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Veröffentlicht am 16.06.2022

Nichts für schwache Nerven!

Biest & Bethany - Ein gefundenes Fressen
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Nachdem das Biest vor Hunger geschrumpft ist, weil Ebenezer es nicht über sich gebracht hat, Bethany an dieses zu verfüttern, hat die hungrige Papageiendame Claudette es mit einem Happs verspeist. Nun ...

Nachdem das Biest vor Hunger geschrumpft ist, weil Ebenezer es nicht über sich gebracht hat, Bethany an dieses zu verfüttern, hat die hungrige Papageiendame Claudette es mit einem Happs verspeist. Nun ist alles gut, glauben die neuen Freunde und beschließen fortan gute Menschen zu sein! Dummerweise haben sie keine Ahnung, wie das geht und niemand scheint ihnen so recht zu trauen. Außerdem wird Claudette von fürchterlichen Bauchschmerzen geplagt, dabei möchte sie doch so gerne ein Konzert zu Ehren ihres verstorbenen Cousins Patrick geben! Ihre Probe kommt schon mal bestens an und das Konzert ist schnell ausverkauft. Claudette und Bethany wollen das Haus von Ebenezer gerne entbiestern d.h. alles los werden, was das Biest Ebenezer im Tausch gegen seine grausamen Futterspenden hervorgewürgt hat. Das passt dem Biest so gar nicht, denn es lebt nun in Claudettes Bauch weiter und ist mit den aktuellen Entwicklungen überhaupt nicht einverstanden. Es hegt mal wieder grausige Pläne!

Ein Hörbuch ist dann gelungen, wenn der Verlag die bestmögliche Stimme zur Geschichte gefunden hat! Dies ist mit der rauchig, knarzigen Stimme von Mechthild Großmann, wie sie genüsslich die boshaften Pläne des Biestes präsentiert, auf jeden Fall geglückt! Sie zelebriert das Grauen und den Grusel so sehr, dass Kinder es nicht zum Einschlafen hören sollten! Lebendig und unter die Haut gehend schildert sie Bethanys vergeblichen Versuche ein besseres Kind zu werden und des Biests verdorbende Pläne, dies zu verhindern. Man spürt richtig, wie die magisch-bösen Gegenstände des Biests nach Ebenezer greifen und wieder die Herrschaft über diesen erlangen wollen! Bethany ist so glücklich endlich Freunde gefunden zu haben, dass das Biest dies aus Claudettes Bauch heraus torpediert, um zu verhindern, dass Bethany und Ebenezer bessere Menschen werden (bis zu gut ist es ein weiter Weg, aber jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.). Allerdings war Claudette bisher so liebenswürdig, dass Bethany ihr voll und ganz vertraut. Ganz anders als die Bewohner des Ortes, die an die Läuterung von Bethany und Ebenezer wirklich nicht glauben können.

Erzählt wird die Geschichte eines steinigen Neuanfangs. Um zu verstehen wie steinig dieser Neuanfang ist, erfahren wir erst einmal, wie Ebenezer zu dem Biest kam und wie sie sich anfreundeten. Auch Ebenezer war kein Kind, dem die Herzen zuflogen, auch wenn er nie verstand, warum dies so war. Eigentlich eine sehr traurige und einsame Geschichte, die auch sein stetes Misstrauen erklärt. Doch gerade als Ebenezer und Bethany endlich mal ein gesundes Misstrauen gebrauchen könnten, fehlt es ihnen komplett und sie laufen scheinbar direkt in ihr Verderben. Das ist wirklich sehr unheimlich und beim Zuhören scheint es einem unmöglich, dass diese Geschichte doch noch ein gutes Ende finden wird. Mir kamen beim Hören bisweilen Zweifel, ob dies wirklich eine Kindergeschichte sei. Aber alles wird nicht nur gut, es findet erstmal das bestmögliche, irre Ende! Mit einem großen Showdown auf der Bühne und geheimnisvollen Fremden. Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz, denn die Geschichte geht weiter! Auch wenn die Freunde erst einmal von dem Biest befreit sind, so lebt dieses weiter, hungrig und machtgierig wie eh und je, sind seine Gedanken voll und ganz auf seine Rückkehr in ihr altes Zuhause gerichtet. Da kann man sich für Band 3 schon auf einigen Grusel gefasst machen!

