Profilbild von Furbaby_Mom

Furbaby_Mom

Lesejury Star
offline

Furbaby_Mom ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Furbaby_Mom über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2022

Gelebter DDR-Alltag aus Sicht dreier junger Frauen

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
0

"𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘪𝘯𝘥 𝘥𝘪𝘦 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘸𝘪𝘳 𝘶𝘯𝘴 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘴𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦𝘯."
— 𝘗𝘦𝘵𝘦𝘳 𝘜𝘴𝘵𝘪𝘯𝘰𝘷

"»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"

𝓓a es ...

"𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘦 𝘴𝘪𝘯𝘥 𝘥𝘪𝘦 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘥𝘪𝘦 𝘸𝘪𝘳 𝘶𝘯𝘴 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘦𝘳 𝘢𝘶𝘴𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦𝘯."
— 𝘗𝘦𝘵𝘦𝘳 𝘜𝘴𝘵𝘪𝘯𝘰𝘷

"»Es ist die Liebe, egal ob romantisch, familiär, freundschaftlich oder auch religiös, die dem Leben einen Sinn gibt.«"

𝓓a es noch gar nicht lange her ist, dass ich ein anderes, ebenfalls bei Ullstein erschienenes Werk der Autorin begeistert verschlungen habe (ihre mitreißende Romanbiografie "Diana - Königin der Herzen"), freute ich mich riesig, als ich den Auftakt der Müggelsee-Saga entdeckte - zumal die Geschichte in meiner alten Heimat spielt und daher ohnehin ein Must-Read für mich gewesen wäre. Dass nun solch eine wunderbare Erzählerin wie Julie Heiland mit ihrem feinsinnig-emotionalen, fesselnden Schreibstil die Story um die drei Freundinnen Martha, Betty und Clara zum Leben erweckt, war sozusagen die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

𝓜eine Oma pflegte immer zu sagen "Drei sind einer zu viel", allerdings könnte dieser Spruch im Hinblick auf die sympathischen Hauptfiguren kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein: So unterschiedlich die Mädchen in puncto Charaktereigenschaften und Gesellschaftsschichten sind, so sehr brauchen sie einander und geben einander Halt.

"Eine Blonde, eine Rothaarige, eine Brünette - ihre Leben waren in unterschiedlichen Bahnen verlaufen, doch von einer Sekunde auf die andere hatte das Schicksal sie zusammengeworfen."

𝓞b Schulalltag, erste Liebe, Familienprobleme und -geheimnisse, Verlust geliebter Menschen oder Karriereträume, alles erleben sie zusammen. Ihre aufrichtige Freundschaft und Loyalität - in einem Land, das linientreue Ergebenheit einfordert, Andersdenkende ausgrenzt und seine Bürger:innen gegeneinander aufstachelt - empfand ich als sehr rührend.

ℰs sind die letzten Jahre vor dem Mauerbau. Die hübsche Betty träumt von einer Zukunft als berühmte Hollywood-Schauspielerin; die hochbegabte Clara greift ebenfalls nach den Sternen: sie möchte ins Weltall fliegen. Allerdings werden ihr bewusst Steine in den Weg gelegt, da ihre Familie nicht Mitglied in der Partei ist und es wagt, eine eigene Meinung zu vertreten. Und FDJ-Anhängerin Martha weiß exakt, was von ihr erwartet wird, würde jedoch am liebsten einen gänzlich anderen Weg einschlagen.

𝓥iele Entwicklungen und Verstrickungen habe ich recht früh erahnen können, dennoch verblüffte mich auch der ein oder andere Twist (Stichwort: Marthas Bruder Ronny - ein übrigens tatsächlich weit verbreiteter Name im Osten) und ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen.

