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Veröffentlicht am 26.07.2022

Was es heißt, eine Frau zu sein

Es ist ein Mädchen
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Rouen im Jahr 1959: Oh nein, schon wieder ein Mädchen! Für den Allgemeinmediziner Matthieu Barraqué ist die Geburt seiner Tochter Laurence eine Enttäuschung. Wie sehr hätte er sich über einen Jungen gefreut. ...

Rouen im Jahr 1959: Oh nein, schon wieder ein Mädchen! Für den Allgemeinmediziner Matthieu Barraqué ist die Geburt seiner Tochter Laurence eine Enttäuschung. Wie sehr hätte er sich über einen Jungen gefreut. Es wird nicht das letzte Mal bleiben, dass Laurence die Last ihres Geschlechtes spürt…

„Es ist ein Mädchen“ ist ein Roman von Camille Laurens.

Meine Meinung:
Untergliedert in vier Teile und einen Epilog, ist der Aufbau komplexer als zunächst gedacht. Schon im umfassenden ersten Teil, der sieben Kapitel umfasst, wechselt die Perspektive mehrfach. Mal wird aus der Ich-Perspektive aus Sicht von Laurence erzählt, mal in der Du-Perspektive. Die Handlung erstreckt sich über etliche Jahrzehnte und spielt vorwiegend in Rouen.

In sprachlicher Hinsicht hat mir vor allem der erste Teil besonders gut gefallen. Er ist gespickt mit Wortspielen und gewitzten Formulierungen. Diese Raffinesse verliert sich leider etwas im weiteren Verlauf des Romans. Auffällig ist jedoch, dass der schnörkellose Schreibstil im gesamten Roman Emotionen sehr gut zu transportieren vermag.

Laurence ist keine klassische Sympathieträgerin. Sie wirkt in Bezug auf ihren Charakter wegen ihrer Ecken und Kanten sehr menschlich. Ihre Lebensgeschichte per se ist jedoch überspitzt gezeichnet. Sie ist sozusagen eine Mischung unterschiedlicher Schicksale und Erlebnisse, die in diesem Umfang nicht einer einzigen Person zuzuordnen sind.

Die Ausgestaltung der Figur hat damit zu tun, dass die Autorin offenbar sämtliche Facetten von Misogynie und der Benachteiligung von Frauen vor Augen führen wollte, ohne ein riesiges Personal unterzubringen. Darin ist auch das Hauptthema des Romans zu suchen. Sie schildert anhand der fiktiven Geschichte der Protagonistin, wie Frauen von der Geburt bis ins hohe Alter diskriminiert, abgewertet und übervorteilt werden, wie sie Opfer von psychischer, physischer und insbesondere sexueller Gewalt werden und nur auf dem Papier gleichberechtigt sind. Zwar wiederholen sich einige Aspekte, und in der Summe erscheint die Geschichte recht überzogen. Dies ist jedoch mit Sicherheit so gewollt. Der Roman hat es geschafft, auch bei mir für einige Aha-Momente zu sorgen, obwohl ich mich schon intensiv mit feministischen Themen befasst habe. Zudem fiele mir persönlich auch keine bessere Umsetzung ein, um alle Bestandteile von Misogynie abzudecken, ohne einen Wälzer zu schreiben.

Das vorliegende Werk ist mit seinen knapp 250 Seiten kein unterhaltsamer Schmöker, sondern ziemlich kompakt. Der Roman hat mich nicht nur zum Nachdenken angeregt. Er hat mich auch an mehreren Stellen überrascht.

Das deutsche Cover finde ich ansprechend und auch in Bezug auf das Motiv gelungen. Der mehrdeutige Titel des Originals („Fille“) lässt sich schwer ins Deutsche übertragen. Die gewählte Lösung kommt aber nahe heran.

Mein Fazit:
„Es ist ein Mädchen“ von Camille Laurens ist mehr eine feministische Anklage als ein Unterhaltungsroman. Bei mir hat das Buch einen Nerv getroffen. Eine empfehlenswerte Lektüre!

Veröffentlicht am 05.07.2022

Eine lehrreiche Liebeserklärung ans Buch

Papyrus
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Seit fast 5000 Jahren faszinieren das Buch und seine Vorstufen die Menschheit. Wie ist es entstanden und wie hat es sich entwickelt? Eine Reise in die Geschichte fördert Erstaunliches zutage.

„Papyrus ...

Seit fast 5000 Jahren faszinieren das Buch und seine Vorstufen die Menschheit. Wie ist es entstanden und wie hat es sich entwickelt? Eine Reise in die Geschichte fördert Erstaunliches zutage.

„Papyrus - Die Geschichte der Welt in Büchern“ ist ein literaturhistorisches Sachbuch mit autobiografischen Zügen von Irene Vallejo.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus zwei Teilen, die insgesamt 34 Kapitel umfassen. Sie werden eingerahmt durch einen Prolog und einen Epilog.

Die Sprache ist leicht verständlich, sehr anschaulich und unprätentiös, aber nicht zu simpel. Dank des plastischen Schreibstils gelingt es der Autorin, Historisches auf lebhafte Art zu vermitteln.

Inhaltlich liegen die Schwerpunkte eindeutig auf den alten Griechen und dem antiken Rom. Wissenswerte Details und weniger bekannte Aspekte rund um Bücher, Bibliotheken und das Schreiben greift das Buch auf und stellt damit auch für Geschichtsbewanderte eine große Fundgrube dar.

Trotz der mehr als 600 Seiten konnte mich die Autorin immer wieder überraschen. Längen und Wiederholungen halten sich in Grenzen. Zwar ist das Buch aufgrund des Themas und der Faktenfülle in inhaltlicher Sicht durchaus gewichtig und lässt sich nicht in Rekordtempo durchlesen. Dennoch hat es mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt.

Obwohl der Fokus auf der länger zurückliegenden Vergangenheit ist, geht die Autorin auch auf jüngere Werke ein. Das macht Lust, diese Bücher selbst zu lesen, und es verdeutlicht, dass sie weiß, wovon sie schreibt.

Persönliche Erinnerungen und Anekdoten unterbrechen die historischen Ausführungen. An diesen Stellen weicht der Genretyp des Sachbuches stark auf. Auch die damit verknüpfte Ich-Perspektive ist gewöhnungsbedürftig. Dies jedoch macht auch den Charme des Buches aus.

Das umfangreiche Quellenverzeichnis, die weiterführende Literatur und das Personenverzeichnis runden das Buch ab. Sie belegen noch einmal die fundierte und ausführliche Recherche der Autorin.

Die Gestaltung des Hardcovers mit den Goldelementen, dem Leineneinband und dem Lesebändchen wirkt ansprechend und hochwertig. Einzig der deutsche Untertitel ist nicht ganz so gut gelungen, weil er missverständlicher formuliert ist als das spanischsprachige Original („El infinito en un junco - La invención de los libros en el mundo antiguo“).

Mein Fazit:
Nicht nur in optischer, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht ist „Papyrus - Die Geschichte der Welt in Büchern“ ein Schmuckstück im Regal. Das Werk von Irene Vallejo ist sehr empfehlenswert nicht nur, aber vor allem für Bibliophile.

Veröffentlicht am 07.06.2022

Was Menschen und Bäume gemeinsam haben

Sei wie ein Baum!
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Menschen sind wie Bäume. Sie brauchen Luft, Sonne und die Gemeinschaft der anderen. Die Natur kann uns aber noch etwas lehren…

„Sei wie ein Baum!“ ist ein Bilderbuch von Maria Gianferrari, geeignet für ...

Menschen sind wie Bäume. Sie brauchen Luft, Sonne und die Gemeinschaft der anderen. Die Natur kann uns aber noch etwas lehren…

„Sei wie ein Baum!“ ist ein Bilderbuch von Maria Gianferrari, geeignet für Kinder ab fünf Jahren.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus rund 20 Doppelseiten. Die Bilder erstrecken sich über jeweils beide Seiten. Als Besonderheit gibt es in der Mitte ein ausklappbares Panoramabild. Jedes Motiv ist mit einem Text versehen.

