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Veröffentlicht am 15.09.2016

Mysteriöses Verschwinden einer Jugendlichen

Lauras letzte Party
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Die ehemalige Polizistin Miia tritt gerade ihren neuen Job an der Schule ihrer Heimatstadt an, als über Nacht eine 16-jährige Schülerin verschwindet. Was zunächst wie eine Ausreißer-Aktion aussieht, entwickelt ...

Die ehemalige Polizistin Miia tritt gerade ihren neuen Job an der Schule ihrer Heimatstadt an, als über Nacht eine 16-jährige Schülerin verschwindet. Was zunächst wie eine Ausreißer-Aktion aussieht, entwickelt sich mehr und mehr zum Rätsel, denn es gibt zwar keine Leiche aber die verschwundene Laura wird nirgends gesichtet. Obwohl Miia sich eigentlich von der Ermittlungsarbeit distanzieren wollte, greift sie nun doch ins Geschehen ein, vor allem weil sie der Fall an ihre vor fast 20 Jahren verschwundene Schwester erinnert. Mittels Internetrecherche stößt sie auf mehrere Ungereimtheiten, in die auch ihr Bruder Nikke verwickelt zu sein scheint. Als Schulpsychologe kannte er Laura sehr gut und rückt damit schon bald ins Visier der Öffentlichkeit …

Die vielversprechende Ausgangssituation dieses Romans, den man wirklich nicht als spannungsgeladenen Thriller bezeichnen kann, wird nur mäßig ausgebaut und dadurch wirkt das geschriebene Wort sehr konstruiert und unglaubwürdig. Im Großen und Ganzen geht es hier nicht nur um ein verschollenes Mädchen sondern in erster Linie um Kompetenzüberschreitung und öffentliche Anfeindungen, die gerade im Internetzeitalter in eine wahre Hetzkampagne ausufern können. Zahlreiche Spekulationen, sehr wenige Fakten und eine Hobby-Ermittlerin, deren Liebesleben die Autoren ganz besonders interessiert, machen das Buch für mich ziemlich uninteressant. Auch die Auflösung des Falls wirkt abrupt herbeigeführt und unbefriedigend, so dass ich mit Sicherheit keinen weiteren Band der „Palokaski-Trilogie“ lesen werde.

Fazit: Für mich handelt es sich weder um einen dunklen, psychologischen Thriller noch um ein fesselndes Beziehungsdrama, wie auf dem Einband versprochen wird. Die Story ist nicht schlecht geschrieben, so dass man sie durchaus lesen kann aber der Roman erreicht allerhöchstens das Mittelmaß.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Schuldigkeit einer verlorenen Seele

Rabenseele
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Lua Baron hat drei Jahre im Gefängnis verbracht, weil sie ihren gewalttätigen Ehemann nach einem Streit erschossen hat. Und nun ist sie wieder frei, frei zu tun was sich möchte. Doch die Resozialisierung ...

Lua Baron hat drei Jahre im Gefängnis verbracht, weil sie ihren gewalttätigen Ehemann nach einem Streit erschossen hat. Und nun ist sie wieder frei, frei zu tun was sich möchte. Doch die Resozialisierung gestaltet sich mehr als schwierig, denn zu ihrer Familie hat sie ein sehr zwiespältiges Verhältnis und Freunde muss sie sich erst suchen. Doch Lua plagen ständig Ängste und Zweifel, sie fühlt sich so schuldig und bereit noch mehr Buße zu tun und David geht ihr nicht aus dem Kopf. Als sie merkt, dass sie derzeit keinen Neuanfang wagen kann, bevor sie nicht die Geister der Vergangenheit besiegt hat, zieht sie zurück in die alte Jagdhütte, in der das Unglück einst geschah. Dort angekommen erwartet sie nichts Gutes, denn plötzlich haben alle Dorfbewohner ein starkes Interesse daran, sie schnellstmöglich wieder los zu werden. Denn andernfalls könnten Wahrheiten ans Licht kommen, die unbedingt im Verborgenen bleiben sollten …

Die Grundidee des Buches ist toll und die beschriebene Atmosphäre sehr dicht, sei es durch intensive Naturbeschreibungen oder sehr detaillierte Charakterstudien. Im Zentrum der Geschichte steht eine gebrochene Frau, deren Seelenleben nicht nur schwer belastet, sondern regelrecht zerrissen ist. Ihre familiäre Vorgeschichte ist geprägt von Gewalt und Hass, von Schmerz und Verletzung und all ihre Wunden sind nicht wirklich verheilt. So erlebt der Leser hier eine junge Frau, die am Rande des Wahnsinns lebt und zwischen Verfolgungswahn, Bußegedanken und bitteren Schuldgefühlen schwankt, ohne eine innere Balance zu finden. Sie sieht ihr Leben als Scheitern an und verkriecht sich in die Einsamkeit und flüchtet in ihren Kummer, weil sie die Ursachen für ihr Dilemma lange nicht versteht.

