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Veröffentlicht am 07.08.2017

Marx trifft Darwin - aber nur in der Fiktion

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Ilona Jerger hat sich in ihrem Roman viel vorgenommen: wissenschaftliche und historische Fakten in einen unterhaltsamen Roman zu verpacken, ist keine einfache Aufgabe - in meinen Augen ist ihr der Spagat ...

Ilona Jerger hat sich in ihrem Roman viel vorgenommen: wissenschaftliche und historische Fakten in einen unterhaltsamen Roman zu verpacken, ist keine einfache Aufgabe - in meinen Augen ist ihr der Spagat zwischen Unterhaltung und Fakten bedingt gelungen.

London, Ende des 19. Jahrhunderts. Zwei prägende Männer der Zeit - Charles Darwin und sein Vornamensvetter Karl Marx - verbindet einiges: beides wissenschaftliche Vordenker, die sowohl von diversen Wehwehchen als auch von einer Schreibblockade geplagt sind. Erstaunlicherweise haben sie sich in der Realität nie persönlich kennengelernt.
Die hier thematisierte fiktive Begegnung der beiden, die dem Buch seinen Titel gibt und auf die die Geschichte hin arbeitet, verläuft in meinen Augen dann eher unspektakulär. Es bleibt bei einem einmaligen Abendessen der beiden - den Eklat sehe ich hier nicht.

Die Autorin verliert sich manchmal in Details. Das mag manchen​ Lesern gefallen, ich fand es eher ermüdend. Ilona Jerger umkreist hierbei vorallem zwei Themen, die die beiden gealterten Wissenschaftler umtreiben: das Verhältnis zur Kirche und die eigenen körperlichen Leiden - für mich ehrlich gesagt nicht die Themen, über die ich bevorzugt lese. Ich glaube der Autorin, dass der Stoff gut recherchiert ist, aber mir sagt die Mischung von Realität und Fiktion nicht wirklich zu und außerdem ist es mir dann oft zu theoretisch bzw philosophisch für einen unterhaltenden Roman.

Wer sich für die gesellschaftlichen Umbrüche des ausgehenden 19. Jahrhundert interessiert und gerne halbfiktive historische Romane liest, fühlt sich hier vielleicht besser unterhalten als ich.

Veröffentlicht am 31.07.2017

Anders als erwartet

Eine von uns
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"Eine von uns" erzählt von einem englischen Dorf auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Einbrecher - statt seine Opfer zu berauben, scheint er sie eher beobachten zu wollen. Hierbei werden nacheinander ...

"Eine von uns" erzählt von einem englischen Dorf auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Einbrecher - statt seine Opfer zu berauben, scheint er sie eher beobachten zu wollen. Hierbei werden nacheinander vier Dorfbewohner in dem Focus genommen: eine junge Hausfrau, der Aushilfspriester, der Dorfpolizist und der Leiter des örtlichen Supermarktes. Die momentane Situation und die jeweilige persönliche Vorgeschichte werden aus ihrem Blickwinkel berichtet.
Das Buch ist inspiriert von wahren Geschehnissen. Die Autorin Harriet Cummings ist in dem englischen Dorf aufgewachsen, in dem 1984 der sogenannte Fox in Häuser eingebrochen ist - von den wahren Ereignissen, von denen sie im Nachwort erzählt, weicht die hier aufgeschriebene Geschichte allerdings deutlich ab.

Obwohl sich das Buch größtenteils flüssig liest, ist es manchmal sprachlich speziell - im Einzelfall vielleicht auch etwas sperrig. Das ergibt sich einerseits durch die Erzählung im Präsens, vor allem (meiner Einschätzung nach) aber durch die Übersetzung des Österreichers Walter Goidinger. Durch den österreichischen Einschlag wirkt die Sprache, die das Buch jetzt hat, für deutsche Leser vielleicht manchmal etwas ungewohnt bis altbacken.
Das war ein Grund, warum ich an manchen Stellen ins Stocken kam. Ein anderer Grund abseits der Sprache sind kleine Details, die mir unklar blieben und bei denen ich mir im Nachhinein nicht sicher bin, ob sie Absicht sind: habe ich etwas nicht richtig verstanden? Soll der Leser in die Irre geführt werden? Oder sind es Fehler? (Wenn mir jemand die erste Jahreszahl auf Ruth' Grabstein erklären kann, würde ich mich sehr über eine Nachricht freuen)

