Gelebter DDR-Alltag aus Sicht dreier junger Frauen
Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)"𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘪𝘯𝘥 𝘥𝘪𝘦 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘸𝘪𝘳 𝘶𝘯𝘴 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘴𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦𝘯."
— 𝘗𝘦𝘵𝘦𝘳 𝘜𝘴𝘵𝘪𝘯𝘰𝘷
"»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"
𝓓a es ...
"𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘪𝘯𝘥 𝘥𝘪𝘦 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘸𝘪𝘳 𝘶𝘯𝘴 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘴𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦𝘯."
— 𝘗𝘦𝘵𝘦𝘳 𝘜𝘴𝘵𝘪𝘯𝘰𝘷
"»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"
𝓓a es noch gar nicht lange her ist, dass ich ein anderes, ebenfalls bei Ullstein erschienenes Werk der Autorin begeistert verschlungen habe (ihre mitreißende Romanbiografie "Diana - Königin der Herzen"), freute ich mich riesig, als ich den Auftakt der Müggelsee-Saga entdeckte - zumal die Geschichte in meiner alten Heimat spielt und daher ohnehin ein Must-Read für mich gewesen wäre. Dass nun solch eine wunderbare Erzählerin wie Julie Heiland mit ihrem feinsinnig-emotionalen, fesselnden Schreibstil die Story um die drei Freundinnen Martha, Betty und Clara zum Leben erweckt, war sozusagen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.
𝓜eine Oma pflegte immer zu sagen "Drei sind einer zu viel", allerdings könnte dieser Spruch im Hinblick auf die sympathischen Hauptfiguren kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein: So unterschiedlich die Mädchen in puncto Charaktereigenschaften und Gesellschaftsschichten sind, so sehr brauchen sie einander und geben einander Halt.
"Eine Blonde, eine Rothaarige, eine Brünette - ihre Leben waren in unterschiedlichen Bahnen verlaufen, doch von einer Sekunde auf die andere hatte das Schicksal sie zusammengeworfen."
𝓞b Schulalltag, erste Liebe, Familienprobleme und -geheimnisse, Verlust geliebter Menschen oder Karriereträume, alles erleben sie zusammen. Ihre aufrichtige Freundschaft und Loyalität - in einem Land, das linientreue Ergebenheit einfordert, Andersdenkende ausgrenzt und seine Bürger:innen gegeneinander aufstachelt - empfand ich als sehr rührend.
ℰs sind die letzten Jahre vor dem Mauerbau. Die hübsche Betty träumt von einer Zukunft als berühmte Hollywood-Schauspielerin; die hochbegabte Clara greift ebenfalls nach den Sternen: sie möchte ins Weltall fliegen. Allerdings werden ihr bewusst Steine in den Weg gelegt, da ihre Familie nicht Mitglied in der Partei ist und es wagt, eine eigene Meinung zu vertreten. Und FDJ-Anhängerin Martha weiß exakt, was von ihr erwartet wird, würde jedoch am liebsten einen gänzlich anderen Weg einschlagen.
𝓥iele Entwicklungen und Verstrickungen habe ich recht früh erahnen können, dennoch verblüffte mich auch der ein oder andere Twist (Stichwort: Marthas Bruder Ronny - ein übrigens tatsächlich weit verbreiteter Name im Osten) und ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen.
