In diesem Kindersachbuch geht es um Rassismus in verschiedenen Formen und wie man damit umgehen kann, auch als Kind. Auf sehr schön illustrierten Doppelseiten gibt es Einblicke in ganz verschiedene Themenbereiche. ...
In diesem Kindersachbuch geht es um Rassismus in verschiedenen Formen und wie man damit umgehen kann, auch als Kind. Auf sehr schön illustrierten Doppelseiten gibt es Einblicke in ganz verschiedene Themenbereiche. Die Vorlesetexte für die Kinder sind gut verständlich und einfach gehalten, zumindest auf den allermeisten Seiten. In der Fülle war es schon recht komplex und vielleicht kann nicht jedes Kind sofort alles vom Inhalt aufnehmen. Einige Seiten empfand ich auch als etwas sehr weit gegriffen und für das Alter von 5 Jahren vielleicht noch etwas kompliziert, diese richten sich vielleicht eher an etwas ältere Kinder. Schön fand ich, dass es in den Texten Beispiele und Vergleiche gibt, die es für die junge Zielgruppe besser nachvollziehbar macht, was gemeint ist und was sie selbst tun oder sagen können, wenn ihnen auffällt, dass etwas nicht okay ist, egal ob es sie selbst betrifft oder andere.
Etwas schade fand ich, dass hier nicht nur der Fokus auf die Kinder als Zielgruppe gelegt wurde. Die Tipps für Pädagogen und Eltern sind zwar sicher nicht schlecht, aber sollte ein Grundschulkind das Buch selbst lesen wollen, sind diese Felder natürlich irgendwie etwas ungünstig. Vielleicht hätte man das lieber trennen sollen. Auch das Glossar am Ende ist eher nicht besonders kindgerecht, auch wenn eine Erklärung von Fachbegriffen immer sinnvoll ist, manchmal kann man vielleicht aber auch mit weniger von ihnen arbeiten, wenn es sich an Kinder richtet, auch wenn es bei manchen Themengebieten sicher schwieriger ist.
Insgesamt aber wirklich ein sehr schönes Buch, dass toll illustriert ist und an ein wichtiges Thema heranführt. Durch die sehr unterschiedlichen Abbildungen werden sich viele Kinder mit dem Buch identifizieren können und auch sehen, wie bunt und vielfältig die Welt ist und dass wir, auch wenn wir alle unterschiedlich sind in unserem Aussehen und unseren Eigenschaften, doch alle irgendwie gleich sind.
Sind wir wer wir sein wollen oder sind wir wer wir sein sollen? Direkt nach der Geburt bekommen wir unser erstes „Label“ aufgedrückt: männlich oder weiblich. Zumindest in den allermeisten Fällen. Aber ...
Sind wir wer wir sein wollen oder sind wir wer wir sein sollen? Direkt nach der Geburt bekommen wir unser erstes „Label“ aufgedrückt: männlich oder weiblich. Zumindest in den allermeisten Fällen. Aber was ist, wenn sich im Laufe der Zeit herausstellt, dass das Geschlecht, das wir zugeordnet bekommen haben, nicht dem entspricht, wie wir uns fühlen? Und was ist, wenn auch das andere nicht so recht zu einem passen will? In einer heteronormativ geprägten Welt scheint es nicht so leicht zu sein, seinen Platz zu finden und frei zu äußern, wen man liebt oder wie man sich fühlt, wenn man in diese scheinbare Norm nicht passen will. Wie schlimm, verstörend und irritierend das für Betroffene sein kann und wie vielfältig die Welt hinter dieser „Norm“ ist, das zeigt „Queergestreift“. Es sensibilisiert und klärt auf, gibt Einblicke in die Gedanken und Gefühle von Betroffenen und baut hoffentlich auch ein paar Vorurteile ab, die möglicherweise nur durch Unwissenheit entstanden sind.