Die Autorin versteht es, eine unheimliche Stimmung aufzubauen, aber richtig spannend fand ich das Buch nicht und würde es auch keinesfalls als Krimi einordnen.
Lange Zeit kommt die Suche nach dem Fox nicht voran - die gegenseitigen Verdächtigungen der Dorfbewohner sind nicht so allgegenwärtig und nervenaufreibend, wie ich angenommen habe. Stattdessen stehen die vier vorgestellten Einzelpersonen und ihre persönlichen Probleme im Vordergrund. Das war ganz interessant und die vier Personen sind mir auch ein Stück ans Herz gewachsen, aber ich hatte vom Buch etwas anderes erwartet und bin deshalb etwas enttäuscht.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Kindsein im Nachkriegsdeutschland

Die Unschuld der Kastanienblüten
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Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen ...

Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen Eltern in das kleine Örtchen in der Nähe von Düsseldorf zieht. Episodenhaft wird die kindliche Erfahrung in der jungen Bundesrepublik beschrieben. Die Zeit ist geprägt von Ressentiments und Schweigen über die Vergangenheit. Sophie will das so nicht hinnehmen und erfährt von ihren eigenen und auch von Hannos Eltern durch konsequentes Nachfragen immer mehr über den Holocaust.

Ca. zwei Drittel des Buches beschreiben das Jahr 1952, in dem sich die beiden Kinder kennen lernen und nach kurzer Zeit schon wieder verlieren. Die beiden finden im Jugend- und Erwachsenenalter immer wieder zusammen, bevor es dann wieder auseinander geht. Dieses Hin und Her über mehrere Jahrzehnte hinweg, wird in meinen Augen etwas zu kurz im letzten Drittel des Buches abgehandelt. So kurz, dass der Rest vom Leben etwas zu kurz kommt - es dreht sich zumindest auf Sophies Seite alles nur um diese Beziehung.

Kein literarisches Meisterwerk, auch nicht die gelungenste Liebesgeschichte, aber eine interessante Charakterisierung einer Kindheit in den 1950er Jahren.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Reines Kochbuch - nicht ganz günstig, aber vielseitig

FIT FOOD TO GO - Das Fitness Kochbuch
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Die Rezepte sind in drei Kapitel unterteilt: Frühstück, Hauptmahlzeiten und Snacks.
Die Rezepte haben meist 4 bis 5 Arbeitsschritte - die Beschreibung ist sehr übersichtlich. Jedes Rezept wird mit einem ...

Die Rezepte sind in drei Kapitel unterteilt: Frühstück, Hauptmahlzeiten und Snacks.
Die Rezepte haben meist 4 bis 5 Arbeitsschritte - die Beschreibung ist sehr übersichtlich. Jedes Rezept wird mit einem meist appetitanregenden Photo illustriert. Zu jedem Rezept gibt es außerdem einen (meist) hilfreichen Tipp und die "Macros" bzw. Nährwertangaben: Kalorien, Fett, Kohlenhydrate, Protein.
Die Rezepte sind definitiv machbar - auch der ungeübte Koch wird Rezepte finden, die er ohne größere Probleme zubereiten kann. Es gibt aber durchaus Rezepte, die etwas aufwändiger und nicht ganz so einfach sind (z.B. Teigtaschen). Dem Versprechen des Untertitels, dass es hier schnelle und(!) einfache Rezepte gibt, kann ich also nur bedingt zustimmen. Natürlich sind Schnelligkeit und Einfachheit auch Definitionssache: stundenlang steht man jedenfalls auch nicht in der Küche.

