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Veröffentlicht am 12.07.2022

Rebus geht die Luft aus

Ein Versprechen aus dunkler Zeit
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Jeder neue Krimi mit einem meiner Lieblingsschotten wird sehnlichst erwartet. So auch „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“, Band 23 der Reihe, in dem John Rebus in einem Fall gefordert wird, dessen Aufklärung ...

Jeder neue Krimi mit einem meiner Lieblingsschotten wird sehnlichst erwartet. So auch „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“, Band 23 der Reihe, in dem John Rebus in einem Fall gefordert wird, dessen Aufklärung ihm ganz besonders am Herzen liegt. Warum? Weil seine Tochter ihn um Hilfe bittet.

Dass Rebus gesundheitlich angeschlagen ist, Zigaretten und Whisky abgeschworen hat, wissen wir mittlerweile. Jetzt hat er endlich die notwendige Konsequenz gezogen und ist in eine Wohnung im Erdgeschoss umgezogen. Noch hat Siobhan Clarke, die ihm beim Umzug hilft, nicht alle Kisten ausgepackt, als ihn ein Anruf seiner völlig aufgelösten Tochter Samantha erreicht. Ihr Lebensgefährte ist verschwunden. Ohne Nachricht, ohne Ankündigung. Und obwohl Rebus alles andere als ein Familienmensch und das Verhältnis zu seiner Tochter mehr als angespannt ist, lässt er alles stehen und liegen, setzt sich in sein Auto, fährt umgehend zu Tochter und Enkelkind in den äußersten Norden Schottlands und setzt alles daran, den Schwiegersohn in spe zu finden. Tot oder lebendig.

Zuhause in Edinburgh ermitteln Siobhan und der ihr überraschend zur Seite gestellte Malcolm Fox im Fall eines getöteten saudischen Millionärssohnes und versuchen in dessen Oberschicht-Clique Hinweise dafür zu finden, wer ein Interesse an seinem Tod haben könnte. Parallel dazu nimmt ein alter Bekannter Kontakt zu Fox auf. Big Ger Cafferty, der in die Jahre gekommene Boss der Edinburgher Unterwelt, braucht Fox‘ Hilfe und schlägt ihm einen Deal vor. Natürlich nicht, ohne eine entsprechende Belohnung in Aussicht zu stellen.

Mich konnte dieser Band leider nicht überzeugt, und das hat verschiedene Gründe. Obwohl Rebus‘ graue Zellen wie eh und je hervorragend funktionieren, fehlt ihm der Schwung, wirkt er gezeichnet und müde. Ihm geht die Luft aus, was leider auch auf diesen Krimi zutrifft. Es fehlt die Härte und die Unnachgiebigkeit, die wir von Rebus kennen, wenn er sich in einen Fall verbeißt. Und wo bleibt Rankins kritischer Blick auf die gesellschaftlichen Verwerfungen, die üblicherweise Teil der Handlung sind? Es gibt zwar die eine oder andere Randbemerkung, aber diese bleiben hinsichtlich der Story fast gänzlich ohne Relevanz. Und dann das Ende. Gosh, banaler geht’s ja kaum.

Der Krimi liest sich sehr gefällig. Keine Haken, keine überraschenden Wendungen, absolut vorhersehbar. So, wie man es aus unzähligen anderen Büchern dieses Genres kennt. Vielleicht hat sich Rankin dann doch zu sehr von Rebus‘ aktueller Lektüre inspirieren lassen. Lee Child und Karin Slaughter. Autsch.

Veröffentlicht am 27.06.2022

Monsieur Bannalec, das geht besser!

Bretonische Nächte
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Der Autor kennt die Bretagne wie seine Hosentasche und hat schon wiederholt die verschiedenen Facetten dieser Region aufgezeigt. Es sind immer die Alleinstellungsmerkmale der Handlungsorte, denen er seine ...

Der Autor kennt die Bretagne wie seine Hosentasche und hat schon wiederholt die verschiedenen Facetten dieser Region aufgezeigt. Es sind immer die Alleinstellungsmerkmale der Handlungsorte, denen er seine Aufmerksamkeit widmet. Landschaftliche oder kulinarische Highlights, kulturelle und historische Besonderheiten, außergewöhnliche architektonische Kleinode, wie die liebevoll restaurierte Abbye des Anges aus dem 16. Jahrhundert, nahe der Bucht von Aber Wrac’h im Finistère, deren Umgebung er auch in „Bretonische Nächte“ stimmungsvoll und kenntnisreich in Szene setzt.

Kadegs 89-jährige Tante ist verstorben, nachdem zahlreiche Vorboten ihren nahen Tod angekündigt haben. Das allein wäre nicht außergewöhnlich und keine Ermittlung wert, aber dann wird Kadeg nachts auf dem Gelände ihres Anwesen niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Das nehmen nicht nur Kommissar Dupin sondern auch Kadegs Teamkollegen persönlich und setzen alles daran, den Täter/die Täterin dingfest zu machen.