Nichts für schwache Nerven, aber für all jene, die bereit für eine zweite Chance sind!

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Veröffentlicht am 11.06.2022

Wie es mit Ria weiterging....

Das zweite Geheimnis
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Dies ist die Fortsetzung des deutsch-deutschen Spionageromans: „Die fremde Spionin“:
Ihrer Tocher Annie und ihrer Schwester Jolanthe zuliebe hat Ria Nachtmann auf ein Leben in Freiheit mit ihrer Liebe, ...

Dies ist die Fortsetzung des deutsch-deutschen Spionageromans: „Die fremde Spionin“:
Ihrer Tocher Annie und ihrer Schwester Jolanthe zuliebe hat Ria Nachtmann auf ein Leben in Freiheit mit ihrer Liebe, dem westdeutschen Journalisten Jens verzichtet. Der BND hätte ihr über ihren Koordinator Stefan Hähner die Flucht ermöglicht, aber Ria wollte ihrer Schwester und ihrer Tochter nicht das Gefühl geben, sie erneut zu verlassen. Das ist nun 12 Jahre her, seither hat sie ihre Spionagetätigkeit beendet. Ihr Leben in der Koko, der ostdeutschen Koordinationsstelle Kommerz, als Sekretärin des Leiters Alexander Schalk ist Routine geworden. Kein Mann hat sie mehr interessiert. Während sie nach Bulgarien in den Urlaub reist, weilt auch Jens dort. Bei einem heimlichen Treffen, kommen die alten Zweifel wieder hoch, ob der Preis damals nicht zu hoch war. Doch auch diese zweite Chance ist ihr nicht vergönnt. Ihr Schwager, Grenzsoldat Henning Novack hielt es nicht mehr aus und versuchte die Flucht in die Freiheit. Auf der Stelle werden alle ihm Nahestehenden verhaftet und kommen in die Haftanstalt Hohenschönhausen. Ria hatte keine Gelegenheit sich von Jens zu verabschieden oder ihm ihr Verschwinden zu erklären, ehe sie in die Fänge der Stasi fällt. Stasioffizierin Marga beißt sich an der jungen schönen Ria fest und auch nach Rias Haftentlassung lässt sie sie nicht mehr aus den Augen!

Ost-Berlin Anfang der 70er Jahre. Mit Willy Brandt hat ein frischerer Wind Einzug gehalten und die Atmosphäre zwischen Ost und West scheint sich aufzulockern. Den Spionagetätigkeiten tut dies keinen Abbruch. Gerade jetzt mit dem Ukraine-Krieg, durch den immer wieder an den kalten Krieg erinnert wird, sind diese Rückblicke unglaublich interessant und wieder aktuell. Wobei ich die Anekdote um die Staatsbesuche Breschnews in DDR und Westdeutschland tatsächlich auch originell fand, während ich die Ermittlungen zur Guillaume-Affäre mit Spannung verfolgte. Zudem bekommt man über Annie Einblick in den ostdeutschen Leistungssport, nicht nur hinsichtlich des systematischen Dopings, sondern auch des Drucks und der politischen Einflußnahme die aufgebaut wurde.

