Cover-Bild Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 10.03.2022
  • ISBN: 9783462001563
Yade Yasemin Önder

Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron

Roman

Ein großartiges, anarchistisches Sprachereignis: Yade Önders Romandebüt.

Schon immer haben drei Bestandteile ausgereicht, um die Welt neu zu erschaffen und zurück ins Chaos zu stürzen: Vater, Mutter, Kind. Yade Yasemin Önder bringt diese Akteure so virtuos auf Kollisionskurs, dass einem die Luft wegbleibt: ein im schönsten Sinne atemberaubendes Debüt.

Im Jahr nach Tschernobyl wird die Ich-Erzählerin geboren, irgendwo in der Westdeutschen Provinz, als »Mischling aus meiner Mutter und meinem Vater«, wie es heißt. Doch die intakte Kernfamilie währt nicht lange: Der türkische Vater (so übergewichtig, dass man »fast nichts mit ihm machen kann, was mit Schwerkraft zu tun hat«) stirbt. Alleingelassen ergeben Tochter und Mutter eine toxische Mischung. Der Roman erzählt, wie ein Mädchen hinausfindet aus einer beschädigten Familienaufstellung hinein in eine düster-funkelnde BRD. Er erzählt von einem Großvater mit Loch im Hals, von Sommern in Istanbul, die nach zu heißen Elektrogeräten riechen und nach Anis; von Dingen und Menschen, die auf Nimmerwiedersehen aus dem Fenster fliegen. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich immer wieder verliert und wiederfindet, auseinanderfällt und neu zusammensetzt. Bei alldem bleibt der Vater ein Wiedergänger, der deutlich macht: Auch jemand, der fehlt, kann zu viel sein.

Önders Debüt ist ein wilder Roman über den Körper, über Fremdheit und Ankommen, über Identität und Differenz, der durch seine Kühnheit immer wieder verblüfft: schnell und klug und bei aller Düsterkeit irrsinnig komisch.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.06.2022

Eine Collage

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Über drei Jahrzehnte begleiten wir eine namenlose Erzählerin auf ihrer Kollision mit der Welt. Sie ist Tochter eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter, wächst als Kind der 80er-Jahre in einer ...

Über drei Jahrzehnte begleiten wir eine namenlose Erzählerin auf ihrer Kollision mit der Welt. Sie ist Tochter eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter, wächst als Kind der 80er-Jahre in einer westdeutschen Provinz zwischen beiden Herkünften auf. Als der Vater bei einem Sägeunfall stirbt, hinterlässt sein Tod ein starkes Ungleichgewicht in der zurückbleibenden Mutter-Kind-Konstellation, welches sich vor allem in einer Bulimie der Protagonistin manifestiert. Der eigene Körper wird zum Gegner, und auch in der Schule findet sie keinen Anschluss, muss sich mit Rassismus und Ausgrenzung auseinandersetzen. Die sehr unzuverlässige Erzählerin erzählt dabei in üppigen Metaphern aus ihrem jungen Leben und schafft ein Selbstbildnis in hemmungsloser Sprache. Schemenhafte und flimmernde Sprache beleben die oft überspitzte Handlung, bei der man nie sicher sein kann, was wahr und was falsch ist. Alles kann so gewesen sein, doch nichts muss, anything goes scheint hier das Motto zu lauten. Die Erzählerin konstruiert, rekonstrutiert und dekonstruiert ihre eigene Lebensgeschichte in einem ständigen Flow, der hin und wieder plötzlich abbricht, um an späterer Stelle erneut an Fahrt aufzunehmen.
Der Roman ist eine experimentelle und surreale Suche nach der eigenen Wahrnehmung und Zugehörigkeit, immer wieder verwischt die Sprache die Grenzen von Realität und Imagination. Identität, Migrationstrauma und Körperlichkeit spielen eine entscheidende Rolle im Buch, thematisiert werden aber auch Sex(-sucht), toxische Beziehungen und natürlich das Erwachsenwerden in einer unbeständigen Welt. Ein buntes Prismaspiel mit kaleidoskopisch-scharfen Kanten. Ruckartig blitzen Szenen auf und werden dann bis zur Unerkennbarkeit verzerrt und mit einem unsteten Rythmus unterlegt, es steckt unglaublich viel zwischen den Zeilen. Sehr eindrucksvoll und sensibel wird hier eine Collage zwischen hemmungsloser Selbstzerstörung, Selbstinszenierung und leiseren Rufen nach Halt aufgebaut. Ein starker, extravaganter Debütroman mit virtuos-verrätselter Sprache, definitv ein Jahreshighlight für mich. Nach diesem überaus dramatisch inszenierten Werk bin ich nun gespannt, was wir von Yade Yasemin Önder noch lesen werden, und ich kann das Buch jedem empfehlen, der auf der Suche nach sprachlichen Außergewöhnlichkeiten ist: das Buch ist ein wortgewaltiges Kunstwerk.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Vielversprechendes Debüt