Die Texte verzichten auf die sonst üblichen, manchmal recht gequälten Reime. Sie weisen eine einfache Syntax auf. Allerdings sind die Sätze oftmals metaphorisch gemeint und es tauchen zwischendurch botanische Fachbegriffe auf. Beim Vorlesen sind daher zusätzliche Erklärungen notwendig.

Auf den letzten beiden Doppelseiten befindet sich nur Text. Hier sind die Anmerkungen der Autorin, Tipps zu Umweltschutz und Co. sowie die Anatomie eines Baumes untergebracht. Vermutlich ist diese Art Anhang für Fünfjährige noch zu überfordernd. Als Ergänzung finde ich diese Seiten jedoch wunderbar.

Die farbenfrohen, aber nicht knalligen Illustrationen von Felicita Sala empfinde ich als sehr gelungen. Sie zeigen ihre Liebe zum Detail und sind gleichzeitig nicht überfrachtet. Die Bildsprache ist einheitlich. Dennoch sind die Motive abwechslungsreich und transportieren unterschiedliche Stimmungen.

Die Botschaft des Buches ist wundervoll. Hier lernen Kinder nicht nur die Eigenschaften und Lebensweise von Bäumen kennen, sondern gewinnbringende Vergleiche zu den Menschen anzustellen. Was mir besonders dabei gefällt: Auch als Erwachsene können wir einiges aus der Lektüre ziehen.

Der Einband mit den unterschiedlichen Blättern trägt zur überzeugenden Gestaltung bei. Das Covermotiv passt hervorragend zum Thema.

Mein Fazit:
Mit „Sei wie ein Baum!“ hat Maria Gianferrari ein kreatives und rundum gelungenes Bilderbuch konzipiert, das ich nur empfehlen kann. Zwar sind die Texte beim Vorlesen für jüngere Kinder etwas erklärungsbedürftig. Dennoch lohnt sich die Lektüre sehr, weil sie nicht nur Unterhaltung bietet, sondern pädagogisch wertvoll ist.

Veröffentlicht am 06.05.2022

Unter Wölfen

Wo die Wölfe sind
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Mit ihrer Zwillingsschwester Aggie kommt Inti Flynn nach Schottland, um dort ein Team von Biologen anzuführen. In den abgelegenen Highlands wollen die Wissenschaftler 14 Wölfe wieder ansiedeln. Auch für ...

Mit ihrer Zwillingsschwester Aggie kommt Inti Flynn nach Schottland, um dort ein Team von Biologen anzuführen. In den abgelegenen Highlands wollen die Wissenschaftler 14 Wölfe wieder ansiedeln. Auch für sich selbst Inti hofft auf einen Neuanfang…

„Wo die Wölfe sind“ ist ein Roman von Charlotte McConaghy.

Meine Meinung:
Der Roman beinhaltet 31 angenehm kurze Kapitel und endet mit einem Epilog. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Inti - vorwiegend im Präsens. Allerdings wechselt das Tempus immer mal wieder in die Vergangenheitsform, denn die Geschichte enthält einige Rückblicke.

Der Schreibstil wirkt ungekünstelt und unaufgeregt. Er ist dank gelungener Beschreibungen wunderbar anschaulich und aufgrund etlicher Dialoge lebhaft.

Inti steht eindeutig im Vordergrund der Geschichte. Sie ist mit viel psychologischer Tiefe ausgestattet und trotz oder gerade wegen ihrer Ecken und Kanten ein sympathischer, lebensechter Charakter. Auch die übrigen Figuren machen einen realitätsnahen Eindruck.