Mir gefällt sehr, dass die Zutaten fast ausschließlich natürlich sind (Ausnahme Süßstoff). Auf Nahrungsergänzungsmittel wird verzichtet - das kenne ich aus Kochbüchern mit ähnlichem Schwerpunkt anders.
Die Zutaten sind außerdem größtenteils im Supermarkt zu erhalten, was ich ebenfalls super finde und meine Motivation, die Rezepte zuzubereiten, verstärkt.

Es gibt erstaunlich viele vegetarische und vegane Rezepte oder aber Rezepte, die leicht zu einer vegetarischen oder veganen Variante umgewandelt werden können. Aber auch Fleisch- und Fischesser kommen auf ihre Kosten.

Eine Einleitung oder ähnliches gibt es nicht - FIT FOOD 2GO. SCHNELLE & EINFACHE FITNESS-REZEPTE FÜR DEINEN GESUNDEN TRAUMKÖRPER startet gleich mit den Rezepten, was für mich OK ist. Für Leute auf der Suche nach einem Diät-Kochbuch bzw. einer Anleitung zum Abnehmen und/oder fitter werden, ist das aber vielleicht nicht optimal. Man sollte FIT FOOD 2GO also als reines Kochbuch sehen.
Den Namen FIT FOOD 2GO finde ich außerdem etwas unglücklich gewählt, da das Buch weder explizit Rezepte für Unterwegs noch wirkliche Blitzrezepte sammelt.

Insgesamt also ein nicht ganz günstiges, aber auch vielseitiges Kochbuch.

Veröffentlicht am 24.05.2017

Kein Thriller sondern Science Fiction

Hagerstown
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Edward Ashton hat in meinen Augen mit "Hagerstown" keinen Thriller, sondern einen Science Fiction-Roman geschrieben. Dieser mag Thriller-Elemente enthalten, der Schwerpunkt liegt meiner Meinung nach aber ...

Edward Ashton hat in meinen Augen mit "Hagerstown" keinen Thriller, sondern einen Science Fiction-Roman geschrieben. Dieser mag Thriller-Elemente enthalten, der Schwerpunkt liegt meiner Meinung nach aber auf der Science Fiction. Insoweit finde ich Genre-Bezeichnung und Klappentext irreführend.

Wir befinden uns in der Zukunft und zwar in Baltimore, USA. Die Menschheit hat sich technisch stark fortentwickelt, was einher geht mit stärkerer Überwachung durch staatliche Stellen. Mit einer zusammengewürfelten kleinen Personengruppe erleben wir aus der Ferne die Katastrophe in Hagerstown und die folgenden Tage.

Cyborgs, Avatare, Bots - neben dem klassischen Homo Sapiens gibt es mittlerweile verschiedene andere (mehr oder weniger) menschliche Lebensformen. Durch das Buch ziehen sich außerdem Informationen über die fortentwickelte Technik.

Sind die technologischen Details am Anfang noch interessant und auch für mich verständlich, ändert sich dies ab ca der Hälfte des Buches. Es gibt immer mehr Details, die teils wenig bis garnicht erklärt werden - teilweise wird es in meinen Augen sogar etwas abstrus. Das mag dennoch alles gut recherchiert und für die Zukunft genau so möglich sein, aber für mich war das oft zu technisch. Science Fiction-Fans mag es aber vielleicht zu wenig in die technischen Details gehen - vielleicht gefällt manchen Lesern aber auch gerade, dass vieles nicht erklärt wird.

Interessante Fragen nach Segen und Fluch der Technik werden angedeutet und angestoßen, aber nicht immer beantwortet. Die Parallelen zu unserem heutigen Leben zu ziehen, bleibt dem Leser überlassen.

Ein Science Fiction-Thriller für Leser mit naturwissenschaftlichen und technologischen Kenntnissen und Interessen. Für Leser, die einen dystopischen Überlebenskampf erwarten und/oder sich nicht sonderlich für Technologie interessieren, ist es definitiv das falsche Buch.