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Veröffentlicht am 08.06.2017

Kindsein im Nachkriegsdeutschland

Die Unschuld der Kastanienblüten
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Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen ...

Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen Eltern in das kleine Örtchen in der Nähe von Düsseldorf zieht. Episodenhaft wird die kindliche Erfahrung in der jungen Bundesrepublik beschrieben. Die Zeit ist geprägt von Ressentiments und Schweigen über die Vergangenheit. Sophie will das so nicht hinnehmen und erfährt von ihren eigenen und auch von Hannos Eltern durch konsequentes Nachfragen immer mehr über den Holocaust.

Ca. zwei Drittel des Buches beschreiben das Jahr 1952, in dem sich die beiden Kinder kennen lernen und nach kurzer Zeit schon wieder verlieren. Die beiden finden im Jugend- und Erwachsenenalter immer wieder zusammen, bevor es dann wieder auseinander geht. Dieses Hin und Her über mehrere Jahrzehnte hinweg, wird in meinen Augen etwas zu kurz im letzten Drittel des Buches abgehandelt. So kurz, dass der Rest vom Leben etwas zu kurz kommt - es dreht sich zumindest auf Sophies Seite alles nur um diese Beziehung.

Kein literarisches Meisterwerk, auch nicht die gelungenste Liebesgeschichte, aber eine interessante Charakterisierung einer Kindheit in den 1950er Jahren.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Reines Kochbuch - nicht ganz günstig, aber vielseitig

FIT FOOD TO GO - Das Fitness Kochbuch
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Die Rezepte sind in drei Kapitel unterteilt: Frühstück, Hauptmahlzeiten und Snacks.
Die Rezepte haben meist 4 bis 5 Arbeitsschritte - die Beschreibung ist sehr übersichtlich. Jedes Rezept wird mit einem ...

Die Rezepte sind in drei Kapitel unterteilt: Frühstück, Hauptmahlzeiten und Snacks.
Die Rezepte haben meist 4 bis 5 Arbeitsschritte - die Beschreibung ist sehr übersichtlich. Jedes Rezept wird mit einem meist appetitanregenden Photo illustriert. Zu jedem Rezept gibt es außerdem einen (meist) hilfreichen Tipp und die "Macros" bzw. Nährwertangaben: Kalorien, Fett, Kohlenhydrate, Protein.
Die Rezepte sind definitiv machbar - auch der ungeübte Koch wird Rezepte finden, die er ohne größere Probleme zubereiten kann. Es gibt aber durchaus Rezepte, die etwas aufwändiger und nicht ganz so einfach sind (z.B. Teigtaschen). Dem Versprechen des Untertitels, dass es hier schnelle und(!) einfache Rezepte gibt, kann ich also nur bedingt zustimmen. Natürlich sind Schnelligkeit und Einfachheit auch Definitionssache: stundenlang steht man jedenfalls auch nicht in der Küche.

Mir gefällt sehr, dass die Zutaten fast ausschließlich natürlich sind (Ausnahme Süßstoff). Auf Nahrungsergänzungsmittel wird verzichtet - das kenne ich aus Kochbüchern mit ähnlichem Schwerpunkt anders.
Die Zutaten sind außerdem größtenteils im Supermarkt zu erhalten, was ich ebenfalls super finde und meine Motivation, die Rezepte zuzubereiten, verstärkt.

Es gibt erstaunlich viele vegetarische und vegane Rezepte oder aber Rezepte, die leicht zu einer vegetarischen oder veganen Variante umgewandelt werden können. Aber auch Fleisch- und Fischesser kommen auf ihre Kosten.

Eine Einleitung oder ähnliches gibt es nicht - FIT FOOD 2GO. SCHNELLE & EINFACHE FITNESS-REZEPTE FÜR DEINEN GESUNDEN TRAUMKÖRPER startet gleich mit den Rezepten, was für mich OK ist. Für Leute auf der Suche nach einem Diät-Kochbuch bzw. einer Anleitung zum Abnehmen und/oder fitter werden, ist das aber vielleicht nicht optimal. Man sollte FIT FOOD 2GO also als reines Kochbuch sehen.
Den Namen FIT FOOD 2GO finde ich außerdem etwas unglücklich gewählt, da das Buch weder explizit Rezepte für Unterwegs noch wirkliche Blitzrezepte sammelt.

Insgesamt also ein nicht ganz günstiges, aber auch vielseitiges Kochbuch.

Veröffentlicht am 24.05.2017

Kein Thriller sondern Science Fiction

Hagerstown
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Edward Ashton hat in meinen Augen mit "Hagerstown" keinen Thriller, sondern einen Science Fiction-Roman geschrieben. Dieser mag Thriller-Elemente enthalten, der Schwerpunkt liegt meiner Meinung nach aber ...

Edward Ashton hat in meinen Augen mit "Hagerstown" keinen Thriller, sondern einen Science Fiction-Roman geschrieben. Dieser mag Thriller-Elemente enthalten, der Schwerpunkt liegt meiner Meinung nach aber auf der Science Fiction. Insoweit finde ich Genre-Bezeichnung und Klappentext irreführend.

