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Veröffentlicht am 26.07.2022

Lesen stärkt die Seele. (Voltaire)

Der Buchladen von Primrose Hill
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1939 London. Grace Bennett und ihre Freundin Vic verlassen ihr ländliches Leben und kommen kurz vor Kriegsbeginn in die englische Metropole, um dort zu leben und vor allem etwas zu erleben. Während Vic ...

1939 London. Grace Bennett und ihre Freundin Vic verlassen ihr ländliches Leben und kommen kurz vor Kriegsbeginn in die englische Metropole, um dort zu leben und vor allem etwas zu erleben. Während Vic eine Anstellung als Verkäuferin im Kaufhaus Harrods findet, erhält Grace die Chance, in einem Buchladen zu arbeiten. Schon bald verlässt sich der Eigentümer Mr. Evans vollkommen auf sie, denn Grace lässt nicht nur den Laden in neuem Glanz erstrahlen, sondern ihre freundliche und einfühlsame Art, auf die Kunden einzugehen, steigert zudem die Umsätze. Während London vom Krieg gebeutelt wird und sich die Menschen nach etwas Ablenkung sehnen, ist es gerade die Welt der Bücher, die ihnen diese Auszeit vom Schrecken des Krieges schenkt. Und nachdem Grace selbst durch die Buchgeschichten der Realität entfliehen kann, hilft sie den Kunden, genau das richtige Buch für sich selbst zu finden…
Madeline Martin hat mit „Der Buchladen von Primrose Hill“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur ins London während des Zweiten Weltkrieges zurückreisen lässt, sondern auch aufzeigt, wie wichtig es ist, sich von schlimmen Ereignissen und Schicksalen nicht unterkriegen und sich von Geschichten verzaubern zu lassen. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Grace‘ Seite sinken, um sie für knapp 6 Jahre zu begleiten. Grace will mit ihrer Freundin Vic dem Leben auf dem Land entfliehen. Sie träumen von Aufregung und Abenteuer in der Großstadt London, doch schon bald zerstört der Krieg ihre Hoffnungen und Träume und gibt ihrem Leben eine neue Richtung. Nun heißt es sich durchbeißen. Grace hat mit Lesen erst einmal nicht so viel am Hut, bis sie auf George trifft, der ihr ein Buch ans Herz legt. Schon bald hilft ihr diese Erfahrung, den Menschen bei ihren Sorgen und Nöten zuzuhören und für sie eine Lektüre auszuwählen, die ihnen eine Auszeit vom Alltag gewährt. Während der Krieg tobt und die Stadt nicht nur unter den Bomben vibriert, sondern auch ganze Stadtzüge zerstört, sind Bücher die letzte Bastion, um dem Wahnsinn wenigstens kurzzeitig zu entfliehen. Die Autorin hat den historischen Hintergrund gekonnt mit ihrer Handlung verknüpft und lässt mit ihren bildhaften Beschreibungen während der Lektüre beim Leser ein Kopfkino erwachen. Wenn Grace den Menschen vorliest, um sie etwas von den Sirenen und Bombeneinschlägen abzulenken, sitzt einem schon mal ein Kloß im Hals, denn zwischen Angst und Verzweiflung sind es gerade die vorgelesenen Worte, die Trost spenden und die Gewalt außen vorlassen.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften liebevoll in Szene gesetzt, so dass der Leser ihnen gerne folgt und sie bei ihren Unternehmungen beobachtet. Grace ist eine zurückhaltende, freundliche Frau, die zum ersten Mal Zugang zu Büchern findet. Die Kraft und Magie der Geschichten verändert sie, sie möchte diese Erfahrung mit allen Menschen teilen. Sie ist einfühlsam, hilfsbereit und teilt die Sorgen und Nöte von anderen. Mr. Evans ist zu Beginn ein mürrischer Tropf, der erst einige Zeit benötigt, um aufzutauen, doch dann entwickelt er sich zu einem echten Freund. Mrs. Weatherford ist eine gute, mütterliche Seele, die Grace und Vic unter ihre Fittiche nimmt und über sie wacht wie eine Glucke.
„Der Buchladen von Primrose Hill“ ist anders als die üblichen Romane dieses Genres. Hier findet man eine einfühlsame Geschichte vor dem Hintergrund des Kriegswahnsinns. Nachvollziehbar, nahbar und vor allem mit der Botschaft, dass Bücher die Welt bedeuten können. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 25.07.2022

Keine Berechnung kann das Schicksal besiegen. (Ovid)

Findelmädchen
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1955 Köln. Knapp 10 Jahre nach Kriegsende, in denen die 15-jährige Helga van Beek und ihr älterer Bruder Jürgen bei einer Pflegefamilie auf einem französischen Weingut gelebt haben, verändert ein Brief ...

