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Veröffentlicht am 09.06.2017

Von Eiscreme bis Moby Dick

Yummy Books!
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Von skaramel
Kann man sich in ein Buch verlieben? Sogar in ein Kochbuch?
Wenn ja, dann ist es gerade passiert und ich habe mich unsterblich in „Yummy Books“ von Cara Nicoletti verliebt. Diese vereint ...

Von skaramel
Kann man sich in ein Buch verlieben? Sogar in ein Kochbuch?
Wenn ja, dann ist es gerade passiert und ich habe mich unsterblich in „Yummy Books“ von Cara Nicoletti verliebt. Diese vereint die, meines Erachtens, zwei wichtigsten Dinge im Leben: Literatur und Kochen. Das klingt doch für mein kleines Germanistenherz wie die beste Erfindung aller Zeiten.

Gewitzt hat sie ihr Kochbuch aufgeteilt zwischen Kindheit, Jugend und dem Erwachsenenalter und führt uns durch die Literatur dieser Zeit. Hier finden wir alles: Moby Dick, Der Fänger im Roggen, aber auch das moderne Gone Girl. Um ihrer literarischen Liebe noch mehr Ausdruck zu verleihen, genügt es Nicoletti nicht, die Gerichte passend zu ihren Romane weiterzugeben, sondern verbindet diese mit ihren wahrlich gut geschriebenen Essays, die uns quer durch ihr Leben führen und uns verstehen lassen, wieso welches Buch an der ausgewählten Stelle steht.

Auch die Aufmachung erhält von mir nichts als Anerkennung. Endlich mal ein anderes Format, damit sich das Kochbuch nicht nur inhaltlich von den ganzen Genrenachbarn abhebt. Es wirkt eher wie ein kostspieligerer, trendiger Roman weniger wie ein Buch in dem wir die neusten veganen Rezepte finden. Wo wir aber schon bei fanatischen Veganismus sind –sich in Zeiten von Quinoa und Räuchertofu mit einem riesigen Stück Fleisch auf der Schulter ablichten zu lassen, das zeugt von Mut und Selbstvertrauen. Sehr sympathisch – zumal sie ja das Kind einer Metzgerfamilie ist und mit dem Buch genau zeigt, wer sie ist.

Einen kleinen Kritikpunkt, den gibt es doch: die Bilder. Durch ihr Talent zu schreiben hat Cara ihr Hauptaugenmerk gefühlt auf ihre Texte gelegt. Die Gestaltung des Buches ist simpel, was aber zu ihrer ganzen Art wirklich passt. Trotzdem fehlen mir ab und an ein paar Bilder zu den Rezepten. Natürlich können wir uns bei den Cookies und bei der Eiscreme vorstellen wie diese Gerichte auszusehen haben, aber bei manchen hätte ein visueller Anreiz gut getan. Trotzdem tut es dem Lese- und Kochvergnügen kein Abbruch, hätte aber den allgemeinen Eindruck vielleicht noch etwas hochwertiger gemacht. Jedoch glaube ich, dass Nicoletti bewusst eine bestimmte Zielgruppe ausgewählt hat und hiermit nicht den Massenmarkt bedienen möchte.

Wer also Lust auf Blinis, Eiscreme aus Malzmilch und ein schönes Steak hat oder einfach eine kleine Reise durch die Literatur machen möchte, der wird bei Cara Nicoletti gut aufgehoben sein.

Veröffentlicht am 16.09.2021

Endlich wieder ein guter Schreiber

Der Mauersegler
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Da liegt er nun, der dritte Roman von Jasmin Schreiber. Mit Mariannengraben hat sie sich in mein Herz geschrieben, mit Abschied von Hermine grenzenlos enttäuscht.
Nun liegt „Der Mauersegler“ vor mir, ...