Ria wird aufgerieben, zwischen der Liebe zu ihrer Tochter Annie, die sie auf das Geheiß ihrer Pflegeeltern zur Adoption freigeben musste, zu ihrer jüngeren Schwester Jolanthe, von der sie als Kind getrennt wurde, als ihre Eltern als Staatsfeinde verhaftet wurden und ihrer Liebe zu ihrem Land. Doch die Haft als Staatsfeindin, nach dem gescheiterten Fluchtversuch ihres Schwagers ist mehr als desillusionierend. Kann man in solch einem Land noch eine Zukunft haben? Wer immer noch zweifelt, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, der merke, dass Menschen ohne Prozeß, ohne Anklage und ohne eigene Schuld verhaftet wurden, auf unbestimmte Zeit. Sippenhaft, ohne zu wissen wie und warum dies mit ihnen geschah, wurden sie systematisch gefoltert. Die Haftbedingungen waren unerträglich und trafen auch jene, die nichts getan hatten. Denn asoziales Verhalten, wie die Ablehnung zugewiesener Arbeit hieß, war auch strafbar und wurde je nach Wohnort auch mit einem Aufenthalt in der berüchtigten zentralen Stasi-Strafanstalt hauptsächlich für politisch Gefangene Hohenschönhausen bestraft. Dieses geheime Untersuchungshaftanstalt war in keinem Stadtplan eingezeichnet und existierte offiziell nicht. Daher ist es kein Wunder, dass es sich auch nicht auf dem Stadtplan des zweitgeteilten Berlins der 70er Jahre in der Umschlagklappe zu finden ist. Andere wichtige Orte für die Handlung sind dort allerdings markiert, Das ist auch sehr hilfreich bei der Orientierung der Schilderung der Weltjugendspiele 1973, die nach den olympischen Spielen 1972 in München mit den Terroranschlägen auf das israelische Team, zeigen soll, wie friedlich und weltoffen die DDR ist. Propaganda pur! Hier lässt der Autor einen Blick hinter die Kulissen zu, die zeigen, wie sehr für den schönen Schein, die Staatsführungen von den üblichen Vorgehen abweicht, um die Illustion von Freiheit und Weltoffenheit zu erschaffen.

Oliver Brod liest wirklich lebendig und natürlich, mit angenehmer Stimme. Allerdings ist diese Stimme männlich und der Hauptteil der Geschichte wird aus weiblicher Sicht geschildert, für mich wäre es daher naheliegend eine weibliche Sprecherin zu wählen, aber eigentlich wäre ein Team perfekt, da neben Ria, Marga, Annie und Jolanthe auch die Gedanken von Stefan Hähner, Henning Novack, Alexander Schalck und sogar Erich Honecker geschildert werden. Für den männlichen Part finde ich Oliver Brod auch mit seinem Geschick Honecker zu imitieren wirklich eine super Wahl, es fehlt nur die zweite Sprecherin, für die weibliche Sicht auf die politischen Entwicklungen, persönlichen Zwiespalte und inneren Nöte. Eine weibliche Stimme hätte mich wohl auch emotionaler mehr an Ria und ihre Sorge um Annie und Jolanthe gebunden, so hielt sie mich leider etwas auf Distanz.

Politisch und historisch hochinteressant!

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Hochinteressante Erzählweise!

Von Oben fällt man tiefer
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Theophil Kornmeier könnte eigentlich zufrieden sein mit seinem Leben. Als Anwalt geht es ihm gut, er war mal sehr fit, ist aber immer noch ansehnlich... doch irgendwie fühlt er sich nicht angekommen in ...

Theophil Kornmeier könnte eigentlich zufrieden sein mit seinem Leben. Als Anwalt geht es ihm gut, er war mal sehr fit, ist aber immer noch ansehnlich... doch irgendwie fühlt er sich nicht angekommen in seinem Leben. Nacht für Nacht plagt ihn die Erinnerung an den tödlichen Absturz seines kleinen Bruders Matti in den Bergen. Seine Therapeutin meint, er müsse eine Bergwanderung unternehmen, um dieses Trauma zu überkommen. Schweren Herzens lässt er sich auf dieses Abenteuer ein, auch wenn alles in ihm dagegen protestiert. Deswegen nimmt er ja auch die Ratschläge für das richtige Wandergepäck nicht an, schließlich ist er ein echter Kerl. Doch auch einen echten Kerl bringt eine mehrtägige Wanderung mit diesen Begleitern an den Rand des Wahnsinns. Selbst der erfahrene Bergführer Josef scheint der Verzweiflung nahe. Mit dabei sind zwei Paare unterschiedlichen Alters, die gemeinsam aufbrechen wollen, obwohl für jeden offensichtlich ist, dass ihre Beziehungen längst am Ende sind. Neben der sinnlichen, blonden Johanna, sieht die ebenso junge Laura aus wie ein Mauerblümchen und es ist offensichtlich, dass die zwei sich nicht ausstehen können. Dabei wollte Kornmeier doch einfach nur seinen Frieden mit seiner Vergangenheit schließen und nun muss er sich den Kopf über verschwundene Gruppenmitglieder zerbrechen.