𝓞bwohl ich selbst in der DDR aufgewachsen bin, befällt mich die sogenannte Ostalgie eher selten, maximal wenn es um Figuren aus der Ost-Version der TV-Kindersendung "Das Sandmännchen" geht. Wenn im Zusammenhang mit der DDR in den Medien oder in Gesprächen mit Bekannten dann der Satz "Es war nicht alles schlecht." fällt, schüttelt es mich. - Familien wurden grausam auseinandergerissen, Träume zerstört. Menschen mussten Angst haben, dass jedes in den eigenen vier Wänden gesprochene Wort vom Staat belauscht und gegen einen verwendet werden könnte. Niemand traute niemandem mehr, nicht mal Familienmitgliedern oder dem (Ehe-)Partner. Personen 'verschwanden', einfach so - flüchteten, wurden weggesperrt oder ermordet. Müsste ich die DDR in einem Wort beschreiben, wäre es 'unmenschlich'. In ihrem Roman zeichnet die Autorin mehrere Extremfälle. Natürlich ereigneten sich solche Dinge nicht in 𝑗𝑒𝑑𝑒𝑟 Familie - aber es gab zahlreiche solcher Fälle. Viel zu viele. Insbesondere Marthas Backgroundstory bewegte mich enorm … und machte mich furchtbar wütend auf das gnadenlose DDR-Regime, ebenso die Ungerechtigkeit, die Clara wieder und wieder erdulden muss.

𝓓ie Hauptfiguren, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird, sind facettenreich gestaltet worden. Dank zeitgemäßer Wortwahl und nachvollziehbarem Verhalten wirken sie vollkommen glaubwürdig, und obgleich ich alle drei Freundinnen gerne mochte, war es die zielstrebige Clara, mit der ich besonders mitfieberte. Die Dialoge zwischen ihr und ihren Eltern bewiesen stets, dass in der ärmlichen kleinen Wohnung der Vogels viel mehr Liebe herrschte als z.B. in der noblen Villa von Bettys Familie, deren vermeintliches Glück nur Fassade ist.

"»Weißte, det Leben ist ein Chaos und furchtbar schnell vorbei. […] Det, was uns den Kopf oben halten lässt, det is nich unsere Arbeit oder Erfolg, det is unser Glaube und die Liebe.«"

𝓩u Beginn der Handlung herrscht Sommer-Feeling pur, genau wie es auf dem passend gestalteten Cover suggeriert wird. Ich wähnte mich aufgrund der bildreichen, atmosphärischen Beschreibung des Settings selbst im Strandbad, lauschte dem ausgelassen Kreischen der im Wasser tobenden Kinder, dem herrlichen Berliner Dialekt, dem Radio, das irgendwo leise dudelt … roch die Sonnencreme auf meiner Haut und spürte die heiße Sonne im Gesicht. Mit gleicher Intensität widmete sich die Autorin den Lebensumständen der Protagonisten und ließ mich mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Die unzähligen feinen Details, die in die Geschichte eingeflochten worden sind - von gängigen Modetrends, Musikhits und beliebten Gerichten der ostdeutschen Küche bis hin zur Inneneinrichtung der Wohnung - machen deutlich, dass hier gründliche Recherchearbeit geleistet worden ist.

𝓢ehr erfreulich fand ich, dass die Autorin bewusst darauf verzichtet hat, Intrigen zwischen den Mädchen zu spannen, (wie es leider oft in Romanen über Freundesgrüppchen der Fall ist). Dieses Fehlen von Konkurrenzdenken und Missgunst war erfrischend, zumal es durchaus Situationen gab, in denen es naheliegend gewesen wäre.

𝓝ach und nach wurde der Ton ernster, die Ereignisse dramatischer, ohne dass es in Hektik ausartete. Es ist ein insgesamt ruhiger, aber dennoch spannender Roman, der mich von Anfang bis Ende überzeugt hat. Apropos Ende: Die Autorin ließ die Story zum Teil offen enden, sodass man gespannt sein darf, was das Schicksal für Martha, Betty und Clara noch bereithalten wird.

𝓐bschließend noch ein paar Worte zur Aufmachung. Die drei DDR-Rezepte im Anhang waren eine tolle Überraschung; Soljanka gab es tatsächlich hin und wieder in meiner Familie. Dass bereits eine Leseprobe aus dem Folgeband inkludiert war, gefiel mir sehr, ebenso die geriffelte Oberflächenstruktur des Einbandes.

𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 5 ✰ ✰ ✰ ✰ ✰
Mich hat das Werk prächtig unterhalten und ich freue mich schon auf die Fortsetzung, die im Juli 2022 erscheinen soll.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2022

Große Golden-Hill-Liebe!

Golden Hill Kisses
0

Freunde! Ich habe ein neues Jahreshighlight - und krieg mich gerade kaum ein vor Begeisterung. (Auf dem Level von Schnappatmung und Kreisch-Alarm, weil … es ist einfach so, sooooooo gut!!)

