Profilbild von SofiaMa

SofiaMa

Lesejury Star
offline

SofiaMa ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SofiaMa über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.01.2023

Was passiert, wenn die Welt auf Träumer aufmerksam wird?

Wie der Falke fliegt
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie oft muss ich ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Wie oft muss ich eigentlich noch sagen, dass ich die Cover von Knaur einfach liebe? Zwar hat der Verlag hier, wie auch bei seiner Neuauflage des Raven Cycles die Originalcover von Scholastic weitestgehend übernommen, aber man kann ja trotzdem mal seiner Begeisterung Ausdruck verleihen!
Im Fokus steht ein Rabe mit einem roten Auge und Flügeln, die in die Baumkronen eines Nadelwaldes übergehen, vor einem rotgelben Hintergrund, der den Eindruck erweckt, der Wald würde brennen.
Der Rabe stellt ganz offensichtlich einen Bezug zu Ronan und Chainsaw her, was jeder sofort erkennt, der die Hauptreihe gelesen hat. Aber auch die Farbwahl des Hintergrunds, sowie dann natürlich auch der Wald und das Zusammenspiel aller Elemente bekommt eine Bedeutung, wenn man den Inhalt kennt. Das Gleiche gilt für den Titel, der optisch eher schlicht gehalten ist, durch die hellblaue Folierung aber trotzdem besonders hervorsticht. Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass ich die Aufmachung absolut gelungen finde.


Meine Meinung:
Den Raven Cycle habe ich geliebt, also war es glasklar, dass ich auch das Spin-off so bald wie möglich lesen würde!
Tatsächlich habe ich auch gar nicht allzu viel Konstruktives zu „Wie der Falke fliegt“ zu sagen, außer: Lest einfach die Hauptreihe rund um Blue und die Raven Boys und dann macht direkt mit dem Spin Off weiter!

So habe ich das nämlich auch gemacht, denn der Sogwirkung von Henrietta, Cabeswater, den Träumen und ihren Träumern konnte ich einfach nicht widerstehen. Anfangs war ich zugegebenermaßen ein wenig überrascht davon, dass sich „Wie der Falke fliegt“ in nicht wenigen Punkten von der Hauptreihe unterscheidet, und wenn ich wirklich ganz ehrlich bin, war ich für die ersten gut 50 Seiten ein weeeenig enttäuscht darüber, dass „Wie der Falke fliegt“ nicht in der gleichen Weise magisch ist wie der Raven Cycle. Das drückt sich vor allem in der „Offenheit“ dieser Welt aus, wobei ich hier mit Offenheit nicht Zugänglichkeit oder Aufgeschlossenheit meine, sondern, dass die Welt den Figuren hier buchstäblich mehr oder weniger offensteht, sie also im Großraum D. C. umherreisen und vor allem in den einzelnen Kapiteln immer in den Erzählperspektiven gewechselt wird.
Demgegenüber fand der Raven Cycle ausschließlich in Henrietta statt und es drehte sich alles um Blues kleinen Kosmos. Diese Abgeschiedenheit, die sich auf die Magie der Ley-Linie in Henrietta, Glendower und Cabeswater konzentriert, macht in meinen Augen einen wesentlichen Teil der Magie des Raven Cycles aus – zwar spielt die Reihe in unserer Welt nach unseren Regeln, aber gleichzeitig herrscht dort Traummagie und es ist nichts so, wie es scheint. Dabei hat die Autorin immer wieder auf besonders raffinierte Weise mit diesem Kontrast zwischen Wirklichkeit und Traum gespielt, was wiederum einerseits von ihrem besonderen, mystischen Schreibstil unterstützt wurde, andererseits auch irgendwie zu diesem beigetragen hat.

Aber ich wusste natürlich, dass „Wie der Falke fliegt“ der Auftakt einer neuen Reihe ist, und meine Enttäuschung nur daher herrührte, dass ich noch nicht so ganz mit dem Raven Cycle abgeschlossen hatte. Denn ich habe schnell gemerkt, dass die „Dreamer“-Trilogie zwar inhaltlich und auch erzählerisch erwachsener ist als die Hauptreihe, ihr aber dennoch die gleiche Magie innewohnt wie auch dem Raven Cycle – nur eben ein wenig gereifter, wie auch ihr Protagonist Ronan gewachsen und erwachsen geworden ist.


Ronan war schon im Raven Cycle eine meiner Lieblingsfiguren, nicht nur, weil er der Träumer ist, sondern auch, weil er mit seiner Backstory – dem toten Vater, der erträumten Mutter, dem schwierigen Verhältnis zu seinen Brüdern und natürlich auch zu sich selbst – so viel Potenzial dazu hat, eine facettenreiche, vielschichte, komplexe Figur zu werden, die man nur ins Herz schließen kann. Und dieses Potenzial nutzt Stiefvater hier gnadenlos und lässt ihn sich zu einer Figur entwickeln, die zwar ihre Schwächen hat, Ängste ausstehen muss und Fehler macht, die aber genau daran wächst, selbstbewusster und stärker wird, ohne ihren Charakter wesentlich zu verändern. Im Vergleich zu „Wen der Rabe ruft“ legt Ronan eine unglaublich starke Charakterentwicklung hin, während dieser er sich trotz allem treu bleibt, und das ist eine großartige Leistung der Autorin.
Noch dazu sind sein Zynismus und seine unverblümte, unbedingte Ehrlichkeit Charakterzüge, die in der Hauptreihe in vielen Situationen für Lacher bei mir gesorgt haben oder durch die er genau das ausgesprochen hat, was mir in dem Zeitpunkt beim Lesen auch durch den Kopf gegangen ist, und diese Momente findet man auch hier.

