Academic rivals to lovers meets Glee
Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.
Aufmachung:
Ich liebe es, dass der Verlag das Originalcover ...
Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.
Aufmachung:
Ich liebe es, dass der Verlag das Originalcover (und den Titel auch, btw) übernommen hat! Die poppigen Farben und der Kontrast zwischen dem grünen Hintergrund und dem pinken Brief vor dem blonden Mädchen, das genauso aussieht, wie Shara Wheeler beschrieben wird, gefallen mir super und fangen genau den richtigen High-School-RomCom-Glee-Vibe ein! Die Haptik ist durch das matte Cover mit dem glänzend hervorgehobenen Titel und den Kussmündern sehr toll.
Schön gestaltet finde ich im Übrigen die abgedrucken Schnipsel, Tagebucheinträge, Chatauszüge etc. mit Gerüchten oder Aussagen über Shara, die man vereinzelt am Kapitelende findet und die die Geschichte schön abrunden.
„I Kissed Shara Wheeler“ ist von der Haptik abgesehen allerdings ein ganz normales Taschenbuch; wenn ich auch sonst ein Fan vom Knaur-Verlag bin, finde ich die € 14,99, die man zum Teil nicht mal für broschierte Bücher zahlt, dafür schon viel. Im Laden würde ich das Buch deshalb wieder zurücklegen.
Meine Meinung:
Ich mochte das Buch sehr!! 🥰
Das liegt zum einen vor allem daran, dass es mich vom Vibe her sehr an „Glee“ erinnert hat, meine absolute Lieblingsserie von vor ca. 10 Jahren (liebe sie immer noch). Insofern hatte „I Kissed Shara Wheeler“ natürlich irgendwo einen Vorteil, wobei ich mir vorstellen kann, dass manche diese Parallelen negativ auffassen werden.
Chloe Green hat mich nämlich sehr stark an Rachel Berry erinnert. Beide sind sehr ehrgeizig, würden alles tun, um ihre Ziele zu erreichen. Während Rachel (zumindest in den ersten Staffeln) davon überzeugt ist, die beste Sängerin zu sein und vor allem mit Quinn Fabray rivalisiert, ist Chloe der Meinung, die habe es verdient, Jahrgangsbeste zu sein. Dabei ist Shara Wheeler ihre „Erzfeindin“, die sie um jeden Preis übertrumpfen muss, wovon sie fast schon besessen ist.
Ihr seht: Auf den ersten Blick mutet „I Kissed Shara Wheeler“ ein bisschen wie eine Faberry-Fanfiction an, und obwohl man diese Parallelen nicht übersehen kann, haben sie mich nicht im Geringsten gestört. Denn natürlich geht es in diesem Buch um die Beziehung zwischen Chloe und Shara, und wie beide merken, dass sie, obwohl sie zwar Rivalinnen sind, sich eigentlich eben doch nicht hassen. Gleichzeitig hat „I Kissed Shara Wheeler“ aber auf seinen fast 400 Seiten noch viel mehr Inhalt.
Im Fokus stehen nämlich nicht nur Chloe und Shara, sondern auch Sharas Nachbar Rory und ihr Freund Smith, die sie wie Chloe kurz vor ihrem Verschwinden ebenfalls geküsst hat. Alle drei finden im Laufe der Handlung an sie adressierte Briefe von Shara, in denen sie sie mit Rätseln und Geheimnissen konfrontiert, von denen sie verlangt, dass die drei sie lösen, damit sie Shara finden.
Dabei finde ich zum einen bemerkenswert, dass die Autorin es schafft über gut 300 Seiten der Figur Shara nur über diese Briefe Leben einzuhauchen. Ihr Charakter wird bloß über ein paar Zeilen, die sie Chloe und die Jungs gerichtet hat, greifbar, und von Erzählungen und Kommentaren ihrer Mitschüler im Detail geformt. Es dauert verhältnismäßig lange, bis Shara selbst auf die Bühne kommt und sich persönlich präsentieren kann – bis dahin ist sie bereits eine ausgereifte Figur, über die sich der Leser ein gutes Bild machen konnte. Was viele Autor*innen nicht mit seitenlangen Monologen oder Dialogen schaffen, schafft Casey McQuiston über ein paar Briefe und Erwähnungen. Damit beweist sie, dass sie Characterbuilding einfach kann.
Das zeigt sie darüber hinaus auch bei ihren anderen drei Protagonisten sowie sämtlichen Nebenfiguren.
Denn nicht nur Shara wird über die Briefe gestaltet; die Geheimnisse, die Shara dort offenbart, sagen sowohl dem Leser als auch Chloe, Rory und Smith einiges über die Beteiligten. Sie sorgt mit ihren Briefen dafür, dass Vieles ans Licht kommt, was den Dreien zuvor nicht klar war, und zwingt sie dadurch natürlich dazu, dass sie sich mit dem auseinandersetzen, was sie übereinander erfahren.
Das wiederum zwingt sie gleichzeitig, miteinander zu arbeiten und einander besser kennenzulernen. Sharas Briefe schaffen es, dass Chloe, Rory und Smith beginnen, die sozialen Gruppierungen die an ihrer High School herrschen, zu hinterfragen und schließlich zu duchbrechen; sie erkennen, dass sie trotz unterschiedlicher Interessen doch Vieles gemeinsam haben, und lernen, Vorurteile zu erkennen und zu beseitigen und über sich hinauszuwachsen.