Da liegt er nun, der dritte Roman von Jasmin Schreiber. Mit Mariannengraben hat sie sich in mein Herz geschrieben, mit Abschied von Hermine grenzenlos enttäuscht.
Nun liegt „Der Mauersegler“ vor mir, der an nur einem Vormittag gelesen wurde und das Vertrauen in Schreibers Schreibkünste wiederhergestellt hat. So hat sie hier wieder vertrautes Terrain betreten. Ähnlich wie bei „Mariannengraben“ geht es um den Tod, um Schuld und um Trauerarbeit, jedoch auf eine andere Art und Weise. Während ihr erster Roman wie ein traurig-schöner Roadtrip-Roman war, ist der Mauersegler viel ernsthafter und auch düsterer.
Es geht um Prometheus, der als Arzt seinen krebskranken besten Freund behandelt. Er verliert sich irgendwo zwischen der Behandlung, Rationalität, Emotionalität und folgenschweren Entscheidungen. Der einzige Ausweg: die Flucht, die ihn weinend nach Dänemark verschlägt, wo er durch Zufall auf ein altes, lesbisches Pärchen trifft, die einen Pferdehof betreiben. Obwohl Prometheus panische Angst vor Pferden hat und die alten Frauen eher grimmig sind, scheint all dies ihm bei seiner Trauerbewältigung und dem Schuldbekenntnis zu helfen.
Während die Protagonisten in Mariannengraben sympathisch, warmherzig und liebenswert waren, ist Prometheus vor allem eins: ein Arschloch. Man mag ihn nicht. Er wirkt unsympathisch, narzisstisch und vor allem egoistisch. Auch wenn seine Trauer, seine Gedanken und seine Schuldgefühle nachvollziehbar und vor allem auch begründet sind, ist Prometheus vielleicht nicht der beste Protagonist, tut aber seinen Dienst. Er bringt den Leser in ein tiefes, düsteres Tal aus Gedanken und Gefühlen, die besser gar nicht beschrieben hätten werden können.
Der Mauersegler ist ganz anders als erwartet und vielleicht nicht das Highlight wie Mariannengraben. Trotzdem ein wunderbares, vor allem gut geschriebenes, Buch. Schreiber kann eben schreiben, den Leser abholen und nebenbei immer wieder mit kleinen Fakten, die man nie vergisst, punkten. Lesenswert. Absolut.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Schwere Familiengeschichte

Die Überlebenden
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"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das ...

"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das Schönste, was es gibt. Wenn du oft genug durch diesen Wald läufst, kennst du bald jeden Stein, jeden schwierigen Weg..."
Wir sind mitten in Schweden, vor einem roten Sommerhaus – doch nichts mit Idylle. Drei Brüder liegen sich prügelnd in den Armen. Die Gefühle sind übergekocht. Sind sie doch eigentlich aus einem Grund hier: Die Asche ihrer Mutter verstreuen und damit ihren letzten Wunsch erfüllen.
In seinem Roman „Die Überlebenden“ erzählt Alex Schulmann abwechseln in der Gegenwart und Vergangenheit wie es zu dieser Situation kam. Es ist eine bedrückende, schwere Familiengeschichte über drei Brüder, unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Um einen alkoholkranken Vater, eine in sich gekehrte und aggressive Mutter. Alle Jungs wirken um Anerkennung buhlend, angestrengt und ein bisschen verloren. Pierre, Benjamin und Nils – die Brüder – sind sich fremd geworden. Zwischen ihnen viel Ungesagtes, viel liegt in der Luft. Es geht um das Miteinander, den Bruch der Brüder, viel Zwischenmenschliches.
Die Überlebenden liest sich nicht einfach, aber die Geschichte zieht den Leser mit. Schulman erzählt unaufgeregt, bildhaft, ruhig. So bedrückend die Stimmung ist, so sehr kann man den Sommer, die Hitze und den Wald förmlich spüren. Obwohl die Geschichte so bedrückt, spürt man förmlich eine träge Kindheit, warme Sommerabende und das kindliche Freisein. Es ist eine Geschichte über Familie, Beziehungen, aber vor allem auch über Schuld, Verdrängung und Trauma.

Absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Österreichischer Sherlock

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Deduktion, moderne Ermittlungsmethoden, drei bis vier Mal um die Ecke denken - das sind die typischen Merkmale der Detektivarbeit von Sherlock Holmes und wer ist bitte ist kein Fan von dem so berühmten ...

