literarische Aufarbeitung des Amakasu Zwischenfalls
Großes SpielIm Jahre 1912 besteigt Yoshihito den japanischen Kaiserthron. Die fünfzehn Jahre seiner Regentschaft sind geprägt von Führungsschwäche und Umbrüchen im Land. Einer dieser Menschen, die den Umbruch vorantreiben ...
Im Jahre 1912 besteigt Yoshihito den japanischen Kaiserthron. Die fünfzehn Jahre seiner Regentschaft sind geprägt von Führungsschwäche und Umbrüchen im Land. Einer dieser Menschen, die den Umbruch vorantreiben wollen, die ein Ende der Kaiserzeit herbeisehnen und für die Freiheit aller Menschen steht, ist Sakae Ôsugi, gelehrt, und voller revolutionärere Ideen. Als Gegenspieler hat er Hauptmann Amakasu, einen aufopferungsvollen Diener des Kaiserreichs. Er wird auf Ôsugi angesetzt, überwacht ihn, und kennt ihn schon bald besser, als dieser sich selbst. Eine sehr einseitige Beziehung, denn Ôsugi hat kein Bild dazu, wer ihn überwacht. Als 1923 das große Kantô-Erdbeben den Großraum Tokios erschüttert, läutet sich für Japan eine Stunde Null ein. Das Militär stutzt alles wieder zurecht, was in den Jahren der Jahren der laschen Regentschaft Yoshihitos entstehen konnte.
Weder Amakasu-Zwischenfall, noch Sakae Ôsugi waren mir vorher ein Begriff, doch der Klappentext, revolutionäre Bestrebungen und die konservativen Gegenströmungen reizten mich sehr. Und so bekommt man von Hans Platzgumer eine literarisch außerordentlich hochwertige Aufarbeitung mit schon fast biographischen Zügen präsentiert. Als Erzähler haben wir Hauptmann Amakasu, der am Ende seines Lebens über die wohl prägendste Figur seines Lebens und seiner Laufbahn nachdenkt. Er teilt mit uns, wie Yoshihito, Sakae Ôsugi und die anderen im Roman relevanten Protagonist:innen zu den Menschen heranreifen konnten, die sie am Höhepunkt, dem Kantô-Beben, waren. durch diese Form der Nacherzählung werden wir beim Lesen nicht mit überflüssigen Informationen zugeschüttet, sondern bekommen ein recht einfühlsames und Interessantes Bild der unterschiedlichen Figuren. Doch gerade Hauptmann Amakasu kommt einem dadurch besonders intensiv und nahe, auch wenn er durch seine Verhaltensweisen - diese sind nicht übermäßig negativ oder abscheulich - und seine politisch abscheulich reaktionären und rückständigen politischen und gesellschaftlichen Einstellungen absolut nicht sympathieweckend wirkt.
"Ein Wissen, dass sich und seine Konsequenzen nicht ständig hinterfragt, beschränkt sich auf die eigenen Erfolge und widersetzt sich in logischer Folge jeglichen Veränderungen. es ist kein Wissen, sondern ein Festhalten. Niederträchtig steht es im Schulterschluss mit der Macht." (S. 96)
Grundsätzlich liegt, trotz der darin beschriebenen Ereignisse dem Buch eine magische Ruhe und Unaufgeregtheit zu Grunde. Kein sonderlich imposanter Spannungsbogen zieht sich vom Anfang bis zum Ende des Buches. Viel mehr arbeitet der Autor die damaligen gesellschaftlichen und politischen Umbruchsversuche in Japan auf, die universell genauso für andere Länder gültig sein hätten können, und im Kern ihrer Diskussion auch noch im 21. Jahrhundert Geltung finden, Gesellschaftskritik, Schilderung historischer Gegebenheiten und literarisch zum Verlieben.