragte ich mich, ob die Altersempfehlung, ab 14 Jahren, angemessen ist. Denn natürlich ist man auch als Leser/in neugierig. Wie schnell ist so ein Wort gegoogelt?

Jugendbücher sollen den Erfahrungshorizont der Gegenwart abbilden. Das tut Patrick Bard mit seinem Buch, das steht fest. Denn Lucas durchlebt seinen persönlichen Albtraum. Durch das Schauen von Pornofilmen findet er eine innere Sicherheit, eine Routine. Er kommt zur Ruhe. Ohne diese Filme findet er nicht mehr in den Schlaf. Ihm fehlt etwas. Er fühlt sich leer, einsam und unsicher. Der Autor stellt hier sehr gut dar, was eine Sucht bewirken kann. Daraus auszubrechen ist nicht einfach. Für Lucas ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

Lucas benötigt die Hilfe seiner Eltern. Doch die Mutter leidet unter Depressionen und findet kaum Kraft den eigenen Alltag zu bewältigen. Der Vater ist resolut, er kämpft sich für seine Familie durch den Alltag. Das zusätzliche Problem ist eine Last für Sébastien. Ein Gespräch mit dem Sohn ist für ihn keine einfache Sache. Stellenweise greift Patrick Bard die Perspektive von Lucas Vater auf, was hilft, sich auch in dessen Perspektive zu versetzen. Sicher macht Sébastien auch Fehler, doch diese bleiben für den Leser nachvollziehbar.

Die Pornos prägen Lucas sexuelles Wissen, seine sexuelle Praxis und vor allem seine sexuelle Imagination. Sein erster Kontakt zu einem Mädchen verläuft nach dem game plan, den er durch die Videos vermittelt bekommen hat. Das mag auf den Leser schockierend und vielleicht auch kurzzeitig amüsant wirken. Lucas jedoch versteht die Welt nicht mehr. Er wird abgewiesen, ausgelacht und noch weiter ausgegrenzt. Und das ist vermutlich noch ein relativ harmloser Verlauf der Dinge, im Vergleich zu dem, was wohl passiert wäre, hätte das Mädchen, dem er ein Nacktfoto von sich schickt, dieses vielleicht noch im Internet geteilt.

Patrick Bard erzählt aber nicht nur von Lucas Sucht und den Auswirkungen dieser auf sein gesamtes Leben. Der Autor setzt zu dem Zeitpunkt an, in dem Lucas Suchtverhalten von seinen Eltern entdeckt wird. Psychologisch akkurat wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei Zeitsprünge und Perspektivwechsel die Spannung erhöhen.

Gelegentlich werden kurze Blicke in die Zukunft eingeworfen. Beispielsweise wie sich Sébastien vor einem Richter wiederfindet, der ihn damit konfrontiert, dass er nicht gleich einen Therapeuten aufgesucht hat. Das macht neugierig.

Patrick Bard berichtet bis zu dem Zeitpunkt, als Lucas Sucht ein Ende findet. Und das in einem Buch, das lediglich 224 Seiten umfasst. Die Erzähl-Dynamik ist also hoch. Manchmal ging es mir persönlich aber ein wenig zu schnell.



Fazit:

Patrick Bards Romane wurden mehrfach ausgezeichnet. Bereits auf den ersten Seiten von Point of View ahnt man warum. In diesem Buch geht es um einen Jungen, der auf einen Link klickt und nach und nach in die Pornosucht abgleitet. Es erzählt von der Erotisierung einer Kindheit. Von Gewalt- und Pornographie-Darstellungen, die Ängste auslösen und mittelfristig zu Abstumpfung und Empathieverlust führen.

Dass der Leser, auch wenn es sich um einen Roman handelt, viel über extreme Pornografie lernen kann, wird schnell klar. Es ist sicherlich immer ein Balanceakt bei solchen Büchern. Eine kleine Triggerwarnung wäre aber sicherlich angezeigt gewesen.