Hatte der Auftakt ...

Freunde! Ich habe ein neues Jahreshighlight - und krieg mich gerade kaum ein vor Begeisterung. (Auf dem Level von Schnappatmung und Kreisch-Alarm, weil … es ist einfach so, sooooooo gut!!)

Hatte der Auftakt der Golden-Hill-Reihe mir schon super gefallen, war ich von Band 2 nun dermaßen überwältigt-geflasht-hingerissen, dass ich am liebsten nach Boulder Creek ziehen möchte. Heute noch. Jetzt denkt ihr vielleicht 'okay, wow, dann muss das Setting in diesem Roman ja wirklich toll gewesen sein'. (For the record: Ja! War es. Untertreibung des Jahrtausends! Es ist das mit Abstand schönste, einladendste Setting, das mir je unter die Augen gekommen ist!) Aber lasst euch gesagt sein: Das war keine nette Rezi-Ausschmückung meinerseits, ich meine das ernst - ich will da hin. Die Autorin wird hoffentlich nachvollziehen können, dass ich nach solch einem mitreißendem Werk nun von ihr erwarte, dass sie uns mitteilt, der Handlungsort sei durchaus real und würde im wahren Leben XY heißen. Damit ich unsere Koffer packen kann. (Könnte es sich z.B. um Boulder, Montana handeln?)

Arizona und Ajden, aus deren Perspektiven abwechselnd erzählt wird, sind wundervolle, mega liebenswerte, durch und durch nachvollziehbare Charaktere, die nicht nur unheimlich echt und greifbar wirken, sondern auch eine bemerkenswerte Entwicklung durchleben. Ich konnte mich zu 100% in sie hineinversetzen, ging in ihren Gefühlen und Gedanken auf, und war hin und weg davon, mit wie viel Feingefühl die Autorin ihre Annäherung gestaltet hat.

Beide Hauptfiguren müssen traumatische Erlebnisse verarbeiten. Wer mich kennt, weiß: Bei solch einem Plot besteht bei mir immer die Gefahr, dass mich das Gelesene arg mitnimmt, beim Lesen runterzieht und über die Lektüre hinaus deprimiert, sodass ich das Werk im Anschluss hauptsächlich mit dem tragischen Element in Verbindung bringe - alles schon erlebt. Hier ist dies NICHT der Fall, denn Nicole Böhm ist eine grandiose Erzählerin! Ich spürte keine graue Wolke über mir, keinerlei drückende Schwere, sondern vielmehr ein stetig wachsendes Gefühl der Leichtigkeit und Befreiung. Dieser Prozess des langsamen Loslassens ist meisterhaft auf Arizona und Ajden übertragen worden, entfaltet sich nach und nach im Laufe der Handlung - inklusive aller Fortschritte und emotionaler Hindernisse. Nix da mit zwei, drei Sätzchen à la 'Er/Sie fährt zur Ranch, streichelt ein Pferd, und schon geht es ihm/ihr besser'! Und das bringt mich gleich zu meinem nächsten Punkt: die Arbeit mit den Pferden.

Prinzipiell bin ich davon überzeugt, dass Tiere uns Menschen immer guttun; für mich gehören sie zum Lebensglück dazu. Ich muss jedoch gestehen, dass ich vor diesem Werk nur eine vage Vorstellung davon hatte, wie eine Pferdetherapie eventuell aussehen könnte. Es war wahnsinnig interessant, mehr über diese besondere Gabe der Pferde und ihr Verhalten zu erfahren, über ihr Training und ihre Wirkung auf die betreffende Person. Für Sadie, Parkers Schwester, ist die Ausbildung zur Pferdetherapeutin eine Herzensangelegenheit. Sie hat nach einem schweren Autounfall einst selbst von solch einer Therapie profitiert und möchte nun anderen Menschen helfen. Ich habe ihre muntere, lebensfrohe Art, ihren Enthusiasmus, ihre quirlige Energie geliebt! Wie ein Wirbelwind fegt sie über die Ranch und letztlich ist es ihr zu verdanken, dass … ach, lest selbst! Ihr werdet es nicht bereuen.