Mit dieser Truppe möchte wohl niemand einen Berg besteigen oder überqueren. Eigentlich sollte man beim Wandern die Natur genießen und seinen inneren Frieden finden, aber nicht so dieser Trupp. Zu Beginn lernt man Anwalt Kornmeier kennen, der das Trauma des Verlusts seines kleinen Bruders überwinden will und mit Selbstzweifeln hadert. Nicht unbedingt der zugänglichste Typ, ist er schon ein bisschen verschroben und menschenscheu. Ganz anders Johanna. Die junge Studentin hält sich für ein Geschenk an die Männer und wenn sie schon gegen Bezahlung die neurotische Laura auf dieser Tour begleiten muss, so erwartet sie doch Bestätigung, Befriedigung und ganz viel Aufmerksamkeit! Zumindest Aufmerksamkeit ist ihr gewiss! Gerlinde erhofft sich frischen Wind für ihre Beziehung mit dem ewigen Studenten Gerald und vielleicht auch endlich einen Heiratsantrag. Zu dumm nur, dass er nur Augen für Johanna hat. Auch das gestandene Weibsbild Bruni dachte, dass so eine Alpentour nach 25 Jahren Ehe wieder Gemeinsamkeiten zwischen ihr und ihrem durchtrainierten Gatten Detti aufkeimen lässt. Doch der interessiert sich nur für seine muskolösen Oberschenkel oder den definierten Körper von Johanna. Bergführer Josef kann sein Pech nicht fassen! Nicht nur, dass der Fitnesszustand der einzelnen Teilnehmer extrem variiert, einige von ihnen scheinen auch nicht darüber nachgedacht zu haben, dass Höhenangst im Gebirge extrem gefährlich werden kann.
Ähnlich wie bei Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ werden hier die einzelnen Mitglieder einander zur Hölle! Die Anspannung und schlechten Schwingungen zwischen ihnen scheinen mit jedem Schritt, den sie voran kommen greifbarer zu werden. Böse Omen lassen das Unheil schon früh erahnen. Doch wen von ihnen wird es treffen? Wer hält es nicht mehr aus und wird zum Täter? Dieser Wanderkrimi wird ausgesprochen ungewöhnlich erzählt. Wie bei einer Wanderung, ist der Weg das Ziel, das Grauen steigt, aber noch sind sie alle beieinander und machen sich das Leben schwer. Nein, keine Leiche zum Auftakt und dann wird ermittelt! Erst kurz vor dem Ziel ist die Truppe nicht mehr vollzählig. Doch wer ist tot? Wer auf der Flucht oder einfach auf dem Weg in ein neues Leben? Wer ist Täter, wer Opfer oder einfach Aussteiger? Das fand ich unglaublich reizvoll! Es stirbt einfach lange Zeit niemand und blutüberströmte Leichen gibt es auch nicht und dennoch fehlen einige Mitglieder. Wo sind sie hin? Hatten sie einen Unfall? Man ahnt, dass nicht einfach einer nach dem anderen ermordet wurde, aber die Ungewissheit ist besonders spannend! Neben diesen Ungewissheiten gibt es natürlich auch ein wunderbares Wanderpanorama und traumhafte Natur, sowie unfreiwillig komische Momente, wenn ein Antiheld wider Willen zum Frauenschwarm mutiert.

Frederic Böhle liest kurzweilig und lebendig, immer sehr passend zu den jeweiligen Stimmungsschwankungen der Gruppe. Anfangs war ich etwas irritiert, weil zu Beginn Johannas Sicht der Dinge erzählt wird, doch schnell wird klar, dass nicht sie, sondern Kornmeier die Hauptperson ist und dann passt ein männlicher Erzähler absolut. Er trifft den etwas sonderbaren Einzelgänger, der beobachtet und analysiert, statt sich in den Mittelpunkt zu drängen, sehr gut! Ein besonderer Krimihörgenuss!