Dennoch ist dieses Buch eine Bereicherung im Bereich Jugendbuch, zumal Pornosucht noch immer zu den absoluten Tabuthemen gehört.

Das Buch ist sicherlich ein Instrument der Reflektion und der Erkenntnis. Junge Menschen sollten dabei aber begleitet werden.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Eine sehr bewegende Geschichte

Mein letzter Livestream – und alle schauen zu
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Inhalt:

Butter war schon immer übergewichtig. Mittlerweile wiegt er 423 Pfund. In der Schule ist sein Gewicht der sprichwörtliche rosa Elefant im Raum. Butter spürt die Blicke, wenn er einen falschen ...

Inhalt:

Butter war schon immer übergewichtig. Mittlerweile wiegt er 423 Pfund. In der Schule ist sein Gewicht der sprichwörtliche rosa Elefant im Raum. Butter spürt die Blicke, wenn er einen falschen Schritt macht, wenn er nur den Mund öffnet, um irgendwas zu sagen. Ein kleiner Fehler und er steht im Mittelpunkt. Etwas, was Butter unbedingt vermeiden möchte. In der Mensa hat er seinen eigenen Tisch und seine eigene Bank, da die übrigen Stühle sein Körpergewicht nicht tragen. Hier sitzt er alleine. Ein Behindertenparkplatz soll ihm den Weg zur Schule möglichst angenehm machen. Denn längere Strecken zu laufen, stellt eine große körperliche Herausforderung für ihn da.

Nach der Schule ist Butters Leben ebenso trostlos. Seine Mutter gibt zwar ihr Bestes, um die Situation irgendwie im Griff zu behalten. Doch viel zu oft scheint sie überfordert. Schlimmer ist Butters Vater, der seinen Sohn aufgegeben hat und ihn mit Schweigen und missbilligenden Blicken straft. Und dann gibt es noch Butters Arzt, der mit Enthusiasmus an ihn glaubt, aber nicht in der Lage ist, dem Jungen Mut zu machen, da es scheinbar keinerlei Fortschritte auf der Waage zu geben scheint.

Es gibt nur eine Person, die Butter Trost spendet. Und das ist Anna. Das Mädchen aus der Schule, mit dem er Abends gerne chattet. Doch Anna weiß nicht, wer Butter wirklich ist. Sie hofft auf ein erstes Treffen mit dem Jungen ihrer Träume. Butter hingegen tut alles, um dieses zu vermeiden. Denn er weiß, wenn Anna wüsste, wer hinter seinem Pseudonym steckt, dann würde er die einzige Person verlieren, die ihm wirklich wichtig ist.

Das Leben ist für Butter ein wahrer Hindernislauf. Sein Alltag ist deprimierend, ja demütigend.

So geschieht es an einem Abend, mitten in der Nacht, als Butter einen folgenschweren Entschluss fasst. Nicht einmal eine Viertelstunde dauert es, bis er am Computer eine Website erstellt hat. Und diese trägt den Titel „ButtersLastMeal.com“. Butters Finger huschen über die Tastatur, während er die ersten Worte tippt. Er kündigt an, dass er am 31. Dezember auf dieser Seite einen Livestream zeigen wird. Einen Livestream, in dem er sich zu Tode essen wird.

Am nächsten Morgen, als Butter erwacht, erhofft er sich eine Veränderung. Diese beginnt auch schon am Frühstückstisch. Denn seit langem hat er keinen wirklichen Hunger.

Erst in der Schule wird klar, dass die E-Mail eine Wasserscheide war. Denn plötzlich wird er von den Mitschülern angesprochen. Sie gratulieren ihm, schenken ihm ihre Aufmerksamkeit. Plötzlich stehen sie ihm scheinbar positiv gegenüber. Sogar die Freunde von Butters ärgstem Feind wollen ihn plötzlich an ihrem Tisch sitzen haben und laden ihn zu einer gemeinsamen Veranstaltung ein.