1955 Köln. Knapp 10 Jahre nach Kriegsende, in denen die 15-jährige Helga van Beek und ihr älterer Bruder Jürgen bei einer Pflegefamilie auf einem französischen Weingut gelebt haben, verändert ein Brief vom Roten Kreuz ihr Leben. Ihr Vater ist aus der Kriegsgefangenschaft zurück und möchte seine Kinder nun bei sich in Köln haben, von der Mutter fehlt jede Spur. Helga und Jürgen kommen bei ihrer Tante Meta unter. Während Jürgen beim Automobilhersteller Ford eine Anstellung findet, erfüllt sich Helgas Traum von einem Besuch auf dem Gymnasium nicht, sie muss auf Wunsch ihres Vaters auf eine Haushaltsschule. War die Freude, endlich wieder mit dem Vater vereint zu sein, anfangs groß, so schwinden Helgas Illusionen schnell. Tante Meta macht ihr das Leben schwer, aber vor allem ein Praktikum im Waisenhaus bringt sie an die Grenzen der Belastbarkeit. Während in Köln die Kriegsruinen nach und nach verschwinden und der Wiederaufbau in vollem Gange ist, sieht sich Helga den größten Herausforderungen ihres Lebens gegenüber…
Lilly Bernstein hat mit „Findelmädchen“ einen sehr emotionalen historischen Roman vorgelegt, der den Leser in das Köln der Nachkriegszeit reisen lässt, um Helga und die damaligen Lebensumstände kennenzulernen. Der flüssige, bildhafte und einfühlsame Erzählstil nimmt den Leser schon mit wenigen Zeilen gefangen und bringt ihn an die Seite von Helga, wo er ihr nicht nur über die Schulter schauen, sondern auch ihre Gedanken- und Gefühlswelt sehr genau erkunden darf. Haben Helga und ihr Bruder vorher in einer liebevollen Pflegefamilie eine einigermaßen schöne Kindheit verleben dürfen, so müssen sie nun bei ihrem leiblichen Vater die harte Realität kennenlernen. Die Autorin beschreibt die Stadt zur damaligen Zeit auf sehr realistische Weise, die Kriegsruinen sowie das Leben der Bewohner wird so plastisch dargestellt, dass der Leser während der Lektüre vor dem inneren Auge vor sich sieht. Auch die Rolle der Frau zu jener Zeit wird gut hervorgehoben und ruft Unwillen hervor, denn Frauen wurden immer noch als unmündige Wesen behandelt, die es zu bevormunden gilt. Besonders entsetzlich sind die Zustände in dem Waisenhaus beschrieben, in dem Helga ihr Praktikum absolviert. Hier beweist Helga beweist großen Mut, denn sie setzt sich für die Kinder ein und hat vor allem auch keine Vorurteile gegenüber farbigen Schützlingen, die besonders unter der Behandlung im Heim zu leiden haben, misshandelt und stigmatisiert werden. Die Geschichte weiß von Anfang bis Ende zu fesseln, der finale Schluss passt allerdings nicht so ganz zum restlichen Roman, ist er doch viel zu weich gespült und eher unrealistisch.
Die Charaktere sind sehr facettenreich ausgestaltet und in Szene gesetzt, mit ihren glaubwürdigen Ecken und Kanten wirken sie sehr lebendig und nehmen den Leser in ihre Mitte, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt. Helga hat einerseits etwas von einer Träumerin, andererseits zeigt sie neben Mut und Stärke auch ein gewisses Maß an Freiheitsdrang und Selbstbestimmung. Sie lässt sich nicht verbiegen und steht für die Dinge ein, die ihr wichtig sind, dabei hat sie das Herz am rechten Fleck. Bruder Jürgen ist aufgeschlossen und lebenslustig, während der Vater sehr schweigsam und zurückhaltend ist. Tante Meta ist ein eiskalter Drachen, die das Heft nicht aus der Hand gibt. Aber auch Fanny, Bärbel, Albert und Claire haben wichtige Rollen in dieser Handlung.
„Findelmädchen“ ist eine bewegende Geschichte über Selbstbestimmung, Diskriminierung, Entfremdung und der Suche nach einer glücklichen Zukunft. Neben gut recherchiertem Hintergrund besticht der Roman mit sehr real geschilderten Schicksalen, wie sie zur damaligen Zeit leider zum Alltag gehörten. Verdiente Leseempfehlung für eine sehr unterhaltsame und berührende Geschichte!

