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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.06.2017

Ein grausames Verbrechen

Anders
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„...Du bist eine Koryphäe in deinem Beruf und das wissen deine Arbeitgeber genau… Du beweist ihnen aber immer wieder, dass JEDER eine Chance verdient hat, weil du das Talent hast, alle Menschen als Individuen ...

„...Du bist eine Koryphäe in deinem Beruf und das wissen deine Arbeitgeber genau… Du beweist ihnen aber immer wieder, dass JEDER eine Chance verdient hat, weil du das Talent hast, alle Menschen als Individuen zu betrachten und sie auch so behandelst...“

Der Prolog beginnt heftig. Icke wird zusammengeschlagen.
Dann lerne ich Lea und ihre Tochter Saskia sowie deren Geschäftspartnerin Judy kennen.
Leas Freund hat sich von ihr getrennt. Oliver, Sozialpädagoge und ebenfalls mit Lea befreundet, kommt, um sie zu trösten. Judy und Saskia sind Immobilienmakler. Auf sie wartet ein neuer Auftrag.
Jugendliche haben sich mit kleine Pillen, auf denen ein Mercedesstern zu sehen ist, in Stimmung gebracht. Nun suchen sie ein Opfer für ihren Frust. Am Flussufer treffen sie auf Hotte und Icke, zwei Obdachlose, und lassen ihre Wut an ihnen aus. Hotte stirbt, Icke kommt schwer verletzt ins Krankenhaus. Der Fall landet bei Hauptkommissar Werner.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Im Mittelpunkt stehen weniger die Ermittlungen, mehr die Einblicke in die Psyche der Protagonisten.
Die Personen werden gut charakterisiert. Eine besondere Rolle spielt Oliver, der sich nach dem Krankenhausaufenthalt um Icke kümmern. Obiges Zitat beschreibt Oliver sehr genau. Hinzu kommt, dass Oliver immer eine offenes Ohr für seine Freunde hat, einen feinen Humor besitzt und wegen seiner Homosexualität auch dunkle Zeiten erlebt hat.
Die eigentlichen Ermittlungen gehen nur langsam voran. Zwar geraten einige Jugendliche schnell in den Fokus der Kriminalisten, doch ihnen ist nichts nachzuweisen. Sie schweigen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Besonders gut gefallen haben mir die fein herausgearbeiteten Dialoge. Hier beherrscht die Autorin sehr gut den Umgang mit Worten und Stimmungen. Bei einem der Gespräche zwischen Lea und Oliver wirkt er als Tröster und bemüht sich deshalb um ein lockerleichtes Gespräch, denn Lea wurde gerade von ihrem Freund verlassen. Ganz anders wirkt ein späteres Gespräch. Es ist für mich einer der stilistischen und inhaltlichen Höhepunkte der Geschichte. Hier geht es darum, wie sich das Verhalten und die Interessen der Jugendlichen verändert haben und wo die Gefahren der neuen Technik liegen. Die Gespräche des maßgeblichen Täters dagegen strotzen von Frust und dem Mangel an Empathie. Bei einem weiteren Jugendlichen wird die innere Zerrissenheit deutlich hervorgehoben. Er ist Befehlsempfänger, will dazu gehören und begreift zu spät, was er gemacht hat. Dann kann er sich aus den Verstrickungen nicht mehr lösen. Dass ihnen weit größere Gefahren als die Verhaftung durch die Polizei drohen, ahnen Die Jugendlichen nicht im Entferntesten.
Da zu Olivers Freundeskreis auch Saskia und Judy mit ihren Freunde gehören, darf ich als Leser Einblicke in ihr Leben nehmen. Das lockert das sonst ernste Thema auf. Am Beispiel von Icke wird deutlich, wie Schicksalsschläge einen Mann auf die Straße führen können. Eines bleibt ihm aber – seine Erinnerungen. Seine kleine Tochter ist für ihn immer gegenwärtig. Das zeigt sich schon im Prolog.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Handlung zeigt, dass jedem Mensch seine persönliche Würde zukommt. Keiner hat das Recht, seinen Frust an einem Schwächeren auszulassen.

Veröffentlicht am 10.06.2017

Ein Kriegsschicksal

Das Foto
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„...Er hatte sich den Krieg ganz vorgestellt, damals, als er noch bei der Hitlerjugend gewesen war und von einem abenteuerlichen, heroischen Soldatenleben in fernen, exotischen Ländern träumte...“

Herr ...