Obwohl wir inzwischen 2022 schreiben, ist es leider alles andere als selbstverständlich, dass Menschen lieben dürfen, wen sie wollen und dass sie sich fühlen dürfen, wie sie sich nun mal fühlen. Es muss nach wie vor viel für Rechte, Gleichstellung, Akzeptanz und Toleranz gekämpft werden, auch wenn sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat. Eigentlich absolut unverständlich, wieso es so schwierig zu sein scheint, schließlich wäre es doch für alle einfacher, wenn man offen, sensibel und tolerant gegenüber allen Arten von Liebe, Identitätsausdrücken und solchen Dingen wäre. Damit meine ich jetzt nicht toxische oder gewaltbehaftete Beziehungen und Bindungen, sondern all die anderen vielfältigen Wege sich zu verlieben oder es eben zu lassen bzw. sich selbst zu definieren. Es wäre weniger Stress, weniger Ärger, weniger Konflikte, mehr Zufriedenheit, mehr Akzeptanz, mehr Ruhe für alle – klingt doch traumhaft oder? Die Realität ist nun leider nicht so, aber vielleicht kommen wir irgendwann dahin, dass wir nicht mehr meinen über alles urteilen zu wollen, was andere so tun, wie sie denken und sich fühlen.
Queergestreift beleuchtet nach und nach die einzelnen Buchstaben in „LGBTQIA+“, so dass man eine gute Gliederung innerhalb des Buches hat und entweder von vorn durchgeht oder sich eben den Buchstaben raussucht, der einen am meisten interessiert. Die Bereiche sind klar unterteilt und auch innerhalb jedes Kapitels gibt es eine gute Gliederung, die es übersichtlich macht. Durch zahlreiche Illustrationen wird das Buch noch abwechslungsreicher bei der Betrachtung und sehr bunt. Mir manchmal etwas zu bunt, aber das liegt einfach daran, dass ich nicht so sehr auf quietschbunt stehe, das ist ja absolute Geschmackssache und tut dem Inhalt nun keinen Abbruch. Da die Welt und eben auch Sexualität und Identität sehr bunt und vielfältig sind, passen die farbenfrohen Bilder aber auf jeden Fall zum Thema. Zusätzlich wirkt der Text auch nicht so erschlagend, da es durch die Illustrationen etwas aufgebrochen wird.
Wörter oder Abkürzungen, die innerhalb der Texte vorkommen und einer Erklärung oder Definition bedürfen, sind am Seitenrand erläutert. So hat man alles direkt beisammen und muss nicht ewig blättern, um eine Antwort zu erhalten, sollte man die Begriffe nicht kennen.
Ein wenig gestört hat mich, dass der Text teilweise gewollt „hipp“ wirkte, zumindest auf mich. Englische Ausdrücke, die wie selbstverständlich eingeflochten werden, es zumindest in meinem Sprachgebrauch aber nicht sind, haben mich teilweise etwas aus dem Lesefluss gerissen. Je nachdem, wer das Buch zur Hand nimmt, ist dann vielleicht sogar ein Nachschlagen der Begriffe notwendig, um die es eigentlich innerhalb des Buches ja aber gar nicht gehen sollte. Ich fand das etwas schade, weil man auch einfach im Deutschen hätte bleiben können und alle würden gleich verstehen, was gemeint ist. Für eine junge Leserschaft wirkt es aber möglicherweise auch mitnehmend und sie fühlen sich sprachlich gut abgeholt.
Insgesamt sind die Texte informativ und vielseitig angelegt. Innerhalb der Kapitel gibt es sowohl Erklärungen als auch Erfahrungsberichte und auch Anlaufstellen, falls man Beratung oder einfach Vernetzung möchte. Das hat mir gut gefallen, weil Menschen, die vielleicht nicht so viel Akzeptanz in ihrem Umfeld bekommen, so ein Netzwerk finden, dass sie auffangen und aufbauen kann, ohne dass sie ewig suchen müssen. Außerdem kann es auch dabei helfen, wenn man selbst vielleicht noch nicht genau weiß, in welche der „Schubladen“ man passt. Wobei wir ja eigentlich genau davon wegwollen: vom Schubladendenken.
Auch die Unterschiede, die es innerhalb eines Buchstabens gibt, werden jeweils mit aufgegriffen. Das „L“ steht ja zum Beispiel für lesbian/lesbisch. Da könnte man platt sagen, okay eine Frau liebt/begehrt eine Frau und das stimmt an sich natürlich auch, aber es ist eben doch vielfältiger, weil zum Beispiel auch ein Teil der trans Personen oder non-binäre darunter fallen. Insgesamt ist das Thema einfach viel komplexer, als man es sich so vorstellt, wenn man sich noch nicht so viel damit beschäftigt hat.
Je nachdem wie viele Einblicke man im LGBTIQA+ Spektrum so hat, je unterschiedlicher wir es auch sein, wie viel innerhalb des Buches für einen neu ist und wie erschlagend vielleicht auch all die vielseitigen Informationen, die zwischen den Buchdeckeln stecken. Für mich gab es auf jeden Fall Abschnitte, in denen ich noch einiges erfahren habe, was mir bisher unbekannt oder einfach nicht so bewusst war, wie auch einige der geschichtlichen Rückblicke. Besonders gut gefallen hat mir einfach auch die Mischung an Themen. Es wird nicht beschönigt, es gibt Diskriminierung, zu viel, es gibt Missstände, es ist nicht immer einfach und doch ist es für Betroffene so wichtig zu sich stehen können zu dürfen, von ihrer Umwelt akzeptiert und unterstützt zu werden bei ihrem Weg, bei der Selbstfindung, beim Glücklichsein. Und wer nicht unterstützen möchte, der soll eben einfach tolerant sein, schließlich möchte man selbst ja auch sein und leben, wie man es für richtig empfindet. Manchmal liegen Vorurteile oder schiefe Blicke vielleicht auch einfach daran, dass man zu wenig weiß, umso wichtiger ist es, dass offen über LGBTIQA+ gesprochen wird und man sich vom heteronormativen Gesellschaftsbild löst.
Ein wenig störend empfand ich persönlich es, dass sehr viel auf Labels rumgeritten wird. Ich verstehe total, dass es für Betroffene wichtig ist, selbst entschieden zu können, wie sie „bezeichnet“ werden wollen, weil einige Begriffe für sie vielleicht verletzend sind, andere abwertend, mit anderen identifizieren sie sich schlicht vielleicht einfach nicht. Natürlich sollte jede Person das für sich selbst entscheiden können und die Umwelt sollte sich daran halten – macht es auch wieder für alle einfacher.
Bei der Flut an Begrifflichkeiten, Unterschieden und Abstufungen kann es für Menschen, die sich neu in das Thema „einarbeiten“ oder informieren wollen, aber schon erschlagend sein und man kann das Gefühl bekommen, man hat gerade halbwegs aufgenommen, wie vielfältig die Menschen sind, die unter einem gewissen „Buchstaben zusammengefasst“ werden (das meine ich nicht abwertend, aber im Buch geht man eben die einzelnen Buchstaben durch und was sich eben dahinter versteckt) und dann wird es wieder ein wenig umgestoßen, wenn es heißt „fragt jeden selbst, wie er genannt/bezeichnet werden will“. Wie gesagt, ich verstehe den Sinn dahinter und auch dass es in jedem Kapitel erneut steht, falls jemand nicht alles liest. Insgesamt wirkte es für mich aber trotzdem ein wenig, als würde ständig wieder darauf herumgeritten werden. Hin und wieder empfand ich auch die Erklärungen/Definitionen am Rand als nicht sehr hilfreich. Insgesamt war das Buch aber wirklich schön aufgebaut und gut gegliedert, vielseitig und informativ. Gut fand ich auch, dass es Abschnitte gab, die sich eher an die richten, die selbst queer sind oder sich gerade versuchen zu finden und andere Passagen eher auf die Lesenden eingehen, die sich informieren wollen, um zum Beispiel Hilfestellung für den richtigen Umgang zu erhalten oder einfach ihr Wissen zu erweitern.
Fazit
Ein Sachbuch, das das LGBTIQA+ Spektrum beleuchtet und sehr vielseitige Einblicke in verschiedene Bereiche gibt. Dabei gibt es Erklärungen und Definitionen von Begrifflichkeiten, ebenso wie Erfahrungsberichte verschiedener Personen, Anlaufstellen und Informationen zu Netzwerken, kleine Fragebögen/Checklisten, die dabei helfen können, für unterschiedliche Dinge zu sensibilisieren oder eigene Ansichten zu hinterfragen. Wie viel neues Wissen die Lesenden mitnehmen werden, wird davon abhängen, was sie vorher schon wussten und kannten. Mir hat die Struktur, Gliederung und Unterteilung auf jeden Fall gut gefallen und die farbenfrohen Illustrationen unterstützen die Texte zusätzlich.
Gilla und Carla hätten sich ihren ersten Schultag nach den großen Ferien und auch ihre erste Begegnung wohl anders vorgestellt. Dank Gillas halsbrecherischen Manövers, um noch gerade so pünktlich in der ...
Gilla und Carla hätten sich ihren ersten Schultag nach den großen Ferien und auch ihre erste Begegnung wohl anders vorgestellt. Dank Gillas halsbrecherischen Manövers, um noch gerade so pünktlich in der Schule zu erscheinen, steht Carla nun ein öder und zeitgleich schmerzhafter Aufenthalt im Krankenhaus bevor – mal wieder. Sie kennt das durch ihre Glasknochenkrankheit zwar, war allerdings froh, dass ihr letzter Bruch endlich verheilt war. Dass Carla da nicht bester Laune ist, kann man wohl gut verstehen. Doch schnell freunden sich die beiden Mädchen an und erleben eine alles andere als öde Zeit an den gemeinsamen Nachmittagen im Krankenhaus.
Die beiden Schülerinnen der Klasse 4b dachten eigentlich, sie würden einen recht normalen ersten Schultag erleben. Wobei es für Carla nicht ganz so „normal“ wäre, denn sie ist umgezogen, die Schule und ihre Mitschüler sind für sie neu. Doch dann kommt alles ganz anders. Durch einen Unfall, an dem Gilla nicht ganz unschuldig ist, landet Carla mit einem neuerlichen Bruch im Krankenhaus, ihre Laune ist auf dem Tiefpunkt.
Das Buch begleitet zu Beginn beide Mädchen, wie sie auf dem Weg zur Schule sind und sich dann ihre Wege auf eine etwas unsanfte Art kreuzen. Durch die Zeitangaben wirkt es wie ein Countdown – bis zum Schulbeginn oder aber bis zu ihrer ersten Begegnung. So wird direkt Tempo aufgebaut und man erwartet förmlich, dass etwas geschehen wird. Danach erlebt man die beiden Mädchen sehr viel zusammen und kann mitverfolgen, wie sie sich anfreunden, austauschen und dann von Detektiv-Fans selbst zu kleinen Spürnasen werden.
Schön in die Handlung eingebunden ist die Glasknochenkrankheit von Carla. Es gibt eine Erklärung was es ist und was es für die Betroffenen bedeutet, auch das Glossar klärt dahingehend noch mal auf, ohne dass es lange Fachtexte gibt. Berührungsängste vor Rollstühlen und Ungewohntem werden ebenso mit in die Geschehnisse eingeflochten, was ich gut gemacht fand.
Sprachlich ist die Geschichte einfach gehalten, viele Sätze sind kurz und damit gut verständlich und leicht zu erfassen. Durch die große Schrift eignet sich das Buch auf jeden Fall auch für die vom Verlag empfohlene Altersgruppe. Aufgewertet und sehr lebendig gemacht wird die Handlung durch die tollen Illustrationen, die sich auf vielen Seiten finden. So erhält man einen guten Eindruck von den beiden Mädchen, aber auch vom Personal auf Carlas Station und den Eltern der beiden. Kurze Kapitel lassen einen zügig vorankommen und bieten auch ausreichend Raum für Pausen, die Erstleser möglicherweise benötigen werden. Die Handlung ist gut strukturiert und entwickelt sich nach und nach, so dass man den Geschehnissen leicht folgen kann. Die Zeitangaben ziehen sich durch das gesamte Buch, so dass man immer eine gute Orientierung hat, wie viel Zeit vergangen ist.
Im Verlauf der Geschichte kommt dann noch mal Spannung auf, als Carla und Gilla von den Diebstählen hören und selbst etwas tun wollen. Das ist natürlich nicht ganz ungefährlich und man kann mit den beiden Protagonistinnen mitfiebern.
Mir hat der Stil der Geschichte gut gefallen, besonders durch die verschiedenen Themen, die angesprochen werden. Carla geht mit ihrer Krankheit ganz selbstverständlich um, es wird jedoch auch aufgegriffen, dass es durchaus Berührungsängste geben hat. Schön fand ich auch, dass vorallem Gilla zu Beginn des Buches sehr bewusst ist, dass auf ihrem Schulweg einiges nicht so gut gelaufen ist, es wird nicht runtergespielt, aber auch kein Fass aufgemacht. Aber es ist wichtig, es wahrzunehmen und zu erkennen, damit man es beim nächsten Mal anders machen kann. Im Bereich des Krankenhauses werden ein paar Klischees bedient, die aber für Momente zum Schmunzeln sorgen und auch die Protagonistinnen immer wieder zum Lachen bringen. Dass die drei Krankenschwestern, die erwähnt werden, scheinbar jeden Tag rund um die Uhr auf Station sind, ignorieren wir an der Stelle einfach mal. ;) Auch ein paar der Zahlenangaben schienen nicht ganz zu passen.
Die kleinen Lästereien der Schülerinnen sind vielleicht nicht ideal, aber für Neunjährige auch nicht unbedingt ungewöhnlich. Besonders wenn sie sich in so ungewöhnlichen Situationen befinden und vielleicht auch ein bisschen Ablenkung vom Krankenhausaufenthalt braucht. Es zeigt auf jeden Fall auch, dass man unterschiedlichen Persönlichkeiten im Laufe seines Alltags begegnet. Ein wenig untergehen tut dabei, dass man die Menschen trotz ihrer Eigenarten aber respektieren und akzeptieren sollte. Ich möchte hier aber nicht die Moralkeule schwingen, es ist mir beim Lesen nur aufgefallen. Die „Ermittlungen“ und Pläne, die Carla und Gilla schmieden, um dem Krankenhausdieb auf die Spur zu kommen und die sich zwischen ihnen entwickelnde Freundschaft steht schon eher im Fokus der Geschichte.
Fazit
Ein lebendig gestaltetes, schön illustriertes Erstlesebuch, dass den jungen Lesern bestimmt viel Freude machen wird. Es gibt Momente zum Schmunzeln und Lachen, spannendere Abschnitte und sympathische Protagonistinnen, die auf eine etwas ungewöhnliche Art aufeinander getroffen sind. Gleichzeitig greift es auch Themen wie die Glasknochenkrankheit und das Benötigen eines Rollstuhls auf.
Manchmal entscheiden wenige Sekunden über das gesamte weitere Leben. Ein einziger Augenblick, der das gesamte Gefüge seiner bisherigen Welt aus den Angeln heben kann. Ein Fünkchen Zeit, der nichts mehr ...
Manchmal entscheiden wenige Sekunden über das gesamte weitere Leben. Ein einziger Augenblick, der das gesamte Gefüge seiner bisherigen Welt aus den Angeln heben kann. Ein Fünkchen Zeit, der nichts mehr so sein lässt, wie es war.
Bisher hat Tallyanna die Menschen vor ihrem Garten nur heimlich beobachtet, niemals hätte sie zugelassen, dass ihn jemand betritt. Niemals. Bis zu diesem einen Augenblick, in dem sie sich entscheiden muss, ob sie das Risiko eingeht und in eine ungewisse Zukunft blickt. Was sich dann in ihrem magischen Garten alles verändert, damit hätte sie in der Intensität im Vorfeld allerdings wirklich nicht gerechnet. Und doch ist sie froh, dass die beiden Fremden da sind, auch wenn es das pure Chaos und unzählige Schwierigkeiten bedeutet.
Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive der Protagonistin geschildert, wodurch man ihre Situation am schnellsten Erfassen kann und einen detaillierten Einblick in ihre Gedanken und Gefühlswelt bekommt. Gleich zu Beginn wird es ziemlich turbulent und die Hüterin des geheimen Gartens muss sich überlegen, wie es weitergehen soll, abwenden und die Menschen vor ihrem Tor ihrem Schicksal überlassen oder entgegen all der Warnungen und Regeln das Gartentor öffnen und damit möglicherweise das Unheil hineinlassen.
Danach erfährt man dann Stück für Stück mehr über den faszinierenden Ort, an dem die Garraí Tallyanna lebt und welche Möglichkeiten er bietet. Die Ordnung in ihrem Garten wird ziemlich durcheinandergewirbelt, so erfährt man dann schnell auch etwas über Schattenseiten, Gefahren, das Chaos das entsteht, wenn man sein magisches Heim nicht gut schützt und was geschehen kann, wenn man keine ausreichend gute Ausbildung genossen hat, um einen Teil der Katastrophen wieder gerade zu rücken. Auf die Garraí kommt einiges zu und nicht immer weiß sie, wie sie sich diesen Aufgaben stellen soll, auch weil ihr Wissen über viele Dinge eher mangelhaft ist. So haben dann aber auch die Leser die Möglichkeit mit ihr gemeinsam etwas mehr über die Welt zu erfahren.
Der Schreibstil von Liane Mars ist angenehm und mitnehmend. Ich mochte die anschaulichen und bildhaften Beschreibungen, die einem die Schauplätze, Figuren und Wesen näher gebracht haben. Die zahlreichen Ideen, die in diesem geheimnisvollen, magischen Garten stecken, sind wirklich wundervoll und vielseitig. Liebevoll ausgearbeitet, gibt es immer wieder Neues zu bestaunen. Eine Vielzahl an kleinen und großen Wesen, die mal sehr friedfertig, mal auch eher angriffslustig sind, warten genauso innerhalb des Gartens wie verschiedene Landschaften mit unterschiedlichen Gefahren und Tücken. Hier und da hätte ich gern etwas schneller mehr über die Zustände und Zusammenhänge erfahren, einige Aspekte blieben mir bis zum Ende etwas zu wenig beachtet, insgesamt mochte ich aber die toll gestaltete Welt mit all ihren Geheimnissen, die sich nach und nach offenbaren.
Tallyanna freut sich trotz der chaotischen Zustände in ihrem Garten jedoch über die Besucher, denn sie bieten ihr auch neue Chancen, einen Austausch und vorallem holen sie sie aus ihrer Einsamkeit. Sowohl über die Gedanken der Protagonisten als auch über Gespräche mit Avi und Ainoa, die seit der schicksalhaften Entscheidung mit im Garten leben, erfährt man mehr über die Charaktere, die Welt innerhalb und außerhalb des Gartens. Trotzdem erfährt man auch nicht alles über die Charaktere, was sie manchmal schwer einordnenbar macht. Besonders Avi scheint Geheimnisse zu haben, bei denen ich nicht greifen konnte, in welche Richtung das führen wird. Nach und nach scheint sich wieder eine gewisse Ordnung im Garten einzustellen, bevor diese erneut über den Haufen geworden und es noch mal sehr turbulent und spannend wird. Da gab es dann auch noch mal Wendungen, die ich so nicht habe kommen sehen.
Tallyanna ist teilweise etwas unbedarft und naiv in ihrer Herangehensweise, was aber auch daran liegt, wie sie aufgewachsen ist und dass ihr einige Dinge vorenthalten wurden. So kennt sie manche Dinge ihrer Welt und der Gesetzmäßigkeiten einfach nicht. Sie muss viel lernen und gleichzeitig unzählige Lösungen für Probleme finden und sich gleichzeitig um die verletzten Wesen innerhalb ihres Zuhauses kümmern. Doch auch wenn sie manchmal vorschnell oder leichtsinnig reagiert, so ist sie auch entschlossen, mutig und packt die Sachen an, die anfallen. Sie hat das Herz am rechten Fleck, was sie vor Enttäuschungen nicht schützt, aber einfach zeigt, dass ihr ihre Umgebung mit all den kleinen Wundern wichtig ist. Ainoa ist mir insgesamt gesehen fast etwas blass geblieben, auch wenn sie zwischendurch immer wieder mit auftaucht und ihren Platz im Gefüge bekommt. Etwas anders ist es bei Avi, er spielt eine weit größere Rolle, ganz durchschauen kann man aber auch ihn nicht immer. Manchmal reagiert er sehr impulsiv und entgegen der Dinge, für die er sonst einsteht – zumindest wirkt es so. Was es damit auf sich hat, erfährt man im Verlauf der Geschichte dann auch genauer. Der düstere Krieger ergänzt die meistens fröhliche Tallyanna auf jeden Fall ganz gut, sie sind eine interessante Mischung und können gegenseitig von sich lernen – nicht nur in Bezug auf den magischen Garten. Eine Entwicklung bei den Figuren ist auf jeden Fall zu erkennen.
