• Es fällt mir schwer, über dieses Buch eine Rezension zu schreiben, die all meinen Gefühlen und Gedanken auch nur annähernd gerecht wird.
Was mir gefallen hat?
Takis Würger nimmt die reale Person der Stella Goldmann als Dreh- und Angelpunkt seiner Geschichte. Diese Frau war eine jüdische Denunziantin im zweiten Weltkrieg und ihr Schicksal und das Thema an sich ist durchaus wert, immer wieder erzählt zu werden.
Würger nähert sich der Hauptperson in Gestalt des jungen Friedrich, der sie als Kristin kennen und lieben lernt. So hat auch der Leser erst mal einen neutralen Blick von außen.
Der Autor bedient sich oft starker Metaphern und Gleichnisse. Und in kurzen Einleitungen der Kapitel schildert er, was auf der Welt und in Deutschland rundherum Wichtiges passiert. Da werden Kinder geboren, Erfindungen gemacht aber auch Gesetze und Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung Deutschlands erlassen, Städte bombardiert, Tausende von Juden getötet. Später kommen auch noch Gerichtsprotokolle von Denunziationen hinzu. Das alles gibt einen bedrohlichen und authentischen Rahmen für die Beziehung, die zwischen Stella und Friedrich entsteht. (Ich möchte es nicht Liebe nennen, denn von ihrer Seite aus ist es das sicher nicht und der junge Mann hat auf dem Gebiet noch keinerlei Erfahrungen und seine Gefühle und Handlungen waren für mich teilweise sehr pubertär.)
Ich mochte auch die Sprache des Autors und mir gefällt, wie er mit wenigen, wohldosierten Worten auch dramatische Szenen hautnah erzählen kann. Die Dialoge sind stark und wohlgesetzt.
Was mir nicht gefallen hat?
Erst mal ist das Buch mit gut 200 Seiten recht dünn. Dafür packt er aber so viele Informationen, Fakten und Geschichten hinein, dass man dreimal so viele Seiten ohne Probleme füllen könnte. Dementsprechend wird man von immer neuen Erkenntnissen niedergedrückt, hat keine Zeit zum Durchatmen. Und immer wieder mal waren Szenen für mich aufgesetzt (wie z.B. der jüdische Boxer und sein Auftritt.)
Die Geschehnisse und Fakten werden unreflektiert an den Leser weitergegeben. Szene reiht sich an Szene ohne dass Würger sich große Mühe mit Übergängen, Erklärungen oder Beschreibungen gibt.
Die Charaktere der Hauptdarsteller, neben Stella und Friedrich ist das vor allem der SS-Mann Tristan, sind nicht nur sehr ambivalent, sondern eigentlich zum Großteil vollkommen undurchsichtig beschrieben und durch die Kürze des Textes fand ich zu keiner einen wirklichen emotionalen oder auch nur intellektuellen Zugang.
Vor allem Stella bleibt nicht greifbar und da einige Fakten ihres Lebens, wie z.B. ein Ehemann, einfach weggelassen werden, ist man sich auch nicht sicher, wie viel überhaupt real war und ob nicht eigentlich alles an der Geschichte frei erfunden ist und nur die Protokolle und Fakten wahr sind. Das schwächte für mich zunehmend den Gesamteindruck.
Ich frage mich ständig, was will Takis Würger mir damit sagen? Ich mag es ja eigentlich, wenn der Autor den Leser fordert und ein Roman auch nachdem man ihn aus der Hand gelegt hat, noch eine Weile meine Gedanken beherrscht. Und das Buch regt sicher an, sich mit der realen Stella zu beschäftigen. Dennoch war es mir einfach zu viel Unklarheit und zu wenig eigene Stellungnahme von Takis Würger. Für mich scheute er es, sich zu positionieren. Er wollte eine Geschichte erzählen ohne sich und seine Meinung einzubringen. Aber dadurch verwässerte die Geschichte für mich zu sehr und die Charaktere blieben blass – vor allem Friedrich und seine Motivationen - und irgendwie unrealistisch überspitzt.
Mein Fazit:
Ein Buch, welches sich zu lesen lohnt. Aber vor allem deswegen, um das Thema aufzunehmen und mit anderen in Diskussion darüber zu treten. Für mich nicht unbedingt ein literarisches Meisterwerk, obwohl es berührt und beschäftigt und die Sprache und der Rhythmus der Geschichte mir sehr gefallen haben. Meine Gefühle sind so ambivalent wie die Charaktere in diesem Buch.