Wie leicht ein Unschuldiger zum Schuldigen werden kann
Verschwunden im Aargau„Verschwunden im Aargau“ von Ina Haller ist ein Schweizer Regionalkrimi, der nicht nur mit viel Lokalkolorit, sondern auch mit einer ordentlichen Portion Spannung aufwartet.
Klappentext:
Beim jährlichen ...
„Verschwunden im Aargau“ von Ina Haller ist ein Schweizer Regionalkrimi, der nicht nur mit viel Lokalkolorit, sondern auch mit einer ordentlichen Portion Spannung aufwartet.
Klappentext:
Beim jährlichen Bärzelitreiben in Hallwil kommt es zu einer Messerattacke mit tödlichem Ausgang. Einziger Verdächtiger: Andrinas Mann Enrico. Doch Andrina hat einen anderen Verdacht. Die Zeugenaussagen könnten genauso gut auf Enricos Halbbruder Marco Feller zutreffen, Ermittler bei der Aargauer Kantonspolizei. Was hat ihn zu dieser Tat getrieben, und warum decken ihn seine Kollegen? Als Marco wenig später spurlos verschwindet, macht sich Andrina auf die Suche – nach ihm und nach der Wahrheit.
Der Schreibstil liest sich leicht und flott, vermittelt das Schweizer Umfeld sehr anschaulich, mit vielen typischen Ausdrücken, die man im Glossar gut erklärt findet. Sehr geschickt sind in die Handlung neben Brauchtum auch diverse Sehenswürdigkeiten und landschaftliche Schönheiten eingeflochten.
Das Buch erschien 2022, spielt in nicht näher datierter Gegenwart, Corona bleibt unerwähnt. Die angenehm kurz gehaltenen Kapitel sind weder mit Orts- noch Zeitangaben versehen. Das Cover mit der nebelverhangenen Bergwelt zeigt eine fotografisch effektvolle, künstlerisch anmutende Komposition, als Eyecatcher empfinde ich es dennoch nicht.
Für mich war es nach „Liestaler Gold“ aus der anderen Krimireihe der Autorin erst das zweite Buch und somit das erste aus der Serie mit Andrina als Protagonistin. Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich einen Durch- bzw. Überblick hinsichtlich des umfangreichen Personenkreises hatte: Familienmitglieder, Andrinas und Enricos Kollegenschaft und das polizeiliche Team. Zudem bestehen auch relativ komplizierte Beziehungen untereinander. Was den Kriminalfall an sich anbelangt, ist dieser 10. Band natürlich als eigenständiger Roman zu lesen, aber mir persönlich fehlten die Erlebnisse aus den Bänden davor, die den sogenannten roten Faden ausmachen. Ich denke, es wären so manche Emotionen und Aversionen bzw. Reaktionen der handelnden Personen verständlicher und nachvollziehbarer gewesen. Aus diesem Grund würde ich empfehlen, die Reihe komplett zu lesen.
Der Handlungsaufbau ist gut konzipiert. Der Prolog avisiert einen Racheakt, aber wer sich an wem weswegen rächen will, bleibt offen. Obwohl man das im Hinterkopf behält, bleibt der Zusammenhang mit der Messerattacke beim Bärzelitreiben bis zum Ende ein großes Fragezeichen. Vandalenakte, körperliche Attacken und mulmige Situationen halten die Handlung bis zu Ende auf einem guten Spannungsniveau, geben Raum zum Anstellen eigener Vermutungen, führen den Leser auf falsche Spuren, bis letztlich ein unerwarteter Täter entlarvt wird – eine überraschende, aber plausible Lösung.
Bis auf den Prolog wird der Fall aus Sicht von Andrina geschildert. Dadurch bekommt man in erster Linie Einblick in ihren Charakter, ihre Gedanken, die Gründe für ihr manchmal unvernünftiges Handeln. Andrina ist sympathisch, doch agiert sie mir zu blauäugig. Sie erscheint mir dafür, dass sie bereits in etlichen Mordfällen verwickelt war und ermittelt hat, zu leichtsinnig und unüberlegt; ich hätte mir da etwas mehr Vernunft und Vorsicht erwartet. Auch die Wesenszüge der anderen handelnden Personen sind recht gut erkennbar, viele Handlungen und Ansichten sind ja emotionell begründet.
„Verschwunden im Aargau“ hat mir spannende Lesestunden beschert, das Schweizer Ambiente hat mir gefallen und meine Neugier auf die Vorgängerbände wurde geweckt.