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Veröffentlicht am 15.06.2022

Die Grande Dame und das Arsen

Lacroix und das Sommerhaus in Giverny
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Dies ist der dritte Kriminalroman um den ruhigen Pariser Commissaire Lacroix, der von seinen Kollegen und Mitarbeitern auch gerne „Maigret“ genannt wird, weil er nicht zu letzt durch das Rauchen einer ...

Dies ist der dritte Kriminalroman um den ruhigen Pariser Commissaire Lacroix, der von seinen Kollegen und Mitarbeitern auch gerne „Maigret“ genannt wird, weil er nicht zu letzt durch das Rauchen einer Pfeife so verdammt viel Ähnlichkeit mit der Figur des George Simenon hat.

In den Sommermonaten, besonders im August, machen die Pariser Urlaub und fahren ans Meer oder aufs Land. Auch Lacroix genießt diese Zeit, in der viele Cafés und Restaurants geschlossen haben. Doch diesen August erhalten er und seine Frau, die Bürgermeisterin im 5. Arrondissement, eine ganz besondere Einladung.

Die ehrwürdige Dame Madame de Touquet hat etwas mit dem Kommissar zu besprechen und duldet keinen Aufschub. Sie erwartet Lacroix in ihrem Prachtbau nahe den Tuillerien mit Blick auf den Eiffelturm und teilt ihm mit, dass sie vermutet, vergiftet zu werden. Er möge sich der Sache annehmen und solle mit seiner Gattin am Abend auf das Landhaus von ihr in Giverny kommen. Dort findet das jährliche Sommerfest statt und er könne dabei am besten ihre Verwandten, die vier Söhne mit Gattinnen und Lebensgefährtinnen, in Augenschein nehmen.

Wie immer beschreibt Alex Lépic, der mit bürgerlichem Namen Alexander Oetker heißt und als solcher andere Krimis in den Bestsellerlisten hält, das Paris in anmutender und bildhafter Sprache, so dass man als Leser sofort gewillt ist, dorthin wieder eine Reise zu tun.

Die Figur des Kommissars ist bewusst angelegt wie die des Maigret. Beide haben ein Lieblingscafé, beide sind verheiratet, beide rauchen Pfeife. Einziger Unterschied: Lacroix nervt es gewaltig, wenn er in den Medien auch mit seinem Spitznamen Maigret genannt wird. Das ist ihm zuwider. Er hat das Gefühl, dass ihn das unter Druck setzt.

Der Kriminalfall verläuft zunächst mit geradlinigen Ermittlungen bis es eine unverhoffte Überraschung gibt. Ab dem Moment kann der Leser mit seinen Spekulationen aufhören, denn es kommt doch anders als erwartet.

Das Buch ist immer eine Empfehlung wert. Gute Unterhaltung, gepaart mit Spannung und einem angenehmen Pariser Ambiente. Es eignet sich nicht nur für Parisliebhaber und Simenon-Fans, sondern verführt den einen oder anderen zu einem Besuch in diese quirlige Stadt.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.05.2022

Tödliches Verwirrspiel in einer Clique

Freunde. Für immer.
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Der Thriller von Kimberley McCreight folgt dem extrem spannenden Thriller »Eine perfekte Ehe« der Autorin. Meine Besprechung dazu und ein Artikel über Kimbery McCreight auf meinem Blog zeigen bereits, ...

Der Thriller von Kimberley McCreight folgt dem extrem spannenden Thriller »Eine perfekte Ehe« der Autorin. Meine Besprechung dazu und ein Artikel über Kimbery McCreight auf meinem Blog zeigen bereits, wie ich ihre Romane schätze. Ich war also gespannt auf das neue Werk.

Auf geht’s zum Junggesellenabschied. Einige unzertrennliche Freunde, die sich vom College her kennen (manche auch schon aus dem Kindergarten), ziehen sich zurück aufs Land, um das Junggesellenleben von Jonathan zu verabschieden. Er will Peter heiraten. Die Clique hat aber keinen glatten Lebenslauf, denn eine frühere Freundin des Künstleragenten Keith hatte sich vor Jahren das Leben genommen und Keith ist daraufhin den Drogen verfallen.

Aber was wären Freunde, wenn sie nicht versuchen würden, Keith hier rauszuholen. Für das Wochenende haben sie verabredet, ihn in eine Entzugsklinik einzuweisen. Nur zu seinem Besten. Gestört wird die Idylle zunächst durch Finch, ein Künstler, den Keith unter Vertrag hat, und der gerne Teil der Gruppe sein würde, sich aber nicht danach verhält.