Butter stellt fest, dass er über Nacht siebenundzwanzig Kommentare auf seiner Website erhalten hat. All diese Kommentare fordern ihn auf, sein Projekt fortzusetzen.

Allmählich merkt Butter, dass es nur einen Weg für ihn gibt: Sein Projekt durchzuziehen. Bis zum point of no return möchte er die neu gewonnene Aufmerksamkeit in vollen Zügen genießen.



Meinung:

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist die Neuauflage des Buches „Butter“, das auch verfilmt wurde. Ich habe zuvor weder das Buch gelesen, noch den Film gesehen.

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist kein leichtes Buch, das verrät bereits der Klappentext. Die Autorin Erin Jade Lange greift hier schwere Themen wie Binge Eating, Mobbing, Suizidgedanken, Bodyshaming und Sensationsgier auf. Auch, wenn das Buch nicht mit leicht zugänglichen Typisierungen zur Identifikation auffordert, so ging mir diese Geschichte nahe. Wer in seinem Leben Bezug zu den obengenannten Themen sieht, sollte sich überlegen, ob er zu dem Buch greift.

Erin Jade Lange erzählt in ihrem Buch von einem Jungen namens Butter, der Zeit seines Lebens mit Übergewicht zu kämpfen hatte. Butter hat mittlerweile die Hoffnung aufgegeben, jemals ein „normales“ Leben führen zu können. Zwar gibt es einige Menschen, die ihm positiv zugetan sind, jedoch hilft ihm das nicht über die Einsamkeit und über den Frust hinweg, dem er tagtäglich ausgesetzt ist.

Es gibt z.B. Tucker, diesen Jungen, der ebenfalls übergewichtig war und der mittlerweile durch harte Disziplin und Besuche in einem speziellen Camp für Übergewichtige abgenommen hat. Tucker spricht Butter gut zu. Er versucht ihn zu motivieren. Doch die Ziele, die Tucker erreicht hat, liegen für Butter einfach viel zu weit weg, um sie anzusteuern. Dann gibt es den Professor an der Schule, der Butters Leidenschaft fürs Saxophonspielen unterstützen und ihn fördern möchte. Doch Butter hat einfach zu viel Angst, dass seine Leidenschaft eine Konfrontation mit Publikum nicht überstehen würde. Und es gibt Anna, das Mädchen, mit dem Butter nächtelang chattet. Doch auch diese Beziehung ist mehr als fragil. Wüsste Anna, wer er wirklich ist, dann wäre, seiner Meinung nach, Schluss. Denn in der Schule würdigt sie ihn nicht eines Blickes.

An der Schule gibt es dann noch diese Gruppe von Jungs. Einer davon ist Butters größter Widersacher. Jeremy, der ihm einst seinen Spitznamen verpasst hat. Jeder von ihnen ist stets gewillt, sich über Butter lustig zu machen. Jeder von ihnen hofft darauf, dass etwas passiert, was ihr Leben aufregender machen würde. Kein Wunder, dass Butter ab dem Zeitpunkt, an dem er seine Website erstellt, ihre volle Aufmerksamkeit erhält.

Es ist schockierend zu beobachten, wie fragil Butters Leben doch ist. Der Junge, der eigentlich von seiner Statur her furchteinflößend wirken könnte, trägt ein sehr weiches und gutes Herz in der Brust. Butter weiß, dass zu hohes Gewicht nicht nur optische, sondern auch gesundheitliche Probleme mit sich bringt. So leidet er z.B. unter Diabetes. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist sehr hoch. Hinzu kommt, dass seine Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Eine kleine Drehung, eine längere Wegstrecke zurücklegen - all das ist für Butter ein großes Problem. Und als wäre das nicht alles schon schlimm genug, ist er fest davon überzeugt, den Status als Paria der Schule übergewichtig nicht verlassen zu können.