Altbekannte Figuren, allen voran natürlich Ronans Brüder, aber auch Adam und hin und wieder sogar Gansey und Blue tauchen immer mal wieder auf, wobei letztere nur in Form von Telefonaten oder Textnachrichten. Das sowie Hinweise auf die Geschehnisse des Raven Cycles stellt den Zusammenhang zur Hauptreihe her, da aber kein Vorwissen daraus vorausgesetzt wird, kann man „Wie der Falke fliegt“ auch gut lesen, ohne den Raven Cycle vorher gelesen zu haben. Das würde ich natürlich nicht empfehlen, weil die Bücher unglaublich toll sind (sie zählen zu meinen Jahreshighlights 2022) und euch so die Freude über diese Cameos entgeht, aber inhaltlich würde man nicht viel verlieren.
Adam taucht hier sogar ab und zu persönlich auf und es ist schön zu sehen, was aus ihm geworden ist, aber abgesehen davon, dass er Ronans Freund ist, ist er (noch ?) nicht relevant für die Story, was nur wieder unterstreicht, dass Stiefvater mit diesem Spin-Off-Auftakt eine neue Reihe startet.


Ronans Brüder, Declan und Matthew, die im Raven Cycle nur am Rande aufgetaucht sind, zählen hier allerdings zu den Protagonisten. Der erste Satz des Buches lautet „Das hier wird eine Geschichte über die Lynch-Brüder“, und diesen Satz kann man ernst nehmen. Auf ihre ganz eigene Art stellt Stiefvater immer wieder die Unterschiede der Brüder heraus – Ronan ist der Träumer, Matthew der Traum, Declan der Mensch –, wobei gleichzeitig jedes Mal deutlich wird, wie viel die drei verbindet und was sie alles gemeinsam haben.
Dabei lernt man vor allem Declan sehr gut kennen und erkennt, dass sein steifes, strenges Auftreten, das man bereits aus dem Raven Cycle kennt und das ihn nur allzu unsympathisch gemacht hat, doch von etwas Tieferem herrührt. Ähnlich wie bei Ronan schafft es Stiefvater auch ihm, einen noch tieferen Charakter zu geben, ohne dabei sein Wesen zu verändern. Man kann sich lediglich besser in ihn hineinversetzen und seine Beweggründe viel besser nachvollziehen.

Jeder von ihnen geht seinen eigenen Problemen nach, und während es anfangs noch so scheint, als könnte keines davon mit den jeweils anderen zusammenhängen, wird im Laufe der Handlung doch immer deutlicher, dass das Schicksal der drei sie miteinander – auch durch die Machenschaften ihres Vaters – untrennbar verbindet. Wie es die Art der Autorin ist, merkt man das aber nicht sofort beim Lesen, stattdessen wird es einem subtil immer bewusster, bis es einem wie Schuppen von den Augen fällt und man sich fragt, wieso es einem nicht gleich aufgefallen ist.
Auf diese Weise verfährt sie mit allen Aspekten ihres Romans und die Fäden, die anfangs überhaupt nicht zusammen zu passen scheinen, laufen schließlich auf logischste Art zusammen.
Vor allem den Handlungsstrang rund um Hennessey und ihre Kopien habe ich anfangs überhaupt nicht verstanden, aber da ich den Stil von Stiefvater ja nun kenne und mittlerweile weiß, dass man zu Beginn eines ihrer Bücher erstmal keinen Überblick hat, habe ich mich darauf eingelassen und wurde natürlich nicht enttäuscht.


Sowohl mit Hennessey selbst und Jordan als auch mit Farooq-Lane und den Visionären, die hiermit schon ein gutes Fundament erhalten haben, über die ich allesamt aber noch so viel mehr erfahren möchte, wählt Stiefvater einen Weg, mit dem ich zu Beginn dieses Buches niemals gerechnet hätte, der aber ihre Welt der Träumer und Träume nur logisch ausbaut und weiterführt. Um den Kreis zu oben zu schließen: Während es im Raven Cycle nur um Henrietta, um Blue, Gansey, Ronan und Adam ging, richtet Stiefvater hier den Blick ein wenig nach außen und stellt die konsequente Frage: Gibt es noch mehr Menschen wie Ronan? Was bedeutet das für den Rest der Welt und wie reagiert dieser, wenn es von den Träumern und ihren Fähigkeiten erfährt?

Mit diesem Buch bekommt das Universum um die Raven Boys also einen Hauch von Geheimbund-/ Spionage-/ Mafia-Thriller, ohne an seiner ganz eigentümlichen Magie zu verlieren. Die meiste Zeit über liest man dabei mit einem riesigen Fragezeichen über dem Kopf und es sind auch längst nicht alle Fragen geklärt. So wie ich Stiefvater jetzt aber kennengelernt habe, wird sich das auch bis zum Ende der Trilogie nicht ändern. Ich freue mich riesig auf die Fortsetzungen!


Fazit:
Anfangs war ich ein wenig überrascht davon, dass sich „Wie der Falke fliegt“ in nicht wenigen Punkten von der Hauptreihe unterscheidet, aber natürlich ist „Wie der Falke fliegt“ der Auftakt einer neuen Reihe, die noch dazu inhaltlich und auch erzählerisch erwachsener ist als die Hauptreihe, insofern macht das alles Sinn.
Nichtsdestotrotz kann also auch der Spin-off-Auftakt wieder mit einem besonderen Schreibstil, einem unfassbar vielschichtigen, komplexen Magiesystem, einem spannenden Abenteuer, das nach dem Ende noch viele Fragen aufwirft, und nicht zuletzt mit tollen Figuren überzeugen!
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2023

Selten so ein ausgeklügeltes Magiesystem erlebt!