𝓞bwohl ich selbst in der DDR aufgewachsen bin, befällt mich die sogenannte Ostalgie eher selten, maximal wenn es um Figuren aus der Ost-Version der TV-Kindersendung "Das Sandmännchen" geht. Wenn im Zusammenhang mit der DDR in den Medien oder in Gesprächen mit Bekannten dann der Satz "Es war nicht alles schlecht." fällt, schüttelt es mich. - Familien wurden grausam auseinandergerissen, Träume zerstört. Menschen mussten Angst haben, dass jedes in den eigenen vier Wänden gesprochene Wort vom Staat belauscht und gegen einen verwendet werden könnte. Niemand traute niemandem mehr, nicht mal Familienmitgliedern oder dem (Ehe-)Partner. Personen 'verschwanden', einfach so - flüchteten, wurden weggesperrt oder ermordet. Müsste ich die DDR in einem Wort beschreiben, wäre es 'unmenschlich'. In ihrem Roman zeichnet die Autorin mehrere Extremfälle. Natürlich ereigneten sich solche Dinge nicht in 𝑗𝑒𝑑𝑒𝑟 Familie - aber es gab zahlreiche solcher Fälle. Viel zu viele. Insbesondere Marthas Backgroundstory bewegte mich enorm … und machte mich furchtbar wütend auf das gnadenlose DDR-Regime, ebenso die Ungerechtigkeit, die Clara wieder und wieder erdulden muss.
𝓓ie Hauptfiguren, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird, sind facettenreich gestaltet worden. Dank zeitgemäßer Wortwahl und nachvollziehbarem Verhalten wirken sie vollkommen glaubwürdig, und obgleich ich alle drei Freundinnen gerne mochte, war es die zielstrebige Clara, mit der ich besonders mitfieberte. Die Dialoge zwischen ihr und ihren Eltern bewiesen stets, dass in der ärmlichen kleinen Wohnung der Vogels viel mehr Liebe herrschte als z.B. in der noblen Villa von Bettys Familie, deren vermeintliches Glück nur Fassade ist.
"»Weißte, det Leben ist ein Chaos und furchtbar schnell vorbei. […] Det, was uns den Kopf oben halten lässt, det is nich unsere Arbeit oder Erfolg, det is unser Glaube und die Liebe.«"
𝓩u Beginn der Handlung herrscht Sommer-Feeling pur, genau wie es auf dem passend gestalteten Cover suggeriert wird. Ich wähnte mich aufgrund der bildreichen, atmosphärischen Beschreibung des Settings selbst im Strandbad, lauschte dem ausgelassen Kreischen der im Wasser tobenden Kinder, dem herrlichen Berliner Dialekt, dem Radio, das irgendwo leise dudelt … roch die Sonnencreme auf meiner Haut und spürte die heiße Sonne im Gesicht. Mit gleicher Intensität widmete sich die Autorin den Lebensumständen der Protagonisten und ließ mich mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Die unzähligen feinen Details, die in die Geschichte eingeflochten worden sind - von gängigen Modetrends, Musikhits und beliebten Gerichten der ostdeutschen Küche bis hin zur Inneneinrichtung der Wohnung - machen deutlich, dass hier gründliche Recherchearbeit geleistet worden ist.
𝓢ehr erfreulich fand ich, dass die Autorin bewusst darauf verzichtet hat, Intrigen zwischen den Mädchen zu spannen, (wie es leider oft in Romanen über Freundesgrüppchen der Fall ist). Dieses Fehlen von Konkurrenzdenken und Missgunst war erfrischend, zumal es durchaus Situationen gab, in denen es naheliegend gewesen wäre.
𝓝ach und nach wurde der Ton ernster, die Ereignisse dramatischer, ohne dass es in Hektik ausartete. Es ist ein insgesamt ruhiger, aber dennoch spannender Roman, der mich von Anfang bis Ende überzeugt hat. Apropos Ende: Die Autorin ließ die Story zum Teil offen enden, sodass man gespannt sein darf, was das Schicksal für Martha, Betty und Clara noch bereithalten wird.
𝓐bschließend noch ein paar Worte zur Aufmachung. Die drei DDR-Rezepte im Anhang waren eine tolle Überraschung; Soljanka gab es tatsächlich hin und wieder in meiner Familie. Dass bereits eine Leseprobe aus dem Folgeband inkludiert war, gefiel mir sehr, ebenso die geriffelte Oberflächenstruktur des Einbandes.
𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 5 ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Mich hat das Werk prächtig unterhalten und ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die im Juli 2022 erscheinen soll.