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Veröffentlicht am 03.10.2022

Enttäuschendes Recycling-Projekt

Ein Leben in Geschichten
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Kürzlich erschien anlässlich des 80. Geburtstags von Donna Leon das schmale Bändchen „Ein Leben in Geschichten“, in dem die Autorin der Venedig-Krimis mit Commissario Brunetti in meist kurzen Erinnerungen ...

Kürzlich erschien anlässlich des 80. Geburtstags von Donna Leon das schmale Bändchen „Ein Leben in Geschichten“, in dem die Autorin der Venedig-Krimis mit Commissario Brunetti in meist kurzen Erinnerungen ihr Leben Revue passieren lässt. Allerdings erfährt man wenig Neues, denn der Großteil der Texte (22 von 30) wurde in der Vergangenheit bereits in anderen Publikationen veröffentlicht, ist also eher ein Recycling-Projekt

Vier Einteilungen gliedern die Erinnerungen stellen die jeweiligen Lebensabschnitte der Schriftstellerin vor. In „Amerika“ geht es im Wesentlichen um ihre Herkunft, Kindheit, Jugend und Familie. „On the road“ beschreibt ihre Aufenthalte in den verschiedenen Ländern, in denen sie gelebt und gearbeitet hat. In „Italien“ nimmt sie uns mit in ihre geliebte Wahlheimat Venedig, deren tiefgreifende Veränderungen für sie nicht mehr zu ertragen waren, sodass sie die Stadt verließ und ihren Lebensmittelpunkt in die Schweiz verlegte. „In den Bergen“ schließlich könnte man als den Schlusspunkt der Reisen Leons betrachten, die, die sich selbst als rastlos bezeichnet. Sie ist angekommen, lebt jetzt auf einem Bauernhof im Val Müstair in Graubünden und besitzt seit 2020 die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Die Geschichten spiegeln den Eindruck wieder, den man hat, wenn man Interviews mit der Autorin kennt. Allzu Persönliches spart sie aus, bleibt vage, höflich zurückhaltend, vermeidet Bewertungen. Lediglich in den Rückblicken auf ihre Aufenthalte in China und Saudi-Arabien (im Rahmen von Lehrtätigkeiten) lässt sie sich zu emotionalen Aussagen hinreißen und kritisiert die starren, rigiden Regeln dieser Länder im Umgang mit den ausländischen Gästen.

190 Seiten, die keine neuen Erkenntnisse bieten, sondern Altbekanntes wieder aufwärmen. Für mich ein enttäuschendes, ein überflüssiges Buch, dessen Informationsgehalt für mich gegen Null tendiert und lediglich für Fans interessant sein könnte, die sich noch nie mit dem persönlichen Hintergrund der Autorin auseinandergesetzt haben.

Veröffentlicht am 31.08.2022

Überkonstruierte Story

SCHNEE
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Winter in Island. Der Schnee liegt meterhoch, der Wind pfeift. Nicht die beste Zeit, um eine Wanderung zu unternehmen. Doch davon lassen sich die beiden Paare nicht abhalten, haben sie doch jemanden kennengelernt, ...

Winter in Island. Der Schnee liegt meterhoch, der Wind pfeift. Nicht die beste Zeit, um eine Wanderung zu unternehmen. Doch davon lassen sich die beiden Paare nicht abhalten, haben sie doch jemanden kennengelernt, der den Eindruck vermittelt, dass er sich mit der Gegend auskennt und den Unbillen des Wetters trotzen kann. Doch es kommt anders als erwartet, denn die Gruppe kommt nicht zurück. Ein Such- und Rettungsteam wird losgeschickt, das in einer Berghütte Hinweise darauf findet, dass sie dort vorübergehend Unterschlupf gesucht haben. Die weitere Suche verläuft ergebnislos, bis…ja, bis das Team im Schnee einen Leichnam findet. Unbekleidet. Der dritte unerklärliche Fund während ihres Einsatzes. Zuerst der Kinderschuh, dann die Blutlache und jetzt die Leiche. Äußerst mysteriös, und es dauert auch einige Zeit, bis die Autorin Hinweise einstreut, die weniger der Klärung dienen, sondern leider eher für zusätzliche Verwirrung sorgen.