Der Hexenzirkel Ihrer Majestät. Das begabte Kind
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe das Cover ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe das Cover und die Liebe zum Detail! Auf den ersten Blick fällt hier der goldfolierte Reihentitel im Zentrum und der Untertitel am unteren Bildrand auf. Wenn man sich das Cover dann genauer ansieht, erkennt man, dass die hellblauen Schnörkeleien auf dem dunkelblauen Hintergrund um den Titel herum nicht bloß Schnörkeleien sind, sondern man findet ein Symbol, das stark an ein Auge erinnert und das auch an jedem Kapitelanfang wieder auftaucht, man findet Monde, Schlangen und eine Sonne – alles „witchy“ Symbole, die damit hervorragend zum Buch passen.


Meine Meinung:
Ein Buch über moderne Hexen in London? War klar, dass ich das lesen würde, hehe. Und es hat Erwartungen vollkommen erfüllt!

Zwar fiel mir der Einstieg ein wenig schwer, allerdings kann ich das gar nicht wirklich an einem bestimmten Aspekt im Buch festmachen. Vermutlich liegt es viel daran, dass ich das Buch im Anschluss an ein Jahreshighlight („The Seven Husbands of Evelyn Hugo“) gelesen habe, das nicht nur aus einem völlig anderen Genre stammt, sondern auch ganz anders geschrieben war.
Unabhängig davon kann ich mir aber vorstellen, dass es auch ein bisschen damit zu tun hatte, dass man hier an einem Punkt in die Geschichte einsteigt, zu dem in ihrer Welt bereits einiges passiert ist: Die Protagonistinnen haben vor wenigen Jahren in einem großen Hexen-Bürgerkrieg gekämpft und nur knapp gewonnen und haben jetzt immer noch an den Auswirkungen zu knabbern. Als Leser kennt man diese Vorgeschichte natürlich zunächst nicht, erst nach und nach wird enthüllt, was in der Vergangenheit passiert ist, wer beteiligt war und was genau die Protagonistinnen währenddessen durchgemacht haben. Das alles ist ein Teil der Geschichte des Auftakts von „Der Hexenzirkel Ihrer Majestät“, da die Vergangenheit natürlich immer noch die Leben der vier Frauen beeinflusst. Insofern ist es also nicht nur logisch und macht durchaus Sinn, dass sich die Autorin dafür entschieden hat, den Leser anfangs im Ungewissen zu lassen, sondern es trägt auch wesentlich zur Spannung bei.
Nichtsdestotrotz muss man sich erstmal darauf einlassen und daran gewöhnen, und das dauert eben seine 50-100 Seiten.


Der Punkt, ab dem mich der Hexenzirkel dann völlig von sich überzeugen konnte, ist der, an dem ich gemerkt habe, wie unfassbar genial, detailliert und grandios ausgearbeitet das Magiesystem ist. Das fällt einem nicht sofort auf, sondern wird einem erst nach und nach bewusst, wenn die verschiedenen Magiearten, die Stärken und vor allem Schwächen der Hexen sowie die Auswirkungen, die ihre eigene Magie und die der anderen auf sie hat, deutlich werden. Dabei webt die Autorin diese Informationen so geschickt in die Handlung ein, dass einem zunächst gar nicht bewusst wird, dass sie dem Leser gerade das Magiesystem erklärt – genau das ist das, was für mich ein guter Schreibstil ausmacht: Show, don´t tell!

„Jede Hexe musste auf die harte Tour lernen, dass ihre Gabe einen riesigen Haken hatte: Orakel lebten außerhalb der Zeit. Für Elementarinnen hielt jeder traurige Tag Regen bereit. Heilerinnen wurden unausweichlich mit Krankheit und Tod konfrontiert. Und Feinfühlerinnen hörten Dinge, die sie lieber nicht hören würden. Keine Gabe funktionierte wie ein Wasserhahn, der sich nach Belieben auf- und zudrehen ließ.“ (S. 327/473)

Ich habe schon viele Hexengeschichten gelesen, aber nur wenige haben es geschafft, die Magie so natürlich und authentisch wirken zu lassen, wie diese hier. Man glaubt Juno Dawson ohne Zweifel, dass es auf der Welt eine magische Parallelgesellschaft gibt, die wir „Profanen“ (die Menschen ohne Magiebegabung) aufgrund zahlreicher Glamour und Verschleierungszauber nicht wahrnehmen können.