Doch dann passiert ein Unfall. Im Auto saßen Derrick und Keith aus der Clique. Einer ist tot, aber nicht identifizierbar und der andere ist spurlos verschwunden. Detective Julia Scutt übernimmt den Fall, obwohl ihr Chef sie aus der Abteilung rausmobben will.

Dieser kurze Abriss zeigt, dass es um sehr viele Stränge geht, die die Spannung nähren. In jedem Strang möchte man wissen, wie er a) zu ende geht und b) zu den anderen Strängen und der gesamten Handlung passt. Kimberly McCreight hatte mich.

Der Stil der Autorin in »Freunde. Für immer.« ist ein totales Verwirrspiel. Leser, die nicht mit verschiedenen Strängen und Perspektiven sollten die Finger hiervon lassen. Denn besonders die ständigen Perspektivwechsel und verschiedenen Rückblenden in der Art „Zwei Wochen und vier Tage zuvor“ fordern dazu heraus, sich selbst den Überblick zu verschaffen.

Aus welcher Perspektive ein Kapitel geschildert wird, wird durch den Namen der Figur als Kapitelüberschrift angezeigt. Auch der Wochentag mit der Uhrzeit sind in manchen Kapiteln vermerkt. Nahezu jede Figur ist einmal an der Reihe. leser können also genau nachverfolgen, wann was geschah. Dazwischen sind Kapitel aus der Sicht des Täters. Doch als Leser ahnt man nur, dass es einer aus der Clique ist, aber nicht wer. Hinzu kommen Kapitel aus der Sicht des Mädchens, die sich bereits vor Jahren das Leben genommen hat. Sie gibt einen Überblick über die Freunde zur damaligen Zeit.

Aber keine Bange, man verliert nicht den Überblick, man muss nur die einzelnen Puzzle-Teilchen an die richtige Stelle rücken. Dabei hat dieser Thriller aber auch gar nichts mit cosy crime zu tun. Er ist einfach verdammt gut konstruiert und hält am Ende viele Überraschungen parat, mit denen man zu Beginn auf keinen Fall gerechnet hätte.

Für Liebhaber von verwirrend spannenden Thrillern sollte dieser ein Muss sein.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

Veröffentlicht am 28.03.2022

Lebensunterhalt mit Kriminalität verdienen

Nachtarbeiter
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Der Autor bedient sich in seinem Debütroman eines eher ungewöhnlichen Genres der Kriminalliteratur, um eine gewisse gesellschaftliche Kritik zu äußern, nämlich das Genre des Gangsterromans. D. h. Verbrechen ...

Der Autor bedient sich in seinem Debütroman eines eher ungewöhnlichen Genres der Kriminalliteratur, um eine gewisse gesellschaftliche Kritik zu äußern, nämlich das Genre des Gangsterromans. D. h. Verbrechen ja, Ermittlungen eher nur am Rande. Darauf muss man sich als Leser einlassen, gibt dem Roman aber eine sehr schöne Würze.

Im Wesentlichen bekommen wir es mit drei Hauptfiguren zu tun, die aus dem Underground von Brooklyn stammen. Sie sind in dieses Milieu hineingeboren, kennen gar nichts anderes. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie ihren Lebensunterhalt mit Kriminalität verdienen.

Da ist zunächst Shecky. Er wünscht sich eine Familie. Ganz klassisch mit gemeinsamen Mahlzeiten, gemeinsam Beisammenstehen usw. Er ist das Oberhaupt der Familie und vermisst auch nach vielen Jahren immer noch seine Schwester. Shecky hat sich ein Unternehmen aufgebaut, welches gut funktioniert, aber nach strengen Regeln abläuft. Er betreibt Geldwäsche im großen Stil. Dabei wäscht er nicht sein eigenes Geld, sondern bietet dies als Dienstleistung für alle möglichen Kunden an. Beispielsweise überall da, wo ein Firmeninhaber mit viel Schwarzgeld hantiert. Die Transfers des Geldes über mehrere Konten und an Scheinfirmen, übernimmt Shecky mit seinem darauf spezialisierten Unternehmen.

Harry ist ein Junge, den Shecky zur Betreuung als Bewährungshelfer aufgenommen hat. Harry ist für ihn wie ein Sohn. Er bekommt all seine Liebe und all sein Wissen. Shecky bringt ihm alles bei, was er seinem „Sohn“ nur beibringen kann. Harry ist der beste Mitarbeiter im Geldwäscheunternehmens seines „Onkels“, wie er Shecky nennen soll. Er heuert Kuriere an, bringt ihnen das Handwerkszeug bei, stattet sie mit Wegwerfhandys aus. Harry ist der Mann für alles in der Firma, denkt aber, er wird nicht gut bezahlt.

Die jüngste, die Shecky in die Familie aufgenommen hat, ist Kerasha. Kerasha ist 23 Jahre alt und hat gerade 6 Jahre im Knast hinter sich. Als Kleptomanin muss sie ihre Therapiesitzungen noch bei einem Psychiater absolvieren, um von der Sucht des Klauens geheilt zu werden. Kerasha ist noch nicht voll in den Familienbetrieb integriert worden. Sie muss nach den sechs Jahren erst mal mit der Freiheit klarkommen. Und mit dem fehlenden Heroin. Aber an das Ritual der gemeinsamen Frühstücke und Abendessen hat sie sich schnell gewöhnt.

Brian Selfon hat ein besonderes Bild von Brooklyn gezeichnet, welches sich vielen Menschen nicht auf den ersten Blick erschließt. Das ist nicht nur die Selbstverständlichkeit, wie hier mit Kriminalität Geld verdient wird. Es sind auch die zahlreichen Verstecke, Unterschlüpfe und toten Briefkästen, die sich dem Auge eines normalen Bürgers oder gar Touristen gänzlich entziehen. Wer erwartet schon in einem alten Zeitungskasten, dass sich darin eine Nottasche mit Revolver, Geld und mehreren Pässen oder Führerscheinen befindet? Mit vielen Details und sehr authentisch schildert Selfon ein ungewöhnliches Bild von Brooklyn und seinen Bürgern.

Die Polizei scheint machtlos zu sein. Sie kann sich nicht um alle kleinen Verbrechen kümmern, die in der Drogen- oder Prostituiertenszene tagtäglich geschehen. Auch die Polizistin Zera, die als Kind aus Montenegro in die USA verschleppt wurde, verzweifelt an den Machenschaften des Menschenhandels.

Dieser besondere Schmelztiegel Brooklyn, wie ihn Brian Selfon als düstere Schattenseite präsentiert, hat mich ein wenig an die chaotische Familie in der TV-Serie „Shameless“ erinnert. Eine Familie voller Verlierer, die dennoch das Beste aus ihrem Leben herausholen wollen.

Der Stil von Brian Selfon ist unterhaltend, enthält auch humorige Sequenzen. Man kann ihm gut folgen. Zeitliche Sprünge und Rückblenden werden gut bekanntgemacht, so dass man die jeweilige Szenen sehr gut in die gesamte Geschichte einordnen kann.

Ein sehr guter Roman für Leser, die nicht immer nur einen 0-8-15-Krimi lesen möchten und gerne auch mal hinter die Kulissen der Handlungsorte schauen möchten.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

Veröffentlicht am 26.03.2022

Florian Knöppler erzählt die Familiensaga weiter

Habichtland
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Dieser Roman ist der Nachfolger von »Kronsnest« und eine konsequente Fortsetzung der Familiensaga einige Jahre später.

Die Jahre sind vergangen, die Nazi-Clique hat sich etabliert und der Krieg hat vor ...

Dieser Roman ist der Nachfolger von »Kronsnest« und eine konsequente Fortsetzung der Familiensaga einige Jahre später.

Die Jahre sind vergangen, die Nazi-Clique hat sich etabliert und der Krieg hat vor zwei Jahren angefangen zu toben. Deutschland steht 1941 kurz vor dem Russland-Krieg. Hannes und Lisa sind inzwischen verheiratet und haben Kinder. Während er sich immer noch nicht für oder gegen die Nazis entschieden hat, weil er tatsächlich nur das Beste für seine Familie möchte, hat sich Lisa bereits entschieden und verschließt sich ihrem Mann gegenüber immer mehr. Lisa hat längst erkannt, dass ein neutrales Verhalten, ein Heraushalten aus der Politik nicht möglich ist. Sie kann nicht stillhalten und verbrennt sich mit ihren Sprüchen zur falschen Zeit, am falschen Ort, unter falschen Menschen, den Mund. Es wird brandgefährlich für sie. Die Zerreißprobe für die Familie ist enorm groß.

