Eine Jugend in einer rohen und gewalttätigen Welt
AmeliaMan könnte meinen, dass Amelia auf einem anderen Kontinent oder gar einem anderen Planeten, zumindest jedoch in einer ganz anderen Epoche als ich groß geworden ist: doch nichts davon trifft zu. Sie ist ...
Man könnte meinen, dass Amelia auf einem anderen Kontinent oder gar einem anderen Planeten, zumindest jedoch in einer ganz anderen Epoche als ich groß geworden ist: doch nichts davon trifft zu. Sie ist - wie auch ihre Autorin Anna Burns - ganze zwei Jahre älter als ich und lebt ebenfalls in Europa, allerdings unter ganz anderen Bedingungen.
Ihr gesamtes Umfeld, ausgehend von der eigenen Familie ist von roher Gewalt geprägt, Verletzungen, die zumeist nichts mit dem in Belfast herrschenden Bürgerkrieg zu tun haben, sind an der Tagesordnung. Sowohl seelische als auch körperliche, von der Autorin teilweise sehr realitätsnah, teilweise aber auch in einer sehr realitätsfernen Wahrnehmung, die in der Regel die Sichtweise der Protagonistin Amelia spiegelt, geschildert.
Es ist für mich kein typischer Roman - wäre es als Band von Kurzgeschichten bezeichnet worden, hätte das für mich auch gepasst, denn es geht nicht immer um Amelia, auch wenn der Kosmos einer ist, in dem sie immer wieder auftaucht, nämlich die unruhigen Jahre von Belfast, die Troubles eben, die die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in Nordirland dominierten.
Eine Lektüre, die sicher von einer starken, vielleicht auch durch dieses Niederschreiben gestärkten Autorin verfasst wurde, für die ich mich als Leserin jedoch oftmals zu schwach fühle. Ich brauche immer mal wieder eine Pause von der rohen Gewalt, der Gnadenlosigkeit um Amelia herum. Diesen Roman zu lesen, hat mich außerordentlich viel Kraft gekostet.
Kann sein, dass er mich besonders betroffen macht, weil wir gerade einen weiteren sehr brutalen Krieg in Europa miterleben müssen und dieses ganze Szenario für mich deutlich gegenwärtiger ist als noch vor einigen Monaten.