Mittlerweile ist die Reihe beim elften Band angelangt und zeigt leichte Ermüdungserscheinungen. Über weite Strecken hat man den Eindruck, dass sich der Autor nicht entscheiden kann, welches Motiv er den gewalttätigen Übergriffen zugrunde legen soll. Die Handlung plätschert mehr oder weniger vor sich hin, die Anzahl der Verdächtigen ist wie immer übersichtlich. In der Erbmasse ist jede Menge Geld im Spiel, um dessen Verteilung es die eine oder andere Unstimmigkeit gibt. All das reicht aber bei Weitem nicht, um Spannung zu erzeugen und das Interesse an der Auflösung hochzuhalten. Der Berg kreist und gebiert schlussendlich eine Maus, sprich, auf den letzten Metern wird ein Motiv aus dem Hut gezaubert, das zumindest mich nicht überzeugen konnte. Das ist weder komplex noch raffiniert, und die Vermutung liegt nahe, dass dem Autor langsam aber sicher die Ideen ausgehen.

Das Tüpfelchen auf dem i ist jedoch die Schlusssequenz, ein müder Cliffhanger und eine überflüssige Konzession an die Leserschaft.

Veröffentlicht am 21.06.2022

Für Einsteigerinnen geeeignet

Die Liebenden von Bloomsbury – Virginia und die neue Zeit
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Seit Romanbiografien in den letzten Jahren inflationär den Markt überschwemmen, stehe ich diesem Genre zugegebenermaßen skeptisch gegenüber. Nun also „Die Liebenden von Bloomsbury“ über die Frauen der ...

Seit Romanbiografien in den letzten Jahren inflationär den Markt überschwemmen, stehe ich diesem Genre zugegebenermaßen skeptisch gegenüber. Nun also „Die Liebenden von Bloomsbury“ über die Frauen der Bloomsbury Group, und dann gleich noch im Dreierpack. Den Anfang macht Virginia Woolf, kein Postergirl oder die Frau von Soundso, sondern eine ernst zu nehmende Autorin, die seit „A room of one’s own“ vielen Frauen Inspirationen für ein selbstbestimmtes Leben geliefert hat. Die Autorin Stefanie H. Martin schreibt auch Young Adult Romane (überhaupt nicht mein Fall), hat aber auch über Charlotte Brontë promoviert, was eine gewisse Kompetenz vermuten lässt.

Beschrieben werden die Anfänge der Bloomsberries im Zeitraum zwischen 1903 bis 1909, einer Gruppe gut ausgebildeter junger Intellektueller, meist Absolventen der Universität Cambridge, die sich zu Diskussionsrunden über Literatur, Kunst und Wissenschaft im Haus der Stephen-Geschwister Virginia, Vanessa, Toby und Adrian am Gordon Square 46 in Bloomsbury, wobei es im viktorianischen Zeitalter eher unüblich ist, dass Frauen an diesen Zirkeln teilnehmen. Aber es gibt Situationen, in denen man sich gegen Konventionen auflehnen muss, denn nur so besteht eine Chance auf Veränderung. Das ist Virginia zwar bereits früh klar, aber noch bewegt sie sich in diesem vorgegebenen gesellschaftlichen Rahmen, auch wenn ihr Sinnen und Trachten darauf ausgelegt ist, für ihre schreibende Kunst zu leben. Anfangs sind es zwar nur Essays, die sie in verschiedenen Publikationen platzieren kann, aber wir wissen, dass es ihr gelingen, aber sie auch verzehren wird.

Diese Annäherung an Virginia Woolf ist historisch zwar korrekt, aber eben doch sehr populär aufbereitet. Dennoch eignet sich der gut lesbare Roman für „Neulinge“ durchaus als Einstieg in Virginias Leben und Werk. Bleibt zu hoffen, dass die Lust der Leserinnen geweckt wird, Virginia Woolf im Original bzw. der Übersetzung zu lesen.

Veröffentlicht am 22.05.2022

Leo, John und die Anarchisten

Der Mord in der Rose Street
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Mit Leo Stanhope hat der Autor Alex Reeve einen ungewöhnlichen Protagonisten erschaffen. Ursprünglich als Lottie Pritchard, Tochter eines Landpfarrers geboren, nun als Transgender-Mann im viktorianischen ...

Mit Leo Stanhope hat der Autor Alex Reeve einen ungewöhnlichen Protagonisten erschaffen. Ursprünglich als Lottie Pritchard, Tochter eines Landpfarrers geboren, nun als Transgender-Mann im viktorianischen London lebend, als es das Wort noch nicht einmal gab. Und es ist dieses biografische Detail, das in „Der Mord in der Rose Street“ verstärkt in den Fokus rückt, als Leo wider Willen in einen düsteren Mordfall hineingezogen wird.

Es hat sich nicht viel in Leos Leben verändert. Noch immer arbeitet er als Pedell am St Thomas’s Hospital, noch immer bewohnt er das Zimmer über der Apotheke, noch immer bemüht er sich nicht aufzufallen, um seine Identität zu schützen. Aber dann wird in einem Hinterhof-Club, in dem sich Umstürzler, Sozialisten und Anarchisten treffen, eine Kundin der Apotheke ermordet aufgefunden, die einen Zettel bei sich hat, auf dem Leos Name und Adresse steht. Kein Wunder, dass kurz darauf die Polizei vor seiner Tür steht.

Er wird zu dem Tatort gebracht, wo er auf den Hauptverdächtigen John Thackery, Sohn eines vermögenden Fabrikbesitzers trifft, den Leo aus seinem früheren Leben kennt und der ihn in große Schwierigkeiten bringen könnte, Droht er doch, sein Wissen über Leo preiszugeben, wenn er ihn nicht mit einem Alibi versorgt. Zähneknirschend willigt Leo ein, denn es steht nichts weniger als sein neues Leben auf dem Spiel. Aber die Frage nach Thackerys Unschuld oder Schuld treibt Leo um, er muss dringend herausfinden, was hier gespielt wird, zumal die Kinder des Opfers seinen Beschützerinstinkt wecken. Unterstützung erfährt er von Rosie, der Kuchenbäckerin, die ihm, wie schon im letzten Band, eine große Hilfe ist.

Es ist eine spannende Epoche, in der dieser Kriminalroman angesiedelt ist. Durch die Industrialisierung haben sich die gesellschaftlichen Probleme Englands immens verstärkt. Die Fabrikbesitzer sind zu Ansehen und Reichtum durch die Ausbeutung ihrer Arbeiter gelangt, die Kluft zwischen Arm und Reich gewachsen, das Wahlrecht bedarf dringend einer Reform. Viele Brandherde, aber leider bleiben diese Aspekte der sozialen Spannungen in der Handlung weitestgehend unberücksichtigt und werden nur angedeutet.

Ein weiteres Manko ist das Setting. Es fehlen die Beschreibungen der Schauplätze, der besonderen Atmosphäre, die man bei viktorianischen Krimis zwangsläufig erwartet. Alles wird überlagert von den persönlichen Problemen, mit denen sich der Protagonist aufgrund seiner persönlichen Situation herumschlagen muss. Hier wäre etwas mehr Realismus und gleichberechtigtes Nebeneinander dieser verschiedenen Faktoren wünschenswert gewesen und hätte der Story mit Sicherheit gut getan. Es bleibt also Luft nach oben.

Veröffentlicht am 18.05.2022

Auf dem Weg nach Innen

Alles muss raus
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Mischke ist ein renommierter, mehrfach ausgezeichneter Journalist, u.a. 2020 mit dem Bayerischen Fernsehpreis für seinen Bericht über deutsche Kämpfer auf Seiten des IS. Nun hat er „Alles muss raus. Notizen ...

Mischke ist ein renommierter, mehrfach ausgezeichneter Journalist, u.a. 2020 mit dem Bayerischen Fernsehpreis für seinen Bericht über deutsche Kämpfer auf Seiten des IS. Nun hat er „Alles muss raus. Notizen vom Rand der Welt“ veröffentlicht, ein Konglomerat aus Reiseeindrücke und besonderen Begegnungen, vor allem aber ein Blick in sein Inneres. Über allem steht die Frage danach, was diese zurückliegenden Jahre in ihm bewirkt haben, inwieweit sie seine Sicht auf sich als Person und auf die Welt, auf Leben und Tod, verändert haben.

Weder kenne ich seine TV-Sendung noch seinen Podcast und bin deshalb relativ unvorbelastet an die Lektüre herangegangen. Was habe ich von diesem Buch erwartet? Nun, in erster Linie den geschärften Blick eines Journalisten im Ausland, auf Menschen, auf Situationen, die ich nicht aus eigenem Erleben kenne und die ich wohl auch zukünftig erleben werde.

Wurden meine Erwartungen erfüllt? Ja, teilweise, denn vor allem hätte mir mehr Hintergrundinformationen zu den besuchten Ländern gewünscht, warum Mischke genau dorthin gereist ist. Leider waren die Reportagen stellenweise doch zu sehr von seinem jeweiligen Gemütszustand überlagert, hier erwarte ich von einem Journalisten etwas mehr professionelle Distanz und nicht das Baden in den eigenen Befindlichkeiten. So gleiten die einzelnen Berichte dann doch sehr in persönliche Nabelschauen ab, in denen das Äußere lediglich als Katalysator für die Frage nach dem Wer-bin-ich fungiert und die Neugier seiner Anhängerschaft und des Boulevard nach der Person Thilo Mischke zufriedenstellt. Bleibt zu hoffen, dass er durch seine vergangenen und zukünftigen Reisen zumindest ein Stück weit zu eigener Nähe findet.