Manchmal gibt uns das Ungesagte mehr zu denken als das Ausgesprochene
Franziska hat schon immer die Flucht nach vorn angetreten und früh ihrem Elternhaus den Rücken zugewandt. Doch jetzt braucht Vater Heinrich ihre Hilfe und zwischen beiden herrscht eine angespannte Stimmung. ...
Franziska hat schon immer die Flucht nach vorn angetreten und früh ihrem Elternhaus den Rücken zugewandt. Doch jetzt braucht Vater Heinrich ihre Hilfe und zwischen beiden herrscht eine angespannte Stimmung. Zum einen, weil Heinrich nicht einsehen will, dass er alt wird und Unterstützung benötigt und zum anderen, weil Franziska spürt, das da noch etwas zwischen ihnen ist, das zwar noch nicht ausgesprochen, aber irgendwie doch greifbar ist. Sind die Erinnerungen an die Kindheit wirklich das Einzige, was Vater und Tochter noch miteinander verbindet ?
Gisela Klönne spricht ein sensibles Thema an, das uns alle betrifft und doch immer wieder unvorbereitet trifft. Die eigenen Eltern, die immer stark und voller Energie gewesen sind, werden alt und benötigen Unterstützung. Doch kennen Kinder ihren Eltern wirklich ? Wie hat ihr Leben ausgesehen, bevor wir Kinder geboren worden sind ?
In ihrem Roman "Für diesen Sommer" verpackt die Autorin all die ungesagten Worte, Konflikte und nicht erfüllten Bedürfnisse in erstickte Vorwürfe und Gewissensbisse und lässt eine sehr angespannte Vater-Tochter-Beziehung Revue passieren, die voller Geheimnisse steckt.
Franziska findet heraus, dass in ihrer Familie doch nicht alles angesprochen worden ist, was wichtig gewesen wäre. In Rückblenden erfahren die Leser:innen, wie aus der rebellierenden Jugendlichen eine Frau wird, die noch immer auf der Suche nach ihrem Platz im Leben ist und den Grund für ihre Rastlosigkeit nicht kennt bzw. nicht einordnen kann.
Auch wird die zunehmende Hilfebedürftigkeit und Sturheit von Vater Heinrich schön herausgearbeitet und so manche Szene kommt den Leser,innen bekannt vor, denn genauso kann sie sich Zuhause mit den eigenen Eltern abgespielt haben.
Einfühlsam und taktvoll blättert Gisela Klönne im Familienalbum und bringt so manch gut gehütetes Geheimnis an Tageslicht, das den Verlauf der Dinge beeinflusst und für belastete zwischenmenschliche Beziehungen sorgt. Auch fließen die unterschiedlichen brisante Themen mit ein, die im Verlauf der Jahrzehnte die Schlagzeilen beherrscht haben (u.a Startbahn West, Tschernobyl).
Die Charaktere sind sehr glaubwürdig gestaltet, die behutsame Annäherung und die Aufarbeitung der Differenzen sind realistisch und nachvollziehbar geschildert und lassen die Lesenden die einzelnen Standpunkte verstehen.
Ein Buch, das den Generationenkonflikt anspricht, aber auch zeigt, dass es für eine Versöhnung nie zu spät ist.