Erin Jade Lange realistisches Werk offenbart das manchmal misanthropische Wesen junger Menschen. Denn ab dem Moment, in dem Butter einen folgenschweren Entschluss fasst, nämlich sein Leben zu beenden, erhält er endlich Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, nach der er sich lange gesehnt hat. Seine Mitschüler sehen ihn. Sie sind „nett“ zu ihm. Doch sie zeigen ihm auch bald, dass diese Nettigkeit eben auch ein Preisschild trägt. Denn Butter soll ihr Leben interessanter machen. Er soll ihnen die Langeweile nehmen, die sie im Leben empfinden und ihre Sensationsgier befriedigen.



Fazit:

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ eröffnet einen freien Blick auf die düstere Seele von manch jungem Menschen. Es ist die unglaublich bewegende Geschichte eines übergewichtigen Jungen, der, anstatt diesem Leben zu entkommen, eigentlich nur dazugehören will.

Erin Jade Lange bringt anrührend und unglaublich eindringlich menschliche Abgründe zum Ausdruck. Mobbing beginnt hier bereits im Elternhaus und geht in der Schule weiter. Wie ein Mensch einen sozialen Stempel verpasst bekommt, In-Group-Out-Group-Verhalten, psychische Gewalt und krankhafte Persönlichkeiten werden schonungslos analysiert.

„Mein letzter Livestream und alle schauen zu“ ist als Schullektüre zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 26.07.2022

Eine außergewöhnliche Geschichte

Nothing Left for Us (deutsche Ausgabe von Radio Silence)
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Inhalt:


Als Jahrgangsbeste ist es für Frances wichtig, jeden Tag für die Schule zu lernen, um nicht zurückzufallen. Es zieht sie an die Eliteuniversität Cambridge. Dieses Vorhaben hat für sie die höchste ...

Inhalt:


Als Jahrgangsbeste ist es für Frances wichtig, jeden Tag für die Schule zu lernen, um nicht zurückzufallen. Es zieht sie an die Eliteuniversität Cambridge. Dieses Vorhaben hat für sie die höchste Priorität. Ausgleich zum Stress findet sie in ihrer Leidenschaft, dem Zeichnen von Fanarts zu ihrem Lieblingspodcasts „Universe City“.

Eines Tages passiert etwas Unglaubliches. Frances mag ihren Augen kaum trauen, als sie plötzlich eine Nachricht von „Universe City“ auf Twitter empfängt, in der sie gefragt wird, ob sie vielleicht Visuals für eine neue Folge des Podcast erstellen möchte. Frances hat zwar aufgrund ihrer Ambitionen keinerlei Zeit für Hobbys, doch diese Chance kann sie sich einfach nicht entgehen lassen. Sie sagt zu.

Bislang kannte noch keiner den Podcaster, der hinter „Universe City“ steckt. Dieses Geheimnis soll auch den Reiz der Show ausmachen. Doch durch einen Zufall kommt Frances ihrem Idol näher. Bei diesem handelt es sich um Aled. Aled, der beste Freund von Daniel. Frances hat sich schon immer gefragt, was diese beiden charakterlich so unterschiedlichen Menschen zusammengeführt hat. Denn Daniel ist das genaue Gegenteil von Aled. Er teilt sich mit Frances den Posten des Schülersprechers und denkt nicht lange über das nach, was er sagt. Er ist überhaupt nicht feinfühlig bei seiner Wortwahl.

Aled hingegen ist still und unscheinbar. Als Frances ihn von einer Party nach Hause bringt, kommen sich beide näher. Beide merken, dass der jeweils andere ein paar schräge Vorlieben und Hobbys hat. Frances merkt bald, dass sie sich in Aleds Gegenwart frei, unbeschwert und verstanden fühlt. Es entsteht eine Freundschaft in einer Intensität, wie sie weder Aled noch Frances zuvor gekannt haben.

Als dann aber von einem Tag auf den anderen Aleds Podcast viral geht und sein größtes Geheimnis, nämlich das, wer hinter „Universe City“ steckt, auffliegt, droht sowohl für Aled, aber auch bald für Frances eine Welt zusammenzubrechen.



