berührendes Buch
Die Attentäter"Es ist immer vernünftig zu tanzen, wenn die Welt untergeht, denn zum Weinen ist die restliche Zeit zu schade." (Seite 166)
Cliff, Alain und Margarethe. Alle drei sind im gleichen Berliner Haus aufgewachsen ...
"Es ist immer vernünftig zu tanzen, wenn die Welt untergeht, denn zum Weinen ist die restliche Zeit zu schade." (Seite 166)
Cliff, Alain und Margarethe. Alle drei sind im gleichen Berliner Haus aufgewachsen und alle drei verbindet ein unsichtbares Band miteinander. Sie können nicht mit, aber auch nicht ohne die anderen. Während Alain und Margarethe in behüteten Familien aufwachsen, hadert Cliff mit der Trennung seiner Eltern und allen voran mit der Ablehnung seiner Mutter. Cliff konvertiert zum Islam und radikalisiert sich. Als Cliff wieder zurück nach Berlin kommt und scheinbar etwas plant, versuchen Cliff und Margarethe ihn aufzuhalten.
Ich war so gespannt auf das neue Jugendbuch von Antonia Michaelis. Haben mir doch "Niemand liebt November" und "Der Märchenerzähler" unglaublich gut gefallen. Und aktueller kann das Thema nicht sein. Es geht um Anschläge, um den IS, um Paris und um drei Jugendliche die alles richtig machen wollen.
Im Vordergrund stehen eindeutig die Charaktere und deren Beziehungen zueinander. Cliff und Alain, schon seit Kindertagen eng miteinander verbunden, haben eins gemeinsam. Nämlich das Zeichnen und die Kunst. Beide sind Ausnahmetalente. Alain ist immer das Helle, die Gute Seite, so zumindest sieht Cliff das, während er sich mehr zur dunklen Seite hingezogen fühlt. Und dazwischen Margarethe, die für beide eine Art Anker ist um auf dem Boden zu bleiben.
Man merkt schon recht früh das alle drei mehr als nur Freundschaft verbindet. Diese Beziehung hat die Autorin wunderbar und sehr einfühlsam beschrieben. Dieses Abstoßen und doch wieder zueinander hingezogen fühlen wurde einfach klasse ungesetzt. Man wusste nicht genau ob man den Protagonist jetzt für sein Handeln verurteilen oder bemitleiden soll, irgendwie hat man sich auf besondere Weise zu den Protas hingezogen gefühlt.
"Es war das Jahr, in dem man sich einbilden konnte, gebraucht zu werden. Das Jahr, in dem man zu viele Geschichten hörte und in dem man den Fernseher nicht anzumachen wagte, wie irgendwer immer aus dem Bildschirm heraus Parolen schrie. Weil fünf Minuten später der Krieg aus dem Fernseher quoll und sich wie eine Pfütze auf dem Küchenboden ausbreitete." (Seite 107)
Aktueller hätte das Thema nicht sein können. Es geht um ein Attentat auf Berlin, welches vom IS geplant wird. Besser und spektakulärer noch als Paris. An dieses Thema ranzugehen muss unglaublich schwer sein und doch hat die Autorin es geschafft uns den islamischen Staat und die Beweggründe, die Menschen haben sich denen anzuschließen, näher zu bringen. Ich hatte nicht nur einmal Gänsehaut beim Lesen und hätte den ein oder anderen gerne zur Vernunft gebracht. Cliff braucht einen Sinn im Leben und den hat er ausgerechnet beim IS gefunden. Da stellt man sich selbst die Frage: "Wie vielen geht es genau so?" und wie kann man diese wieder zur Vernunft bringen.
Der Schreibstil der Autorin ist mal wieder einmalig und nimmt einen sofort gefangen. Ich bin immer wieder begeistert wie poetisch sie schreibt und wie viel doch auch zwischen den Zeilen zu lesen ist. Es gibt so viele tolle Stellen in diesem Buch, die einen beim Lesen gefangen nehmen und nicht mehr los lassen. Die Bedeutung des Covers (auch unter dem Schutzumschlag) wird einem erst ganz zum Schluss bewusst und lässt einen wehmütig zurück.
Fazit: Wunderbar, brutal, poetisch, abstoßend und traurig. So würde ich dieses Buch beschreiben. Die Charaktere sind kein Standard und bleiben einen, durch ihre Tiefe, lange im Gedächtnis. Ein tolles und doch auch erschreckendes Buch, das einen nachdenklich zurück lässt. Dieses Buch wird einen besonderen Platz in meinem Regal finden und wenn die Zeit dafür da ist, nochmal gelesen.
"Aber es war nicht genug, Menschen zu mögen, die das Gleiche taten wie man selbst. Und die Nähte der Welt klafften zu weit auseinander, um sie heil zu machen." (Seite 111)