Der Schreibstil ist eigenwillig, geprägt von kurzen Sätzen, angerissenen Gedankenfetzten und tatsächlichen Begebenheiten durchzogen. So dass es mir schwer fiel zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden und ein inneres Verhältnis zur Protagonistin aufzubauen. Mir blieb das geschriebene Wort hier seltsam fremd, ebenso wie die vollzogenen oder unterlassenen Handlungen. Es gab Momente im Buch, da hätte ich Lua am liebsten gepackt und geschüttelt und ihr die Frage gestellt: „Warum machst du das hier eigentlich?“ Ich fühlte mich in ihrer Gedankenwelt regelrecht gefangen und spreche ihr auch einen gesunden Menschenverstand ab, obwohl sie nicht geisteskrank ist, mir aber meist so vorkam.

Fazit: Ich vergebe 2 Sterne für einen verwirrenden, dennoch dichten Roman, der die bittere Wahrheit einer ehemals guten Beziehung erst phasenweise offenbart. Leider konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen, weil ich mir einerseits mehr Realitätsbezug gewünscht habe und mich andererseits mit dem Geflecht an kausalen Zusammenhängen nicht identifizieren konnte. Mir war es einfach zu weit hergeholt und zu viel konstruiert. Dennoch konnte mich das Buch unterhalten und hat mir interessante Einblicke in ein desolates Seelenleben gewährt.

Veröffentlicht am 27.06.2019

Ein nicht verschmerzbarer Verlust

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
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„Toby hatte recht. Finn war meine erste Liebe. Aber Toby – Toby war meine zweite. Und die Traurigkeit, die in dieser Erkenntnis lag, ergoss sich wie ein schmaler kalter Fluss durch mein ganzes Leben.“


Inhalt


Für ...

„Toby hatte recht. Finn war meine erste Liebe. Aber Toby – Toby war meine zweite. Und die Traurigkeit, die in dieser Erkenntnis lag, ergoss sich wie ein schmaler kalter Fluss durch mein ganzes Leben.“


Inhalt


Für June Elbus bricht eine Welt zusammen, als ihr geliebter Onkel Finn stirbt, an einer Krankheit, die förmlich durch ein Fremdverschulden ausgelöst wurde. Er hatte Aids und sein langjähriger Lebensgefährte Toby soll der Schuldige sein, wenn es nach der Meinung von Junes Familie geht. Doch June ist unvoreingenommen, sie kennt diesen Toby nicht, wusste überhaupt nichts von seiner Existenz – all das haben ihr sowohl Finn als auch ihre Familie vorenthalten. Heimlich beginnt sie sich mit dem Freund ihres Onkels zu treffen und fühlt sich erstmals in ihrer Liebe zu Finn bestätigt, sie erkennt aber auch, das Dinge, die sie für selbstverständlich hielt, ganz andere Ursachen haben. Schon bald merkt sie, dass Toby nicht derjenige ist, den man zum Schuldigen degradieren kann, vielmehr bestärkt sie die neue Freundschaft darin, ihren eigenen Weg zu gehen. Doch während June sich bemüht über den nicht verschmerzbaren Verlust ihres Onkels hinwegzukommen, gestaltet sich ihr familiäres Umfeld immer schwieriger und sie muss einsehen, dass auch die Gegenwart ihre Aufmerksamkeit fordert.


Meinung


Mit ihrem Debütroman konnte die New Yorkerin große Erfolge erzielen und schaffte es auf die Liste der „besten Bücher des Jahres“. Ihre Auseinandersetzung mit der Thematik Verlust, Freundschaft und Familienzusammenhalt konnte eine große Leserschaft erreichen, die sich mit ihr auf die Reise macht, wie man trotz einer großen Traurigkeit, neue Menschen für sich gewinnt und das Leben von einer hoffnungsvollen Seite anpackt. Aber für mich steht leider fest: Dieser Roman erfüllt keinen der Ansprüche, die ich an ihn gestellt habe und nur mit Mühe habe ich ihn beendet.