Wir befinden uns in der Zukunft und zwar in Baltimore, USA. Die Menschheit hat sich technisch stark fortentwickelt, was einher geht mit stärkerer Überwachung durch staatliche Stellen. Mit einer zusammengewürfelten kleinen Personengruppe erleben wir aus der Ferne die Katastrophe in Hagerstown und die folgenden Tage.

Cyborgs, Avatare, Bots - neben dem klassischen Homo Sapiens gibt es mittlerweile verschiedene andere (mehr oder weniger) menschliche Lebensformen. Durch das Buch ziehen sich außerdem Informationen über die fortentwickelte Technik.

Sind die technologischen Details am Anfang noch interessant und auch für mich verständlich, ändert sich dies ab ca der Hälfte des Buches. Es gibt immer mehr Details, die teils wenig bis garnicht erklärt werden - teilweise wird es in meinen Augen sogar etwas abstrus. Das mag dennoch alles gut recherchiert und für die Zukunft genau so möglich sein, aber für mich war das oft zu technisch. Science Fiction-Fans mag es aber vielleicht zu wenig in die technischen Details gehen - vielleicht gefällt manchen Lesern aber auch gerade, dass vieles nicht erklärt wird.

Interessante Fragen nach Segen und Fluch der Technik werden angedeutet und angestoßen, aber nicht immer beantwortet. Die Parallelen zu unserem heutigen Leben zu ziehen, bleibt dem Leser überlassen.

Ein Science Fiction-Thriller für Leser mit naturwissenschaftlichen und technologischen Kenntnissen und Interessen. Für Leser, die einen dystopischen Überlebenskampf erwarten und/oder sich nicht sonderlich für Technologie interessieren, ist es definitiv das falsche Buch.

Veröffentlicht am 18.04.2017

Schöpft Potential nicht aus

Mit jedem Jahr
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Simon Van Booy erzählt in "Mit jedem Jahr" die Geschichte von Harvey und ihrem Onkel Jason, der sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert. Jason, dessen Vergangenheit von Gewalt, Alkohol, einer Haftstrafe ...

Simon Van Booy erzählt in "Mit jedem Jahr" die Geschichte von Harvey und ihrem Onkel Jason, der sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert. Jason, dessen Vergangenheit von Gewalt, Alkohol, einer Haftstrafe und wenig menschlichen Bezugspersonen geprägt war, fällt es nicht leicht, die Vaterrolle für ein kleines​ Mädchen zu übernehmen, dennoch nimmt er sich der Aufgabe gewissenhaft an.
In Rückblenden wird episodenhaft das gemeinsame Leben der beiden erzählt.

Hierbei ist die Geschichte insgesamt vorhersehbar und klischeehaft, hin und wieder an der Grenze zum Kitsch. Es ist eigentlich eine schöne, ungewöhnliche Familiengeschichte, die leider das Potential nicht ganz ausschöpft. Die Stärke des Romans liegt deshalb eben nicht in der Rahmengeschichte, sondern in den kleinen Situationen im alltäglichen Familienleben von Jason und Harvey, die für sich genommen einfühlsam beschrieben werden. Insgesamt gesehen ergeben sie allerdings ein zu perfektes Bild ab.

Vor allem Jason wuchs mir mit der Geschichte ans Herz, während die Jugendliche und Erwachsene Harvey etwas farblos blieb und es so schwer war, mich in sie hinein zu versetzen. Vielleicht ist das auch Absicht von Simon Van Booy, der den Fokus auf Jason legen wollte? Bei beiden Personen hätte die Darstellung der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung aber gerne mehr in die Tiefe gehen können.

Der Schreibstil ist flüssig und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Sprachlich ist es (im besten Sinne) einfach verfasst. Kleine Zeitsprünge innerhalb der einzelnen Episoden haben mich manchmal stutzen lassen, gehören aber wohl bewusst zum Erzählstil des Autors.

Fazit: Eine schöne Geschichte über eine ungewöhnliche Vater-Tochter-Beziehung, leider mit deutlich​en Schwächen.

Veröffentlicht am 31.03.2017

Walerian in Wien

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
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Radek Knapps schmaler Erzählband mit dem langen Titel "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß" ist die Coming-of-age-Geschichte des polnischstämmigen Walerian. Als Jugendlicher kam er mit seiner Mutter nach ...

Radek Knapps schmaler Erzählband mit dem langen Titel "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß" ist die Coming-of-age-Geschichte des polnischstämmigen Walerian. Als Jugendlicher kam er mit seiner Mutter nach Wien und schlägt sich als junger Erwachsener mit allen möglichen Jobs durch. Dabei behält er immer eine Gelassenheit, vielleicht sogar Zufriedenheit.
Die Person Walerian ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Irgendwie scheint er aus der Zeit und der modernen Realität gefallen.

Sprachlich gekonnt und gewitzt umgesetzt - nie übertrieben, selten nah am abgedroschenen Wortwitz.

Für Radek-Knapp-Fans sicher eine schöne Lektüre, Lesern, die Rade Kann noch nicht kennen, würde ich aber erstmal einen seiner Romane empfehlen.