Der zweite Aspekt, aufgrund dessen „Der Hexenzirkel Ihrer Majestät“ mich von sich überzeugen konnte, sind die vier wahnsinnig vielschichtigen Protagonistinnen und die ebenso interessanten Nebenfiguren, von denen keine einfach nur „gut“ oder „böse“ ist. Stattdessen folgt jede Figur einfach nur den eigenen Überzeugungen, die dem Leser so plausibel gemacht werden, dass er sich mit Leichtigkeit in jede Figur hineinversetzen kann und versteht, weshalb die Figur sich so entwickelt, wie sie es eben tut. Selbst Helenas Handlungen, die ganz offensichtlich fehlgeleitet ist, auch wenn ihre Motivation, vor allem ihre Tochter, aber auch die anderen Hexen vor dem Tod zu bewahren, ehrenhaft ist, kann man zu einem gewissen Grad nachvollziehen, auch wenn man sie nicht gutheißt. Aber man versteht, weshalb sie handelt, wie sie handelt, und woher ihre Überzeugungen rühren. Vor allem sie ist deshalb ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Dawson ihre Figuren kennt und versteht und ihnen den Raum zur Entwicklung gibt, den sie brauchen, um zu greifbaren, lebensnahen Protagonisten zu werden.
Aber auch die anderen drei Hauptfiguren verfolgt man unglaublich gerne, wobei jede einzelne von ihnen sich grundlegend von den anderen dreien unterscheidet. Zwar hatte ich mit Niamh eine eindeutige Favoritin, da die meisten Kapitel aus ihrer Sicht geschrieben sind und der Leser somit leichter eine Bindung zu ihr aufbauen kann als zu den anderen dreien, aber ich konnte mich in jede Hexe gleichermaßen gut hineinversetzen. Das zeigt also, dass Dawson nicht nur ihr Worldbuilding beherrscht, sondern auch weiß, wie sie überzeugende Figuren schafft!


Zuletzt spricht die Autorin sensible und wichtige Themen wie Feminismus und Transsexualität quasi nebenbei, aber dafür nicht weniger lautstark und mit der erforderlichen Eindringlichkeit und Emotionalität an. Sie schneidet politische Diskussionen an, teilt dem Leser ihre eigene Meinung mit und gibt Betroffenen gleichzeitig eine Stimme, die jeder hören kann, der sich diesem Buch widmet.
Allzu viel möchte ich hierzu an dieser Stelle nicht sagen, da es doch ein wenig zu sehr spoilern würde, lasst euch hier einfach selbst überzeugen!
In diesem Zusammenhang finde ich übrigens die kleine Transflagge auf dem Buchrücken ein sehr schönes Detail in der Buchgestaltung!


Das Ende ist allerdings richtig BÖSE??????? Was soll denn das?????? Selbst wenn mich der Rest des Buches nicht so sehr begeistert hätte, wie es der Fall ist, hätte ich nach diesem letzten Satz keine andere Wahl gehabt, als die Fortsetzung zu lesen. Her damit!!!!


Fazit:
Zum Einstieg braucht man ein wenig, um in die Geschichte zu finden, weshalb es einen halben Punkt Abzug gibt. Ansonsten kann „Das begabte Kind“ nur überzeugen!
Vor allem das geniale, bis ins letzte Detail ausgeklügelte, geniale, authentische Magiesystem hat mich begeistert, aber auch die vier wahnsinnig vielschichtigen Protagonistinnen und ebenso interessanten Nebenfiguren, von denen keine nur „gut“ oder „böse“ ist, sondern jede einfach nur ihren eigenen Überzeugungen folgt, konnten mich begeistern.
Als i-Tüpfelchen spricht die Autorin wichtige Themen wie Feminismus, Transsexualität und Akzeptanz auf sensible, emotionale und vor allem lautstarke Weise praktisch nebenbei an.
Das Ende ist aber sehr böööööööööööse.
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.10.2022

Supercooles Magiesystem!!!

Vicious Magic: Verzwickte Gaben (Band 1)
1

4,5 ⭐️.

Vielen lieben Dank an NetGalley und den impress-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ihr wisst, normalerweise ...

4,5 ⭐️.

Vielen lieben Dank an NetGalley und den impress-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ihr wisst, normalerweise bin ich kein großer Fan von Personen auf dem Cover, und auch dieses hier würde ich mir vermutlich, wenn ich die Wahl hätte, eher auf mein digitales Bücherregal laden als es in mein physisches zu stellen. Aber ich finde die Gesamtkomposition mit der jungen Frau im Goldkleid im Vordergrund, die offensichtlich Lyssa sein soll, und die von Metallstäben, die an Hochhäuser erinnern, "durchbrochen" wird, und dem schwarzen Hintergrund sehr cool. Zusammen sehen die einzelnen Teile der Reihe, die sehr ähnlich gestaltet sind, darüber hinaus super aus.

Meine Meinung:
Ahhhh, wie cool ist dieses Magiesystem bitte?? 😍
Es hat mir nicht nur richtig gut gefallen, wie vor allem Lyssas Ferrokinetik super spannend beschrieben ist. Vor allem deshalb sticht das Buch aus dem Meer an Urban Fantasy heraus, weil ich etwas Ähnliches in der Art bisher noch nicht gelesen habe! Die Magischen haben alle eine unterschiedliche Ausprägung ihrer Magie, wobei manches öfter vorkommt als anderes. So gibt es z. B. Magische mit Feuermagie, es gibt Eismagische, solche, die die Zeit beeinflussen können uvm. Toll fand ich dabei auch, dass jeder unterschiedliche, zu seiner Magie passende Eigenschaften hat: Die Feuer- oder Eismagischen zB haben auch eine entsprechende Körpertemperatur, und man sieht auch ihren Augen an, welches Element sie beeinflussen können.

Die Protagonistin ist dabei die einzige auf der Welt, die Gold beeinflussen kann, was sie nicht nur mächtig sondern auch wertvoll macht. Sie selbst weiß dabei genau, welche Bedeutung sie vor allem für die Magic Control Agency, für die sie arbeitet hat, und spielt dieses Wissen auch aus. Lyssa ist dabei eine selbstbewusste junge Frau mit einem trockenen Humor, viel Mut und kurz einfach eine tolle Protagonistin in die man sich gerne hineinversetzt.
Auch die anderen Figuren sind bereits super ausgebaut und sehr greifbar; man bildet schnell Sympathien für manche, für andere demgegenüber weniger. Dabei kann man einige nicht so gut durchschauen wie andere, trotzdem bleibt hier einiges vorhersehbar, insbesondere die größeren Twists. Das ist natürlich schade, aber das Lesen macht dennoch sehr viel Spaß.