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Veröffentlicht am 07.05.2022

Fantastische Liebeserklärung an Worte und Geschichten

Fabula - Das Portal der dreizehn Reiche
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Will und Charlotte sind ungleiche Zwillinge, nicht nur vom Aussehen her. Die strahlende Charlotte kann alles und macht alles richtig, während ihr Zwillingsbruder immer wieder Ärger bekommt und versucht, ...

Will und Charlotte sind ungleiche Zwillinge, nicht nur vom Aussehen her. Die strahlende Charlotte kann alles und macht alles richtig, während ihr Zwillingsbruder immer wieder Ärger bekommt und versucht, sich aus brenzligen Situationen herauszuschwindeln. Irgendeine abenteuerliche Geschichte fällt ihm immer als Ausrede ein! Doch auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind und auch ganz schön sticheln, verstehen sie sich bisweilen blind. Als Will aber nach einem Ausflug in den Central Park von einer silbrigen Elfe unter einem seltsamen Baum erzählt, tut Charlotte es als Spinnerei ab. Bis sie nach Hause kommen und ihre Mutter verschwunden ist. Stattdessen erwartet sie dort eine Furie und durchwühlt alles! Nur knapp können sie entkommen und in den Central Park fliehen, geretten von einer Elfe. Der riesige Baum mit seinem silbrigen Schatten dort, erweist sich als Portal in eine Welt voller Fabelwesen. Obwohl sie völlig überfordert sind, wird ihnen schnell klar, dass sie hier nach ihrer Mutter suchen müssen und sie sicherlich nicht zufällig dort gelandet sind. Sie sind dazu bestimmt sowohl ihre Welt, als auch diese, die der Fabelwesen und Erzählungen zu retten!

Die magische Zahl 13 hat schon seit Ewigkeiten die Menschheit fasziniert. Kein Wunder also, dass dieses Abenteuer mit dem dreizehnten Geburtstag der Zwillinge erst so richtig Fahrt aufnimmt. Natürlich gab es bereits vorher das Portal durch den mächtigen Weltenbaum im Park, aber sie hatten nichts davon geahnt, ebenso wenig wie von der Bestimmung ihres seit Jahren verschollenen Vaters. Nachdem Schreck der Furie nur knapp entkommen zu sein, haben sie in der neuen Welt kaum Zeit durchzuatmen. Noch während sie versuchen zu begreifen, was um sie herum geschieht, rettet sie der Jäger Orion vor dem Misstrauen des Zentaur Kenta und macht sie zu seinen Lehrlingen. Als solche werden sie eingekleidet und ausgestattet. Dabei finden sich in den Geheimtaschen ihres sie unsichtbar machenden Jägermantels Gimmicks, die James Bond vor Neid erblassen lassen würden. Sie wollen herausfinden, was die Furie in ihrer Wohnung suchte und wohin ihre Mutter wohl gebracht worden sein könnte. Freiwillig hätte sie ihre Kindern nicht verlassen, nicht nach dem Verschwinden ihres geliebten Mannes. Sehr geheimnisvoll wird diese fremde Welt erschaffen, die doch ganz eng mit der unsrigen verknüpft scheint. Sehr bildhaft und detailreich wird die Leserschaft in die 13 Teile von Fabula mitgenommen. Jeder Teil wird von einer anderen Fee angeführt, wobei dreizehn Reiche waren es mal, jetzt sind es nur noch zwölf, an das verlorene dreizehnte Reich vermag sich niemand mehr zu erinnern.
Der Detailreichtum hat bisweilen das Tempo etwas gedrosselt, da hätte ich mir im Mittelteil manchmal etwas weniger, dafür aber eben eine etwas höhere Spannung gewünscht. Doch geht es um die Liebe zu Worten und ihrer Fähigkeit neue Welten zu erschaffen. Nicht nur in den Köpfen wie bei uns, sondern in Fabula ganz real, dafür benötigt es nur einen begnadeten Erzähler. Eine sehr schöne Idee, wie unser Leben durch Worte und Geschichten bereichert wird, aber diese Geschichten auch nur davon leben, dass wir sie lieben. Eine Symbiose, die beiden Seiten nur Vorteile bringt, solange sie besteht. Doch hier ist zunächst unbemerkt ein Ungleichgewicht entstanden und Fabula schrumpft, der Platz für seine Bewohner schwindet. Eine ganz schön gruselige Vorstellung, die etwas an die der Antike erinnert, als man glaubte, dass die Erde eine Scheibe sei, von der man hinunter fallen könnte. Ähnlich gefährlich ist es auch, denn die Welt Fabulas schrumpft und zwar immer schneller. Die Zeit drängt und die Geschwister müssen sich ganz dringend etwas einfallen lassen, auch weil sie langsam entdecken, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet sie in Fabula gelandet sind. Sowohl Charlotte als auch Will entwickeln sich fort, nicht nur weil sie es müssen, sondern weil sie ihre wahre Natur entdecken. Damit stehen ihnen ungeahnte Fähigkeiten zur Verfügung, was aber auch eine große Veranwortung mit sich zieht.

