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Veröffentlicht am 11.06.2017

Humor trifft auf Tragik

Biete Krise, suche Glück
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Bernhard ist 50 Jahre alt und steht vor dem Nichts. Seine Ehe ist gescheitert, sein Chef setzt ihn vor die Tür. Nachdem er eine Weile im Hotel gelebt hat, ist dies mangels Geldes auch keine Option mehr, ...

Bernhard ist 50 Jahre alt und steht vor dem Nichts. Seine Ehe ist gescheitert, sein Chef setzt ihn vor die Tür. Nachdem er eine Weile im Hotel gelebt hat, ist dies mangels Geldes auch keine Option mehr, wieder geht es ein Stück in seiner Abwärtsspirale hinunter, als er notgedrungen wieder bei seinen Eltern einzieht.

David Foenkinos hat es wunderbar geschafft diese tragische Geschichte mit Humor und wunderbaren Erzählwitz zu beschreiben, ohne dass sie ins Lächerliche abrutscht. Er schafft es diese gelungene Mischung aus Ernsthaftigkeit gepaart mit Slapstick, aus Tragik und Humor, aus Niederlagen, Überlebenswillen, Hoffnung und Neuanfang meisterhaft zu erzählen.

Bernhard steht dabei im Mittelpunkt. Aus seiner Sicht, in der Ich-Erzählperspektive, beschreibt Foenkinos die Gedanken, die Reaktionen, das Verdrängen, die Unfähigkeit. Immer mehr rutscht der Banker, der sich lange im Leben nur treiben lies, der keinerlei Eigeninitiative zeigte, der im Berufs- und Familienleben keinerlei Biss zeigte, wie schnell es gehen kann, wie schnell man aus allem rausgekickt werden kann. Und Bernhard kann sich nicht wehren. Es ist ein langer Prozess für ihn um das zu Lernen. Aber auch ein wichtiger Prozess. Er muss lernen das Leben wieder zu geniessen, eigene Wünsche zu haben, eigene Vorstellungen vom Leben und auch das Lachen und die Freude wieder zu entdecken.
Öfters habe ich über seine Art einfach nur den Kopf geschüttelt, manchmal laut gelacht, manchmal ihn bedauert oder einfach wollte man ihn einfach nur wachrütteln...Bernhard, der als Protagonist so erstarrt wirkt, weckt Gefühle und Emotionen beim Leser. Tolles Kopfkino vom Autoren, der diese Geschichte so wunderbar lebendig erzählt. Wenn man meint, es geht nicht noch schlimmer abwärts, dann setzt er noch eine Schippe obendrauf und dennoch schafft er es auch hinterher ein zufriedenstellendes Ende zu finden.

Es ist trotz aller ernsten Themen kein düsteres Buch, im Gegenteil. Gefallen haben mir die Wortspielereien, die gut beobachteten und analysierten Begebenheiten, die Menschenkenntnis, die Situationskomiken, die bildhaften Darstellungen, die Entwicklung der Protagonisten....eben einfach alles.
Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und hatte viel Vergnügen beim Lesen, auch wenn der Roman auch viel Stoff zum Nachdenken bietet.

"Biete Krise, suche Glück" ist eine Neuauflage des bereits unter dem Titel "Zurück auf los" erschienen Buches.

Fazit:

Gelungene Mischung aus Tragik und Humor, ein Roman mit ernstem Hintergrund vom Scheitern und Neuanfang - sehr gut erzählt!

Veröffentlicht am 03.12.2024

Humorvoll mit der richtigen Portion Tiefgang

Vielleicht hat das Leben Besseres vor
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Eine Geschichte, die in der niederrheinischen Dorfgemeinde Alpen spielt. Im Zentrum stehen die Pastorin Anna von Betteray und die Mutter Heike, deren Tochter Raffaela nach einem mysteriösen Vorfall bewusstlos ...

Eine Geschichte, die in der niederrheinischen Dorfgemeinde Alpen spielt. Im Zentrum stehen die Pastorin Anna von Betteray und die Mutter Heike, deren Tochter Raffaela nach einem mysteriösen Vorfall bewusstlos aufgefunden wird. Raffaela, die seit einem Unfall in ihrer Kindheit geistig behindert ist, liegt im Koma, und das ganze Dorf spekuliert, was geschehen sein könnte.

