Vielleicht nicht ganz so emotional, aber dafür mindestens genauso spannend und wendungsreich wie Band 1. Ein Roman um familiäre Wurzeln mit düsteren Elementen der jüngeren deutschen Geschichte.
Was ich nie gesagt habeNach seinem Nervenzusammenbruch ist Anchorman Tom Monderath beruflich kürzer getreten und genießt das ungewohnte Gefühl, frisch verliebt zu sein und zusammen mit Jennys Sohn Carl eine kleine Familie zu ...
Nach seinem Nervenzusammenbruch ist Anchorman Tom Monderath beruflich kürzer getreten und genießt das ungewohnte Gefühl, frisch verliebt zu sein und zusammen mit Jennys Sohn Carl eine kleine Familie zu sein. Durch einen Gentest, durch den er seine amerikanische Halbschwester Marie finden wollte, wird Tom überraschend auf weitere Halbgeschwister, uneheliche Kinder seines Vaters Konrad, aufmerksam. Sein Vater hat nie über seine Vergangenheit gesprochen und auch seine Mutter Greta, deren Alzheimer-Erkrankung fortschreitet, kann Tom nicht fragen. Als er durch eigene Recherchen auf ein Geheimnis seines Vaters stößt, droht ihm erneut alles über den Kopf zu wachsen.
Als kleiner Junge hat Konrad früh seinen Vater verloren und im Verlauf des Zweiten Weltkriegs auch den Rest seiner Familie. Nach zwei Jahren amerikanischer Kriegsgefangenschaft kehrt er nach Deutschland zurück und wird mit Hilfe seines Onkels Arzt. In Heidelberg lernt er Greta kennen und verliebt sich in die burschikose junge Frau. Doch auch wie Konrad hat Greta eine bewegte Vergangenheit und droht immer wieder in Schwermut zu fallen, was die Ehe belastet.
"Was ich nie gesagt habe - Gretchens Schicksalsfamilie" ist Band 2 der "Die Gretchen"-Reihe und setzt nahtlos an den ersten Teil "Stay away from Gretchen - Eine unmögliche Liebe" an.
Auch dieser Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wobei Gretchen nur noch eine Nebenrolle hat und stattdessen Toms Vater Konrad "Conny" in den Mittelpunkt rückt.
Die Gegenwart von Sommer 2016 bis Oktober 2018 handelt von Tom, der sich nach Jahren mit nur flüchtigen Beziehungen glücklich schätzt mit Jenny zusammen zu sein. Mit ihrer chaotischen Art ist sie das Gegenteil von ihm, gibt ihm jedoch den Halt und die Sicherheit, die er braucht. Kaum hatte Tom verdaut, dass er eine Halbschwester in Amerika hat, von der ihm seine Mutter Greta nie erzählt hat, wird er damit konfrontiert, dass väterlicherseits noch mehr Halbgeschwister existieren.
In Rückblenden erfährt man mehr über Connys Kindheit, die Jugend im Krieg und die schweren Verluste, die er verwinden musste - Dinge, über die er mit seinem Sohn Tom nie gesprochen hat. Die Kriegsereignisse und insbesondere der Tod seiner Schwester sind erschütternd, aber auch die Jahre nach dem Krieg haben es in sich, als Konrad versucht, mit Greta eine Familie zu gründen und erneut auf die Hilfe seines Onkels setzt.
Was Konrad tatsächlich verbirgt, ist spannend geschildert und offenbart sich durch die Verknüpfung beider Zeitebenen. Wie schon Band 1 ist auch die Fortsetzung sehr lebendig erzählt und lebt durch die facettenreichen und lebensechten Charaktere. Der Fokus liegt auf der Vergangenheit, die den Lebenslauf von Konrad detailliert erzählt, was von einer aufwändigen Recherchearbeit durch die Autorin zeugt. Nicht nur die historischen Ereignisse, der Schrecken des Nationalsozialismus und die Folgen davon sind eindringlich geschildert und gekonnt mit der fiktiven Geschichte der Monderaths verwoben, auch das Lokalkolorit ist durch die bildhaften Ortsbeschreibungen wieder spürbar.
Band 2 ist vielleicht nicht ganz so emotional, aber dafür mindestens genauso spannend und wendungsreich erzählt. Tom Monderath hat mit Greta und Konrad zwei Elternteile, die Schlimmes erlebt haben, Dinge verheimlichten oder nicht darüber sprechen konnten und ihr ganzes Leben damit belastend haben. Die Folgen waren für Tom bereits als Kind spürbar, wenn seine Mutter sich nicht um ihn kümmern konnte und durch das Geheimnis seines Vaters droht ihm als Erwachsener den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Der empathische Schreibstil, der die perfekte Balance zwischen tragisch und humorvoll ist, ist genauso packend wie in Band 1. Zunächst hatte ich Bedenken, ob die Fortsetzung an das hochgelobte Debüt heranreichen kann, aber das Herzblut für die Charaktere und ihre Geschichte ist erneut auf jeder Seite spürbar. Zudem wirkt die fiktive Geschichte, die so einige düstere und heikle Elemente der früheren und jüngeren deutschen Geschichte beinhaltet, sehr authentisch und fesselt insbesondere durch die emotionale Involvierung der Charaktere und Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit und familiären Wurzeln.