Island auf dem Weg in die Moderne
60 Kilo Sonnenschein60 Kilo Sonnenschein – Hallgrimur Helgason
Island um 1900. Erzählt wird die Geschichte des Jungen Gestur, eines armen Bauernjungen, dem das Schicksal übel mitspielt. Während er heranwächst und sich immer ...
60 Kilo Sonnenschein – Hallgrimur Helgason
Island um 1900. Erzählt wird die Geschichte des Jungen Gestur, eines armen Bauernjungen, dem das Schicksal übel mitspielt. Während er heranwächst und sich immer wieder an einen neuen Ziehvater gewöhnen muss, verändert sich langsam, sehr langsam, das rückständige und abgeschiedene Island auf dem Weg in eine fortschrittlichere Zukunft. Doch dieser Weg ist lang und steinig.
Es ist eine eindrucksvolle und opulente Saga, die der Autor hier geschaffen hat. Den Jungen Gestur begleitet der Roman durchgehend. Darüber hinaus aber auch noch unzählige andere hochinteressante, genial gezeichnete Figuren. Im Vordergrund stehen Land und Leute Islands. Das harte abgeschiedene Leben dieser armen Bauern auf diesem isländischen Fjord zu jener Zeit ist es, was der Autor dem Leser nahebringen will. Und das tut er äußert eindrucksvoll. Auf knapp 600 Seiten ist genug Raum für jede Menge detaillierter Beschreibungen der Lebensumstände, Wohnsituationen, Eigenheiten der teils recht kauzigen Menschen. Das ist manchmal wirklich eklig, sehr oft erschreckend – langweilig wird das nie.
Das besondere an dieser vielschichtigen Geschichte ist der bissig schwarze Humor des Autors. Es ist wirklich köstlich, wie böse er die Rückständigkeit seines Volkes jener Zeiten auf die Schippe nimmt. Gerade an den Pfarrern und dem Glauben des Fjords lässt er lange Zeit kein gutes Haar. Allesamt sind es ungläubige, faule Säufer, die meist auch dadurch zu Tode kommen. Einer schafft es gar, bei einer Beerdigung sturzbetrunken in ein noch offenes Grab zu stürzen und dabei selbst das zeitliche zu segnen. Das ist bitterböse und ziemlich witzig. Auf der anderen Seite werden tragischste Begebenheiten lapidar mit einem Satz serviert.
Den Einstieg in dieses monumentale Werk fand ich gar nicht so einfach. Trotz allem Unterhaltungswert ist es ein recht literarischer Schreibstil, den der Autor pflegt. All die isländischen Namen, Orte und Sitten sind zusätzlich gewöhnungsbedürftig. Doch nach ein paar Seiten hatte mich die Geschichte und ich war begeistert von der Sprache, dem Setting und der Tiefgründigkeit. Ein Werk, dem man die Zeit geben muss, damit es einen einfangen kann. Dann eröffnet sich einem eine komplett neue, faszinierende Welt.
Der Leser durfte den Jungen Gestur dreizehn Jahre lang begleiten – und eine Gegend, die sich langsam dem Fortschritt öffnet. Hier wie dort gäbe es noch viel zu erzählen. Sehr gut könnte ich mir hier eine Fortsetzung vorstellen. Auf jeden Fall bin ich von dem Gelesenen beeindruckt und begeistert. 5 Sterne und eine große Leseempfehlung von mir!