Dabei ist es nicht einmal die Thematik selbst, die mir so missfallen hat, nein es ist die Ausarbeitung der gesamten Handlung, die dermaßen viele Baustellen hat, dass man das Gefühl bekommt, nichts klärt sich wirklich, nirgends erzielt man Ergebnisse und eine klare Ausrichtung sucht man vergebens. Für einen anspruchsvollen Roman ist das Buch viel zu seicht, zu unbedeutend und wenig emotional, auch die Sprache besticht durch keinerlei Finessen. Für einen Jugendroman wiederrum fehlt der Handlung die Dynamik, die Spannung, die vorwärtstreibende Kraft, die das Leben manchmal erzeugt, wenn die Protagonisten stark und jung sind. Was bleibt ist ein fragwürdiger Mix aus Familiengeschichte, Trauerverarbeitung und Geschwisterrivalität, an dessen Ende sich nicht einmal ein abschließendes Wort finden lässt, außer vielleicht der Tatsache, das Verstorbene so lange weiterleben, wie man sie in Erinnerung behält.


Fazit


Hier werden es mit Mühe und Augen zudrücken nur zwei Sternchen, die ich ausschließlich deswegen vergebe, weil man die Bemühungen der Autorin erkennt, eine erzählenswerte Geschichte in Worte zu fassen. Das sie so gar nicht meine Kriterien erfüllt, steht auf einem anderen Blatt. Normalerweise hätte ich nicht zu diesem Roman gegriffen, wenn ich mich allein auf den Klappentext und die prognostizierte Geschichte verlassen hätte, doch die vielen begeisterten Lesermeinungen haben mich dazu verleitet, es doch zu tun. Ganz klar ein Fehlgriff, denn aus den gut 400 Seiten konnte ich keine wichtige Aussage entnehmen und habe mich streckenweise sehr gelangweilt. Empfehlen möchte ich dieses Buch jedenfalls nicht, denn es gibt keinen Punkt, auf der Positivskala, den ich nennenswert finde.

Veröffentlicht am 16.06.2017

Die Flickenpuppe eines Serienmörders gibt Rätsel auf

Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)
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„ Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Worte vollständig begriffen hatte. Ihr Blick irrte im Raum umher, sie versuchte sich zu orientieren, festzustellen, wo sie genau war, dabei entdeckte sie ihre ...

„ Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Worte vollständig begriffen hatte. Ihr Blick irrte im Raum umher, sie versuchte sich zu orientieren, festzustellen, wo sie genau war, dabei entdeckte sie ihre Waffe noch auf dem Boden neben ihrem Kopf.“

Inhalt

Die Londoner Polizeibehörde steht vor einem ihrer schwierigsten Fälle: Ein brutaler Killer hat eine Ragdoll, eine menschliche Puppe aus verschiedenen Körperteilen von diversen Leichen zusammengeflickt und hängt diese den Detectives direkt vor die Nase. Doch nicht nur mit den Identitäten der Leichenteile müssen sie sich auseinandersetzten, sondern auch mit einer Liste, auf der weitere 6 Mordopfer stehen, die binnen einer Frist von zwei Wochen sterben werden. Der letzte auf der Liste ist der leitende Detectiv selbst, der sich nun nicht nur darum bemüht, die zukünftigen Mordfälle zu verhindern, indem er die potentiellen Opfer unter Personenschutz stellt, sondern darüber hinaus noch einen Vorsprung erzielen möchte, der es ihm ermöglicht, dem Täter zuvorzukommen. Aber der Ragdoll-Mörder bleibt eine blasse Erscheinung und die angekündigten Morde passieren trotz diverser Maßnahmen nach genauem Ablaufplan. Während die Polizei fieberhafte Ermittlungen anstellt, um dem Schrecken ein Ende zu bereiten, verhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass der Täter Insider-Wissen aus den engsten Kreis besitzt und als ein Kollege einen Zusammenhang zwischen dem Hauptermittler Layton-Fawkes, genannt Wolf und den Opfern aufdeckt, stellt sich die Frage, ob er möglicherweise eine ganz andere Rolle spielt, als bislang vermutet?