Darüber hinaus fand ich hier das Mini-Fremdgeh-Trope nicht ganz so nice, wobei das fast schon beidseitig war, weshalb ich es nicht ganz so schlimm fand, zumal es sich auch gut in die Geschichte eingefügt hat und insgesamt Sinn ergeben hat. Trotzdem mag ich sowas nicht so sehr haha, aber ich weiß natürlich, dass das sehr subjektiv ist.


Abgesehen davon ist „Vicious Magic“ aber ein hervorragender Reihenauftakt, mit dem die Autorin bereits auf diesen ersten 400 Seiten der Reihe beweist, dass sie sich darin versteht, Welten zu bauen und sie so real erscheinen zu lassen, dass man schnell vergisst, dass man liest. Hier ist nämlich nicht nur das Magiesystem sehr beeindruckend, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Strukturen einer Welt, die mit unserer fast identisch ist, sich aber darin unterscheidet, dass dort Menschen und Magische zusammenleben. Ein bisschen unterschwellige Gesellschaftskritik ist hier auch dabei, denn die Art, wie die Menschen und die Magischen selbst andere Magische kontrollieren und unterdrücken, ist mindestens fragwürdig, und bietet auf jeden Fall viel Zündstoff für spätere Konflikte. Deshalb und wegen des überaus fiesen Cliffhangers am Ende freue ich mich riesig auf die Fortsetzung!

Fazit:
Mit dem Auftakt der "Vicious Magic"-Trilogie erhält man ein supercooles Magiesystem, spannendes Worldbuilding und einen fiesen Cliffhanger am Ende, der noch dazu mit tollem Humor und einem sehr sympathischen Schreibstil besticht. Mini-Punktabzug gibt es für die leichte Vorhersehbarkeit und das Fremdgeh-Trope (das aber nicht annähernd so moralisch fragwürdig umgesetzt wurde, wie es in anderen Büchern ist; ich mag es einfach nur nicht, die meisten von euch dürfte es vermutlich nicht stören). Freue mich auf die Fortsetzung!
4,5 ⭐️.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.07.2022

Enemies to lovers im Regency-London

Wie man sich einen Lord angelt
0

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ok, also zuerst einmal muss ich über dieses ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ok, also zuerst einmal muss ich über dieses wahnsinnig tolle Überraschungspaket fangirlen, das der Verlag hier zusammengestellt hat! 😍
Das Buch kam in einem zur Reihe passenden Karton zusammen mit einem Beutel English Breakfast Tee in einem niedlichen, pastellgrünen Teedöschen, Shortbread und einem kleinen Gläschen Lemon Curd, also allem, was man für eine englische Tea Time benötigt. Als wäre das nicht schon genial genug, ist in dem Buch auch noch ein signiertes Bookplate eingeklebt! Zu sagen, ich hätte mich über dieses unerwartete Päckchen gefreut, wäre untertrieben.
Abgesehen von der Verpackung ist aber auch das Buch an sich in gewohnter Knaur-Verlag-Manier wunderschön aufgemacht. Der größte Hingucker ist dabei wohl die hintere Klappe, die um den Schnitt bis nach vorne gefaltet ist. Wollen wir das einfach einen Faux-Farbschnitt nennen?
Die Klappe selbst ist mit Zitaten aus dem Buch geschmückt sowie Bildern der Protagonisten, abgerundet von hübschen Schnörkeleien und süßen Details.


Meine Meinung:
Ich bin nicht nur wegen des tollen Pakets froh darüber, dass der Verlag mir das Buch einfach so zugeschickt hat, denn wäre dem nicht so gewesen, hätte ich mich vermutlich niemals der Regency Romance gewidmet. Und wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich das einfach verpasst hätte?!

Ihr seht also: Ich war ziemlich begeistert vom Buch.
Das lag hauptsächlich an der Protagonistin Kitty, die sicherlich nicht bei jedem gut ankommt, aber mich konnte sie mit ihrer Pläneschmiederei und der Manipulation sämtlicher Junggesellen der Ballsaison inklusive ihrer Mütter von Beginn an für sich gewinnen! Ich fand es sehr spannend zu verfolgen, wie sie potenzielle Heiratskandidaten beobachtet und schnell lernt, wie sie sie am besten um den kleinen Finger wickeln kann, was ihre Schwächen sind und womit sie ihre Mütter bezirzen kann, ohne dass diese merken, dass es Kitty nur darauf ankommt, eine gute Partie zu machen. Sie ist bereit, alles zu tun, um die Zukunft ihrer Schwestern abzusichern, und das fand ich bemerkenswert.

„‚Nur wer reich ist, kann sich den Luxus der Ehre leisten‘, entgegnete sie kalt. ‚Und nur Männer haben das Privileg, ihr eigenes Vermögen zu machen. Ich habe vier Schwestern, die auf mich angewiesen sind, und die Berufe, die Frauen wie mir offenstehen – Gouvernante, Schneiderin vielleicht – würden nicht einmal ausreichen, um die Hälfte von ihnen zu kleiden und zu ernähren. Was soll ich also tun, außer mir einen reichen Ehemann zu suchen?“ (S. 105/ 351)

Dabei macht sie natürlich auch Fehler und verliert auch mal das Potenzial ihrer Schwester Cecily, die sie nach London begleitet, aus den Augen. Das macht Kitty greifbarer und führt einem vor Augen, dass sie trotz ihrer Rücksichtslosigkeit und Tendenz, sprichwörtlich über Leichen zu gehen, selbst noch relativ jung und eben doch keine schlechte Person ist, sondern lediglich besorgt um das Wohl ihrer Familie.
Für den Leser ist der Konflikt mit Cecily absehbar, aber dadurch, dass man nicht weiß, wann und vor allem wie Kitty das am Ende heimsucht, steigt alleine aus diesem Grund die Spannung konstant.

