Eine düstere, schaurige Umsetzung des Vampirthemas mit einem ordentlichen Spritzer Realität
Vampirromane gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Angesprochen hat mich "All Lovers Lost" in der Verlagsvorschau aber dennoch, da er zur Abwechslung mit Hamburg ein deutsches Setting hat und ich sehr ...
Vampirromane gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Angesprochen hat mich "All Lovers Lost" in der Verlagsvorschau aber dennoch, da er zur Abwechslung mit Hamburg ein deutsches Setting hat und ich sehr gespannt war, wie Madeleine Puljic Blutsauger durch deutsche Städte wandeln lässt. Nach dem Lesen bin ich nun positiv davon überrascht, wie die junge Autorin die typischen Motive und Klischees beiseitegelassen und überraschende Wendungen in ihre Geschichte eingebaut hat. Alles in allem fehlte mir aber ein wenig emotionale Tiefe, um "All Lovers Lost" zu meinen Highlights zählen zu können.
Das Cover gefällt mir schonmal sehr gut. Mit dem braunen Hintergrund, den stilisierten Rosen und dem blutigen "V" des Titels kann die Gestaltung die Düsternis und das Geheimnisvolle der Geschichte sehr gut transportieren. Auch den Titel "All Lovers Lost" finde ich gelungen ausgewählt. Die Gestaltung zwischen den Buchdeckeln ist recht schlicht. Anzumerken ist nur, dass die Erzählung insgesamt in sieben Teile eingeteilt ist, die die Namen bekannter Pop- und Rockklassiker tragen, was ich eine charmante Idee finde.
Erster Satz: "Aus dem Schatten einer Seitengasse heraus beobachtete Lazar die Sterblichen, die aus der U-Bahn strömten."
"All Lovers Lost" startet zunächst recht gemächlich damit, in das Leben des jahrhundertalten und lebensmüden Vampirs Lazar und in den Alltag der quirligen Medizinstudentin Sina einzuführen. Dass der Beginn die ersten 100 Seiten braucht, um in Schwung zu kommen und wirklich zu packen hat in meinen Augen vor allem zwei Gründe: Erstens finde ich es sehr schade, dass der Klapptext schon einen sehr großen Teil der Handlung abdeckt und damit viele recht späte Ereignisse wie Sinas Verwandlung oder Lazars Tod schon vorwegnimmt. Dadurch warten wir eigentlich nur, dass diese Ereignisse eintreten und die Handlung startet. Außerdem fällt es uns mit dieser Hintergrundinformation schwer, uns auf Lazar und dessen sich sehr schnell entwickelnde Beziehung zu Sina einzulassen, die im ersten Drittel die Hauptgrundlage der Handlung darstellt.
Nach und nach entspinnt sich nach dem eher langsamen Beginn dann aber ein sehr interessantes Handlungsgefüge, das eine Vampirgeschichte mal anders erzählt. Statt wie üblich auf die Liebesgeschichte zu fokussieren und das Vampirdasein romantisch zu verklären, folgt "All Lovers Lost" einer sehr realistischen Betrachtung des Vampirmythos. Madeleine Puljic geht nicht gerade zimperlich mit ihren Figuren um - egal ob unsterblich oder nicht - und lässt diese auch sehr viel unter den Nachteilen ihres Daseins leiden. Denn nicht nur Kameras, Digitalisierung und immer einfacher verfolgbaren digitale Spuren machen es den Unsterblichen im 21. Jahrhundert schwer unentdeckt zu bleiben, zusätzlich macht auch noch der Vampirjägerorden „Vertrani in Dei Signo“ unbarmherzig Jagd auf sie. Statt die Krone der Schöpfung und der Gipfel der Nahrungskette zu sein, lässt die Autorin die Jäger der Nacht hier selbst zu Gejagten werden und fügt ihrer Handlung so spannende Krimi- und Thrillerelemente hinzu. Dazu erzählt sie in sehr kurzen Kapiteln abwechselnd aus der Sicht von Sina, Lazar, dessen unsterblichem Freund Cassius und der Vampirjägerin Ramona, die bald dasselbe Ziel haben: die Mordreihe aufzuklären, die Hamburg zerrüttet....
"All Lovers Lost" glänzt also mit einer düsteren, schaurigen Umsetzung des Vampirthemas mit einem ordentlichen Spritzer Realität. Zusätzlich ist das Setting in Hamburg auch sehr charmant umgesetzt. Egal ob Reeperbahn, die Elbphilharmonie, der Michel oder kleine Cafés - hier finden sich viele berühmte und gewöhnliche Schauplätze, die man beim Lesen wiedererkennen kann. Im Gegensatz zu den häufig gewählten Spielorten in Amerika empfand ich Hamburg als schöne Abwechslung und passende Kulisse für diesen düsteren Roman. Auch den Schreibstil der Autorin kann ich als kurzweilig loben. Etwas Probleme hatte ich nur bei der Übermittlung von Emotionen, welche im Verlauf der Geschichte nur in geringen Dosen bei mir angekommen sind. Demnach habe ich auch keine besonders inniger Verbindung zu den grundsätzlich interessanten Figuren aufgebaut. Vor allem Sina ist eine sehr solide Protagonistin, hätte an manchen Stellen aber gerne noch ein bisschen mehr emotionale Tiefe haben können. Am besten gefielen mir Lazars vampirischer Freund Cassius und Sinas beste Freundin Levke, andere Figuren wie beispielsweise auch die erzählende Ramona bleiben hingegen sehr blass und schöpfen ihr Potenzial bei Weitem nicht aus.
Trotz des liegengelassenen Potenzials zu Beginn und bezüglich der Figuren bleibt nach dem Lesen ein positiver Gesamteindruck zurück. Besonders das letzte Drittel von "All Lovers Lost" entwickelte sich in eine andere Richtung als ich zu Beginn oder nach dem Klapptext angenommen hatte, wodurch ich positiv überrascht wurde.
Fazit:
"All Lovers Lost" glänzt mit einer düsteren, schaurigen Umsetzung des Vampirthemas mit einem ordentlichen Spritzer Realität und sticht durch das deutsche Setting hervor. Gerade zu Beginn und bezüglich der Figuren lässt Madeleine Puljic jedoch Potential liegen.