Meinung

Mit Ragdoll ist dem jungen britischen Autor Daniel Cole ein hochgelobtes Thrillerdebüt gelungen, welches als Kriminalserie startet und bereits für die Verfilmung vorgesehen ist. Nur leider konnte ich dem angeblich „atemberaubenden Stoff“ fast gar nichts abgewinnen und ich bin mir sicher, hier weder die Bücher noch die folgenden Filme zu konsumieren. Aus einer prinzipiell interessantes Thematik, von der ich mich bereits nach dem Lesen des Klappentextes hinreichend angesprochen fühlte, bleibt leider nach wenigen Seiten nicht mehr viel übrig, was mich zum Weiterlesen animieren konnte.

Zunächst einmal hat es mich sehr gestört, dass der Autor eine große Menge an Protagonisten einführt, diese aber sehr unpersönlich behandelt (es werden nur Nachnamen genannt) und darüber hinaus noch weitere Randfiguren aufstellt, die für das Geschehen eher irrelevant sind. Die beiden Hauptprotagonisten sind zudem sehr eigenwillige, kooperationsfeindliche Gesellen, die sich als Einzelkämpfer behaupten wollen und selbst während der laufenden Ermittlungen ihre Befugnisse weit überschreiten. Jedoch folgt diesem Fehlverhalten nicht etwa eine Suspendierung (auch wenn immer wieder genau diese im Zentrum steht) sondern lange Debatten zwischen den Teammitgliedern der Polizei, wer denn nun Recht und wer Unrecht hat. Die Meinungsvielfalt ist derart groß, dass es mich als Leser letztlich kaum noch interessierte, wer den Fall denn nun lösen wird.

Ein weiterer Knackpunkt dieses Thrillers ist die fehlende Täterperspektive, die Ansichten des Mörders, seine Beweggründe und die Ursachenforschung aus nächster Nähe. Gerade bei den belanglosen, verwirrenden Ermittlungen hätte ich mir wechselnde Kapitel aus verschiedenen Erzählperspektiven gewünscht, um zumindest die Hintergründe zu verstehen.

Tatsächlich existiert die Ragdoll nur am Rande, die Opfer der aktuellen Mordserie füllen die Seiten, bilden aber auch nur ein unlösbares Puzzle, fast ohne Spannungseffekte. Diese können sich ohnehin nur mühsam einschleichen und mich nicht über die Länge des Buches fesseln. Dafür beschreibt der Autor meines Erachtens sehr genau und griffig, wie ermüdend und zermürbend die alltägliche Polizeiarbeit sein kann, noch dazu wenn keine Ergebnisse vorliegen und der Täter ständig weitermordet, während die Anzahl der Opfer kontinuierlich steigt.

Fazit

Ich vergebe aufgerundet 2 Lesesterne für diesen Thriller, der mich leider nur kurzfristig an den Text binden konnte und bei dem ich gerade in der zweiten Buchhälfte kaum noch Interesse an der Auflösung des Falles hatte. Man merkt dem Text deutlich an, dass er für eine Verfilmung vorgesehen ist. Gerade die spontan wechselnden Szenen, die vielen Figuren und kurze, knappe Highlights, die einzelne Situationen hochdramatisch wirken lassen, könnten sehr gute Filmszenen ergeben, die man dann möglicherweise auch besser auseinanderhalten kann. Die Idee hinter der Handlung bewerte ich deutlich besser als ihre Umsetzung, für mich ist „Ragdoll – Dein letzter Tag“ leider eine Enttäuschung gewesen.

Veröffentlicht am 24.03.2020

Die von der anderen Seite

Milchmann
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„In einem Bezirk, der von Verdächtigungen, Mutmaßungen und Vagheit lebte, wo alles spiegelverkehrt war, war es außerdem unmöglich, eine Geschichte zu erzählen und einfach den Mund zu halten, nichts konnte ...