„...Er hatte sich den Krieg ganz vorgestellt, damals, als er noch bei der Hitlerjugend gewesen war und von einem abenteuerlichen, heroischen Soldatenleben in fernen, exotischen Ländern träumte...“

Herr Yildiz arbeitet seit Jahren bei der Müllabfuhr. Beim Leeren eines Containers entdeckt er, dass ein Bild festgeklemmt ist. Es zeigt eine junge Frau mit einem Kind auf dem Arm. Herr Yildiz nimmt das Bild mit.
Das Buch erzählt die Geschichte, die hinter dem Bild steckt.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Roman geschrieben, der besonders die Probleme der Kriegs- und Nachkriegsgeneration zum Inhalt hat. Das Besondere an dem Buch ist, dass die Geschichte ohne zeitlich linearen Verlauf erzählt wird.
Im Mittelpunkt des Romans steht Gustav. Sein Leben wird in einzelnen Episoden erzählt. Dabei beschränkt sich die Autorin auf wichtige Etappen, die schlaglichtartig seine Entwicklung vom Kind bis zum Tod wiedergegeben. Nach und nach erfahre ich, was es dabei mit dem Bild auf sich hat.
Der Schriftstil ist weitgehend erzählend und spiegelt in großen Teilen eine düstere Atmosphäre wider. Das ist meist den Ereignissen geschuldet. Schon als Kind wird der Junge mit Missachtung und Gewalt konfrontiert. Wie dann die Kriegsereignisse in Afrika auf ihn wirkten, zeigt obiges Zitat. Erschreckend fand ich die Zustände in der amerikanischen Gefangenschaft. Dort durften die alten Strukturen beibehalten werden. Wer im Krieg das Sagen hatte, hatte es auch in der Gefangenschaft und entschied im Ernstfall selbst dort über Leben und Tod. Es wird deutlich herausgearbeitet, wie in der Nachkriegszeit die Erlebnisse nachwirkten und das Leben emotional dominierten. Der Autorin gelingt es, die innere Zerrissenheit ihrer Protagonisten klar zu veranschaulichen. Gustavs Trauer überschattet die neue Ehe. Er hält Schläge für eine adäquate Erziehungsmethode, fühlt sich dabei aber selbst nicht wohl. Die gesellschaftlichen Verhältnisse nach dem Krieg zeigen, dass der alte Geist noch überall gegenwärtig ist.
Einzelne Abschnitte zeigen die Entwicklung von Gustav` Kindern und Enkeln. Neues Gedankengut setzt sich zwar durch, doch selbst für diese Generationen sind noch Spuren der Vergangenheit prägend.
Ab und an erlaubt die Autorin Einblicke in das Seelenleben der Nachbarn von Gustav. Vor allem Sigrun, Tochter eines Gutsbesitzers aus Ostpreußen, möchte ich erwähnen. Fest in ihr Gedächtnis gebrannt sind die grausamen Bilder der Flucht, genauso wie die Erkenntnis eigener Schuld. Dies wird selbst in der Zeit der Demenz nicht gelöscht.
Tief berührend sind die Briefe, die Gustav mit Leni, der Frau vom Foto, tauscht. Er weiß dabei nicht, dass sie etliche nie mehr erhalten wird.
Das Cover mit dem fehlenden Foto weckt Interesse.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Das bruchstückhaft wiedergegebene Leben zeugt von den Folgen des Krieges. Gustav wurde zu einem geachteten Bewohner des Ortes, hat sich aber emotional nie von der Vergangenheit lösen können. Die seelischen Verletzungen waren zu groß.

Veröffentlicht am 16.05.2017

Katastrophe im Hundehotel

Wolles Hundehotel
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„...Lieber Korn im Blut als Stroh im Kopf...“

Hundemischling Wolle hat sich seinen Traum erfüllt und vor fünf Jahren ein Hundehotel auf Wangerooge eröffnet. Sein bester Freund, die Dohle Jonas, hat ihn ...

„...Lieber Korn im Blut als Stroh im Kopf...“

Hundemischling Wolle hat sich seinen Traum erfüllt und vor fünf Jahren ein Hundehotel auf Wangerooge eröffnet. Sein bester Freund, die Dohle Jonas, hat ihn gerade geweckt, denn es stehen einige Aufgaben ein. Zehn Rüden einer Kegelgruppe aus Bayern werden erwartet. Außerdem hat sich ein Diva mit ihrer Managerin angekündigt. Deshalb ist es sehr unangenehm, als Choco, Labradormischling und Empfangschef, im Speisesaal Hundekot findet.
Die Autorinnen haben einen abwechslungsreichen Kinderkrimi geschrieben. Das Besondere dabei sind die tierischen Protagonisten. Allerdings vermisse ich ein paar Tierkinder.
In Wolles Hotel häufen sich die Zwischenfälle. Wer will ihm warum schaden? Selbst Nachtwache und die zunehmende Aufmerksamkeit der Personals bringen keine Lösung.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Die tierischen Protagonisten unterscheiden sich in ihrem Verhalten nur wenig von menschlichen Hotelbesuchern. Obiges Zitat stammt von den Kegelbrüdern. Lautstark nehmen sie den Speisesaal in Besitz. Ein Hotelgast hat über alles zu meckern. Urs Steiner hat berufliche Probleme wegen Alkohols im Dienst und bedient sich auch im Hotel ständig am Schnaps. Das sind nur einige Beispiele für die gemischte Gästeschar. Spannend fand ich, was der Putzkolonne so alles auffiel. Für die meisten Probleme findet Wolle eine Lösung. Die darf gern auch unkonventionell sein.
Über die Wortwahl kann man an manchen Stellen durchaus geteilter Meinung sein. Kinder können aber damit umgehen, wenn man die Hinterlassenschaft der Hunde mit entsprechenden Worten benennt. An vielen Stellen ist ein feiner Humor spürbar.
Der Kriminalfall allerdings gestaltet sich schwierig. Kaum ist ein Täter gefunden, gibt es neue Sorgen. Schön wird dargestellt, wie Wolles Freundin Lisha sich um die Hotelangestellten im Ernstfall kümmert. Auch die angestellten geben sich alle Mühe, um das Hotel zu erhalten.
Ein paar schöne Illustrationen veranschaulichen die Handlung.
Das farbenfrohe Cover mit den Hunden ist ein Hingucker.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte ist spannend. Es wird gezeigt, was man erreichen kann, wenn man zusammensteht.

Veröffentlicht am 06.05.2017

Wo ist Marietta?

Friesenschwindel
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„...Freiheitsliebende Menschen voller Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit: Das sind wir Friesen! Menschen, auf die man zählen kann, die nicht viel schnacken, sondern helfende Hand anlegen, wenn sie gebraucht ...

„...Freiheitsliebende Menschen voller Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit: Das sind wir Friesen! Menschen, auf die man zählen kann, die nicht viel schnacken, sondern helfende Hand anlegen, wenn sie gebraucht wird: kräftig, friesisch, herb, das Herz am rechten Fleck...“
Reent Reents ist 42 Jahre und Privatdetektiv. Damit hat er sich einen Traum erfüllt. Ob er dabei Geld verdient ist egal, denn er hat mehrere Millionen im Lotto gewonnen. Eigentlich mag Reent keine Hunde, aber seit Marietta ins Haus gezogen ist, versucht er alles, deren Hund friedlich zu stimmen. Als Marietta verreisen muss, ist Reent sogar bereit, den Terrier für die Zeit bei sich aufzunehmen.
Doch Marietta kehrt nicht pünktlich zurück. Vieles deutet darauf hin, dass sie irgendwo gefangen gehalten wird. Reent nimmt die Ermittlungen auf.
Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben mit einem außergewöhnlichen Ermittler. Reent hat einen Hang zum Alleinsein und eine übertriebene Ordnungsliebe. Er hat noch nie seine Heimatstadt verlassen. Er ahnt nicht, wie sehr Marietta sein Leben durcheinanderbringen wird.
Bei seinen Ermittlungen trifft er immer wieder auf Frauen aus der polnischen Stadt Bydgoszczs. Auch Marietta stammt von dir.
Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Die Geschichte wird von einem feinen Humor durchzogen. Obiges Zitat charakterisiert den Friesen aus der Sicht Reents. Eine Marotte Reents ist das Anlegen von Listen. Die benutzt er besonders in zwei Situationen. Zum einen legt er sich welche an, wenn er seine Ermittlungsergebnisse zusammenfasst, zum anderen bilden sie für ihn die Grundlage für Entscheidungen. Letzteres bedeutet, dass er alle Möglichkeiten notiert und dann eine auswählt. Ein besonderes stilistische Mittel ist Reents innere Stimme. Ihr trockener Humor trägt an vielen Stellen dazu bei, dass es vorwärtsgeht und sich Reent nicht in Kleinigkeiten verliert.
Neben Reent ist es dem Autor gelungen, weiter sehr spezielle friesische Charaktere zu kreieren. Zu den besonderen sprachlichen Höhepunkten gehören die Dialoge zwischen Reent und der Kommissarin Gesine von Röhrbach. Sie schenken sich nichts.
Selbst alltägliche Situation bekommen im Buch einen neuen ungewöhnlichen Anstrich. Dazu gehört Reents Zugreise. Andererseits gibt es Stellen, dort findet der Autor poetische Worte und treffende Metapher, um die Schönheit der Landschaft zu beschreiben.
Das Cover in dunklem Blau mit den Lichteffekten wirkt geheimnisvoll
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Reent ist trotz seiner Macken ein sympathischer Ermittler.

Veröffentlicht am 05.05.2017

Ein etwas anderer Krimi

Endstation Meißen
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„...Ich hatte nicht die geringste Lust, dort hinzufahren. Wie schon gesagt, lag mir meine Heimatstadt seit dem rasanten Zuwachs von rechtspopulistischen Gedankenguts nicht mehr sonderlich am Herzen...““

Steffen ...

„...Ich hatte nicht die geringste Lust, dort hinzufahren. Wie schon gesagt, lag mir meine Heimatstadt seit dem rasanten Zuwachs von rechtspopulistischen Gedankenguts nicht mehr sonderlich am Herzen...““

Steffen Schröder ist Privatdetektiv. Wellenbrinck, seinen momentanen Mandaten, begleitet er auf das Weinfest in Meißen. Am nächsten Morgen wird Wellenbrinck erschossen in seinem Wohnwagen gefunden. Die Waffe hat er noch in der Hand. Selbstmord oder Mord ist wie häufig die Frage.
Begonnen hatte die Zusammenarbeit von Schröder und Wellenbrinck ein Vierteljahr zuvor. Der Auftrag klang eigenartig. Schröder sollte herausfinden, ob Wellenbrincks Freunde noch unbekannte Geheimnisse haben.
Der Autor hat einen abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Steffen ist in Meißen aufgewachsen und hat nach der Wende ein bewegtes Leben geführt und verschiedene Berufe ausgeübt. Das erklärt seinen außergewöhnlichen Bekanntenkreis. Jetzt lebt er mit Annemarie zusammen. Sie ist nicht nur reiche Erbin, sondern auch eine gut verdienende IT-Spezialistin. Eigentlich möchte sie, dass Steffen den Auftrag ablehnt. Doch ab und an braucht er eine Aufgabe zur Selbstbestätigung.
Wellenbrinck steht kurz vor seinem 70. Geburtstag, den er in Meißen feiern will. Er ist Schriftsteller. Mehr weiß man am Anfang von ihm nicht. Doch das soll sich schnell ändern.
Drei Adressen hat ihm Wellenbrinck gegeben. Als er die Personen besucht, erfährt er zwar deren Geheimnisse, aber vor allem einiges über seinen Auftraggeber.
Die Ermittlungen liegen in der Hand von Horst Gläser. Er und Steffen kennen sich aus Steffens Zeit bei der Frankfurter Polizei. Nun arbeitet Horst in Dresden.
Der Schriftstil ist sehr unterschiedlich. Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der Handlungsorte, sei es Meißen, Lychen oder Slubice. Dabei zeigt sich, dass Steffen über eine gehörige Portion Sarkasmus und Ironie verfügt. Da ich Meißen kenne, viel mir das dort besonders auf. Das gibt dem Roman eine gewisse Leichtigkeit.
Andere Stellen fallen durch kurze Sätze und nur wenige Zeilen lange Absätze auf. Das sorgt für eine gewisse Geschwindigkeit im Handlungsverlauf.
Als besonderes Stilmittel wurden kursiv Ausschnitte aus Wellenbrincks Büchern eingefügt. Was der Autor damit konkret bezweckt hat, möge der zukünftige Leser selbst herausfinden.
Obiges Zitat stammt von Steffen. Natürlich legt er damit auch den Finger auf eine Wunde unserer Zeit. Es gibt weitere Stellen, wo auf eher unauffällige Weise gekonnt Kritik an gewissen politischen und wirtschaftlichen Erscheinungen geübt wird.
Auch der Aufbau der Geschichte ist ungewöhnlich. Nur wenige Kapitel spielen nach Wellenbrincks Tod. In den anderen erzählt Steffen Horst von seinen Recherchen für Wellenbrinck.
Das Cover mit den Grabsteinen wirkt düster.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. In einer spannenden Handlung werden mehrere ungewöhnliche Lebensgeschichten erzählt und miteinander verknüpft.