Die Geschichte wechselt zwischen der Gegenwart und Rückblicken, die Raffaelas Unfall, das anschließende Familienleben und die schwierigen Umstände ihrer Mutter Heike beleuchten. Anna, selbst mit familiären Problemen belastet, übernimmt nicht nur die Seelsorge für Heike, sondern kümmert sich auch um ihren Neffen Sascha, ihre eigenwillige Mutter und die weitere Familie, die sie alle zusammen gehörig auf Trapp halten.

Anne Gesthuysen verbindet ernste Themen wie Schuldgefühle, Mutterliebe und die Kraft der Gemeinschaft mit einem feinsinnigen Humor, der das Dorfleben und seine schrulligen Charaktere authentisch darstellt. Spannend bleibt die Frage, was Raffaela zugestoßen ist, während die Geschichte vor allem auf menschliche Beziehungen und emotionale Tiefe fokussiert bleibt.

Es gibt schon ein paar andere Romane um die Pfarrerin Anne, die ich nicht kannte. Trotzdem kam ich ganz gut mit den Hauptfiguren zurecht, obwohl ich mich am Anfang ein wenig einlesen musste, der Erklärungsbedarf wurde allerdings im Laufe der Geschichte ausreichend gedeckt. Dennoch blieb bei mir das unbestimmte Gefühl, dass mir was fehlt. Ratsam wäre es daher denke ich, wenn möglich, die Reihe von vorne zu beginnen.

Fazit: Ernste, aber auch sehr viele humorvolle Momente wechseln sich in dieser Geschichte ab. Der Roman überzeugt durch Anne Gesthuysens anschaulichen Schreibstil und psychologische Finesse, wobei dies kein Krimi ist, sondern eher als eine humorvolle Milieustudie über das Miteinander in einer Dorfgemeinschaft anzusehen ist.

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Veröffentlicht am 03.12.2024

Eine ganz besondere Tasche steht im Focus

Der blaue Salamander
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Eine Tote im Beichtstuhl. Eine verschwundene Designer-Handtasche. Capri. Ein einheimischer Ermittler, der jeden auf der Insel zu kennen scheint, und eine (straf-)versetzte Ermittlerin, die gut kombinieren ...

Eine Tote im Beichtstuhl. Eine verschwundene Designer-Handtasche. Capri. Ein einheimischer Ermittler, der jeden auf der Insel zu kennen scheint, und eine (straf-)versetzte Ermittlerin, die gut kombinieren kann, aber auch einiges an (privatem) Ballast mit sich herumschleppt. Der Hauptfokus bei der Reihe liegt allerdings immer auf den Ermittlungen. Auch dieser Krimi aus der Capri-Reihe von Luca Ventura ist wieder sehr fesselnd und abwechslungsreich.

Es ist inzwischen der fünfte Band dieser Reihe, im März 2025 wird es dann den 6. Band geben, auf den ich mich nun umso mehr freue. Ich mag den Stil des Autors, er schafft es, dass man sich die Handlung sehr gut vorstellen kann, er erschafft eine lebendige und vor allem authentische Atmosphäre und hat wieder einmal eine fesselnde und auch unterhaltsame Handlung entworfen.

Inspektor Rizzi zeigt hier erneut seine ruhige, überlegte Art. Antonia Cirillo bringt wie immer Schwung und Pragmatismus in die Geschichte. Die Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren ist einer der großen Pluspunkte der Reihe.
Luca Ventura gelingt es, die Balance zwischen ein wenig Urlaubsflair und ernsthaftem Krimi zu halten – ein perfektes Buch für alle, die eine spannende Reise ins Herz des Mittelmeers suchen.

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Veröffentlicht am 16.11.2024

Auszeit

Draußen zu Hause
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Einfach mal ein Jahr im Zelt wohnen, auf einer einsamen Insel in der schwedischen Wildnis? Einfach war es nicht immer, einsam die meiste Zeit. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen war es für Johannes ...