Das Wiedersehen mit den mir aus Band 1 vertrauten Figuren habe ich soooo genossen, mochte vor allem die geschwisterliche Dynamik zwischen Parker und Sadie, vergöttere Granny, und musste so schmunzeln darüber, wie süß Clay und Parker miteinander sind! An alle Golden-Hill-Neulinge: Keine Sorge, die Bände lassen sich unabhängig voneinander lesen, ihr werdet hier von Anfang an den vollen Durchblick haben. Apropos Buchreihe(n) und vertraute Figuren: Aus dem Nachwort der Autorin habe ich herausgelesen, dass es gewisse Charaktere aus ihrer One-Last-Serie sind, die hier einen Gastauftritt feiern (im wahrsten Sinne des Wortes, hehe). Diese Reihe steht schon seit Längerem auf meiner Wunschliste und nun freue ich mich umso mehr darauf!

Der Schreibstil der Autorin hat mich umgehauen! An diesem Roman hat einfach ALLES gepasst, bis hin zur Widmung ("Für alle, die Seesterne zurück ins Meer werfen."), hinter der eine bezaubernde Geschichte steckt.

Unbedingt lobend erwähnen möchte ich noch, wie angenehm das Thema Nachhaltigkeit in die Geschichte eingeflochten worden ist, nämlich ohne Moralpredigten, sondern vielmehr als selbstverständlicher Way of Life; Ajden isst kein Fleisch (urteilt aber nicht über Leute, die es tun), vermeidet unnötige Flugreisen, und hat sein Leben jenen Menschen gewidmet, die ohne fremde Hilfe nicht überleben würden. Seinen selbstlosen Einsatz in Krisengebieten fand ich unsagbar inspirierend und einfach nur bewundernswert. Davor habe ich den allergrößten Respekt. Kein Wunder, dass Arizona fasziniert von ihm ist. Von ihm geht eine unheimlich beruhigende Alles-wird-gut-Aura aus, die sich auf andere überträgt. Obendrein kann der Mann gut kochen und hat eine Engelsgeduld (Stichwort: Fotomodell)!

Nicht nur für Ajden und Arizona (deren Leidenschaft für Fotografie ich teile), sondern auch für mich war der Aufenthalt auf der Golden Hill Ranch eine Offenbarung. Die (leider nur literarische) Zeit dort ließ mich durchatmen, zur Ruhe kommen, erdete mich. Es war Balsam für meine Seele. Ein Zufluchtsort. Paradiesisch schön. Das mag jetzt alles sehr hochtrabend klingen, doch glaubt mir, in einer Zeit, in der die Welt verrückt geworden zu sein scheint (- Kriege, Pandemien und tragische Ereignisse, die die Schlagzeilen dominieren und mir das Herz zerreißen -) braucht jeder von uns einen solchen Ort und solch himmlische Bücher.

𝐅𝐚𝐳𝐢𝐭: 5 ✰ ✰ ✰ ✰ ✰

Jede Zeile dieses Romans habe ich geliebt. Ich musste mich zwingen, gaaaanz langsam zu lesen, weil ich so lange wie möglich auf der Golden Hill Ranch bleiben wollte. Riesengroße Liebe für dieses Buch und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!!

Und nun entschuldigt mich bitte, ich muss meinen Mann über unseren Umzug nach Montana informieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.05.2022

Eine klangvolle Zeitreise

Die Radioschwestern
0

Ich habe schon als Kind regelmäßig Radio gehört und schalte noch heute gerne meine Lieblingssender ein, daher waren es beim vorliegenden Werk speziell das Setting und der geschichtliche Rahmen, die mich ...

Ich habe schon als Kind regelmäßig Radio gehört und schalte noch heute gerne meine Lieblingssender ein, daher waren es beim vorliegenden Werk speziell das Setting und der geschichtliche Rahmen, die mich besonders gereizt haben.

Vorab: Eva Wagendorfers historischer Roman, der den Auftakt zur Radioschwestern-Saga bildet, hat mich in vielerlei Hinsicht begeistert! Es war total interessant, mehr über die damalige (ziemlich arbeitsaufwendige) Produktion von Hörspielen sowie generell über die Anfänge des Rundfunks zu erfahren!