Auch darüber hinaus wird der Roman meinen inhaltlichen Erwartungen gerecht. Besonders gut haben mir die vielen Bezüge zur Natur gefallen. Die Botschaft, dass Mensch und Tier im Einklang miteinander leben müssen, ist gleichermaßen aktuell und wichtig. Auf unterhaltsame Weise lässt sich beim Lesen zudem interessantes Wissen zum Lebewesen Wolf erfahren.

Dabei ist das Buch keineswegs trocken, denn die Autorin hat gekonnt abwechslungsreiche Elemente eingeflochten, beispielsweise eine kleine Kriminalgeschichte und ungewöhnliche Fähigkeiten. Nicht zuletzt deswegen kommt auf den rund 420 Seiten keine Langeweile auf.

Das künstlerisch anmutende Cover ist nicht nur hübsch, sondern passt auch motivisch sehr gut. Der doppeldeutige Titel ist nicht ganz originalgetreu („Once There Were Wolves“) aus dem Englischen übersetzt, aber dennoch ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Wo die Wölfe sind“ von Charlotte McConaghy ist ein Roman, der mich in mehrfacher Hinsicht überzeugt hat. Definitiv empfehlenswert! Er gehört schon jetzt zu meinen Lieblingsbüchern des Jahres 2022.

Veröffentlicht am 13.04.2022

Im Dienste Deutschlands

Die Diplomatin
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Friederike Andermann, kurz Fred, gilt als eine erfahrene Konsulin. Doch in Uruguay wird der deutschen Botschafterin eine vermisste Bloggerin zum Verhängnis. Deshalb wird sie ins politisch aufgeheizte Istanbul ...

Friederike Andermann, kurz Fred, gilt als eine erfahrene Konsulin. Doch in Uruguay wird der deutschen Botschafterin eine vermisste Bloggerin zum Verhängnis. Deshalb wird sie ins politisch aufgeheizte Istanbul versetzt, ihrer bisher größte Herausforderung…

„Die Diplomatin“ ist ein Roman von Lucy Fricke.

Meine Meinung:
Die Handlung spielt in Montevideo, Istanbul und Hamburg. Entsprechend besteht der Roman aus drei Teilen unterschiedlicher Länge, die wiederum etliche Kapitel umfassen. Die Geschichte erstreckt sich über mehrere Jahre. Der Aufbau ist plausibel und funktioniert gut.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman absolut überzeugt. Der dialoglastige Schreibstil wirkt zunächst schnörkellos. Er konnte mich aber schnell mit seiner dichten Atmosphäre, gelungenen Sprachbildern und den teils lakonischen Zwischentönen begeistern. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Fred.

Die Protagonistin ist schon alleine aufgrund ihres Berufs ein interessanter Charakter. Mir gefällt gut, dass sie als authentische, eher reifere Person mit psychologischer Tiefe dargestellt wird. Auch die übrigen Figuren kommen glaubwürdig rüber.

Besonders gereizt hat mich das kreative Thema, die Geschichte einer Botschafterin zu erzählen. Die Umsetzung zeugt von einer fundierten Recherche. Ich habe nicht nur gerne mehr über den Arbeitsalltag einer Diplomatin erfahren, sondern mochte auch die feministischen Aspekte, die in der Geschichte gut herausgearbeitet werden. Auch die vielen aktuellen Anknüpfungspunkte bezüglich der Politik sprechen für den Roman.

Auf rund 250 Seiten kommt keinerlei Langeweile auf. Die Handlung wartet mit Verwicklungen und Hindernissen auf, ohne in punkto Dramatik über das Ziel hinauszuschießen.

Das moderne, kunstvoll gestaltete Cover trifft genau meinen Geschmack, obwohl der inhaltliche Bezug nicht direkt gegeben ist. Der prägnante Titel passt hervorragend.

Mein Fazit:
Mit „Die Diplomatin“ hat Lucy Fricke einen empfehlenswerten Roman geschrieben, der sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der sprachlichen Ebene keine Schwächen aufweist. Ein Buch, das Lust darauf macht, weitere Werke der Autorin zu entdecken.