Einfach mal ein Jahr im Zelt wohnen, auf einer einsamen Insel in der schwedischen Wildnis? Einfach war es nicht immer, einsam die meiste Zeit. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen war es für Johannes Likar eine ganz besondere Erfahrung. Ende 2018 fängt er mit ein paar Monaten zelten in der Nähe seiner neuen Arbeitsstelle in Schweden an. Daraus reift der Plan einmal komplett auszusteigen. Ein Jahr weg. Zeit, um in sich zu gehen und vielleicht antworten auf die wichtigsten Fragen des Lebens zu finden. Er findet eine Insel in Schweden, auf der er zelten darf. Von Mai 2019 bis in den Sommer 2020 bleibt er dort. Auch wenn es dort einsam ist, sind wichtige Nachbarn, die er dort kennen lernt, immer hilfsbereit zur Stelle, wenn Not am Mann ist. Johannes Likar empfängt auch Freunde und ab und an verlässt er auch die Insel, zb um zwischendurch ein bisschen Geld zu verdienen, wichtige Events und Treffen mit anderen. Aber die meiste Zeit ist er auf sich allein gestellt, er muss Lösungen für auftretende Probleme finden, er baut sein Zeltlager aus, er schreibt Texte für Lieder und schreibt Tagebuch. Dieses Tagebuch ist später die Grundlage für dieses Buch.

Auch wenn dieses Leben im Zelt für ein Jahr (bei Johannes Likar wurden es am Ende sogar zweieinhalb Jahre) für mich so gar nichts wäre, fand ich es trotzdem oder gerade deswegen so spannend darüber zu lesen. Sein Bericht über diese Zeit, dieses Buch, schafft es mit der richtigen Mischung aus Humor und Ernst zu unterhalten. Ich habe mich aber auch oft gefragt, wie schafft man das in der heutigen Zeit? Gerade als junger Mensch. Ich hatte, als ich zu dem Buch gegriffen habe, anfangs an einen viel älteren Mann gedacht und war überrascht, dass „Jojo“ erst Ende20/Anfang 30 war, als er sich diese Auszeit genommen hat und damit auch seinen weiteren Lebensweg eine andere Richtung gegeben hat.

Ein ehrlicher Bericht über eine ganz besondere Zeit, ganz besondere Erfahrungen mit Einblicken in die Gefühls- und Gedankenwelt des Autors, ein Buch, das mich beeindruckt hat.

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Veröffentlicht am 16.11.2024

Neuanfang

Das Buch der neuen Anfänge
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Was bleibt, wenn wieder alles auf Null gesetzt wurde, wenn Träume zerplatzen? Jo, die Hauptfigur hat ihren langjährigen Freund verloren, und damit auch ihren Traum einer Familie. Sie hat ihre Arbeitsstelle ...

Was bleibt, wenn wieder alles auf Null gesetzt wurde, wenn Träume zerplatzen? Jo, die Hauptfigur hat ihren langjährigen Freund verloren, und damit auch ihren Traum einer Familie. Sie hat ihre Arbeitsstelle aufgegeben, das Band zu ihrer besten Freundin ist gerissen. Nun, durch die Erkrankung ihres Onkels ausgelöst, übernimmt sie vorübergehend dessen altertümlich wirkenden Laden in London. Ein Neuanfang? Erst mal muss sich Jo wirklich von der Vergangenheit lösen, alles verarbeiten und lernen, dass es manchmal so besser ist. Leichter gesagt als getan. Trotz allem fängt Jo an neue Freundschaften zu schließen und auch an alte wieder anzuknüpfen. Denn da sind Erik und Lando, ihre neuen Nachbarn, und Ruth und Malcom, zweier ihre interessantesten Kunden.

Es ist ein ruhiger Roman, und dennoch versprüht er einen ganz gewissen Charme. Es geht um Selbstfindung und Selbstliebe. Es geht aber auch um Freundschaften und Neuanfänge. Um Vergangenheit, Zukunft und den richtigen Weg, den jeder für sich finden muss. Die Autorin hat mich vor allem überzeugt durch die Gespräche, die geführt wurden, auch wenn für mich nicht alles rund war, und diese vielleicht nicht der spannendste Roman, den ich in der letzten Zeit gelesen habe, hat er mir dennoch gut gefallen. Es ist eine Geschichte voller Liebe, Nostalgie, vor allem spürt man die Warmherzigkeit. Hinzu kommt Humor und eine große Portion "alter Geister", die in Gesprächen zum Leben erweckt werden. Übrigens ein toller kleiner Epilog am Ende (bitte nicht vorab linsen).

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