Nach einem gemütlichen, eher ruhigen Einstieg in die Handlung, fesselte mich die Geschichte zunehmend, entwickelte eine regelrechte Sogwirkung und ließ mich tief in die damalige Zeit eintauchen – zum einen lag dies gewiss an den lebensnah angelegten Figuren (- überaus sympathische Hauptprotagonisten und interessante Nebencharaktere -) und den authentischen Dialogen, zum anderen habe ich, obwohl ich recht häufig historische Romane lese, selten eine dermaßen intensive, in beinahe jeder Szene deutlich werdende Recherche erlebt, mit der die Autorin den Alltag der späten Zwanziger Jahre lebendig werden lässt und uns auf eine Zeitreise in die Vergangenheit schickt. Von den Goldenen Zwanzigern liest man regelmäßig, aber im Gegensatz zu anderen Büchern dreht sich hier nicht alles um schillernde Partys und verruchte Nachtlokale. Ob Lebensumstände (Wohnen, Arbeiten, Hobbys … ), gesellschaftliche Ansichten, Konsumgüter, Ausflugsziele, historische Ereignisse, technische Entwicklungen … alles ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet worden und fügt sich wie selbstverständlich in die Story ein.

Eine Frau sollte sich hauptsächlich um den Haushalt und ihre Kinder kümmern, anstatt in einem beruflichen Umfeld zu arbeiten, das bisher den Männern vorbehalten war - mit diesem veralteten Denken sehen sich Gesa, Margot und Inge regelmäßig konfrontiert. "Sie versuchten ihren eigenen Weg zu gehen, stolperten aber ständig über Personen, die sich einmischten und ihnen ihren Willen aufdrücken wollten. Als ob der mehr zählte als der ihre." Margot hat es als Cellistin in der "von männlichem Ego durchtränkten Rundfunkkapelle" nicht leicht, Gesa muss sich mit einer biestigen alternden Schauspiel-Diva und deren unerträglichen Starallüren herumschlagen, und die lebenslustige, nie um einen Spruch verlegene Inge droht daran zu verzweifeln, dass sie trotz ihres immensen gesanglichen Talents keinen lukrativen (und vor allem seriösen) Plattenvertrag ergattern kann. Doch die drei Freundinnen halten an ihren Träumen fest. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, wobei Gesas Sichtweise stets mein Anker in der vielschichtigen Story war.

Frankfurt/Main, 1926: Radioempfang ist ein Luxus; er bietet bequem ein Fenster zur Welt, ohne dass man dafür das eigene Wohnzimmer verlassen muss. Für Gesa, die intuitiv spürt, dass dem neuen Medium die Zukunft gehört, geht ein Traum in Erfüllung, als sie bei der SÜWRAG, der Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG, eine Rolle in einem großen Hörspiel ergattert. Sie hat – aus gutem Grund – alle Zelte hinter sich abgebrochen und ahnt nicht, dass in Frankfurt neben ihrem Traumjob auch neue Freundschaften und die Liebe auf sie warten. Ich staunte, wie nach und nach aus der zaghaften jungen Frau eine selbstbewusste, schlagfertige Person wurde, die sich nicht unterkriegen lässt. "Bravo", wollte ich ihr zurufen, als sie sich in Dialogen mit anderen Charakteren wortgewandt behauptete und mit ihren klugen Aussagen genau ins Schwarze traf. Nicht nur im beruflichen Umfeld, auch gegenüber ihren Freundinnen setzt sie auf Ehrlichkeit. Margot und Inge mochte ich ebenfalls, wobei Margots sanftes Wesen mir einen Tick besser gefallen hat als Inges Lebenswandel. Meine Lieblingsfigur des Romans war allerdings der männliche Hauptprotagonist und Intendant der SÜWRAG, Albert Bronnen: attraktiv, nahbar, voller innovativer Ideen und sehr engagiert. Dank ihm weht ein frischer Wind durch den Sender! Insbesondere sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn stieß bei mir auf Gegenliebe und sein Humor ließ mich oft schmunzeln. So bodenständig und solide er ist, so schelmenhaft wirkt Albert teilweise. "Die zahlreichen unterschiedlichen Mitarbeiter im Sender, einschließlich der Herren Aufsichtsräte, kamen ihm manchmal vor wie ein Haufen Hühner. […] Ein jeder plusterte sich auf, buhlte um Aufmerksamkeit und hielt sein Ei für das allerwichtigste."