Meinung:


Alice Oseman erzählt in ihrem neuesten Roman „Nothing Left for us“ eine Geschichte über zwei Außenseiter, die sich über ihre gemeinsame Liebe zu einem Podcast kennenlernen.

Beeindruckend ist vor allem die Charakterzeichnung der Figuren. Hier gibt es zum einen die Protagonistin Frances, die alles dafür tut, um in der Schule die Klassenbeste zu bleiben. Dieses Ziel hat für sie höchste Priorität, führt aber zu einem von wachsendem Leistungsdruck beherrschten Alltag.

Diesen gleicht Frances mit dem Hören ihres Lieblingspodcastes „Universe City“ aus. Ganz nebenbei zeichnet sie hierzu Skizzen und veröffentlicht sie auf Tumblr. Als plötzlich kein geringerer als der Podcaster von „Universe City“ auf Frances aufmerksam wird, verändert sich für diese plötzlich ihr ganzes Leben.

Aled hat einige Geheimnisse. So möchte er Frances zum Beispiel auf keinen Fall in die Nähe seiner Mutter lassen. In seinem Kleiderschrank hat er eine Menge Nerdklamotten, die er aber nie trägt. Und dann gibt es noch Aleds besten Freund Daniel. Die Gegensätze zwischen den beiden Freunden könnten größer nicht sein. Zudem hat Aled auch noch eine Zwillingsschwester. Das Mädchen, in das Frances einst verliebt war und das von einem Tag auf den anderen von Zuhause weglief. Niemand wusste warum.

Aber auch die Randfiguren sind mit viel Liebe zum Detail gezeichnet und machen neugierig. Besonders gefallen hat mir z.B. die Mutter von Frances, die mit ihrem Einhornhausanzug am Abend vor dem Fernseher Games of Throne schaut und immer für ihre Tochter da ist, um sie in ihren Vorhaben zu unterstützen.
Oder auch die merkwürdige Klassenkameradin von Frances. Raine, die Frances ohne Grund und ohne die Situation zu hinterfragen vor den anderen in Schutz nimmt, wenn diese merkwürdige Fragen stellen oder Frances emotional in die Ecke treiben.

Im Fokus des Romans steht der Podcast „Universe City“, den Aled im Geheimen betreibt und dessen Folgen Frances mit ihren Zeichnungen schmücken darf.
Die Geschichte von „Universe City“ ist eine futuristischen Phantasie. Hier geht es um einen androgynen Studierenden, der einen Anzug trägt und als Detektiv einen Ausweg aus der monsterverseuchten Sci-Fi-Universität sucht. Immer wieder werden auch in den Roman kurze Stellen von „Universe City“ eingebaut, die der Leser mitverfolgen kann und ihn in das Podcastgeschehen mitnehmen.

Auch in ihrem neuen Roman geht es Alice Oseman um Perspektiven auf Diversität und Heterogenität. Denn wie bereits Heartstopper und Loveless ist auch Nothing Left for Us wieder eine selbstbewussten Erwiderung auf heteronormative Strukturen.

Wichtig ist Osemann auch stets der Wert der Freunde; schlechte und gute Freunde, die Freundschaft zwischen Mann und Frau und die oft wechselvolle Biografie von Freundschaften.

„Hör auf deine eigene Stimme“, lässt Alice Oseman auf das Cover schreiben. Mit der Selbstbestimmtheit ihrer Protagonisten schafft sie es zu formulieren, wie sie sich das Leben vorstellt. Manchmal benötigt es allerdings Fingerspitzengefühl und Mut, die innere Stimme zu finden und ihr zu vertrauen. Und nicht immer ist es einfach einen neuen Weg zu gehen.

Alice Oseman schreibt intensiv, sie schreibt berührend.