Fazit
Der letzte Garten der Hoffnung bietet ein wundervolles, abwechslungsreiches und vielseitiges Setting, in dem es wahnsinnig viel zu entdecken gibt im Verlauf der Geschichte. Eine liebevoll ausgeschmückte, mit vielen Details versehene Welt, die mir richtig gut gefallen hat. Vor allem mit all den verschiedenen Landschaften und Wesen. Auch wenn ich hier und da ganz kleine Kritikpunkte habe, manches gern etwas genauer gewusst und erfahren hätte, hat mir die Mischung und Dynamik in der Geschichte gefallen. Es gibt informativere Passagen, aber auch turbulente Momente, in denen das gesamte Gefüge auf den Kopf gestellt wird, ungeahnte Gefahren und neue Herausforderungen, denen sich die Charaktere stellen müssen.
Seit dem letzte Mal als Parker in Boulder Creek, einem kleinen Städtchen in Montana, war, sind elf Jahre vergangen. Wenn er an die Vergangenheit zurückdenkt, brodeln sehr unterschiedliche Erinnerungen ...
Seit dem letzte Mal als Parker in Boulder Creek, einem kleinen Städtchen in Montana, war, sind elf Jahre vergangen. Wenn er an die Vergangenheit zurückdenkt, brodeln sehr unterschiedliche Erinnerungen und Gefühle in ihm, die ihn auch in den Jahren dazwischen kaum in Ruhe gelassen haben. Nun erfüllt er sich den Wunsch, die alte Ranch seiner Großeltern zurückzukaufen und will damit auch seiner Grandma ermöglichen, ihren Lebensabend in der alten Heimat zu verbringen. Parkers Pläne sind umfangreich, sein Endziel wäre für viele Menschen eine Anlaufstelle, doch die Dorfgemeinschaft ist nicht restlos überzeugt und ihm werden von verschiedenen Seiten Steine in den Weg gelegt. Auch Clay ist ihm zunächst nicht wohlgesonnen, denn in der inzwischen 27jährigen brodeln verletzte Gefühle der Vergangenheit wieder hoch. Wird Parker es schaffen können, seine Therapiestätte aufzubauen?
Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven und in zwei Zeitebenen geschildert. So erlebt man sowohl Clay als auch Parker in der Gegenwart und vor 11 Jahren, als sie sich zuvor das letzte Mal gesehen haben. Dadurch bekommt man nach und nach einen guten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt beider Protagonisten, was der Bruch in der Vergangenheit ausgelöst hat und wie das Wiedersehen jetzt wieder für Veränderungen sorgt.
Zunächst war für mich nicht ganz greifbar, wieso die Dinge, die Parker als 17jähriger verzapft hat, immer noch so nachwirken. Mit der Zeit bekommt man etwas detailliertere Einblicke in die Geschehnisse und erfährt mehr darüber, wie damals alles zusammenhing und was so geschehen ist. Ich finde zwar dennoch, man müsste das einem Jugendlichen nicht ewig nachtragen, besonders wenn man merkt, dass er sich ja nun verändert und entwickelt hat, aber manche sind da vielleicht etwas festgefahren. Es wurde dann auf jeden Fall etwas verständlicher, was mit einigen im Dorf los ist und auch, wieso es für Clay so ein harter Schlag war. Dennoch hätte ein bisschen weniger davon der Handlung vielleicht auch nicht geschadet.