Der Schreibstil der Autorin ist herrlich bildreich, mal emotional, mal informativ, aber immer äußerst angenehm; gelegentlich fließt sogar etwas Dialekt mit ein. Jedem Kapitel sind Radionachrichten in Form einer Kurzmeldung vorangestellt, eine kreative, sehr zum Gesamtwerk passende Idee!

Fazit: 5 Sterne

Dieser Roman sprüht vor Lebenslust. Trotz einiger ernster Momente wirkte die Geschichte nie bedrückend, hinterließ vielmehr einen beschwingten Nachklang bei mir. Der Auftakt der Radioschwestern-Saga hat mir sehr gut gefallen und ich freue mich schon jetzt auf Band 2, der im März 2023 erscheinen soll!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.05.2022

Fesselnder Reihenauftakt!

Das Goldblütenhaus - Der Ruf einer neuen Zeit
0

Das sommerliche, in kräftigen Farben leuchtende Cover dieses historischen Familienromans hatte es mir direkt angetan. Nach der Lektüre kann ich nun sagen: Auch inhaltlich macht dieses bezaubernde Werk ...

Das sommerliche, in kräftigen Farben leuchtende Cover dieses historischen Familienromans hatte es mir direkt angetan. Nach der Lektüre kann ich nun sagen: Auch inhaltlich macht dieses bezaubernde Werk ordentlich was her!

Der warmherzige Schreibstil von Gabriela Gross ist eine Wucht! Er zeichnet sich durch viel Feingefühl und einen stellenweise beinahe schon poetisch anmutenden Touch aus. Die Autorin erzählt wundervoll tiefgründig und emotional, ohne ins Kitschige abzurutschen, lässt uns dank klug gesetzter Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit mit den Protagonisten mitfiebern, und schafft es mit ihren detailreichen Beschreibungen mühelos, dass wir uns selbst mitten in der Handlung wähnen.

Aufgrund der realistischen Dialoge und authentisch ausgearbeiteten, facettenreichen Figuren wirkt die Geschichte durch und durch echt, als hätte sie sich exakt so zugetragen.

Handlungstechnisch erleben wir die Höhen und Tiefen einer Familie - schmerzlichen Verlust und enttäuschende Vertrauensbrüche, aber auch liebevollen Zusammenhalt (z.B. auch in Form von freundschaftlicher Zuneigung zweier Partner nach einer Scheidung), verdiente Erfolgserlebnisse im einst von Leonies Großeltern Hedi und Alfons gegründeten Kosmetikunternehmen und vor allem: starke Frauen!

Die zahlreichen in diese packende, atmosphärische Geschichte eingeflochtenen Lebensweisheiten ließen mich immer wieder innehalten und sinnieren; überhaupt ertappte ich mich häufig bei der Frage, wie ich selbst wohl in gewissen Situationen reagiert und gehandelt hätte.

Verrat, Vergebung und große Geheimnisse sind zentrale Themen, die bekanntlich immer ein Spannungsgarant sind, doch für mich gab es zudem so viele weitere Highlights, allein schon im Hinblick auf die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander - das innige Verhältnis zwischen Leonie und ihrer Oma, die von Loyalität, Ehrlichkeit und Verständnis geprägte Freundschaft zwischen Leonie und Silvy, die interessante Dynamik zwischen Leonie und ihrer Zwillingsschwester Ella …

Leonies Exfreund Michael habe ich einerseits aufrichtig dafür bewundert, dass er in einer schwierigen Situation rein an Leonies Wohl gedacht hat, andererseits war ich stellvertretend für ihn voller Frustration und Wut. So viele verpasste gemeinsame Jahre, eine beschädigte Reputation und zwei gebrochene Herzen - und warum?! Aus verletzter Eitelkeit und Feigheit von jemandem, der aus egoistischen Gründen, die einen krassen Kontrast zu Leonies bedingungsloser Liebe und Unterstützung bilden, lieber geschwiegen hat, als zu seinem Fehler zu stehen. Michael tat mir unheimlich leid, ebenso Leonie, deren Ehemann Gedeon für weiteres Drama sorgt. Ich habe beim Lesen sämtliche Emotionen durchlebt!

Tolles zusätzliches Schmankerl: Eine Anleitung zur Herstellung von eurer eigenen Ringelblumen-Salbe!