Dieses fantastische Abenteuer ist wunderschön gestaltet und damit meine ich nicht nur das Lesebändchen. In der Umschlagklappe findet man eine Übersicht über den fraglichen Teil des Central Parks in New York, eine Abbildung der 13 Feenkreiszeichen Fabulas und eine Darstellung eines Zwergs und einer Sirenenelfe. Immerhin trifft man diese nicht alle Tage, da ist es ganz hilfreich, sie mal zu sehen. Im Anhang findet man dann noch eine Beschreibung der 13 Feenkreiszeichen durch den Vater der Zwillinge und einen Charaktertest, mit dessen Hilfe man ermitteln kann, welchem Charakter dieses Buches man sich zuordnen lassen kann.

Ein Fantasy-Abenteuer über die Macht der Worte und die Bedeutung von Geschichten für unser Leben. Sehr gut durchdacht, allerdings hätte es für mich bisweilen etwas temporeicher sein können. Es hat mir aber trotz der kleinen Schwäche gut gefallen.

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Veröffentlicht am 07.01.2022

Sensibel und witzig

Quiet Girl (deutsche Hardcover-Ausgabe)
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Debbie ist ein Bücherwurm. Nichts liebt sie mehr, als es sich zu Hause gemütlich zu machen und zu lesen, Filme oder Serien durchzusuchten oder mit Jason zu kuscheln. Sie ist eine ruhige freundliche Person, ...

Debbie ist ein Bücherwurm. Nichts liebt sie mehr, als es sich zu Hause gemütlich zu machen und zu lesen, Filme oder Serien durchzusuchten oder mit Jason zu kuscheln. Sie ist eine ruhige freundliche Person, die auch von anderen gemocht wird und daher immer wieder eingeladen wird, aber es ist für sie ein Gräuel Teil einer Gruppe zu sein. Es verschlägt ihr die Sprache und pustet ihr Gehirn leer. Im Laufe der Zeit entwickelt Debbie Strategien mit diesem Handicap umzugehen und sich „Auszeiten“ durch Partybesuche zu „verdienen“. In allem wird sie von ihrem Freund, bzw späteren Mann Jason unterstützt. Sie will die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen, ohne dabei glücklich zu werden, bis sie ihren eigenen, persönlichen Weg findet und damit zu der Cartoonistin und Illustratorin wird, die sie nun ist.