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Familie ist schon etwas Komisches, aber zugleich auch heilig, heimelig, vertraut und trotzdem fremd. Erst recht, wenn man als Kind zweier Elternteile aufwächst, deren unterschiedlicher Nationalitäten für ...

Familie ist schon etwas Komisches, aber zugleich auch heilig, heimelig, vertraut und trotzdem fremd. Erst recht, wenn man als Kind zweier Elternteile aufwächst, deren unterschiedlicher Nationalitäten für Missverständnisse und Vorurteile sorgen. Der Zusammenhalt kann tröstlich sein, bietet aber auch viel Spielraum für Verletzungen jeglicher Art und wird abrupt zum großen schwarzen Loch, als der Vater plötzlich stirbt. Die Beziehung zur Mutter und Tochter steht auf der Kippe und droht beide in den Abgrund zu stürzen...

Es gibt Debütromane, die suchen sich heimlich, still und leise ihren Weg an die Öffentlichkeit und dann gibt es solche, die mit einem lauten Knall auf sich aufmerksam machen. Und genau so ein Roman ist "Wir wissen, wir könnten und fallen synchron", denn die Autorin weiß gekonnt mit den Ängsten und Zweifeln ihrer Protagonistin umzugehen, setzt sie immer wieder absurden Situationen aus und zeigt deutlich, wie toxisch das Konstrukt Familie sein kann.

Yade Yasemin Önder zieht ihre Leser;innen hinein in eine Geschichte aus Selbstfindung, surrealen Szenen, teils wirren Erzählweisen und unglaublich vielen Emotionen, die den Werdegang ihrer Ich-Erzählerin über drei Jahrzehnte schildert.

Der Spagat ihrer Charaktere zwischen westlicher Kultur und islamischer Tradition gelingt der Schreibenden sehr gut und zeigt die innere Zerrissenheit der Ich-Erzählerin, die immer wieder zwischen den Stühlen sitzt. Was folgt, sind psychische Probleme und Essstörungen, die am ohnehin schon zerstörten Selbstbild nagen wie ein böses Tier. Die Hauptfigur vermittelt hier ein dramatisches Selbstbildnis , das zerstörerisch und hilfebedürftig zugleich ist.

Die Figuren können allesamt überzeugen und bieten eine Art Familienaufstellung im literarischen Sinn- die Beziehungen zu- und untereinander sorgen für Reibereien, bieten jedoch auch Anziehungspunkte und diese packt die Schreibende sprachlich ausgefeilt in eine Erzählung, die extravagant, provokant und mitunter urkomisch daher kommt.

Der Inhalt lässt sich schlecht beschreiben, ohne zu spoilern - einfach selbst lesen, in die Handlung hineinfallen und das Gelesene wirken lassen. Nicht immer ganz einfach, aber wenn man sich darauf eingelassen hat, ein Buch voller Gegensätze, eindrucksvollen Momenten und einem Schreibstil, der zwar nicht unbedingt Jedem/r liegt, aber genau da liegt die Stärke.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Vom Fressen und Fallen

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„Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“ von Yade Yasemin Önder
Ihr türkischer Vater stirbt durch einen Unfall als sie noch ein Kind ist. Sie, die namenlose Protagonistin, bleibt mit ihrer Mutter ...

„Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“ von Yade Yasemin Önder
Ihr türkischer Vater stirbt durch einen Unfall als sie noch ein Kind ist. Sie, die namenlose Protagonistin, bleibt mit ihrer Mutter zurück. Lieblosigkeit, Einsamkeit und das Trauma des Verlustes lassen sie verwahrlosen. Als Jugendliche gerät sie in einen Strudel aus Bulimie, Mobbing und Sexsucht. Der Roman ist sehr wort- und bildgewaltig. Die Emotionen die dadurch erzeugt werden sind jedoch abstoßend und bedrückend. Genussvolles wird übermäßig übertrieben bis es widerlich anmutet. Szenen driften immer wieder ins Surrealistische ab, bis sie zur Unkenntlichkeit verzerrt werden. Ein weiteres stilistisches Mittel ist die permanente Wiederholung in verschiedenen Facetten der Erzählkunst, ebenso die seitenlange Aufzählung scheinbar sinnloser Dinge. Leider war dies auf die Dauer ermüdend und auch die Aussage ging für mich dabei etwas verloren. Auch wenn ich zwischendrin Zeilen meiner Lieblingsband entdeckt habe konnte mich dieser Roman leider nicht abholen. Beeindruckt hat mich jedoch der extrem bildhafte und extravagante Schreibstil der Autorin.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Nicht mein Fall

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Die namenlose Protagonistin wird im Jahr nach Tschernobyl geboren, der Vater Türke, die Mutter Deutsche. Zu Beginn ist noch alles gut, doch dann stirbt der Vater bei einem Sägeunfall, das Verhältnis zur ...

Die namenlose Protagonistin wird im Jahr nach Tschernobyl geboren, der Vater Türke, die Mutter Deutsche. Zu Beginn ist noch alles gut, doch dann stirbt der Vater bei einem Sägeunfall, das Verhältnis zur Mutter wird immer schwieriger und auch in der Schule findet sie keinen Anschluss. Nach und nach gewinnt sie zwar vier Freundinnen, aus einer Zweckgemeinschaft heraus, aber auch eine hartnäckige Essstörung und eine lange Liste von Ex-Liebhabern.

Ihren Roman erzählt Yade Yasemin Önders Hauptfigur aus der Ich-Perspektive, wobei sie immer wieder durch die Zeiten springt, von der Geburt und Kindheit, zur Jugend, den ersten sexuellen Erfahrungen bis hin zur psychiatrischen Klinik, in der sie sich als Erwachsene befindet. Sprachlich gesehen sprengt sie dabei alle Grenzen, zerfasert Wörter und Sätze und setzt sie so lange neu zusammen, bis die Realität nicht mehr von der Imagination zu unterscheiden ist.

Sprachexperimente haben durchaus etwas für sich und es ist sicherlich hochinteressant, wenn die Autorin ein Kapitel in Varianten immer wieder neu erzählt, mal in Dopplungen, in Verneinungen oder in extremst genauen Angaben. Darüber hinaus muss ein Text für mich aber auch Substanz haben, eine Handlung, charakterisierte Figuren und einen gewissen roten Faden, auch dann, wenn die Reihenfolge der Ereignisse nicht stringent ist. Das alles fehlt mir in diesem Roman aber komplett. In einer anderen Rezension habe ich gelesen, am Ende füge sich alles zusammen: für mich war das leider nicht der Fall.

Ja, es geht um die klassisch modernen Themen: Identität, Rassismus, Mental Health und Sex, aber das ist manchmal auch einfach nicht genug. Für mich reicht es nicht aus, darzustellen, wie versiert man mit Sprache spielen kann, wenn sie dann eben nicht genutzt wird. Es genügt mir nicht, pausenlos über irgendwelche Ausscheidungen, Geschlechtsteile oder sexuelle Handlungen zu lesen. Es reicht nicht, wenn die Protagonistin sich mit ihrer personifizierten Bulimie unterhält. Das mag zwar alles sehr weltoffen und locker wirken, wurde aber eben von so vielen Autor*innen vorher auch schon gemacht – und das leider viel besser.

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