Beutekunst und Vergangenheitsbewältigung
Das neunte Gemäldeergangenheitsbewältigung in der Kunstszene und in der eigenen Familiengeschichte: Eigentlich hat der Kunstsachverständige, Lennard Lomberg nach seinem Abschied vom traditionsreichen britischen Auktionshaus ...
ergangenheitsbewältigung in der Kunstszene und in der eigenen Familiengeschichte: Eigentlich hat der Kunstsachverständige, Lennard Lomberg nach seinem Abschied vom traditionsreichen britischen Auktionshaus Christie´s Gastprofessor in seiner Geburtsstadt Bonn mit dem Thema NS-Raubkunst längst abgeschlossen. Zwar behandelte seine Doktorarbeit die moralischen, rechtlichen und kunsthistorischen Zusammenhänge, aber das ist mehr als 20 Jahre her. Seitdem hat er längst einen britischen (Doppel-)Pass und keinerlei Absichten, sich dem konfliktbeladenen Thema wieder zuzuwenden.
Bis er erst einen Anruf von einem ihm völlig unbekannten Mann erhält, der ihn zu einem diskreten Treffen im Zusammenhang mit der angestrebten Rückgabe eines Gemäldes mit problematischer Provenient bittet. Als der Anrufer wenig später tot in einem Hotel gefunden wird, gerät Lomberg vorübergehend unter Mordverdacht. Der ist zwar schnell entschärft und der Kontakt zu einer kunstsinnigen BKA-Ermittlerin gestaltet sich sogar recht reizvoll. Doch schnell wird Lomberg zum Ermittler in eigener Sache und stellt fest, dass ein mutmaßlicher Picasso, einst im besetzten Frankreich aus dem Besitz eines jüdischen Kunstsammlers geraubt, mit der eigenen Familiengeschichte zusammenhängen künnte.
Denn nicht nur war Lombergs Vater als Wehrmachtsoffizier in der fraglichen Zeit im besetzten Paris stationiert, der Verwaltungsjurist machte später eine eher ungewöhnliche Karriere und wurde Generalbundesanwalt. Gab es eine Vergangenheit, die er verschwieg? Und warum reagierte er seinerzeit so heftig auf Lombergs Interesse für Kunstgeschichte und das Thema seiner Doktorarbeit?
Während ein Erzählstrang von Andreas Storms Kunst-Krimi "Das neunte Gemälde" Lomberg und seiner an der Familiengeschichte interessierten Tochter Julie bei ihren Ermittlungen folgt, führt ein zweiter in die Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Leser wissen so schon vieles, was Lomberg erst noch entschlüsseln muss. Dabei schafft es Storm allerdings, immer noch ein paar Rätsel und Entwicklungen in der Hinterhand zu behalten. Die Eitelkeiten des internationalen Kunstbetriebs spielen ebenso eine Rolle wie transgenerationales Trauma und der RAF-Terror der 70-er Jahre.
Kleiner Abstrich: Für einen Anfang-Fünfziger hat Lomberg doch ziemlich viel von einem alten weißen Mann. Beruflich engagierte und erfolgreiche Frauen sind offenbar egoistisch, wenn sie ihre eigene Karriere verfolgen und nicht regelmäßig zur Verfügung stehen, so wie Lombergs französische Banker-Freundin. Und die moralische Verkommenheit der Mutter seiner Tochter, die sich schon während der Schwangerschaft von ihm trennte, liegt anscheinend darin, dass sie mittlerweile offen bisexuell lebt. Ach, die Leiden des traditionellen Mannes !