Manchmal ist dieses Buch eine bittersweet Symphony. Denn man muss schon bisweilen Schmunzeln oder Lachen, über Debbies Sicht der Dinge oder ihre Strategien, wie sie es vermeidet unter unbekannte Menschen zu gehen. Aber irgendwie ist es auch etwas traurig, weil Debbie sich selbst dabei schon sehr unter Druck setzt und es nicht genießen kann. Es sind reine Überlebensstrategien. Es ist eher ein Überleben, als Leben, bis sie im Internet über einen Aufsatz über Introvertierte/Hypersensible stolpert, der für sie wie die Offenbarung eines Zugangs zu sich selbst ist, Die Illustrationen sind liebevoll, mit Augenzwinkern und durch den Mangel an Farbe auf das Wesentliche beschränkt - nichts für mein Mangagirl. Auch mit ihren Knopfaugen bringt Debbie ihre Gefühle zum Ausdruck, bisweilen aber auch eher mit ihren Gedanken, denn als hypersensible Introvertierte, ist das ihre große Stärke. Immerhin versucht sie meistens ein Pokerface aufzusetzen und braucht viel Kraft, um sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl sie sich unter Menschen fühlt.

Während ich diese graphic Novel las, ging an mir ein Mädchen vorbei, das mich freundlich anschaute, aber auch provozierend, so als müsste ich sie kennen. Ich glaube, es war eine sehr zurückhaltende Grundschulfreundin einer meiner Töchter. Ein sehr ruhiges Mädchen, das nur zu Hause so richtig aus sich herausging. Ihre Mutter wollte unbedingt, dass sie die Schule in der Umgebung besucht, die für ihre Musicalinszenierungen bekannt ist, damit das Mädchen auf der Bühne lernt selbstbewusster zu werden. Ich fragte mich immer, ob das so eine gute Wahl sei, die Schule ist sehr begehrt, aber ich hatte so meine Zweifel, ob man den Charakter eines Kindes so versuchen sollte zu verbiegen. Meine Töchter sind total unterschiedlich, die eine liebt die Bühne, die andere wollte auf keinen Fall an ihrer eigenen Kommunion eine Fürbitte vorlesen.... musste sie auch nicht. Immer wieder hörte ich von diesem Mädchen, dass sie unbedingt die Schule wechseln wollte, auf die Schule meiner Töchter. Mal wegen des Sports, und dann.... Ich war mir nie sicher warum, bis ich sie nun während dieser Lektüre wiedersah. Sie hatte als Klassenjüngste, die Klasse übersprungen, statt die Schule zu wechseln und hatte ihren gesamten Look geändert. Sie trug nun komplett schwarz.... Dieses liebe Mädchen protestierte! Sie ist nicht extrovertiert, sie will nicht auf eine Bühne, sie will nicht extrovertierter werden, sie wollte Schutz in der Masse anderer Schüler auf einer „normalen“ Schule, um nicht den Blicken aller auf der Bühne ausgesetzt zu sein... Da habe ich Debbie erst richtig verstanden. Bis dahin war ich mir über die Zielgruppe der Geschichte nicht im Klaren. Debbie Tnng erzählt ihre eigene Geschichte, ihren alltäglichen Kampf, wie sie versucht die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen, obwohl dies absolut ihrem Wesen voll und ganz widerspricht. Sie versucht es immer wieder, aber es ist ein Kampf, der sie nicht stärker und glücklicher macht. Sie wächst nicht an den Herausforderungen, weil es einfach für sie das Falsche ist und sie ihren eigenen Weg finden und gehen muss. Zum Glück hat sie einen Menschen, der sie so liebt, wie sie ist. In dessen Schatten sie sich auf Partys in Ruhe verstecken kann, dem sie dann gerne das Reden und die Aufmerksamkeit überlässt. Man sollte diese Menschen nicht für langweilig halten, sie öffnen sich einfach nur sehr wenigen Menschen gegenüber und geben diesen etwas von sich preis. Smalltalk langweilt sie, es ist reden, ohne etwas zu sagen.

Debbie Tungs Geschichte ist ein Aufruf Menschen niemals verbiegen zu wollen, sie ihren eigenen Weg gehen lassen, solange sie damit glücklich sind. Es gibt nicht DAS EINE GLÜCK, sondern nur das persönliche Glück und das liegt für Debbie zu Hause in ihren eigenen vier Wänden. Lasst sie bitte glücklich sein und andere ruhige Menschen auch. Seid sensibel gegenüber Hypersensiblen und lasst Euch auf diese witzige und nachdenkliche Graphic Novel ein.

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