Großartig!
Wen der Rabe ruftBlue Seargent stammt aus einer Familie von Wahrsagerinnen – als einziges Mitglied kann sie weder Geister sehen, noch die Zukunft eines Menschen voraussagen. Bis sie mit ihrer Tante in der Nacht vor dem ...
Blue Seargent stammt aus einer Familie von Wahrsagerinnen – als einziges Mitglied kann sie weder Geister sehen, noch die Zukunft eines Menschen voraussagen. Bis sie mit ihrer Tante in der Nacht vor dem Markustag am Totenweg wartet, um die Namen derer, die im kommenden Jahr sterben werden, aufzuschreiben. Plötzlich sieht auch sie einen Geist: den Jungen, den sie mit ihrem Kuss umbringen wird …
Die Handlung selbst ist spannend gestaltet. Der Anfang hat es echt in sich und wirft zahlreiche Fragen auf. Danach wird es allerdings erst mal etwas zäher. Doch mit jeder Seite nimmt die Spannung wieder zu – für jede Frage, die beantwortet wird, werden mindestens zwei Neue aufgeworfen. Die Magie ist zwar von Anfang an Teil der Handlung, tritt aber erst in der zweiten Hälfte des Buches deutlich zu Tage. Durch die vielen aufgeworfenen Fragen, ergeben sich immer wieder spannende Wendungen, mit denen man kaum rechnet. Am Ende fügt sich jedoch alles äußerst schlüssig zusammen.
Der Stil entspricht dem typischen Jugendbuchstil, der vor einigen Jahren verbreitet war. Wer das nicht mehr gewohnt ist, wird ein wenig brauchen, um rein zu kommen, doch dann lässt er sich flüssig und angenehm lesen. Die Verbindung aus Drama und Humor lockert das Buch immer wieder auf, ohne es ins Lächerliche zu ziehen und ist eine angenehme Mischung.
Blue als Protagonistin ist gut ausgearbeitet und durchaus sympathisch. Wahrscheinlich ist sie sogar die „normalste“ in ihrer Familie, was auch daran liegen mag, dass sie keine eigenen Fähigkeiten besitzt. Deutlich interessanter als sie sind allerdings die Jungen rund um Gansey. Seine Besessenheit von bestimmten Themen ist teilweise schwer nachzuvollziehen – ganz im Gegensatz zu Blues anfänglicher Abneigung gegen ihn. Umgeben wird Gansey stets von Adam, einem sturen Jungen aus ärmlichen Verhältnissen, Ronan, der bei jeder Kleinigkeit durch die Decke geht und dem geheimnisvollen Noah, den man beim Lesen nur schwer greifen kann. Am interessantesten ist die Dynamik zwischen den vier Jungen. Gansey scheint sich um seine drei Freunde stets zu kümmern und die drei himmeln ihn (teilweise übertrieben) an. Untereinander kommen sie dagegen die meiste Zeit nicht besonders gut klar. Diese Dynamik zwischen den vier Jungen macht die Geschichte auch abseits der eigentlichen Handlung äußerst spannend.
Ebenso wie Blues Familie, die mit ihrer herrlich chaotischen Art die ganze Geschichte auflockert. Allerdings konnte ich die vielen Namen nicht ganz auseinander halten – insbesondere am Anfang war es schwierig, bei den Verwandtschaftsverhältnissen den Überblick zu halten. Dass sich keine der Frauen tatsächlich wie eine vernünftige Erwachsene verhält, macht das ganze nicht einfacher.
Für mich war „Wen der Rabe ruft“ das erste Buch von Maggie Stiefvater, wenngleich ich viel Positives über ihre Bücher gehört habe. Dieser Meinung kann ich mich inzwischen nur anschließen. Ein großartiges Fantasy-Jugendbuch, das mir wieder gezeigt hat, dass ich aus diesem Genre doch nicht rausgewachsen bin und damit durch und durch empfehlenswert.