Eine ungewöhnliche Literatur-Entdeckung
Der Freund der TotenMahony (Jahrgang 1950) wächst in einem Waisenhaus in Dublin auf. Stets wurde ihm erzählt, dass seine Mutter ihn aus Desinteresse dort abgegeben hat. 26 Jahre später erhält er einen Brief, indem es Hinweise ...
Mahony (Jahrgang 1950) wächst in einem Waisenhaus in Dublin auf. Stets wurde ihm erzählt, dass seine Mutter ihn aus Desinteresse dort abgegeben hat. 26 Jahre später erhält er einen Brief, indem es Hinweise gibt, dass alles doch anders war. Daraufhin reist er in seinen Heimat-Ort Mulderrig, ein Dorf, das im wahrsten Sinne des Wortes am Ende der Welt liegt. Dorthin verläuft sich niemand zufällig. Er möchte das Geheimnis lüften, was mit seiner Mutter wirklich geschah. Ein Geheimnis, das der Leser bereits auf den ersten Seiten des Buches erfährt, auch wenn ihm die Person des Täters vorerst verborgen bleibt.
Ein solch ungewöhnliches Buch habe ich lange nicht gelesen! Eine bunte Mischung aus Krimi, Thriller, Mystery, Fantasy und außerdem noch humorvoll. Dabei in einer üppigen, bildhaften Sprache geschrieben, dass es wirklich eine wahre Freude ist ihm zu folgen.
Geradezu wunderbar sind Jess Kidd, die hier ihren Debütroman vorlegte, die Charaktere gelungen. Wobei gerade die "Nebenrollen" herzerfrischend und raumfüllend ausgearbeitet wurden. Ob es sich um die dahinsiechende ehemalige Theaterschauspielerin Mrs. Cauley handelt, die in einem Labyrinth von Büchern lebt, die selbst ein Eigenleben zu besitzen scheinen. Oder ihre Freundin Bridget, die schon etwas besonders ist, den Dorfgeistlichen Father Quinn, die verbiesterte Witwe Annie Farelly, die hellsichtige Mrs. Lavelle und deren Tochter Teasy oder den Wirt Tadhg (wie auch immer das ausgesprochen wird). Es gibt noch etliche mehr und jede hat ihren ganz eigenen Charakter.
Ganz zu schweigen von den Toten, die Mahony regelmäßig sieht und mit manchem auch spricht. Auch diese sind liebevoll ausgearbeitet mit allen möglichen Schrullen und oft sehr skurril, weil Tote eben nicht die sind, die sie einmal waren. Meist haben sie keinen Einfluss auf die Nachforschungen, jedoch ergeben sie insgesamt ein rundes Gesamtbild und eine dichte Atmosphäre.
Ich gebe zu, dass ich vor allem nach Lesepausen manchmal Probleme hatte, die einzelnen Personen problemlos wieder zuzuordnen. Ich habe mit Namen generell so meine Probleme. Ein Personenregister wäre hier hilfreich gewesen.
Die Geschichte selbst ist durchaus abwechslungsreich und spannend und schlägt so manchen Haken. Manches ist wirklich fast absurd - man darf nicht erwarten, dass es immer mit rechten Dingen zugeht. Man muss sich einfach auf eine verwegene Story einlassen, was aber eigentlich von vornherein klar sein dürfte bei einem Buch, in dem der Protagonist mit Toten plaudert.
Dabei beweist die Autorin, dass sie auch Sinn für Humor hat. Vor allem Situationskomik liegt ihr. Ein Beispiel (Seite 348/349):
"Der Priester blinzelt hinauf in die Wolken, während sich Schaum in seinen Mundwinkeln sammelt. Dann rollt er auf den Bauch, rappelt sich mühselig hoch und humpelt den Gartenweg hinunter davon.
Unter Drogen, ohne Hose und nach Rache schreiend."
Bei allem kommt die Spannung nicht zu kurz, wobei sie keine Horroreffekte verwendet. Etwaige Brutalitäten werden nicht ausgespart, aber keinesfalls effekthaschend eingesetzt, sondern für mich angenehm sachlich und distanziert beschrieben.
Sehr gut gefiel mir die immer wieder wechselnde Zeitebene. Mal das Jahr 1950, mal 1968 jedoch meist 1976. So kommt der Leser Stück für Stück näher an die Wahrheit heran.
Fazit: Insgesamt ein spannender, abwechslungsreicher Roman für Leser, die sich auch auf etwas mystische Romane einlassen können. Die bildhafte Fabulierkunst und die phantastischen Charaktere machen einfach nur Spaß!