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Veröffentlicht am 11.09.2017

Abgründe tun sich auf

Tausend kleine Lügen
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„Tausend kleine Lügen“ von Liane Moriarty hat mich super unterhalten. Ein hintergründiger Roman, mit einem tollen plot und fein gezeichneten Figuren. Die Handlung ist temporeich und es mangelt nicht an ...

„Tausend kleine Lügen“ von Liane Moriarty hat mich super unterhalten. Ein hintergründiger Roman, mit einem tollen plot und fein gezeichneten Figuren. Die Handlung ist temporeich und es mangelt nicht an Wendungen. Handwerklich also top gemacht. Stil und Sprache konnten mich also überzeugen.

Doch wovon handelt die Geschichte?

- Jane ist ein Neuzugang im pittoresken Küstenstädtchen Pirriwee, Australien. Im Schlepptau: Ihr Sohn Ziggy. Eigentlich tut Jane alles, um endlich die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen.

- Pirriwee scheint eine gute Wahl gewesen zu sein, denn Jane gelingt es, sich zu integrieren, und sie findet in Madeline und Celeste neue Freundinnen. Doch das Idyll trügt: Bei einem Schulfest kommt ein Mann zu Tode, und nicht alle glauben, dass es wirklich ein Unfall war.

- Nichts ist, wie es scheint. Ränkespiele,
Unwahrheiten und dunkle Geheimnisse legen sich wie Schatten auf das Leben der Freundinnen. Janes Sohn Ziggy wird bezichtigt, andere Schüler zu triezen, und damit nimmt das Drama seinen Lauf…


Moriarty präsentiert mit „Tausend kleine Lügen“ einen Roman, der das Absurde im Alltäglichen porträtiert. Die Autorin arbeitet mit Übertreibungen und Überspitzungen, blickt hinter die gutbürgerliche Fassade ihrer Figuren. Abgründe tun sich auf, das Leben in der Küstenstadt hat auch seine Schattenseiten. Das Ganze regte mich zum Nachdenken an, aber es war zum Glück nie deprimierend. Vielleicht ist der Roman auch ein Kommentar zum Zeitgeist. Auf den ersten Blick wirken die Protagonistinnen wie Typen, aber es verbirgt sich mehr hinter der Fassade. Madeline nimmt kein Blatt vor den Mund, sie tritt für ihre Überzeugungen ein. Celeste ist wunderschön, sie hat sich einen scheinbar tollen Mann geangelt. Viele in der Stadt beneiden sie heimlich. Die alleinerziehende Jane ist zurückhaltend und ruhig.
Die drei Frauen sind ganz unterschiedlich.

Schlachtfeld Kleinstadt: Moriarty hat ihren Roman klug geplottet und sie konnte mich mit ihrer story fesseln.
Schwarzhumorig, böse und vor allem überraschend: Das ist „Tausend kleine Lügen“.
Kein Wunder, dass der amerikanische Sender HBO bereits eine Serienfassung produziert hat, mit Nicole Kidman, Reese Witherspoon und Shailene Woodley in den Hauptrollen.

Die literarische Vorlage ist einfach zu gut!

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  • Handlung
Veröffentlicht am 30.08.2017

Krimileckerbissen vor historischem Hintergrund

Ein angesehener Mann
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Anmerkung vorab: Ich habe den Roman im Original gelesen und beziehe mich hier auf die englische Ausgabe.


Abir Mukherjee hat mit „A Rising Man“ einen historischen Kriminalroman ganz nach meinem Geschmack ...

Anmerkung vorab: Ich habe den Roman im Original gelesen und beziehe mich hier auf die englische Ausgabe.


Abir Mukherjee hat mit „A Rising Man“ einen historischen Kriminalroman ganz nach meinem Geschmack vorgelegt. Die Kriminalgeschichte vor südasiatischem Hintergrund kommt zum Glück völlig ohne Histokitsch und Verklärung der Kolonialzeit aus.

Wir schreiben das Jahr 1919. Der Erste Weltkrieg ist bereits zu Ende, aber für Captain Sam Wyndham ist er ein mehr als prägendes Ereignis, denn er war 1918 im Krieg verwundet worden. Zurück im Empire erfuhr er vom Tod seiner Frau. Traurig und traumatisiert macht sich Wyndham auf nach Kalkutta, da er von Commissioner Taggart nach Indien, welches von der Korruption arg gebeutelt wird, berufen wird. Wyndham ermittelt in einem Mordfall, der in Bengalen weite Kreise zu ziehen scheint. Ein hochrangiger Beamter des Britischen Weltreiches wird tot in der Nähe eines Freudenhauses aufgefunden. In seinem Mund steckt ein Zettel, der den britischen Usurpatoren den Rückzug nahelegt Doch schnell werden Wyndham und sein Team, bestehend aus Sub – Inspector John Digby und Sergeant „Surrender – Not“ Banerjee, vom Fall abgezogen und vom Militärgeheimdienst ersetzt. Das Trio soll den Überfall auf einen Zug aufklären, und eine heiße Spur führt rasch zu einem indischen Volkshelden und Revolutionär…

Mit „A Rising Man“ lässt der Autor Geschichte lebendig werden. Man hat als Leser das Gefühl, mittendrin zu sein, beim Lesen spürt man förmlich die Hitze des indischen Subkontinents.

Die britische Kolonialherrschaft, den Rassismus der Briten und die ungleichen Größenverhältnisse arbeitet Mukherjee gut heraus: Zwar sind die Besatzer zahlenmäßig in der Minderheit, dies hindert sie jedoch nicht daran, die indigene Bevölkerung zu terrorisieren. Perfides Albion?

Die historischen Fakten stellt Mukherjee korrekt dar. Dabei bleibt aber nicht die Spannung auf der Strecke; auch mangelt es nicht an erzählerischer Raffinesse. Aufgelockert wird die Geschichte durch einen feinen Humor. Die Lektüre hat mir großen Spaß gemacht, denn die Erzählung wird nie langweilig und kann mit unerwarteten Wendungen und einem überraschenden Ende punkten.

Die Figuren sind perfekt ausgearbeitet, das indische setting ist natürlich ein Schmankerl. Auch das code – switching fand ich so klasse, dass ich die nicht – englischen Begriffe gleich nachgeschlagen habe ?. Man muss betonen, dass „A Rising Man“ ein mehr als ordentliches Debut ist. Es ist zugleich der Auftaktband einer Reihe, die ich mit Sicherheit lesen werde.

Selten habe ich eine Lektüre so genossen, daher vergebe ich die volle Punktzahl und ich spreche für das englische Original eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 15.06.2017

Marylins Dilemma

Marylin
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Vorab:
Das Buch ist hochwertig aufgemacht, mit Lesebändchen und mit einem interessanten Nachwort mit Endnoten versehen. Auch gibt es ein Foto des Schriftstellers. Ich mag es, wenn eine Ausgabe so liebevoll ...

Vorab:
Das Buch ist hochwertig aufgemacht, mit Lesebändchen und mit einem interessanten Nachwort mit Endnoten versehen. Auch gibt es ein Foto des Schriftstellers. Ich mag es, wenn eine Ausgabe so liebevoll gestaltet wurde & wenn man als Rezipient zum Weiterlesen animiert wird.

Arthur Rundts Roman erschien 1928.
„Marylin“ ist zeitlich in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt. Die Goldenen Zwanziger stehen für ausschweifende Feste, neue Freiheiten, sexuelle Experimente und Drogenkonsum in Europa und insbesondere Berlin, aber auch für Prohibition und Rassentrennung in den USA.
Rundts Roman beginnt zunächst im amerikanischen Mittleren Westen und führt den Leser dann in die eigentlich liberale Großstadt New York.
In Chicago trifft ein junger Mann eines Tages auf ein wunderschönes Mädchen, insbesondere ihre dünnen, hellen Arme haben es ihm angetan. Der naive Philip verfolgt die junge Frau, erkennt ihre tägliche Routine, und obwohl sie sich ihm entzieht und sogar umzieht, gelingt es ihm, obwohl es zunächst dagegen ist, das Objekt seiner Begierde zu heiraten und eine Familie in New York zu gründen. Doch als der Nachwuchs zur Welt kommt, ist Philip außer sich vor Wut, und das eigentlich allgegenwärtige Unheil nimmt seinen Lauf…
Ein so gutes Buch wie „Marylin“ habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Sachlich und nüchtern prangert der Autor soziale Ungerechtigkeit und Diskriminierung an, er legt den Rassismus in den damaligen USA schonungslos offen.
Sein Roman hat eine ganz klare Botschaft; trotz der linearen und konventionellen Erzählweise gelingt es Rundt ausgezeichnet, die Gefühle und Gedanken der Protagonisten transparent zu machen. Insbesondere Marylins Qualen werden eindrücklich beschrieben.
Der Autor zeigt in „Marylin“ auch auf, dass man andernorts liberaler und aufgeklärter war ( obschon die scheinbar Aufgeklärten auch Vorurteile haben, wie die vordergründig unvoreingenommene Französin Odette).
Der Roman endet tragisch, aber bei aller Dramatik gleitet Rundt meines Erachtens nie ins Kitschige ab.
„Marylin“ hat mich nachdenklich und betroffen gemacht.
Daher vergebe ich fünf Sterne für den Roman & ich spreche eine ganz klare Leseempfehlung aus!

Veröffentlicht am 30.05.2017

Ein ganz besonderer Gentleman

Der Gentleman
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"Der Gentleman“ ist eine geniale Persiflage! Der Autor Forrest Leo parodiert sehr gelungen den viktorianischen Roman und zitiert aus der Literaturgeschichte.
Goethes Faust gefällig??
Gute Literatur zeichnet ...

"Der Gentleman“ ist eine geniale Persiflage! Der Autor Forrest Leo parodiert sehr gelungen den viktorianischen Roman und zitiert aus der Literaturgeschichte.
Goethes Faust gefällig??
Gute Literatur zeichnet sich meines Erachtens häufig durch Intertextualität aus, so auch hier.
Die Handlung ist um das Jahr 1850 angesiedelt und spielt – wie könnte es anders sein – in London. Der vergeistigte Poet Lionel Savage kann von seiner Kunst leider nicht leben, und so ist der einzige Ausweg eine Heirat. (Jane Austen und Maria Theresia lassen grüßen). Seine Auserwählte ist natürlich wohlhabend! Dummer Nebeneffekt – seit der Hochzeit wird der Protagonist von einer ausgewachsenen Schreibblockade geplagt. Lionel beginnt, seine Ehefrau heimlich zu hassen, sieht in ihr den Grund für seine Unfähigkeit, etwas zu Papier zu bringen. Feinste Misogynie, wie ich finde!
Nicht die Liebe und die Exaltiertheit wie bei Goethes Werther kommt hier ins Spiel, sondern das Gegenteil: Savage (Nomen est Omen?) sieht im Freitod den einzigen Ausweg. Klassisch, mit Pistole. Jedoch würde das Beseitigen des Blutes dem treuen Butler Simmons (very British, methinks!) zu viel abverlangen. Also muss eine saubere Methode her!
Eine unverhoffte Lösung in Form eines Gentleman, der Savage seine Ehefrau abnimmt, tut sich auf, doch kaum hat Lionel einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, entdeckt er seine Liebe für die ehemals verhasste Gattin.
Will man nicht immer das haben, was so fern scheint?!
Der weltfremde Dichter muss die Hölle finden, wenn er sein Liebchen wieder sein nennen will …
Ich hatte beim Lesen viel Spass, Stil und Sprache sind wirklich klasse.
Der Roman ist eine echte Entdeckung! Ein fantastischer Genremix, vielleicht mit alter ego (Lionel/Leo), eine Karikatur des perfiden Albion, eine Persiflage auf Jane Austen und die stiff upper lip, was für ein grandioser Lesespass! Es macht bei diesem Ideenfeuerwerk ein wenig Mühe, den Faden nicht zu verlieren, trotzdem ist der „Gentleman“ 5 volle Sterne wert.

Veröffentlicht am 25.05.2017

Auf der Suche nach der Wahrheit

Der Tag, an dem wir dich vergaßen
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„Der Tag, an dem wir dich vergaßen“ ist ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe. Es geht um die Entzauberung von Familiengeheimnissen und um die Enträtselung der Vergangenheit. Dabei behandelt der ...


„Der Tag, an dem wir dich vergaßen“ ist ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe. Es geht um die Entzauberung von Familiengeheimnissen und um die Enträtselung der Vergangenheit. Dabei behandelt der Roman auch menschliche Beziehungen, er ist jedoch kein Feelgood – Familienroman. Dies wird meines Erachtens aber schon über die Covergestaltung des Buches kommuniziert. Der eigentliche Text ist gut strukturiert und in drei Teile gegliedert, sodaß diverse Facetten beleuchtet werden können. Sprachlich und stilistisch konnte mich Diane Chamberlains Werk überzeugen, da die Form gut zum Inhalt passt.

Worum geht’s?
- Die Protagonistin Riley MacPherson geht nach dem Tod ihres Vaters an den Ort zurück, an dem alles begann. Ihren Heimatstaat North Carolina hatte sie jedoch jahrelang gemieden wie der Teufel das Weihwasser.
- Denn: Nach dem Selbstmord ihrer Schwester war die Familie nicht mehr, was sie einmal gewesen war, und die Bezeichnung „Familie“ traf auf die Sippe streng genommen nicht einmal mehr zu, zu zerrüttet war das Verhältnis der Mitglieder.
- Als Riley sich daran macht, das Elternhaus zu entrümpeln, macht sie einen Fund, der sie völlig aus der Bahn wirft: In einer Schachtel findet sie alte Zeitungsartikel, die sie annehmen lassen, dass ihre Schwester womöglich noch am Leben ist!
- Riley begibt sich auf die Suche und stösst dabei nur auf die sprichwörtlichen verschlossenen Türen, und doch muss sie wissen, was in der Vergangenheit wirklich geschah…


Man sollte als Leser keinen Actionkracher erwarten, auch wenn es durchaus spannende Passagen gibt.
Die Erzählung stellt ein Familiendrama ins Zentrum, denn Rileys Nachforschungen bringen den Dominoeffekt ins Rollen – jedes Geheimnis zieht ein weiteres nach sich, was ist Lüge, was ist Wahrheit, und womöglich war die Realität, die Riley zu kennen glaubt, nur Konstruktion.

Im Verlauf der Geschichte werden die Beziehungen und Verwicklungen der Familie MacPherson analysiert, das Leid und die Motivation der einzelnen Figuren.
Chamberlain gelingt die Figurenzeichnung und die Ausarbeitung der Handlung gut, und wenn man manche Passagen als überzeichnet empfinden könnte, fällt dies in der Gesamtschau nicht allzu sehr ins Gewicht, da Chamberlains story sich gut liest. Die Tragik der Ereignisse lässt keinen Leser kalt.

Fazit:

Eine tragische Familiengeschichte, für die ich 4,5 von insgesamt 5 möglichen Sternen vergebe.