Durch die Rückblenden in die Zeit vor elf Jahren bekommt man auch ein Gefühl dafür, wie das Verhältnis der Protagonisten damals war. So kann man auch gut vergleichen, wie sie sich entwickelt haben, was sie aus ihren Fehlern gelernt haben und was sie nach wie vor beschäftigt. Besonders für Clay ist es nicht so leicht mit der veränderten Situation klar zu kommen, auch weil bei ihr beruflich gerade einiges ins Wanken kommt und sie sich an verschiedenen Stellen entscheiden muss, was sie für ihr Leben möchte.
Der Stil der Geschichte ist angenehm und leichtgängig, trotz einiger Stolpersteine und Probleme, die immer wieder auf die Figuren zukommen. Besonders Parker muss mit einigen Rückschlägen und Hindernissen kämpfen, die er in der Intensität wohl nicht erwartet hätte. Aber er gibt nicht auf, will sein Versprechen halten und arbeitet hart, um seine Ziele zu erreichen. Man spürt, dass er nicht mehr der rebellische, ungestüme Jugendliche von damals ist. Allerdings konnte ich seine Wut auch verstehen, als man dann endlich wusste, was der eigentliche Auslöser für einen Teil seiner Ausraster und vor allem seinen Weggang gewesen ist.
Clay muss sich zwar über einiges Gedanken machen und sich neu sortieren, sie ist aber nicht auf den Mund gefallen und äußert häufig auch klar, was sie will. Sie ist kein kleines Prinzesschen, packt mit an, hat keine Angst davor, sich dreckig zu machen und legt nicht besonders viel Wert auf Modetrends oder Schminktipps.
Ich mochte die Dynamik und die Dialoge zwischen den Figuren, auch wenn es an einigen Stellen noch etwas intensiver hätte werden können. Sie tasten sich wieder aneinander heran, arbeiten Dinge auf, die geschehen sind, dabei hadern sie auch mal mit der Vergangenheit und müssen sich darüber klar werden, was sie für ihre Zukunft wollen. Das geschieht auf eine einfühlsame und gefühlvolle Weise, es wird niemand bedrängt oder gehetzt, was mir gut gefallen hat. Die Figuren geben sich Raum für ihre Entwicklungen und Entscheidungen, selbst wenn sie eigentlich für sich gern etwas anderes wollen würden. Immer wieder gibt es aber auch Augenblicke zum Lachen oder Schmunzeln, was die Gesamtsituation schön auflockert. Ich mochte auch die Naturbeschreibungen und das Setting an sich.
Nicht alle Entwicklungen kommen überraschend, womit ich nicht die Liebesgeschichte meine, sondern andere Aspekte der Handlung. Einiges war doch recht offensichtlich, auch wenn Parker es selbst nicht hat kommen sehen. Trotzdem war es schön der Geschichte zu lauschen und mitzuverfolgen, wie Parker sich Stück für Stück seinen Traum erfüllt und auch Clay den Weg findet, den sie gehen will.
Die Sprecherstimmen waren nach ein wenig Einhörzeit beide recht angenehm und ich fand auch, dass sie zusammen passten. Größtenteils konnte man die unterschiedlichen Charaktere auch gut voneinander unterscheiden, an einigen Stellen hätte die Varianz in der Stimme für meinen Geschmack aber noch etwas größer sein können, weil damit die einzelnen Sprechparts noch intensiver geworden wären. Ich fühlte mich aber gut mitgenommen, die Atmosphäre in der Geschichte wurde insgesamt gut transportiert, ebenso die verschiedenen Gefühle, die aufkamen. Auch hier gab es ein paar wenige Passagen, in denen es noch lebendiger hätte sein können, aber im Großen und Ganzen wurde die Handlung gut rübergebracht.
Fazit
Eine schöne, stimmungsvolle und gefühlvolle Geschichte, die einen an einen idyllischen Ort entführt, der dennoch zahlreiche Stolpersteine für Parker bereithält. Es war schön, die Entwicklungen der Figuren zu verfolgen und ich mochte auch die Dynamik und die Dialoge gern. Es gab stille Augenblicke, nachdenkliche Passagen und auch Szenen, in denen man Lachen konnte. Eine angenehme Mischung, die mich gut unterhalten hat. Den nächsten Band werde ich bestimmt auch lesen oder hören.