Fazit: 5 Sterne

Was für ein fesselnder Reihenauftakt! Für mich war es das erste Buch der Autorin und es wird definitiv nicht das letzte gewesen sein! Ich freue mich schon jetzt auf Band 2 der Goldblüten-Saga, der im August 2022 erscheinen wird!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.05.2022

Durch und durch wundervoll – ein absolutes MUSS für alle Austen-Fans

Mit Herz und Verstand
0

Als bekennende Janeite lese ich generell gerne alles über ihre Romane, ihr Leben und die Zeit, in der sie gelebt hat, und ich bin ganz einer Meinung mit der Autorin des vorliegenden Andachtswerkes: Wieso ...

Als bekennende Janeite lese ich generell gerne alles über ihre Romane, ihr Leben und die Zeit, in der sie gelebt hat, und ich bin ganz einer Meinung mit der Autorin des vorliegenden Andachtswerkes: Wieso lesen wir so wenig über Jane Austens Beziehung zu Gott? Welch scharfsinnige Erkenntnis, dass Janes Glaube in sämtlichen Biografien und Dokumentationen bisher kaum Beachtung gefunden hat (… und das trotz der Tatsache, dass die Tätigkeit ihres Vaters als Pfarrer sehr wohl fast überall angeführt wird. Der Rückschluss, dass Religion in Janes Leben folglich eine bedeutende Rolle gespielt haben müsste, erscheint also nur logisch).

Ich liebe alles an diesem äußerlich wie inhaltlich wunderschönen Werk, ob Themenauswahl, den gelungenen Bogen von Janes Romaninhalten zum Christentum oder Susanne Degenhardts ehrliche, selbstreflektierte Einschätzung in ihren persönlichen Anekdoten, alles!! (Apropos persönlich: Ich war enorm beeindruckt davon, wie offen sie uns an privaten Ereignissen und Herausforderungen, mit denen sie zu kämpfen hatte, teilhaben lässt. Hut ab vor so viel Mut!)

Die zauberhafte optische Gestaltung würde ihre ganz eigene Rezension verdienen - WOW kann ich nur sagen! Dieses hochwertige Buch steht den legendären Coppenrath-Schmuckausgaben in nichts nach - ein absoluter Eyecatcher, der dazu einlädt, voller Ehrfurcht Seite um Seite umzublättern und sich darin zu verlieren.

Ich habe so viel Inspiration, Hoffnung, mentale Stärke und Erholung aus den 31 mit viel Feingefühl zusammengestellten Andachten gewonnen, die durch und durch mit klugen Gedanken, sympathischem Humor, anregenden Bibelstellen und stimmungsvollen Zitaten gefüllt sind! Mit Sicherheit werde ich das Werk noch ganz oft zur Hand nehmen. Nach der Lektüre hatte ich prompt Lust, alle meine Austen-Werke erneut zu lesen und nach den von der Autorin erwähnten Passagen zu suchen.

Zwar ist Religion das thematische Fundament, doch all die zahlreichen interessanten Interpretationen von clever ausgewählten Passagen aus Janes Romanen, die zum Nachdenken anregenden rhetorischen Fragen sowie der warmherzige, empathische Erzählton werden auch jene Austen-Liebhaber begeistern, die selbst vielleicht (noch) gar keinen Bezug zum christlichen Glauben haben.

Beim Lesen hatte ich den Eindruck, mit der Autorin plaudernd im Garten zu sitzen - die Sonne strahlt vom Himmel, wir sitzen mit Tee und Kuchen im Schatten, erfreuen uns an der Blumenpracht und tauschen uns (im wahrsten Sinne des Wortes) über Gott und die Welt aus. "Wie klein fühlen sich unsere Sorgen beim Anblick [der Schönheit der Natur] an und Dankbarkeit erfüllt das Herz" - treffender hätte man es nicht ausdrücken können.

Fazit: Der Buchtitel ist Programm! Mit viel Herz und Verstand beleuchtet Susanne Degenhardt die Werke meiner Lieblingsautorin im Hinblick auf ihren christlichen Glauben und lässt uns Leser:innen dabei auch einen Blick in ihre eigene Seele erhaschen. Eine unbedingte Empfehlung!! Kein Austen-Fan kommt an diesem Buchschatz vorbei!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere