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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.09.2022

Gute Fallauswahl, teilweise zu überemotional erzählt

TRUE CRIME. Der Abgrund in dir
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In diesem Buch berichtet Romy Hausmann von elf wahren Kriminalfällen (bzw. zwölf, nur ist der zwölfte Fall in anderer Form geschildert). Den Fällen folgt meistens je ein Interview mit einem Spezialisten ...

In diesem Buch berichtet Romy Hausmann von elf wahren Kriminalfällen (bzw. zwölf, nur ist der zwölfte Fall in anderer Form geschildert). Den Fällen folgt meistens je ein Interview mit einem Spezialisten zum jeweiligen Thema, durch das einige Aspekte näher beleuchtet und erklärt werden. Das ist eine nützliche Ergänzung. Die Fälle sind gut ausgesucht, sie unterscheiden sich und bilden so viele Facetten ab - tiefdunkle Facetten, denn in der Hinsicht ähneln sie sich: sie eröffnen Abgründe. Teils jene der Täter, teils aber auch jene des Justizsystems. Kalt lässt einen so gut wie kein Fall - nur der letzte Fall, bei dem nicht einmal klar war, ob es sich eigentlich um einen Kriminalfall handelt, oder um eine obskure Social-Media-Geschichte, berührte mich nicht und schien in der Sammlung auch etwas fehl am Platz.

Der Stil liest sich - abgesehen von den durch Gendern verursachten Verballhornungen - gut. Die Fallberichte sind teilweise etwas romanhaft gehalten, dies aber überwiegend gelungen, wenn auch stellenweise etwas plakativ. Sehr schön ist, daß es nie sensationsheischend wird. Gelegentlich fehlten mir einige Hintergründe oder Informationen, aber insgesamt erhält der Leser eine gute Mischung aus Einblicken in das Seelenleben der Tatopfer, der Täter, der Angehörigen und auch in einige Facetten der Ermittlungsarbeit und ihren Justizopfern. Eine ausführliche Liste mit Quellenangaben rundet dies sehr schön ab.

Wenig gelungen fand ich die "Mein Tagebuch"-Einschübe. Diese waren mir wesentlich zu emotional und auf mich wirkten sie in einem Sachbuch deplatziert und nicht sehr professionell. Viele wissen wohl gerade diesen persönlichen Ansatz zu schätzen, aber ich fand es unangenehm, daß die Autorin sich in diesem Einschüben und in manchen Interviews zu sehr in den Vordergrund stellt. Das habe ich bisher nur in insgesamt drei Sachbüchern erlebt, die mir alle aus diesem Grund in unerfreulicher Erinnerung geblieben sind. Bei einem Sachbuch möchte ich etwas über das Thema erfahren und nicht über die Erinnerungen und Befindlichkeiten der Autorin (wenn es sich nicht gerade um eine Biographie o.ä. handelt), schon gar nicht in diesem Maße. Das hätte wenigstens auf ein Vor- oder Nachwort beschränkt werden können. So ging auch der zwölfte Fall, der in diese Tagebucheinschübe eingebettet war, für mich etwas verloren. Dies war also ein Wermutstropfen.

Abgesehen davon konnte das Buch durch die Auswahl der Fälle und gute Lesbarkeit überzeugen. Die jedem Fall vorangestellten Zitate diverser Krimiautoren sind ebenfalls eine gute Idee. Auch wenn das Buch mich nicht durchweg überzeugte, hat es mir viele mir unbekannte Fälle und ihre Hintergründe nahegebracht.

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Veröffentlicht am 07.08.2022

Interessantes Thema, ausgezeichnet recherchiert

Die Aufrechte
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Dieser lesenswerte Roman über Felicitas (Fee) von Reznicek erfreut schon beim ersten Anblick durch seine hochwertige Gestaltung, die mit schlichter Eleganz überzeugt. Aber auch der Inhalt steht dem Äußeren ...