„In einem Bezirk, der von Verdächtigungen, Mutmaßungen und Vagheit lebte, wo alles spiegelverkehrt war, war es außerdem unmöglich, eine Geschichte zu erzählen und einfach den Mund zu halten, nichts konnte hier gesagt oder nicht gesagt werden, das nicht hinterher als einzig wahre Wahrheit verbreitet wurde.“

Inhalt

In dieser Geschichte, wo Menschen ohne Namen bleiben und stattdessen in Kategorien eingeordnet werden, erzählt uns die 18-jährige Protagonistin, genannt Mittelschwester, von ihrem fremdbestimmten Leben zwischen den fragwürdigen gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit und den fragilen Beziehungen zu ihren Mitmenschen. Von klein auf hat sie gelernt, möglichst unsichtbar zu bleiben, um keinerlei Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Je weniger sie wahrgenommen wird, desto einfacher ist es, in der Menge unterzutauchen und wenn schon nicht selbstbestimmt, dann wenigstens in Frieden zu leben. Ihre Strategie als eine von zahlreichen Geschwistern ist bisher aufgegangen, doch nun tritt plötzlich ein Fremder in ihr Leben und sie wird bezichtigt, mit diesem doppelt so alten Mann, der außerdem verheiratet ist, eine Affäre begonnen zu haben. Besagter „Milchmann“ steht im Zentrum der Öffentlichkeit, hat zahlreiche Bewunderer und ebenso viele Gegner, so dass es unmöglich erscheint, unbemerkt aus seinem Umfeld zu verschwinden. Sein „Stalking“ zermürbt Mittelschwester nachhaltig und bald muss sie sich der Macht der Gerüchteküche beugen, indem sie entgegen ihres Plans doch in sein Auto steigt …

Meinung

Bereits im Vorfeld der Lektüre habe ich diverse Leserstimmen zu diesem Roman wahrgenommen, die alle eine Gemeinsamkeit hatten: entweder man war begeistert oder das genaue Gegenteil – folglich wurde mein Interesse für dieses Buch geweckt und ich wollte mir ein eigenes Bild davon machen.

Die aus Belfast stammende Autorin Anna Burns thematisiert in diesem Roman den Nordirland-Konflikt aus der Innenperspektive, denn die Protagonistin schildert detailliert und in Endlosschleife ihre Gedanken und Gefühle im Rahmen ihrer Gesellschaftszugehörigkeit verbunden mit der eigenen Hilflosigkeit, dem System zu entkommen. Im ersten Drittel des Buches überwiegt noch der politische Hintergrund, während später die Haupthandlung um den „Milchmann“ in den Fokus rückt.

Literarisch betrachtet ist der Text anspruchsvoll und extravagant, begonnen bei fehlenden Strukturen, andauernden Nebensatzgeflechten, markanten Gedankensprüngen und zähen Handlungsschritten. Ich fühlte mich beim Lesen immer wie im Hamsterrad – man hat das Gefühl ständig zu laufen und kam doch keinen Schritt vorwärts. Weder konzentriertes, diszipliniertes Lesen noch pausieren oder querlesen konnten diesen Eindruck mildern – immer wieder kommt man vom Hundertsten ins Tausende und niemals auf den Punkt.

Dabei hat mich die einseitige Erzählperspektive nachhaltig gestört, denn wenn es einen zweiten oder dritten Part gegeben hätte, wäre das Szenario weniger frustrierend und etwas allgemeingültiger vermittelt wurden. So erlebt man alles hautnah, doch kann es trotzdem nicht ausreichend nachvollziehen. Ein weiterer Kritikpunkt sind die vielen manchmal irrwitzigen Ereignisse, die voller Inbrunst Dinge schildern, deren Abwesenheit mir nicht mal aufgefallen wäre – wie intelligent „Kleine Schwestern“ sind, wie Auto vernarrt „Vielleicht-Freund“ ist oder wie verbissen und nervig „Irgendwer McIrgendwas“ auf Dauer ist.

Fazit

Das es ein polarisierender Text sein würde, habe ich erwartet, für mich war es eine Qual, positiv betrachtet eine Leseerfahrung, die mir leider als Zeitverschwendung in Erinnerung bleiben wird. Nur meine Teilnahme an der Leserunde hat dafür gesorgt, das ich nicht abgebrochen habe, zumal mir gerade die Statements begeisterter Leser oftmals ganz plausibel erschienen, so dass dadurch mehr Empathie entstand, als es der Text allein auszudrücken vermag.

Damit vergebe ich den symbolischen Lesestern, der einen extravaganten, literarisch ausgezeichneten Text (Man Booker Price 2018) zu einem leider unbefriedigenden Leseerlebnis werden lässt. Denn am Ende bin ich mir sicher, die Botschaft des Buches nicht verstanden zu haben, obwohl Ansätze greifbar waren.

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