Und genau hier liegt mein Problem mit „Schnee“, dem neuen Buch der isländischen Autorin Yrsa Sigurdardóttir, das als Thriller beworben wird, aber besser in den Bereichen Mystery-/Gruselroman aufgehoben wäre. Denn es gibt kaum Vorkommnisse, die sich rational erklären lassen. Vergangenheit und Gegenwart werden verwoben, selbst die betroffene Person hat die Erinnerung verloren. Allem, was geschieht oder geschehen ist, haftet der Hauch des Übernatürlichen an. Mir war das unterm Strich zu viel Lärm um nichts.

Ich will nicht ausschließen, dass es mit Sicherheit Leser/innen gibt, denen unerklärliche Phänomene Gänsehaut verursachen. Hat bei mir leider nicht geklappt, ich fand die Story langatmig, überkonstruiert und an den Haaren herbeigezogen. Und die Kirsche auf der Sahne war das völlig überzogene Ende, das von hinten durch die Brust ins Auge zielt, keine Auflösung anbietet, stattdessen zu Spekulationen auffordert.

Veröffentlicht am 29.08.2022

Ermüdende Langeweile

Verschwörung
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Corona. Lockdown. Das öffentliche Leben steht still in Athen. Die meisten Menschen sind verunsichert und akzeptieren die Einschränkungen, andere hingegen wollen sie nicht hinnehmen und rebellieren gegen ...

Corona. Lockdown. Das öffentliche Leben steht still in Athen. Die meisten Menschen sind verunsichert und akzeptieren die Einschränkungen, andere hingegen wollen sie nicht hinnehmen und rebellieren gegen den staatlichen Zwang.

Für Kostas Charitos gibt es kaum etwas zu tun, denn auch die Kriminellen genehmigen sich gezwungenermaßen eine Auszeit. Doch dann wird durch den Selbstmord eines alten Mannes eine unheilvolle Entwicklung eingeläutet. Es tauchen weitere Tote auf, immer alte Männer, die den Freitod wählen und deren Abschiedsbriefe in den sozialen Medien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie beklagen die finanzielle Not der einfachen Menschen und prangern gleichzeitig die Teilnahmslosigkeit der Masse an, die alles unwidersprochen hinnimmt. Unterzeichnet sind die Briefe ausnahmslos mit dem Satz „Es lebe die Bewegung der Selbstmörder“. Ein Weckruf für die Gruppe der „Kämpfer von 2021“, Kritiker der Maßnahmen, denn neben Demonstrationen werden nun bei Überfällen auf Transporter, die Impfstoffe transportieren, diese unbrauchbar gemacht. Und so muss sich Kommissar Charitos samt Team auf die Suche nach den Hintermännern der Gruppe machen.

Mit „Verschwörung“ schlägt Petros Markaris in die Kerbe, die wir bereits aus den letzten Bänden der Charitos-Reihe kennen. Werfen wir einen kurzen Blick zurück in Griechenlands jüngste Vergangenheit. Es ist noch nicht lange her, dass das Land unter der Schuldenkrise ächzte, die durch die rigorose Sparpolitik in allen Bereichen seinen Bewohnern tiefe Einschnitte zumutete. Dann kamen die Heuschrecken (z.B. Fraport), die die Gunst der Stunde nutzten und sich die Sahnestücke (14 Flughäfen) einverleibten, danach finanzkräftige Investoren, die das, was übrig war, unter sich aufteilten. Es ging wieder aufwärts, bis das Corona-Virus mit allen negativen Folgen das Land erfasste.

Markaris hat all diese Ereignisse in seinen Kriminalromanen verarbeitet. Mal mehr, mal weniger gut gelungen, und letzteres trifft insbesondere auf diesen Corona-Krimi zu. Die Ermittlungen plätschern vor sich hin, werden immer wieder von den sich ständig wiederholenden Gedanken zur allgemeinen Lage im Land und den ausgiebigen Schilderungen der täglichen Familienessen unterbrochen. Und als wäre das nicht genug, muss man auf gefühlt jeder fünften Seite lesen, wie wunderbar Charitos‘ Enkel ist und welche Freude er beim Spielen mit der Eisenbahn hat. Ermüdende Langeweile auf breiter Front, die dem zugrunde liegenden Thema nicht gerecht wird, und für mich eines der schlechtesten Bücher des Autors.