Dieser lesenswerte Roman über Felicitas (Fee) von Reznicek erfreut schon beim ersten Anblick durch seine hochwertige Gestaltung, die mit schlichter Eleganz überzeugt. Aber auch der Inhalt steht dem Äußeren nicht nach. Da ich noch nie von Fee von Reznicek gehört habe, offenbarte das Buch einen ungemein interessanten Einblick in ein vielseitiges Leben. Hinzu kommt die ganz ausgezeichnete historische Recherche. So ist mir die dunkle Epoche der Nazidiktatur thematisch durchaus vertraut, aber ich habe hier reichlich Neues erfahren und dies wurde zudem gekonnt in die Handlung eingeflochten, ohne sachbuchartige Passagen oder gekünstelte Infodumping-Dialoge. Genau so müssen Hintergrundinformationen in historischen Romanen präsentiert werden!
Wir begleiten Fee durch die zwölf Jahre der Diktatur, die durch einen nach dem Krieg spielenden Prolog eingeläutet werden. Die erste Hälfte des Buches hat mich nicht gänzlich überzeugt. Es ist ein wenig gemächlich, mit vielen nicht unbedingt relevanten Einzelheiten (sich inhaltlich wiederholende Reisen, Beschreibungen der Mahlzeiten etc.) und das Geschehen plätscherte gelegentlich ein wenig dahin. Einige der Dialoge waren mir zu modern und der Stil wirkte auf mich seltsam emotionslos. Es gibt mehrere Stellen, an denen wir erfahren, was Fee tut, aber nicht, was sie dabei denkt und fühlt, und das in Situationen, in denen dies durchaus relevant gewesen wäre. Auch der Widerstandkreis, dem sie sich anschließt, blieb – bis auf eine Person – blass. Bis zum Ende des Buches konnte ich die Namen nicht immer den Personen zuordnen. Manche Handlungsstränge finden so sehr am Rande statt, dass ihr Sinn sich mit nicht ganz erschloss, während ein durchaus wichtiger Handlungsstrang (eine Beziehung Fees) plötzlich einfach im Sande verläuft. Manche Personen werden so eingeführt, als ob sie eine größere Rolle spielen werden, verschwinden dann aber auch oder kommen kaum noch vor. Dies fand ich alles zusammen durchaus störend. Allerdings stehen dem auch farbige Szenen gegenüber, welche z.B. die Stimmung bei der Machtergreifung oder den Olympischen Spielen tiefgehend und gelungen schildern.
In der zweiten Hälfte gefiel mir das Buch dann von Seite zu Seite besser. Ich hatte beim Lesen ein wenig den Eindruck, als ob es sich erst hatte warmlaufen müssen. Grade im letzten Teil kommt dann auch endlich Emotionalität durch und gerade die bedrohliche, ausweglose Endzeitstimmung im letzten Jahr des Krieges, die Auswirkungen auf die Psyche und auch einige Absurditäten der Nazidiktatur sind wundervoll geschildert und lassen mitfiebern. Häufigere Erwähnungen, in welchem Jahr wir uns gerade befinden, wären hilfreich gewesen.
Die im Klappentext so verkaufswirksam herausgestellte Beziehung zum Adjutanten des Diktators spielt im Buch eine geringere Rolle, als der Klappentext vermuten lässt, so dass dieser Handlungsstrang mich ein klein wenig enttäuschte, was aber nicht am Buch liegt (denn interessant ist die Geschichte durchaus), sondern an den vom Verlag im Klappentext hochgeschraubten Erwartungen. Letztlich ist diese Geschichte eine der vielen Facetten von Fees Leben in jenen zwölf Jahren. Es ist genau diese Vielzahl an Facetten und somit die Vielzahl an Einblicken, welche dieses Leben für mich so interessant machte. Felicitas von Reznicek hat in jenen Jahren so viel Ungewöhnliches erlebt, dass es für mehrere Lebensgeschichten gereicht hätte. Und so überzeugte „Die Aufrechte“ mich zwar hinsichtlich der Erzählweise nicht durchweg, aber doch meistens, und beeindruckt zudem durch ein gut ausgewähltes Sujet und tadellose historische Recherche.

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Atmosphärisch, düster, ungewöhnlich

Talberg 2022
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Talberg 2022 ist der dritte Band einer Reihe über Kriminalfälle in dem Dorf Talberg – ein interessantes Konzept. Ich habe die ersten beiden Bände nicht gelesen, das hat aber nicht geschadet, im Nachwort ...

Talberg 2022 ist der dritte Band einer Reihe über Kriminalfälle in dem Dorf Talberg – ein interessantes Konzept. Ich habe die ersten beiden Bände nicht gelesen, das hat aber nicht geschadet, im Nachwort erklärt der Autor selbst, die Bücher könnten eigenständig und/oder in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Einige Dinge wirken sicher ganz anders, wenn man die Folgebände kennt, aber man kann ohne Vorkenntnisse gut in die Reihe einsteigen.
Der Klappbroschureinband ist ganz wundervoll gelungen, von Wertigkeit und Gestaltung her absolut überzeugend. Das düstere Titelbild passt ausgezeichnet zur beklemmenden Atmosphäre, die von Anfang an herrscht.
Man kommt gut in die Geschichte rein, der Schreibstil ist in Ordnung und liest sich flüssig. Einige Passagen fand ich langatmig, auch ist das Erzähltempo größtenteils eher gemächlich, mir manchmal zu gemächlich. Der Fall macht von Anfang an neugierig, mehrere Rückblenden liefern nach und nach Informationen. Über allem, ob Gegenwart oder Rückblenden hängt Trostlosigkeit und Düsternis, die Atmosphäre ist ausgezeichnet gelungen.
Der Autor verwendet einige etwas abgegriffene Klischees, manche Dinge sind nicht gänzlich plausibel, aber die Entwicklung und Hintergründe des Falles sind absolut ungewöhnlich und unerwartet. Und grausig. Vorhersehbar ist hier nichts. Talberg 2022 ist in mehrfacher Hinsicht ein ungewöhnlicher Krimi, hier ist nicht unbedingt die Ermittlung der Hauptfaktor, sondern Atmosphäre und persönliche Tragödien. Das ist gut umgesetzt und ich kann mir vorstellen, dass die drei Talbergbände zusammen ein in vielerlei Hinsicht beklemmendes Leseerlebnis bieten.

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Veröffentlicht am 20.05.2022

Liebevoll illustriert, mit detaillierten Fakten

Alt-Buckower Geschichte(n)
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Das Buch widmet sich dem Berliner Stadtteil Alt-Buckow, einstmals ein eigenes Dorf mit lang zurückgehender Geschichte. Schon auf den ersten Blick fällt die ausgezeichnete Ausstattung auf, die Seiten bestehen ...

Das Buch widmet sich dem Berliner Stadtteil Alt-Buckow, einstmals ein eigenes Dorf mit lang zurückgehender Geschichte. Schon auf den ersten Blick fällt die ausgezeichnete Ausstattung auf, die Seiten bestehen aus hochwertigem Fotopapier, der Klappbroschurumschlag zeigt vorne einen Dorfplan aus dem Jahr 1819, hinten einen aktuellen Straßenplan, beide farbig, so dass man gleich einen guten Vergleich der Entwicklung hat. Auch sonst erfreut das Buch mit zahlreichen Abbildungen, darunter mehrere in Farbe. Hauptsächlich zeigen diese Fotos ehemalige und momentane Gebäude, aber es gibt auch Familien- oder Gruppenfotos, Abbildungen alter Einladungen, Sitzungsprotokolle und anderer Dokumente. Das ist eine gelungene Mischung, die viele Facetten des Alt-Buckower Lebens aus langen Jahren zeigt, hier sieht man die liebevolle Zusammenstellung schon auf den ersten Blick.

Besonders berührte mich eine Verlobungsanzeige aus dem Jahr 1932 - nicht nur wegen der anrührenden Gestaltung, sondern auch wegen der Information im Text, dass der Ehemann weniger als zehn Jahre nach dieser Verlobung von den Nazis ermordet wurde. Dies wird recht knapp berichtet und ich hätte gerne mehr darüber erfahren. Dies führt mich zu dem Aspekt, der mich an dem Buch ein wenig enttäuschte - es gibt "Alt-Buckower Geschichte", aber die im Titel ebenfalls angekündigten Geschichten kamen etwas kurz. Ich hatte mir von dem Buch eine Reise in die Lebensgeschichten der Buckower erwartet, wollte erfahren, wie diese Menschen Geschchte erlebt, erfahren, bewältigt hatten. Das Buch fokussiert sich allerdings darauf, die Geschichte jedes Grundstücks zu umreißen und dies führt zu vielen Kapiteln, in denen man lediglich erfährt, wer das Grundstück bewohnt hat, ob bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, welche Läden sich dort befanden, wie die Hofwirtschaft sich entwickelte. Das sind überwiegend trockene Fakten, die nur selten ins Persönliche hineingehen. Gelegentlich finden die Schicksale der Menschen Erwähnung, das waren für mich die interessantesten Passagen des Buches, aber sie kamen mir viel zu kurz, sowohl von der Häufigkeit wie von der Ausführlichkeit her. Manchmal wird etwas gestreift, so erfahren wir, dass die Tochter einer Familie mit Ende 20 starb, oder dass "ein schwere Schicksalsschlag" jemanden "im Alter von nur 43 Jahren aus dem Leben" riss, aber wir erfahren nicht, was geschah. Auch das Schicksal dreier Schwestern, die durch den Krieg so ziemlich alles verloren, sich mühsam durchschlugen und ein Leben lang unverheiratet blieben, ist nur knapp umrissen, lässt Fragen offen und weckt den Wunsch, doch etwas mehr über solche Lebenswege zu erfahren. So wird oft etwas angedeutet, aber nicht ausgeführt und mir blieben die Familien Buckows größtenteils fremd, sich abwechselnde Namen mit Lebensdaten, aber ohne echtes Leben. Nun ist dies meinen Erwartungen geschuldet, der Fokus des Buches ist es, die Chronologie der Grundstücke aufzuzeigen und gelegentlich ein wenig durch einige Anekdoten aufzulockern. Mir fehlte hier aber das Leben hinter den Daten. Wer jedoch mit anderen Erwartungen an das Buch herangeht, wird eine liebevoll chronologisierte Geschichte Alt-Buckows finden, sorgfältig recherchiert, mit Quellenangaben und Bildnachweisen und einigen wenigen persönlichen Einblicken.

Es wird viel Anschauliches geboten, um zu zeigen, wie und warum sich Alt-Buckow veränderte, faszinierend u.a. eine herrlich und übersichtlich gestaltete Stammtafel einer Familie, die 12 Generationen umfasst. Auch der literarische Spaziergang am Damm entlang ist eine gute Idee, dem Leser den Ort zu zeigen. Der Ort mit seinen Gebäuden und Veränderungen wurde mir detailliert nahegebracht und für jemanden, der dort wohnt oder sich für den Ort interessiert, ist dies eine wahre Fundgrube mit vielen informativen und nützlichen Fakten. Hier wurde auf liebevolle Art dem Ort Alt-Buckow ein Denkmal geschaffen und Lesern die Möglichkeit gegeben, die Entwicklung über Jahrhunderte hinweg mitzuerleben. Auch die gelungene optische Gestaltung mit ihrer Vielfalt an Abbildungen kann ich nur noch einmal erfreut hervorheben.

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Veröffentlicht am 22.03.2022

Stilistisch gelungene Reise durch eine Familie

Dschinns
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Dschinns zog mich umgehend durch den ungewöhnlichen Schreibstil in meinen Bann. Hüseyin, das erste Familienmitglied, das wir in diesem Buch über eine türkische Familie kennenlernen, wird direkt angesprochen ...

Dschinns zog mich umgehend durch den ungewöhnlichen Schreibstil in meinen Bann. Hüseyin, das erste Familienmitglied, das wir in diesem Buch über eine türkische Familie kennenlernen, wird direkt angesprochen und so erleben wir ihn, in dem Monolog, den jemand – ein Dschinn – mit ihm hält. Während Hüseyin voller Freude die neue Wohnung erkundet, die er für sich und seine Familie in Istanbul gekauft hat, erfahren wir in stetigem Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit einiges aus seinem Leben, z.B. den Jahrzehnten harter Arbeit in Deutschland oder den Angehörigen. Es macht neugierig, während der farbige Schreibstil die Szenerie aufsteigen lässt und ich schon glaubte, neben Hüseyin in der Wohnung zu stehen.
Jedes der sechs Kapitel widmet sich einem anderen Mitglied dieser Familie, bringt die Gegenwartshandlung voran und nimmt uns gleichzeitig mit in die Vergangenheit. Nach und nach erfahren wir so immer mehr über die Familienmitglieder, ihre Beziehungen zueinander und ihre Dschinns – wie man diese nun interpretieren mag. Im Buch selbst gibt es einige Ansätze dazu, ob nun unausgesprochene Wahrheiten, die Lasten der Vergangenheit oder eine Mischung aus vielem. Jedes Familienmitglied hat jedenfalls seine ganz persönliche Last zu tragen und diese wird uns enthüllt. Die Erzählsprache wechselt je nach Kapitel, passt sich dem jeweiligen Charakter an. Das ist gut gelungen, allerdings wurde durch diese Methode die Sprache in einem Kapitel so vulgär, abgehackt und hektisch, dass sie zwar dem Charakter entsprach, aber unangenehm zu lesen war. Insgesamt aber ist der Schreibstil – abgesehen von der zu häufigen Verwendung von Eigennamen anstelle von sie/er – eine Freude und sticht positiv heraus.
Da jedes Kapitel aus dem persönlichen Blickwinkel des jeweiligen Protagonisten geschrieben ist, erhalten wir sowohl dessen Eigensicht wie auch die Sicht von außen, also den anderen Familienmitgliedern. Das ist ausgezeichnet gemacht und beleuchtete manche Geschehnisse noch auf ganz neue Weise. Das ganze Buch war wie eine Entdeckungsreise durch die Familie – eine überwiegend traurige Entdeckungsreise, denn diese Familie ist alles andere als glücklich. Uns begegnet eine Vielzahl an Schicksalen, für meinen Geschmack waren es zu viele, gerade bei einem Familienmitglied häufte sich eins auf das andere, bis die Katastrophen-Kulmination letztlich die Gesamtwirkung eher schwächte. Auch das Ende setzt eins auf das andere, bis es einfach zu viel wird. Es gab einen Moment mit einer Enthüllung, der für mich ein perfektes Ende gewesen wäre und mich tief berührt hat. Darauf wurden dann aber noch gleich drei weitere Dinge draufgesetzt und so war mein letzter Eindruck des Buches leider: „Viel zu überzogen.“ Es ist insgesamt doch etwas unglaubwürdig, was in einer Familie alles zusammenkommt, leider gerieten dadurch auch einige interessante Themen (z.B. die kurdische Herkunft der Familie) in den Hintergrund, einige Fragen wurden für mich nicht hinreichend beantwortet, während andere Themen eher dem momentanen Zeitgeist geschuldet scheinen und zur Geschichte nichts Relevantes beitrugen, sondern eher irritierten. Bedauerlich finde ich auch, dass sowohl bei manchen Charakteren als auch manchen Erlebnissen und Äußerungen tief in die Klischeekiste gegriffen wurde. Hier habe ich oft gedacht, dass viele Möglichkeiten verschenkt wurden.
Dschinns ist in jedem Fall ein ungewöhnliches und vielseitiges Buch, das mir zudem einen aufschlussreichen Blick in das Leben einer türkischen Familie bot. Mit weniger Klischees und weniger Übertreibungen wäre dieser Blick eindringlicher und nachdrücklicher gewesen, aber auch so war es ein Leseerlebnis.

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