Eine wendungsreiche Geschichte mit erschreckenden Erkenntnissen!
KaltherzNach dem erfolgreichen und grandiosen Debüt ,,Ausweglos“ von Henri Faber ist am 18. Mai 2022 endlich sein zweiter Thriller ,,Kaltherz“ im dtv-Verlag erschienen. Das lange Warten auf Nachschub hat sich ...
Nach dem erfolgreichen und grandiosen Debüt ,,Ausweglos“ von Henri Faber ist am 18. Mai 2022 endlich sein zweiter Thriller ,,Kaltherz“ im dtv-Verlag erschienen. Das lange Warten auf Nachschub hat sich auf jeden Fall gelohnt, da mir auch sein zweiter (Entführungs)Thriller sehr gut gefallen hat. 416 Seiten, die ich leider viel zu schnell durchgelesen habe, da mich eine rasante, wendungsreiche, unvorhersehbare, spannende und facettenreiche Geschichten von Anfang an komplett in den Bann gezogen hat. Dieser Thriller hat mich bis zur letzten Seite gefesselt, denn hier ist wirklich nichts, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Autor konnte mich spannungstechnisch und erzählerisch erneut komplett überzeugen.
Obwohl ich die Handlung eher in die Krimi-Kategorie einordnen würde, ist meiner Meinung nach an dem Inhalt nichts auszusetzen. Dies ist keine blutige Geschichte, in der sich die Leichen in kurzer Zeit stapeln. Es geht hier ruhiger und undurchsichtiger zu, nach und nach werden immer mehr verstörende Abgründe hervorgerufen. Tiefe Einblicke in verstörende Psychen und unterschiedliche Erzählperspektiven ergeben einen spannenden, raffinierten und knisternden Plot, der dazu noch abwechslungsreich und vielschichtig ist. Die Spannung wird von Kapitel zu Kapitel gesteigert, wohl dosierte Cliffhanger sorgen für einen schnellen Lesefluss. Gekonnt wurde ich von Henri Faber auf falsche Fährten geführt, denn die Suche nach der verschwundenen Marie hat nicht das offenbart, was ich anhand des Klappentextes erwartet habe. Die geschickt eingefädelten psychologische Aspekte haben mir mehrfach Gänsehaut beschert. Anfangs kamen mir, vom Autor gewollt, einige Handlungen verwirrend vor. Doch peu à peu wurden meine offenen Fragen schlüssig und verständlich durch erschreckende Erkenntnisse beantwortet, die ich in diesem hier geschilderten Ausmaß nicht habe kommen sehen.
Mit geschickten und überraschenden Wendungen hat mich Henri Faber bis zum Schluss unter Spannung gehalten. Alle hier vorkommenden Protagonisten kommen deutlich rüber, dessen Charaktere gut ausgearbeitet sind. Ich konnte mich in verschiedene Gedanken und Handlungen hineinversetzen, auch wenn ich anfangs etwas Zeit dafür gebraucht habe. Denn nicht nur die Handlung enthält viele Überraschungen parat, auch die Protagonisten haben mich durch ihre oftmals unvorhersehbaren Persönlichkeiten überzeugt. Sie sind differenziert gezeichnet, die Hustenbonbon klauende Kommissarin Kim Lansky sticht besonders hervor. Dieser spezielle, vom Leben gekennzeichnete Charakter ist skurril, denn Lanskys’ Ermittlungsarbeiten sind alles andere als legal. Obwohl sie zu Beginn der Handlung noch suspendiert war, ermittelt sie trotzdem auf ihre Weise weiter, um die Welt von Abschaum zu befreien. Doch sie bekommt im Fall der Vermissten Marie eine neue und letzte Chance, die sie in Abgründe blicken lässt, die selbst der hartgesottenen Ermittlerin an die Substanz gehen. Nebenbei verliert sie noch das letzte Fünkchen Glauben und kommt einer Wahrheit und Entdeckung auf die Spur, die ihre Vergangenheit in ein ganz neues Licht stellt. Kim Lansky schlägt das ein oder andere Mal ziemlich über die Schlänge, weshalb sie mir in einigen Situationen etwas überzogen rüberkam, ihre gesamte robuste Art, ihr teils mürrisches Auftreten und ihre speziellen, unkonventionellen Ermittlungsmethoden waren das ein oder andere Mal nicht wirklich realistisch. Aber das möchte ich in diesem Thriller nicht als Kritik abgeben, im Gegenteil.
Da ich Thriller zur Unterhaltung lese, muss er nicht der Realität entsprechen, da diese eh schon grausam genug ist. Insgesamt hat mich Lansky gut unterhalten, da sie mal eine ganz andere Art von Ermittlerin ist. Sie ist das Gegenteil von einem Püppchen, ihr spontanes und manchmal unüberlegtes Handeln hat sie in einige brenzlige Situationen gebracht. Diese haben mich sehr gut unterhalten und an manchen Stellen sogar zum Lachen gebracht. Doch wenn es darum geht, ihr Versprechen an Clara Lipmann einzulösen und Marie wohlbehalten nach Hause zu bringen, kennt sie keinen Spaß und keine Grenzen. Details aus ihrer Vergangenheit haben dazu beigetragen, dass ich den harten Kern der hartgesottenen Ermittlerin besser verstehen konnte. Dass sie auch eine weichere Seite hat, konnte ich besonders am Ende, gut erkennen.
Die restlichen wichtigen Protagonisten Clara und Jakob Lipmann konnte ich ebenfalls gut kennenlernen, dessen Gedanken und Handlungen ich im Laufe der Geschichte immer besser verstehen konnte, da auch sie an einen Punkt gekommen sind, wo ihr wahres Ich deutlicher an die Oberfläche gekommen ist. Beide haben mich unerwartet überrascht und nebenbei in einen Gänsehautzustand versetzt. Bis ungefähr zur Hälfte kam auch Marie in ihrer Gefangenschaft zu Wort und ich erfuhr auf diesem Weg Informationen, dessen Zusammenhänge erst später ein klares Bild ergeben. Die Entführung des kleinen Mädchens bringt Erkenntnisse, mit denen ich nicht gerechnet habe. Eine angespannte Atmosphäre hat mich von Anfang an begleitet, tiefe Einblicke in die Abgründe einer menschlichen Psyche haben mich besonders mitgenommen. Der flüssige, bildliche und lebendige Schreibstil hat während des Lesens für klare Bilder gesorgt, die Spannung nimmt leicht, aber konstant von Kapitel zu Kapitel zu. Als am Ende alle losen Fäden zusammengeführt wurden, wurde mir ein rasanter und fulminanter Showdown geboten. Auch für Lansky gab es nochmal eine Erkenntnis, die mich ebenfalls überrascht hat. Von mir gibt es 4,5 Sterne für ,,Kaltherz", da die Geschichte meiner Meinung nach gut aufgebaut und wendungsreich geschrieben wurde. Regelmäßig wurde ich mit neuen und schrecklichen Ereignissen gefüttert. Der halbe Sternabzug kommt daher, da mir der Thrill teilweise etwas zu kurz kam.