Die Geschichte wird zwar aus Chloes Sicht in der dritten Person erzählt, aber durch diese Verflochtenheit der Figuren kommt man allen dreien, wie auch Shara sehr nahe und lernt sie kennen und lieben.
Aber auch die Nebenfiguren kommen bei der ganzen Suche nach Shara nicht zu kurz: Seien es Chloes Mütter, ihre beste Freundin Georgia, Sharas Vater oder Klassenkameraden wie bspw. Dixon, Ace oder Summer: Die Autorin schafft es, ihnen allen quasi nebenher, ohne den wichtigen Hauptplot aus dem Fokus zu verlieren, eine eigene Stimme und eigene Geschichten zu geben. Sie sind zwar „nur“ Nebenfiguren, aber allesamt tragen sie auf irgendeine Weise etwas zum Plot bei und bekommen dabei selbst die Gelegenheit, wie die Protagonisten zu wachsen. „I Kissed Shara Wheeler“ besteht aus „nur“ 394 Seiten, aber es ist so angereichert mit Charakterwachstum, dass es sich nach viel mehr anfühlt, ohne dabei überladen zu wirken.
Neben dem herausragenden Characterbuilding hat das Buch eine weitere große Stärke: die fast schon beiläufige Queerness vieler Figuren. Oft sind bei Büchern mit queerer Repräsentation nur die Protagonisten oder nur eine bzw. einige wenige Nebenfiguren queer, oder es wird mit Klischees gespielt, die Queerness wird „aufgebauscht“ etc. Das kann auch gute Repräsentation und unterhaltsam sein, aber es gibt immer noch viel zu wenige Bücher, in denen die Queerness der Figuren alltäglich ist, ohne ihre Probleme herunterzuspielen. Und genau das schafft die Autorin mit „I Kissed Shara Wheeler“: Hier gibt es Figuren wie Chloe und ihre Moms, die stolz auf ihre Sexualität sind und diese auch nach außen tragen, es gibt closeted Figuren und Figuren, die sich im Laufe der Handlung erst noch finden müssen – all das in einer konservativen Kleinstadt im „Bible Belt“ der USA, also der Gegend, die besonders stark christlich geprägt ist. Das in Kombination mit der Engstirnigkeit der Bewohner sorgt dafür, dass die Schülerschaft mit Ausnahme von Chloe, die aus Kalifornien dorthin gezogen ist, erst lernen muss, mit queeren Mitschülern umzugehen; Konflikte sind da vorprogrammiert.
Das alles setzt die Autorin auf sehr schöne, authentische, gleichzeitig sensible Art und Weise um, die es einem leicht macht, sich in Chloe und die anderen Figuren hineinzuversetzen.
Abschließend habe ich einen winzigen Kritikpunkt, der letztlich dafür gesorgt hat, dass „I Kissed Shara Wheeler“ von mir nicht die volle Punktzahl bekommen hat: Ich habe relativ lange gebraucht, bis ich den Einstieg ins Buch gefunden habe und auch zwischendurch stagniert die Spannung ein wenig. Abgesehen davon fliegt man nur so durch die Seiten, aber über diese Stellen muss man natürlich trotzdem hinweg. Woran meine Schwierigkeiten gelegen haben, kann ich allerdings gar nicht so genau festmachen, vielleicht ja am doch eher unpersönlichen Schreibstil. Ich habe normalerweise eigentlich keine Probleme mit der dritten Person, aber vielleicht hätte der Ich-Erzähler hier für mich besser gepasst? Das ist aber, wie gesagt, nur eine winzige Kleinigkeit, die sehr subjektiv ist und letztlich kaum ins Gewicht fällt, weshalb ich da nicht mehr als einen halben Punkt abziehe.
Denn abgesehen von diesem Aspekt hat mir vor allem der trockene, bissige Humor der Protagonistin sehr gefallen. Durch ihn bekommt sie einerseits noch mehr Selbstvertrauen, auf der anderen Seite wird sie dadurch dem Leser trotz ihrer doch eher eigensinnigen, fast schon rücksichtslosen Art zugänglicher gemacht. Wenn ich also auch Problemchen mit der Erzählform hatte, den richtigen Erzählton trifft die Autorin ohne Frage!
Fazit:
Mir haben die Scavenger-hunt-glee-vibes super gefallen und Chloe ist eine tolle Protagonistin, die mich mit ihrem trockenen Humor und Sarkasmus oft zum Lachen gebracht hat. Shara Wheeler lernt man lange Zeit erst nur aus dritter Hand und über ihre Briefe kennen, aber trotzdem schafft die Autorin es, sie genauso greifbar und lebensecht zu gestaltet wie die Figuren, die man „live“ begleitet.
Am besten fand ich jedoch die Freundschaft, die sich unerwarteterweise zwischen Chloe und den Jungs entwickelt, und natürlich die tolle Repräsentation von Queerness!
Einen halben Punkt Abzug gibt es allerdings für den etwas holprigen Einstieg und die kleinere Durststrecke zwischendurch.
4,5/5 Lesehasen.