Fazit:


Alice Oseman liefert mit „Nothing Left for Us“ einen herrlich nerdigen und unglaublich unterhaltsamen Blick auf das Leben. Getragen wird der Roman von zwei Jugendliche, deren Ansichten und geheime Leidenschaften äußerst unkonventionell sind.

Die Autorin erzählt von der Verwirklichung und Verteidigung von Jugend- und Lebensträumen, oft gegen die schmerzhafte, banale Realität, in der sich ihre Protagonistinnen wiederfinden.

Die Darstellung von Diversität in jeglicher nur erdenklicher Form ist ein Anliegen, das die Autorin bereits in der Vergangenheit verfolgte. Diese bezaubernde Diversität, die uns unsere Welt zu bieten hat, trägt auch diesen Roman.

Ich empfehle dieses Buch daher Lesern, die auf der Suche nach einer wirklich außergewöhnlichen Geschichte sind.

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Veröffentlicht am 02.06.2022

Gute-Laune-Buch

Die wunderbare Florentine Feiertag: Ein Wunsch kommt selten allein
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Inhalt:


Als eines Tages ein Möbelwagen in der Kastanienallee Nr. 12 hält, sind die Bewohner von Waldstadt neugierig: Wer mag diese neue Frau mit den kunterbunten Möbeln sein, die in der Nachbarschaft ...

Inhalt:


Als eines Tages ein Möbelwagen in der Kastanienallee Nr. 12 hält, sind die Bewohner von Waldstadt neugierig: Wer mag diese neue Frau mit den kunterbunten Möbeln sein, die in der Nachbarschaft einzieht?

Bald schon stellt sich heraus, dass die neue Nachbarin, Florentine Feiertag, nicht nur außergewöhnliche Möbel, wie zum Beispiel einen siebeneckigen Tisch und ein Bett, das aussieht, wie ein riesiges Vogelnest, besitzt. Sie hat auch einen ganz außergewöhnlichen Beruf. Denn Florentine ist Wunscherfüllerin. In ihrem Garten befindet sich ein großer Baum mit rot leuchtenden Äpfeln. Hier können die Kinder von Waldstadt Zettel mit ihren kleinen und größeren Herzenswünschen aufhängen. Diese werden mit Florentines Hilfe und der ihres besten Freundes, dem Rotkehlchen Pieps, mit ein wenig Glück im Laufe der Zeit in Erfüllung gehen.

Wenn Florentine sich nicht ihrem Beruf als Wunscherfüllerin widmet, dann bäckt sie Crêpes im Hinterhof auf ihrem großen Ofen, den sie zum Einzug mitgebracht hat.

Wer nun denkt, dass jemand wie die gutgelaunte Florentine eigentlich von jedem gemocht werden müsste, der irrt. Denn nicht jeder Einwohner mag die Veränderungen, die Florentines Ankunft mit sich bringt. Florentine hat allerhand damit zu tun, das Herz der Bewohner von Waldstadt für sich zu gewinnen und nebenbei auch noch die Wünsche der Kinder zu erfüllen.



Meinung:


Uli Leistenschneider schreibt mit „Die wunderbare Florentine Feiertag – Ein Wunsch kommt selten allein“ ein herzerwärmendes Gutelaunebuch, das nicht nur Kindern Freude bereiten wird.

Mit Florentines Einzug in ihr altes Elternhaus in Waldstadt gerät der schützende Alltagstrott der Dorfbewohner aus den Fugen. Die junge Frau ist voller Elan und Tatendrang. Direkt nach ihrer Ankunft plant sie ein Hinterhoffest, zu dem jeder eingeladen ist.

Zu der Neuen finden sich von glühender Begeisterung in den Augen der Kinder bis zur schroffen Ablehnung durch wenige Alteingesessene eigentlich nur zwei Schattierungen.
Das alteingesessene Ehepaar Heller beispielsweise wünscht sich keinerlei Veränderungen in ihrem gut strukturiertem Alltag. Und Robbys Mutter, die ihrem Sohn keinerlei Freiheiten gönnt, ist ebenfalls nicht begeistert davon, dass eine fremde Frau plötzlich besser zu wissen scheint, was ihrem Sohn guttut.