Veröffentlicht am 20.07.2022

Überflüssige Rezeptsammlung

Saftig vom Grill
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Sommerzeit ist Grillzeit, und wie jedes Jahr erscheinen neue Kochbücher zu diesem Thema. Nun also „Saftig vom Grill“ aus der GU Reihe Magic cooking. Was an den Rezepten allerdings magisch sein soll, erschließt ...

Sommerzeit ist Grillzeit, und wie jedes Jahr erscheinen neue Kochbücher zu diesem Thema. Nun also „Saftig vom Grill“ aus der GU Reihe Magic cooking. Was an den Rezepten allerdings magisch sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Gerichte sind samt und sonders fleischlastig und wenig innovativ. Standard, sozusagen, und ambitionierte Grillmeister/innen werden hier wenig Anregung finden. Alles in allem eine völlig überflüssige Rezeptsammlung.

Hier kommt allerdings ein weiteres großes Manko hinzu, denn die Rezepte setzen den Besitz eines Gasgrills voraus. Natürlich könnte man einwerfen, dass es ganz gleich ist, welchen Grill man zur Zubereitung benutzt. Leider ist dem nicht so, denn insbesondere wenn es um das Thema indirekte Hitze geht, fällt schon einmal ein Großteil der Hobbygriller/innen weg. Es sei denn, sie haben einen ausreichend dimensioniert Grill mit einer regulierbaren Haube, auf dessen Grundfläche das entsprechende Grillgut je nach benötigter Hitze einen Platz finden kann. Und seien wir doch mal ehrlich, wenn es um den Geschmack geht, ist der Holzkohlegrill dem Gasgrill meilenweit überlegen.

Wer ein Kochbuch für die Zubereitung leckerer Grillgerichte sucht, sollte zu der Grillbibel, dem Klassiker, greifen. Dann bleibt die Enttäuschung erspart.

Veröffentlicht am 29.05.2022

Adieu Le Lavandou

Stürmisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 8)
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Zum ersten Mal trifft sich die Surfergemeinde im provenzalischen Le Lavandou, um dort ihre Wettkämpfe auszutragen. Der gesamte Ort ist auf den Beinen, um den Großevent vorzubereiten. Aber dann wird ein ...

Zum ersten Mal trifft sich die Surfergemeinde im provenzalischen Le Lavandou, um dort ihre Wettkämpfe auszutragen. Der gesamte Ort ist auf den Beinen, um den Großevent vorzubereiten. Aber dann wird ein junges Paar am Strand tot aufgefunden. Brutal ermordet, wie der Rechtsmediziner Leon Ritter bei der Obduktion feststellen muss. Surfer, Touristen und Einheimische sind gleichermaßen verunsichert, und das Team um Capitaine Isabelle Morell, Ritters Lebensgefährtin, arbeitet mit Hochdruck, um den Mörder so schnell als möglich zu schnappen, zumal es weitere Opfer gibt. Die Ermittlungen führen allerdings zu einem überraschenden Ergebnis, mit dem weder Leon noch Isabell gerechnet hätten…

Bisher habe ich sämtliche Bücher der Reihe gerne gelesen, aber dieser achte Band „Stürmisches Lavandou“ war eine einzige Enttäuschung. Nichts Neues unter der provenzalischen Sonne, ein Déjà-vu reiht sich an das nächste. Unzählige Elemente, die man bereits aus den früheren Krimis kennt, mittlerweile abgenutzt: der psychopathische Mörder, die Garrigue, der Thymianduft in der Luft, das unvermeidliche Boule-Spiel, die Beschreibung der forensischen Arbeitsräume, der obligate FAZ-Kauf, Isabelles Tochter und das geplante Wochenende, das einen tragischen Verlauf nimmt. Nicht zu vergessen der Radiosender mit den klassischen Chansons, in dem natürlich genau in dem Moment, in dem Ritter ihn einschaltet, immer Trenets „La Mer“ gespielt wird. Alles wie gehabt.

Die alles lässt vermuten, dass die dichterische Fantasie Eyssens offenbar erschöpft ist, denn es sind noch nicht einmal Variationen, sondern immer wieder die gleichen Motive, die er aus seinem Baukasten holt und hier zu einer langatmigen und langweiligen Geschichte zusammensetzt. Spätestens dann, wenn mich ein Autor nicht mehr überraschen kann, wird es Zeit für mich, eine Reihe zu beenden. Und dieser Zeitpunkt scheint jetzt gekommen zu sein. C’est assez. Adieu, Le Lavandou.