Deduktion, moderne Ermittlungsmethoden, drei bis vier Mal um die Ecke denken - das sind die typischen Merkmale der Detektivarbeit von Sherlock Holmes und wer ist bitte ist kein Fan von dem so berühmten Ermittler? Bücher und Filme, die nicht zwangsweise von Sherlock Holmes handeln, aber sich den gleichen Methoden und Erzählarten bedienen, sind immer wieder ein Genuss.
So ist es auch mit „Das Buch des Totengräbers“ von Oliver Pötzsch, welches nicht in Großbritannien spielt, sondern in Wien um 1893. Auch gibt es hier nicht den altbekannten, berühmten Ermittler, aber einen der es mit ihm aufnehmen kann: Leopold von Herzfeldt. Leopold ist seiner Zeit voraus, nutzt Fotoapparate, ermittelt mit Schlussfolgerungen und Laborergebnissen. Seine Arbeit wird nun in Wien gebraucht, wo er sich als neuer Ermittler erst positionieren muss und das zwischen all den alteingefahrenen Polizisten, die „wie immer“ arbeiten.
Nun wurden mehrere Dienstmädchen ermordet – jede von ihnen brutal gepfählt. Augustin Rothmayer, der städtische Totengräber – etwas schrullig, aber sehr hilfreich, hat schon Leichen in jeder Form gesehen, kennt alle Todesursachen und Verwesungsstufen. Schreibt sogar ein Buch darüber. Er weiß auch, dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten. Geht in Wien also ein abergläubischer Serientäter um? So entwickeln Leopold von Herzfeld und August Rothmayer gemeinsam und bilden ein seltsames, aber effektives Duo, das einen famosen Auftakt für eine neue Krimi-Reihe.
…und für einen Auftakt, einen ersten Band, leistet Pötzsch hier super Arbeit. Grundlegend sind Krimis, die nicht in der jetzigen Zeit spielen, für mich persönlich immer schwierig zu lesen. „„Das Buch des Totengräbers“ macht es einem aber sehr einfach. Die Charaktere sind angenehm, haben schon erste Tiefe und sind sympathisch, bzw. klassisch „schwierig“ angehaucht. Der Schreibstil ist fließend, leicht und hilft dem Leser schnell durch die Seiten zu fliegen. Und noch ein großes Plus: der Täter war nicht direkt bekannt und kam mir zwar nicht erst bei Auflösung in den Sinn, aber doch später als gedacht.
Von daher: vielversprechender Anfang für eine neuen Krimi-Reihe, der Lust auf mehr macht!

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Veröffentlicht am 03.05.2021

Zauberhafte Geschichte

Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz
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Zeldas Herz schlägt für Wikinger. Am liebsten wäre sie selbst einer. Furchtlos, stark und bereit für eine holde Maid in den Kampf zu ziehen. Sie liebt klare Strukturen, Regeln und vor allem ihre Sippe, ...

Zeldas Herz schlägt für Wikinger. Am liebsten wäre sie selbst einer. Furchtlos, stark und bereit für eine holde Maid in den Kampf zu ziehen. Sie liebt klare Strukturen, Regeln und vor allem ihre Sippe, in die sie aber nur ganz besondere Personen aufnimmt.
Zelda ist mit dem fetalem Alkoholsyndrom geboren, weil ihre Mutter noch während der Schwangerschaft getrunken hat. Ärzte haben ihr attestiert, dass sie womöglich niemals schreiben, lesen oder selbstständig sein kann – aber Zelda beweist es allen. Sie kann sehr wohl, auf ihre Weise. Und so erzählt „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ von Andrew David MacDonalds auf eine ganz wunderbare Weise von dieser starken, furchtlosen Frau und ihrer Bewältigung des Alltags. Auf der einen Seite ist dort ihr Bruder Gert, aber auch ihr Freund Marxy, den sie aus einer Gruppe für Menschen mit speziellen Bedürfnissen kennt und mit ihm eine Beziehung führt. Alles klingt nach einem soliden, bodenständigen Leben, wäre ihr Bruder nicht ein bisschen vom richtigen Weg abgekommen. So aufopferungsvoll er für seine kleine Schwester auch ist, hat er doch bei den falschen Menschen um Hilfe gefragt. Immer mehr driftet er auf die falsche Bahn ab und scheint sogar das Studium samt Stipendium zu verlieren. Wäre da nicht Zelda, die für ihn in den Kampf zieht.
Zelda ist schon eine außergewöhnliche, absolut großartige Protagonistin und übernimmt die Erzählung für sich selbst. Aus der Ich-Perspektive erzählt Zelda von ihrem Leben als Wikinger, von Erfahrungen mit Sex, Gefühlen und was es bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Der deutsche Titel „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ sollte nicht über das absolut großartige Buch hinwegtäuschen, dass den Interessierten wohl sehr schnell auf eine Fährt bringt. Wir haben hier weder ein Young Adult-Buch, noch einen romantischen Roman. Vor einem liegt ein Buch über einen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, der jeden Tag über sich selbst hinauswächst, sich reflektiert und dem Leben mutig gegenübersteht.
Schonungslos ehrlich geht es hier um die Integration behinderter bzw. gehandicapter Personen, um Themen wie Sex und Drogen. Durch Zeldas Sprache und ihre Sicht auf das Leben erschließen sich viele Dinge erst nach und nach und man leidet als Leser oft mit, weil man Warnzeichen natürlich schon viel öfter erkennt als eine Zelda es wahrnehmen kann.
Einzig und allein das Ende war mir teils zu extrem, zu überspitzt, während im mittleren Teil der Erzählung streckenweise leicht langatmige Passage zu finden sind.
Alles in allem aber jede Leseminute wert! Zauberhafte Geschichte!

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