Der Leser bekommt mit der quirrligen Protagonistin und ihrem treuen Freund, dem Rotkehlchen Pieps, der gerne Botschaften überbringt und ihr in Krisenmomenten tröstend zur Seite steht, zwei Figuren präsentiert, die man sofort ins Herz schließen muss. Florentine ist eine Figur, der man eigentlich nicht lange böse sein kann. Die nach einem Schluck Tee aus ihrer Regenbogentasse ihre Ärmel hochkrempelt und die Dinge angeht. Sie lässt sich nicht unterkriegen. Ihr Ziel ist es, den Menschen von Waldstadt gute Laune zu bringen und das Leben für sie mit Glück zu füllen.

Die Konflikte werden anschaulich, kindgerecht und dennoch authentisch erläutert. Der Leser bekommt hier nicht die große Dramatik präsentiert. Stattdessen ist er gespannt auf die neuen Wünsche, die die Kinder an den Apfelbaum hängen werden und hofft gemeinsam mit ihnen auf deren Erfüllung. Und das ist nicht immer so einfach, wenn es beispielsweise darum geht, dass ein Kind gerne berühmt sein würde und ein anderes sich, entgegen der Vorstellung der Eltern, unbedingt einen Hund wünscht. Zudem hat Florentine eigentlich schon genug damit zu tun, die Sympathien der Stadt zu gewinnen.



Fazit:


In „Die wunderbare Florentine Feiertag – Ein Wunsch kommt selten alleine“ hat die Autorin Uli Leistenschneider etwas zu erzählen. Das macht sie so klug und warmherzig, dass man dass Buch bis zu seinem Ende nicht aus der Hand legen möchte.

Die Protagonistin Florentine ist nicht nur ein absoluter Gute-Laune-Mensch, sie ist hilfsbereit, geduldig, neugierig und liebt die Menschen.

Das Buch entpuppt sich als wahre Fundgrube der Menschlichkeit. Vieles ansonsten vielleicht banal Wirkende, gewinnt hier eine liebevolle Bedeutung.

Nach dem Lesen der letzten Seite fühlt man sich motiviert, sich eine eigene Regenbogentasse zu kaufen, einen kleinen Schluck daraus zu nehmen und die Welt danach ein wenig besser zu machen.

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Veröffentlicht am 10.05.2022

Humorvoller Roadtriproman

#travelgirl
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Inhalt:


Ein Jahr mit der Familie via Backpacking-Reise um die Welt. Was für viele wie ein kleiner Traum klingt, entpuppt sich für Maja anfangs eher als Qual. Extreme Hitze, stundenlange Auto- und Busfahrten, ...

Inhalt:


Ein Jahr mit der Familie via Backpacking-Reise um die Welt. Was für viele wie ein kleiner Traum klingt, entpuppt sich für Maja anfangs eher als Qual. Extreme Hitze, stundenlange Auto- und Busfahrten, lauwarme Getränke aus der Hotelbar und ewiges Warten am Zebrastreifen sind dabei die geringeren Übel. Eine Reise mit Eskalationspotential. Denn Majas Eltern haben beschlossen, dass diese Reise hervorragend für einen digitalen Detox geeignet ist. Das Smartphone wird einkassiert, die Stunden online werden stark rationiert. Kein Kontakt zur besten Freundin, keine Socialmediakanäle, kein schnelles Googeln in dringenden Situationen. Wie soll Maja das nur überleben?

Es dauert eine Weile, bis Maja die Vorteile der Reise realisiert. Am Strand abhängen, während ihre Mitschülerinnen die Schulbank drücken. Das klingt doch gar nicht so schlecht, oder? Doch die Eltern machen diesen Erwartungen einen Strich durch die Rechnung. Denn ein wenig Privatunterricht kann nicht schaden, finden diese.

Doch dann ziehen im Bungalow gegenüber neue Nachbarn ein. Schnell knüpfen der ältere der beiden Jungs und Maja einen ersten Kontakt. Tim ist zwar unglaublich süß, hat aber leider auch eine feste Freundin. Doch im Monsunregen, bei einem vom Kellner der Strandbar gesponserten Drink, kommen sich beide dennoch näher.
Entgegen ihrer Erwartungen findet Maja Gefallen an der Reise.

Reisen bedeutet aber auch, weiterzuziehen, wenn gerade etwas Schönes entsteht; sei es eine Freundschaft oder sogar eine Liebe. Etwas, was Maja noch lernen muss.



Meinung:


Mit „

travelgirl – Liebe geht auch ohne Likes“ schreibt Marieke Bruns einen Roadtriproman, der von der ersten bis zur letzten Seite einfach nur Spaß macht.

Der Leser begleitet in diesem Buch die 14-jährige Maja, die gleich zu Beginn der Reise mit ersten Schwierigkeiten, beispielsweise dem Smartphoneentzug durch ihre Eltern klarkommen muss. Um die Probleme, aber auch die wundervollen kleinen Momente der Reise besser verarbeiten zu können, führt Maja ein Reisetagebuch.

Der Reisealltag bietet genügend Raum die Stärken und Schwächen der Figuren auf originelle, sehr humorvolle Weise näher zu beleuchten.

Auf ihrer Reise lernt Maja nicht nur viele interessante Orte in Thailand wie z.B. die Hauptstadt Bangkok, die Provinz Lop Buri oder die wunderschöne Insel Koh Samui kennen, sie reist auch nach Neuseeland und Australien.

Der Leser wird Zeuge von vielen witzigen und skurrilen Momenten. Durch ein sehr verrücktes Erlebnis auf der Affeninsel bewahrheitet sich beispielsweise Majas Vermutung, dass sich ihr Vater selbst nicht an das strikte Internetverbot hält. Über Nacht wird dieser nämlich zum Instagramstar. Illegales Duschen, ein Wiedersehen mit der coolsten Oma der Welt, das große Elefantenreiten-Dilemma, ein spaßiger Kochkurs und ein weiterer sehr attraktiver Junge prägen Majas Reise und bescheren dem Leser eine abenteuerliche und sehr lustige Lesezeit.



Fazit:


travelgirl – Liebe geht auch ohne Likes ist eine Geschichte, die in Form von Reisetagebucheinträgen verfasst ist. Mal ironisch, mal sarkastisch, schillernd und oft abgründig reflektiert Marieke Bruns über das Reisen und vor allem über Menschen.

Man liest ein Buch des Lebensmuts, mit Figuren, die sich nicht unterkriegen lassen.

Auf der Reise mit ihrer verrückten Familie lernt Maja gleich zwei cute Boys und viele interessante Orte mit neuen Gepflogenheiten kennen. Sie erfährt, was eine Composting Toilet ist und dass manche Menschen in der Küche hinter einem Vorhang duschen.

Dieses Buch wimmelt nur so von vielen zauberhaften, peinlichen und lustigen Momenten. #travelgirl verspricht Lacher, eine obercoole Protagonistin, ein wenig Herzschmerz, vor allem aber eine große Portion Fernweh.

Nach dem Lesen möchte man sofort die Sachen packen und es der Autorin, die im Nachwort davon berichtet, dass sie in diesem Buch eigene Reiseerfahrungen verarbeitet hat, gleichtun. Die Welt bereisen und viele zauberhafte Momente und Erinnerungen schaffen.



Buchzitate:


Schwer atmend, mit einer gusseisernen Pfanne, die ungefähr doppelt so groß wie eine kleine Alupfanne in Gustavs Hand war, drehte sie sich zu uns um. Im Hintergrund klebte die sehr tote und sehr platte Spinne an der Wand. „Wer hat Lust auf Frühstück?“

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