Warum Feminismus auch heute noch wichtig ist!
Wenn Männer mir die Welt erklärenDer Einstieg ist eigentlich mehr oder weniger amüsant. Ein Kerl, der große Töne spuckt. Er meint, der Autorin von einem großartigen neuen Buch erzählen zu müssen, weil sie über das Thema geschrieben hat. ...
Der Einstieg ist eigentlich mehr oder weniger amüsant. Ein Kerl, der große Töne spuckt. Er meint, der Autorin von einem großartigen neuen Buch erzählen zu müssen, weil sie über das Thema geschrieben hat. Das Buch, das er meint, stammt von ihr, aber er merkt es nicht. Ein Idiot vor dem Herrn, der sich profilieren wollte, der Frau vor seinen Augen nicht zugetraut hat, etwas Großes und Wichtiges geschafft zu haben, und dabei gepflegt auf die Nase gefallen ist. Ja, das kennen viele Frauen. Der Einstieg ist auf den zweiten Blick nicht mehr amüsant, wenn ich daran denke, wie oft Frauen klein geredet werden, ihnen die Chance gar nicht gewährt wird, aus eben den Gründen, die auch jener Mann hatte. Bewusst oder unbewusst, Frauen werden längst noch nicht gleichbehandelt. Und doch ist dieses Beispiel ein harmloses im Vergleich zu denen, die noch kommen.
Rebecca Solnit ist Journalistin und Autorin. Sie beschäftigt sich schon lange mit Umweltschutz und Menschenrechten, dabei auch immer wieder mit Frauenrechten. 2010 war sie eine der 25 Visionäre, die Utne Readers gekürt hatte. Ja, sie ist Feministin. Und dieses Buch zeigt, warum es wichtig ist, dass unsere Welt auch heute noch Feministinnen wie sie kennt.
Im Sammelband steht neben dem lockeren Einstieg ein erschütternder Text über Vergewaltigung, ein grandioser zu Strauß-Kahn. Sie hat zur Ehe für Alle, zu Virginia Woolf, zu Feminismus und Weiblichkeitsbildern geschrieben und diese Texte sind zum Teil hier zu finden. Es sind kleine reale Horrorgeschichten. Es ist Realsatire. Texte, die mich nicht losgelassen haben, die erschütternd waren, faszinierend, bewegend, energetisierend. Denn so wie es ist, kann es nicht bleiben.
Die Absurdität beispielsweise, dass Frauen „zu ihrem eigenen Schutz“ weggesperrt werden, statt die Welt so zu verändern, dass dieser Schutz unnötig ist. Sei es bei jungen Studentinnen, denen geraten wird, bei Einbruch der Dunkelheit ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen, statt dass den Männern erklärt wird, warum Vergewaltigung falsch ist. Dem krankhaften Machtanspruch der Vergewaltiger wird einer gegenübergestellt, der die Frauen wegsperrt. Diese Welt gehört noch immer dem Mann und er sorgt dafür, dass es so bleibt. Auf die eine oder andere Weise. Die Frau wird zum Objekt, das begehrt wird, beschützt werden muss. Zum Besitz.
Dieser Anspruch wird auch in der Ehe noch immer geführt. Die Öffnung der Ehe für alle ist für Solnit darum auch die Möglichkeit, Gleichstellung innerhalb der Ehe zu erreichen. Die Vorstellung von einem „männlichen“ und einem „weiblichen“ Part in einer Beziehung – die nichts anderes meint, als einen dominanten und einen unterwürfigen Teil – abzulegen. Es ist der Traum von Beziehungen zwischen gleichwertigen Menschen – und nein, der ist leider oft keine Realität.
Solnit schmeißt hier nicht mit angeblich feministischen Kapriolen um sich. Sie zeigt auf. Ihre Essays beschreiben reale Geschehnisse, zitieren Studien, Artikel, Menschen. Sie kommentiert diese auf eine sehr nüchterne, durchdachte Art und Weise. Damit reißt sie mich mit. Sie plakatiert nicht, sie nimmt den Leser mit durch ihre Überlegungen, auf eine Reise, die holprig ist, weil das Ziel ein Kriegsgebiet ist. Im Grunde bleibt sie die ganze Zeit die Autorin, die erzählt bekommt, jemand habe zu ihrem Thema ein bahnbrechendes Buch geschrieben. Ruhig, nachdenklich, fragend. Da sind Selbstzweifel und die Erkenntnis danach, dass es ihr Buch ist. Die Erkenntnis, dass nicht sie falsch ist oder das falsche Geschlecht hat, sondern die Welt. Eine Welt, die bewertet, ohne hinzusehen, aufgrund von Geschlechtsteilen.
Ich habe schon oft gehört, die Welt bräuchte keine Feministen. Oder dass Feministen ein Ungleichgewicht gegen ein Ungleichgewicht eintauschen wollten. Dieses Buch wertet nicht. Manchmal, wenn ich mir gedacht habe, dass zu viel „Männer“ über einen Kamm geschert werden, genau dann, greift die Autorin zurück und relativiert. Dass es nicht „die Männer“ gibt. Aber die Täter, Vergewaltiger, Denkmuster. Das ist sehr gut gemacht. Sehr wichtig. Ich lege jedem dieses Buch ans Herz, denn es geht uns alle an, aus der einen oder anderen Perspektive.