Florian Knöppler schafft mit einer sprachlichen Intensität eine bedrohliche Atmosphäre vor der Kulisse der norddeutschen Elbmarsch. Detailreiche und stimmungsvolle Bilder entstehen im Kopf der Leser. Manche von ihnen düster, andere auch wieder heiter. Letzteres, wenn Hannes’ erste Liebe Mara wieder ins Spiel kommt. Wunderschön, dass diese Figur nach dem ersten teil nicht auf ein Abstellgleis geschoben wurde. Und Glücksmomente für den Protagonisten.

Wie Lisa und Hannes haben sich auch alle anderen Nachbarn und ehemaligen Schulkameraden weiterentwickelt und sind älter geworden. Sie haben sich im Leben etabliert. Doch meist sind sie ihrer „Seite“ treu geblieben. Und daraus zieht Knöppler das Material für Spannung in den einzelnen Szenen. Denn es wird immer wieder sehr gefährlich für die Menschen um Hannes und für ihn selbst. Während den Erwachsenen auch klar ist, in welche Gefahr sie sich begeben, scheint Vieles für die Kinder unverständlich. Erstaunlich, wie sehr sich diese Situation gerade jetzt in der Zeit der Bombardierung der Ukraine in der Realität widerspiegelt.

»Habichtland« sollten die Leser als Nachfolger von »Kronsnest« nicht missen. Es ist aber nicht zwingend, den Vorgänger gelesen zu haben. Der Roman steht ganz alleine für sich. Mehr denn je zeigt auch er die heutige Gesellschaft anhand einer Handlung, die vor vielen Jahren spielt.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 12.03.2022

Mord am Fuße der Notre-Dame

Lacroix und der blinde Buchhändler von Notre-Dame
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Dies ist mittlerweile der fünfte Paris-Krimi von Alex Lépic aka Alexander Oetker, der eine Hommage durch und durch für George Simenon und dessen Kommissar Maigret ist.

Ruhige zielführende Ermittlungen ...

Dies ist mittlerweile der fünfte Paris-Krimi von Alex Lépic aka Alexander Oetker, der eine Hommage durch und durch für George Simenon und dessen Kommissar Maigret ist.

Ruhige zielführende Ermittlungen ohne Aktion und Ballerei stehen im Mittelpunkt. Rund um die Île de la Cité am Fuße der Notre-Dame stehen die Bücherboxen der Buchhändler, die hier Bouquinistes genannt werden. Hierher führt der Roman, weil ein Buchhändler tot aufgefunden wurde. Lacroix kann sich nur wundern, dass er nicht viel von diesen Buchhändlern wusste, obwohl sich eigentlich jeder Pariser mit ihnen auskennt. Und mit ihren Legenden und Geschichten. Doch warum nach dem Tod des Buchhändlers die Läden anderer durchwühlt und in Brand gesetzt werden, bleibt zunächst ein Rätsel.

Alex Lépic schreibt in einem ruhigen Ton. Viele Wege führen den Kommissar Lacroix zu Fuß durch die Stadt, um Zeugen zu interviewen. Das ist für Alex Lépic, der viele Jahre als Korrespondent für RTL und n-tv in Paris lebte, die beste Gelegenheit, den Lesern die Stadt Paris nahezubringen. Beim Lesen schreite ich über die Pflastersteine, die ich in Realität schon beschritten hatte, besuche virtuell die Bouquinistes, die ich bei jedem Aufenthalt in Paris real besuche.

Die Figuren kommen einem nach fünf Romanen schon sehr bekannt vor. Es sind gute alte Bekannte halt. Man ahnt, was man von jeder zu erwarten hat und wundert sich dann doch, einen neuen Zug an ihr zu entdecken. Wie z.b. die Unkenntnis Lacroixs von den Abläufen bei den Buchhändlern.

Alex Lépic hält auch an Traditionen fest, die sich seit dem ersten Band manifestiert haben. Da zugehört das gemeinsame Abendessen von Madame und Monsieur Lacroix nach dem gelösten Fall und ihre kleine abschließende Manöverbesprechung.

Ein wunderschöner Paris-Roman für alle, die gerne auf Action verzichten und lieber still mit den Protagonisten ermitteln.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022