Veröffentlicht am 08.06.2022

Einer der schönsten Wege zu uns selbst führt durch einen Garten. (Sprichwort)

Das Geheimnis des Wintergartens
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1907 legt die Landschaftsgärtnerin Venetia Smith im herrschaftlichen Gut Highbury House einen Garten an, um danach nach Amerika auszuwandern. Das Gut wird während des Krieges als Lazarett zweckentfremdet, ...

1907 legt die Landschaftsgärtnerin Venetia Smith im herrschaftlichen Gut Highbury House einen Garten an, um danach nach Amerika auszuwandern. Das Gut wird während des Krieges als Lazarett zweckentfremdet, doch wenigstens den Garten kann mit großen Anstrengungen gerettet werden, hat er doch für die damalige Hausherrin Lady Diana eine ganz besondere persönliche Bedeutung. 2020 ist es Emma, die auf den ersten Blick von dem alten Garten fasziniert ist und ihn wieder auf Vordermann bringen möchte. Während sie sich durch alte Aufzeichnungen und Skizzen arbeitet, erfährt sie auch immer mehr über das Geheimnis des Gutes nebst Garten…
Julia Kelly hat mit „Das Geheimnis des Wintergartens“ einen unterhaltsamen Roman über mehrere Zeitebenen vorgelegt, wobei der Garten von Highbury House die heimliche Hauptrolle spielt, um den sich so manche Geschichte rankt und manches Schicksal dort seinen Lauf nahm. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lädt den Leser zu einer spannenden Reise durch die Jahrzehnte ein, um sich nicht nur von einem alten Garten verzaubern zu lassen, sondern auch fünf außergewöhnliche Frauen kennenzulernen, die durch diese Anlage eng miteinander verbunden sind. Über unterschiedliche Zeitebenen und Perspektiven trifft der Leser in der Gegenwart auf die Gärtnerin Emma und in der Vergangenheit 1907 auf Venetia, die den Garten erschaffen hat sowie 1944 während des Zweiten Weltkrieges auf Lady Diana, Beth und Stella. Emmas Faszination für die Anlage von Highbury House drängt sie dazu, den Garten wiederzubeleben und zu neuem Glanz zu verhelfen. Gemeinsam mit ihr erfährt der Leser über alte Aufzeichnungen immer mehr über die vorherigen Bewohner von Highbury House sowie über die Entstehung und Geschichte des Gartens. Die Autorin verwebt die Schicksale ihrer fünf Protagonistinnen bildgewaltig mit der Gartenanlage, so dass der Leser während der Lektüre nicht nur mit den Frauen und ihrem Schicksal mitfiebern, sondern auch selbst durch ein schönes Kopfkino in dem geheimnisvollen Garten mit seiner wunderschönen Blütenvielfalt wandeln kann. Geschickt werden die Fäden der einzelnen Lebenswege mit dem Garten verknüpft, wobei nicht nur so einige Geheimnisse der einzelnen Protagonistinnen aufgedeckt werden, sondern am Ende auch der Garten selbst in neuem Glanz erstrahlt.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt, ihre glaubwürdigen menschlichen Ecken und Kanten machen sie dem Leser nahbar, der sich nur zu gern an ihre Fersen heftet und erwartungsvoll ihre Erlebnisse verfolgt. Emma ist an einem Scheideweg angekommen und muss ihrem Leben eine neue Richtung geben. Sie ist freundlich, behutsam, aber auch zupackend und einfallsreich. Venetia ist eine Frau mit großer Vorstellungskraft, die ihre Ideen in die Tat umsetzt. Lady Diana hat einen harten Schicksalsschlag zu verkraften, doch gerade der Garten, der ihr so viel Schmerz bereitet hat, ist gleichzeitig auch ihr größter Trost. Aber auch Stella und Beth verbindet viel mit der Anlage.
„Das Geheimnis des Wintergartens“ ist ein unterhaltsamer Roman über mehrere Zeitebenen und über fünf starke Frauen, deren Schicksal allesamt mit einer alten Gartenanlage verbunden ist. Ein gelungener Mix aus Historie, Liebe und Geheimnissen, der kurzweilig zu lesen ist. Verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.06.2022

Alles, worauf die Liebe wartet, ist die Gelegenheit. (Miguel de Cervantes)

Geschichte einer großen Liebe
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Der alte Andrea, ehemaliger Kapitän einer Fähre hängt seinen Erinnerungen nach und denkt dabei vor allem an seine Frau Edith. Ihre erste Begegnung war 1978, als Edith gerade die Schule beendet hat und ...

Der alte Andrea, ehemaliger Kapitän einer Fähre hängt seinen Erinnerungen nach und denkt dabei vor allem an seine Frau Edith. Ihre erste Begegnung war 1978, als Edith gerade die Schule beendet hat und mit der Fähre, von Piräus nach Venedig reiste und auf der der 10 Jahr ältere Andrea als Kapitän Dienst tat. Zwischen den beiden entwickelt sich eine kurzlebige Liebe. Obwohl Andrea sogar seine Verlobung löst und Edith einen Heiratsantrag macht, verläuft ihre Beziehung im Sande und die beiden verlieren sich für längere Zeit aus den Augen. Doch ihre Wege kreuzen sich durch Zufall wieder und es entflammt die alte Flamme der Liebe erneut, nur um darauf durch Ediths erneutes Verschwinden wieder zu erlöschen. Schlussendlich finden die beiden doch noch zueinander, doch nicht nur Glück pflastert ihren gemeinsamen Lebensweg, auch Schicksalsschläge müssen ertragen werden…
Susanna Tamaro hat mit „Geschichte einer großen Liebe“ einen feinfühligen und poetischen Roman vorgelegt, der nicht nur eine melancholische Liebesgeschichte erzählt, sondern sich herausfordernden Themen wie Abschied, enge Verbundenheit, Liebe, Verlust, Tod, Trauer und Versöhnung stellt. Der locker-leichte, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil erschafft während der Lektüre nicht nur Bilder im Kopf des Lesers, sondern lässt ihn auch durch ein Kaleidoskop von Emotionen rauschen, während er dem gealterten Andrea auf einer Mittelmeerinsel bei der Reflektion seiner Erinnerungen Gesellschaft leistet. Durch wechselnde Zeitsprünge von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück erfährt der Leser dabei die bewegende Geschichte einer Liebe, die sich erst über Jahre und Umwege immer mehr entwickelte und zwei Seelenverwandte endlich zusammenführte. Nicht nur der Altersunterschied zwischen Andrea und Edith spielt in der Beziehung der beiden eine Rolle, sondern auch Ediths Wankelmütigkeit. Während Andrea den Leser Gesellschaft mit dem Nachspüren seiner Erinnerungen unterhält, glänzt Edith durch Abwesenheit, was den Leser Vermutungen anstellen lässt, was wohl mit ihr geschehen ist. Die Autorin zögert diesen Moment gekonnt hinaus und baut damit gleichzeitig ihren Spannungsbogen aus. Dabei verliert sie nie den Pfad der Melancholie aus den Augen, die die gleichsam wunderschöne wie tragische Geschichte des Paares durch die Handlung hindurch begleitet.
Die Charaktere sind nuanciert gestaltet und fügen sich gut in die Szenerie ein. Der Leser folgt ihnen gern, wenn auch mehr als Beobachter. Andrea, inzwischen ein alter Mann, ist eher ein ruhiger Zeitgenosse, zupackend und genügsam. Edith ist das passende Gegenstück dazu, sie wirkt ruhelos, kraftvoll, aber auch verunsichert und wie eine Fliehende. Während Andrea für den Leser greifbar und wahrhaftig ist, bleibt Edith nur eine Skizze, die immer wieder verblasst.
„Geschichte einer großen Liebe“ ist ein melancholischer Roman mit viel Poesie über eine große, einzigartige Liebe, die sich jeder von uns wünscht, doch nur wenige in ihrem Leben finden. Eine Geschichte für Herz und Seele, wenn man sich vom Erzählstil der Autorin verzaubern lässt. Verdiente Empfehlung!

Veröffentlicht am 07.06.2022

Eine Schwester ist sowohl dein Spiegel – als auch dein Gegenstück. (Elizabeth Fishel)

Die Fabrikantinnen – Schwesternbande
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30er Jahre Nähe Hildesheim. Der Tod ihres Vaters ist nicht nur ein herber Verlust für die Schwestern Emmi und Anni Engel sowie deren Mutter, sie müssen dadurch auch hart gegen die Armut kämpfen. Ein Tanzfest ...

30er Jahre Nähe Hildesheim. Der Tod ihres Vaters ist nicht nur ein herber Verlust für die Schwestern Emmi und Anni Engel sowie deren Mutter, sie müssen dadurch auch hart gegen die Armut kämpfen. Ein Tanzfest verändert vor allem das Leben von Emmi und Anni, denn sie begegnen Emil Wagner, dem Sohn eines wohlhabenden Zuckerfabrikanten. Beide Schwestern verlieben sich auf Anhieb in den jungen Mann, doch Emil hat nur Augen für Anni, die er schließlich bittet, seine Frau zu werden. Während Emil sich um die Zuckerfabrik kümmert, muss sich Anni mit den Gemeinheiten ihrer Schwiegermutter rumschlagen. Als Anni eine kleine Tochter bekommt, scheint sich das Blatt endlich zu wenden, doch dann rollt ein schweres Unglück über die Familie hinweg und Anni braucht ihre Schwester Emmi dringender denn je…
Sarah Lindberg hat mit „Schwesternbande“ den Auftaktroman ihrer Fabrikantinnen-Reihe vorgelegt, der mit einer unterhaltsamen und gefühlvollen Familiengeschichte in einer bewegten Zeit aufwarten kann, der auf realen Begebenheiten beruht. Der flüssige, bildhafte und emotionsgeladene Erzählstil nimmt den Leser mit ins vergangene Jahrhundert, wo er von Beginn der 30er Jahre bis ins Jahr 1945 das Leben der beiden Schwestern Emmi und Anni begleitet und so auch die schicksalsträchtigen Kriegsjahre miterlebt. Obwohl die beiden Schwestern vom Charakter her nicht unterschiedlicher sein könnten und aus ärmlichen Verhältnissen kommen, verbindet sie ein enges Band miteinander, vor allem seit dem Tod des Vaters. Dann verlieben sie sich ausgerechnet in denselben Mann, der der jüngeren Anni den Vorzug gibt. Doch auch bei den Reichen ist nicht alles Gold was glänzt und Anni sieht sich den ständigen Drangsalierungen ihrer Schwiegermutter ausgesetzt, während ihr Ehemann aufgrund des Naziregimes um das Überleben der Zuckerfabrik kämpft. Geschickt verbindet die Autorin ihre Familiengeschichte mit dem Schicksal der Zuckerfabrik und schmiedet dabei eine fesselnde Geschichte, die mit unvorhersehbaren Wendungen den Leser regelrecht an die Seiten kettet, während er mit Emmi und Annie eine Achterbahn der Gefühle durchläuft. Sowohl die damalige Rolle der Frau als auch gesellschaftliche Gepflogenheiten sowie Arbeitskräftemangel und den Wiederaufbau nach dem Krieg lässt die Autorin in ihre Handlung miteinfließen.
Die Charaktere sind facettenreich ausgestaltet und in Szene gesetzt. Mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten nehmen sie den Leser schnell für sich ein, der sich nur zu gern an ihre Fersen heftet und ihr Schicksal hautnah mitverfolgt. Emmi ist eine ernsthafte, zurückhaltende und intelligente Frau, die sich fürsorglich um andere kümmert, und ihre eigenen Träume dabei fast vergisst. In Krisenzeiten kann man sich immer auf sie verlassen, dabei übernimmt sie Verantwortung, ist mutig und wächst über sich hinaus. Die jüngere Anni dagegen ist lebens- und unternehmungslustig, wenn sie auch oftmals verwöhnt und vor allem naiv wirkt. Emils Mutter ist eine intrigante Frau, die Anni gern drangsaliert und ihr das Leben schwer macht. Emil bleibt bei all den Frauen leider etwas farblos.
Mit „Schwesternbande“ hat Sarah Lindberg einen packenden Auftaktband vorgelegt, der mit einer fesselnden Familiengeschichte und vielen emotionalen Momenten überzeugt. Der Leser hat während der Lektüre ein schönes Kopfkino und kann sich der Handlung kaum entziehen. Verdiente Leseempfehlung!