Hauptsächlich knistert es in diesem Buch aber zwischen Kitty und Lord Radcliffe. Während sie zunächst versucht, Archie, den jüngeren Radcliffe, zu verführen, weil er in ihren Augen ein leichteres Ziel zu sein scheint, ist für den Leser von Anfang an klar, dass Kitty und der Lord viel besser zusammenpassen. Einerseits liegt das schlicht daran, dass Archie eher wie ein 14-jähriger, in allen Lebensbereichen völlig unerfahrener Junge denn wie ein junger Heranwachsender etwa in Kittys Alter wirkt, und man ihn daher als Love Interest kaum ernstnehmen kann. Da die Autorin durchweg aber mit Sarkasmus und Überspitzungen spielt, denke ich, dass das durchaus beabsichtigt war.

Zum anderen behaupten sowohl Kitty als auch vor allem Lord Radcliffe ständig, dass sie sich nicht ausstehen können, sind aber so OFFENSICHTLICH obsessed miteinander, dass der enemies-to-lovers-liebende Leser hier schier verrückt wird wegen der süchtig machenden Umsetzung der love-to-hate-, will-they-won´t-they- und slow-burn-tropes.

„Statt den Tag wie geplant mit seiner Korrespondenz und dem Verfassen von Anweisungen bezüglich seiner baldigen Rückkehr nach Radcliffe Hall zu verbringen, brütete er mehrere unangenehme Stunden lang über Miss Talbots Unverfrorenheit, ihrer Respektlosigkeit – ihrer Dreistigkeit. Fast wünschte er, sie würde noch einmal zurückkehren, damit er sie anständig hinauswerfen konnte.“ (S. 139/ 351)

Das ist eine der größten Stärke des Buches, die die paar kleineren Schwächen (dazu gleich) mit Leichtigkeit überschatten können.

Die andere große Stärke ist der bereits angeschnittene spitze, sarkastische Unterton, der zusammen mit dem etwas altertümlich anmutenden Schreibstil dem Buch einen ganz besonderen Charme gibt. Das sorgt für einen durchgehenden Lesefluss, einige Lacher zwischendurch und unterstreicht dazu Kittys scharfen Verstand.
Auf das Worldbuilding hat die Autorin sich dagegen weniger konzentriert; die Geschichte spielt größtenteils zwar in London, aber sie hätte auch genauso gut in einer anderen englischen Stadt stattfinden können. Gestört hat mich das weniger, da der Fokus hier eindeutig auf den Figuren liegt und das Drumherum daher kaum relevant ist, aber es mit ist ein Grund, weshalb ich letztlich einen halben Punkt abgezogen habe.

Der andere Grund dafür, ist das Ende, das zwar immer noch gut ist, aber im Verhältnis zum Rest des Buches wenig zufriedenstellend und in meinen Augen etwas zu abrupt ist. 50 bis 100 Seiten mehr, in denen Kitty und Lord Radcliffe vielleicht noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen können, hätten dem Buch sicherlich gutgetan; so wirkte das Ganze etwas zu übereilt, als wollte die Autorin schnell zu einem Schluss kommen. Man könnte auch sagen, das slow burn vorher war im Gesamten betrachtet vielleicht etwas zu slow und nicht genug burn. Wie gesagt: Es ist eindeutig nicht schlecht, aber man hat nicht das Gefühl, dass Kittys Geschichte abgeschlossen ist. „Wie man sich einen Lord angelt“ ist zwar ein Reihenauftakt, aber ich gehe davon aus, dass es in den Folgebänden um Kittys Schwestern geht, ähnlich wie in „Bridgerton“, und wenn dem tatsächlich so ist, fehlt diesem Buch ein schöner, runder Abschluss.

Zum Thema „Bridgerton“: Als ich das Buch gelesen habe, kannte ich die Reihe bzw. Serie noch nicht, habe mir aber von Sophia sagen lassen, dass „Wie man sich einen Lord angelt“ dem ersten Buch/ der ersten Staffel inhaltlich stark ähnelt. Mittlerweile habe ich die Staffel (und die zweite übrigens auch, ich bin jetzt voll im Regency-Fieber) gesehen und kann dies bestätigen. Das ändert im Nachhinein natürlich nicht meine Bewertung des Buches, da ich beim Lesen ja eindeutig sehr viel Spaß hatte. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass jemand, der Julia Quinns Vorlage bereits kennt, hiervon unter Umständen etwas enttäuscht ist, da (zumindest die Serie! Die Bücher habe ich ja noch nicht gelesen) „Bridgerton“ um einiges runder, die Figuren etwas ausgereifter sind als hier. „Wie man sich einen Lord angelt“ kann ich allerdings als Einstieg in die Regency Romance sehr empfehlen!


Fazit:
Wer hätte gedacht, dass ich mal ein Fan von Regency-Romances werde? Ich definitiv nicht, aber „Wie man sich einen Lord angelt“ hat zweifellos dafür gesorgt! 😍
Man kann hier nicht erwarten, dass die Autorin besonders viel Energie aufs Worldbuilding verwendet; die Geschichte spielt größtenteils zwar in London, aber sie hätte auch genauso gut in einer anderen englischen Stadt stattfinden können. Aber das ist hier auch gar nicht schlimm, denn der Fokus liegt eindeutig auf Kittys Pläneschmiederei und Manipulation, und das unterstützt vom scharfen, subtil sarkastischen Schreibstil auf höchst amüsante Weise!
Wer „Bridgerton“ bereits kennt, könnte hiervon aufgrund der starken Ähnlichkeit unter Umständen ein bisschen enttäuscht werden, wenn man sich einen anderen Blickwinkel erhofft (wenn nicht, werdet ihr es lieben). Wer einen Einstieg in das Genre sucht, wird hiermit jedoch sehr viel Spaß haben!
4,5/ 5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.07.2022

Academic rivals to lovers meets Glee

I Kissed Shara Wheeler
0

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe es, dass der Verlag das Originalcover ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe es, dass der Verlag das Originalcover (und den Titel auch, btw) übernommen hat! Die poppigen Farben und der Kontrast zwischen dem grünen Hintergrund und dem pinken Brief vor dem blonden Mädchen, das genauso aussieht, wie Shara Wheeler beschrieben wird, gefallen mir super und fangen genau den richtigen High-School-RomCom-Glee-Vibe ein! Die Haptik ist durch das matte Cover mit dem glänzend hervorgehobenen Titel und den Kussmündern sehr toll.
Schön gestaltet finde ich im Übrigen die abgedrucken Schnipsel, Tagebucheinträge, Chatauszüge etc. mit Gerüchten oder Aussagen über Shara, die man vereinzelt am Kapitelende findet und die die Geschichte schön abrunden.
„I Kissed Shara Wheeler“ ist von der Haptik abgesehen allerdings ein ganz normales Taschenbuch; wenn ich auch sonst ein Fan vom Knaur-Verlag bin, finde ich die € 14,99, die man zum Teil nicht mal für broschierte Bücher zahlt, dafür schon viel. Im Laden würde ich das Buch deshalb wieder zurücklegen.


Meine Meinung:
Ich mochte das Buch sehr!! 🥰
Das liegt zum einen vor allem daran, dass es mich vom Vibe her sehr an „Glee“ erinnert hat, meine absolute Lieblingsserie von vor ca. 10 Jahren (liebe sie immer noch). Insofern hatte „I Kissed Shara Wheeler“ natürlich irgendwo einen Vorteil, wobei ich mir vorstellen kann, dass manche diese Parallelen negativ auffassen werden.
Chloe Green hat mich nämlich sehr stark an Rachel Berry erinnert. Beide sind sehr ehrgeizig, würden alles tun, um ihre Ziele zu erreichen. Während Rachel (zumindest in den ersten Staffeln) davon überzeugt ist, die beste Sängerin zu sein und vor allem mit Quinn Fabray rivalisiert, ist Chloe der Meinung, die habe es verdient, Jahrgangsbeste zu sein. Dabei ist Shara Wheeler ihre „Erzfeindin“, die sie um jeden Preis übertrumpfen muss, wovon sie fast schon besessen ist.
Ihr seht: Auf den ersten Blick mutet „I Kissed Shara Wheeler“ ein bisschen wie eine Faberry-Fanfiction an, und obwohl man diese Parallelen nicht übersehen kann, haben sie mich nicht im Geringsten gestört. Denn natürlich geht es in diesem Buch um die Beziehung zwischen Chloe und Shara, und wie beide merken, dass sie, obwohl sie zwar Rivalinnen sind, sich eigentlich eben doch nicht hassen. Gleichzeitig hat „I Kissed Shara Wheeler“ aber auf seinen fast 400 Seiten noch viel mehr Inhalt.

Im Fokus stehen nämlich nicht nur Chloe und Shara, sondern auch Sharas Nachbar Rory und ihr Freund Smith, die sie wie Chloe kurz vor ihrem Verschwinden ebenfalls geküsst hat. Alle drei finden im Laufe der Handlung an sie adressierte Briefe von Shara, in denen sie sie mit Rätseln und Geheimnissen konfrontiert, von denen sie verlangt, dass die drei sie lösen, damit sie Shara finden.
Dabei finde ich zum einen bemerkenswert, dass die Autorin es schafft über gut 300 Seiten der Figur Shara nur über diese Briefe Leben einzuhauchen. Ihr Charakter wird bloß über ein paar Zeilen, die sie Chloe und die Jungs gerichtet hat, greifbar, und von Erzählungen und Kommentaren ihrer Mitschüler im Detail geformt. Es dauert verhältnismäßig lange, bis Shara selbst auf die Bühne kommt und sich persönlich präsentieren kann – bis dahin ist sie bereits eine ausgereifte Figur, über die sich der Leser ein gutes Bild machen konnte. Was viele Autor*innen nicht mit seitenlangen Monologen oder Dialogen schaffen, schafft Casey McQuiston über ein paar Briefe und Erwähnungen. Damit beweist sie, dass sie Characterbuilding einfach kann.

Das zeigt sie darüber hinaus auch bei ihren anderen drei Protagonisten sowie sämtlichen Nebenfiguren.
Denn nicht nur Shara wird über die Briefe gestaltet; die Geheimnisse, die Shara dort offenbart, sagen sowohl dem Leser als auch Chloe, Rory und Smith einiges über die Beteiligten. Sie sorgt mit ihren Briefen dafür, dass Vieles ans Licht kommt, was den Dreien zuvor nicht klar war, und zwingt sie dadurch natürlich dazu, dass sie sich mit dem auseinandersetzen, was sie übereinander erfahren.
Das wiederum zwingt sie gleichzeitig, miteinander zu arbeiten und einander besser kennenzulernen. Sharas Briefe schaffen es, dass Chloe, Rory und Smith beginnen, die sozialen Gruppierungen die an ihrer High School herrschen, zu hinterfragen und schließlich zu duchbrechen; sie erkennen, dass sie trotz unterschiedlicher Interessen doch Vieles gemeinsam haben, und lernen, Vorurteile zu erkennen und zu beseitigen und über sich hinauszuwachsen.
Die Geschichte wird zwar aus Chloes Sicht in der dritten Person erzählt, aber durch diese Verflochtenheit der Figuren kommt man allen dreien, wie auch Shara sehr nahe und lernt sie kennen und lieben.

Aber auch die Nebenfiguren kommen bei der ganzen Suche nach Shara nicht zu kurz: Seien es Chloes Mütter, ihre beste Freundin Georgia, Sharas Vater oder Klassenkameraden wie bspw. Dixon, Ace oder Summer: Die Autorin schafft es, ihnen allen quasi nebenher, ohne den wichtigen Hauptplot aus dem Fokus zu verlieren, eine eigene Stimme und eigene Geschichten zu geben. Sie sind zwar „nur“ Nebenfiguren, aber allesamt tragen sie auf irgendeine Weise etwas zum Plot bei und bekommen dabei selbst die Gelegenheit, wie die Protagonisten zu wachsen. „I Kissed Shara Wheeler“ besteht aus „nur“ 394 Seiten, aber es ist so angereichert mit Charakterwachstum, dass es sich nach viel mehr anfühlt, ohne dabei überladen zu wirken.


Neben dem herausragenden Characterbuilding hat das Buch eine weitere große Stärke: die fast schon beiläufige Queerness vieler Figuren. Oft sind bei Büchern mit queerer Repräsentation nur die Protagonisten oder nur eine bzw. einige wenige Nebenfiguren queer, oder es wird mit Klischees gespielt, die Queerness wird „aufgebauscht“ etc. Das kann auch gute Repräsentation und unterhaltsam sein, aber es gibt immer noch viel zu wenige Bücher, in denen die Queerness der Figuren alltäglich ist, ohne ihre Probleme herunterzuspielen. Und genau das schafft die Autorin mit „I Kissed Shara Wheeler“: Hier gibt es Figuren wie Chloe und ihre Moms, die stolz auf ihre Sexualität sind und diese auch nach außen tragen, es gibt closeted Figuren und Figuren, die sich im Laufe der Handlung erst noch finden müssen – all das in einer konservativen Kleinstadt im „Bible Belt“ der USA, also der Gegend, die besonders stark christlich geprägt ist. Das in Kombination mit der Engstirnigkeit der Bewohner sorgt dafür, dass die Schülerschaft mit Ausnahme von Chloe, die aus Kalifornien dorthin gezogen ist, erst lernen muss, mit queeren Mitschülern umzugehen; Konflikte sind da vorprogrammiert.
Das alles setzt die Autorin auf sehr schöne, authentische, gleichzeitig sensible Art und Weise um, die es einem leicht macht, sich in Chloe und die anderen Figuren hineinzuversetzen.


Abschließend habe ich einen winzigen Kritikpunkt, der letztlich dafür gesorgt hat, dass „I Kissed Shara Wheeler“ von mir nicht die volle Punktzahl bekommen hat: Ich habe relativ lange gebraucht, bis ich den Einstieg ins Buch gefunden habe und auch zwischendurch stagniert die Spannung ein wenig. Abgesehen davon fliegt man nur so durch die Seiten, aber über diese Stellen muss man natürlich trotzdem hinweg. Woran meine Schwierigkeiten gelegen haben, kann ich allerdings gar nicht so genau festmachen, vielleicht ja am doch eher unpersönlichen Schreibstil. Ich habe normalerweise eigentlich keine Probleme mit der dritten Person, aber vielleicht hätte der Ich-Erzähler hier für mich besser gepasst? Das ist aber, wie gesagt, nur eine winzige Kleinigkeit, die sehr subjektiv ist und letztlich kaum ins Gewicht fällt, weshalb ich da nicht mehr als einen halben Punkt abziehe.
Denn abgesehen von diesem Aspekt hat mir vor allem der trockene, bissige Humor der Protagonistin sehr gefallen. Durch ihn bekommt sie einerseits noch mehr Selbstvertrauen, auf der anderen Seite wird sie dadurch dem Leser trotz ihrer doch eher eigensinnigen, fast schon rücksichtslosen Art zugänglicher gemacht. Wenn ich also auch Problemchen mit der Erzählform hatte, den richtigen Erzählton trifft die Autorin ohne Frage!

Fazit:
Mir haben die Scavenger-hunt-glee-vibes super gefallen und Chloe ist eine tolle Protagonistin, die mich mit ihrem trockenen Humor und Sarkasmus oft zum Lachen gebracht hat. Shara Wheeler lernt man lange Zeit erst nur aus dritter Hand und über ihre Briefe kennen, aber trotzdem schafft die Autorin es, sie genauso greifbar und lebensecht zu gestaltet wie die Figuren, die man „live“ begleitet.
Am besten fand ich jedoch die Freundschaft, die sich unerwarteterweise zwischen Chloe und den Jungs entwickelt, und natürlich die tolle Repräsentation von Queerness!
Einen halben Punkt Abzug gibt es allerdings für den etwas holprigen Einstieg und die kleinere Durststrecke zwischendurch.
4,5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere