Deutlich überzeugender als der Auftakt!
The DamnedSeit im April mit "The Beautiful - Tödliche Dämmerung" eine brandneue vierbändige Reihe aus der Feder von Renée Ahdieh startete, von welcher ich bisher die Dilogie um "Zorn und Morgenröte" und "Rache und ...
Seit im April mit "The Beautiful - Tödliche Dämmerung" eine brandneue vierbändige Reihe aus der Feder von Renée Ahdieh startete, von welcher ich bisher die Dilogie um "Zorn und Morgenröte" und "Rache und Rosenblüte" kannte, war ich gespannt auf die Fortsetzung. Der Auftakt konnte mich ja leider trotz düsterer Atmosphäre, einem lebendigen Setting, einem tollen Schreibstil und einer starken Hauptfigur nicht überzeugen. "The Damned" entführt abermals in die nun abermals in ein düsteres, magisches New Orleans im späten 19. Jahrhundert, welches von Kreaturen wie Vampiren, Werwölfen, Dämonen und anderen Nachtwesen der Anderswelt heimgesucht wird und nutzt die historischen Romantasy-Zutaten diesmal aber deutlich besser als der erste Teil!
Das beginnt schon mit dem Cover: Mit dem von Blumen umrankten weißen Schädel und dem geschwungenem weißem Titel ergibt sich ein düsteres, sinnliches Gesamtbild, welches deutlich besser wirkt als das Motiv des Covers des ersten Bandes. Positiv sticht an der Gestaltung abermals die integrierte Karte des French Quarters in New Orleans hervor, welche sowohl in roter Farbe in den beiden Leselaschen als auch in Schwarz-Weiß-Druck vor den ersten Kapiteln zu finden ist.
Erste Sätze: "Zuerst ist da nichts. Nur Stille. Ein Meer des Vergessens."
"The Damned" schließt direkt an den Showdown von "The Beautiful" an und beginnt mit Bastiens Verwandlung zum Vampir. Nachdem Nigel den Hof der Löwen verraten und mithilfe von Bastiens abtrünniger Schwester Émilie versucht hat, Bastien zu ermorden, wäre letzterer beinahe an seinen Verletzungen erlegen, wäre Celine nicht ein Tauschhandel mit Nicodemus Sait Germain eingegangen: ihre Erinnerungen an alles Übernatürliche gegen Bastiens Verwandlung. Während Bastien also mit den Nachwirkungen seiner Verwandlung kämpft und sich entscheiden muss, was für eine Art Vampir er sein möchte, versucht eine verwirrte Celine, ihre Gedächtnislücken zu füllen. Zwar ist sie mit einem eigenen Bekleidungsgeschäft für Pariser Mode gut ausgelastet und auch die Aufmerksamkeit des Detectives Michael gefällt ihr, sie hat jedoch immer wieder Déjà-vus, seltsame Träume und fühlt eine Leerstelle in ihrem Herzen, die sie sich nicht erklären kann. Ist ihre Liebe so stark, dass sie die Amnesie überwinden und die beiden wieder zusammenführen wird...?
Bastien: "Wer bin ich? Aus den Flammen seiner Wut erhebt sich ein Name. Bastien. Mein Name ist Sébastien Sait Germain."
Die Autorin lässt uns Celines Erlebnisse abermals aus der Sicht eines personalen Er-Erzählers beobachten. Zusätzlich gewährt uns die Autorin in einigen Kapiteln Einblicke in das Leben von anderen Mitgliedern des Hofs der Löwen wie zum Beispiel Odette und Jae, lässt uns einige Blick hinter den Plan von Émilies werfen - die in Band 1 enthüllte Killerin zieht hier abermals die Strippen und plant, einen Krieg zwischen den Werwölfen und den Vampiren vom Zaun zu brechen - und vertieft das Gefühlsleben von Celines Freundin Pippa. Außerdem gibt es zwei Einschübe aus einer unbekannten Erzählperspektive. Anders als in Band 1 lesen wir diesmal jedoch einen Großteil der Geschichte aus Bastiens Perspektive, wofür die Autorin einen Ich-Erzähler gewählt hat. Damit man beim Lesen bei diesen vielen Erzählperspektiven nicht den Überblick verliert, ist über jedem Kapitel angezeigt, aus welcher Erzählperspektive wir den folgenden Abschnitt lesen werden. Dennoch hat mich der ständige Wechsel zwischen Er- und Ich-Erzähler ein wenig irritiert.
Odette: "Durch all das, was passiert ist, habe ich gelernt, mich selbst mehr zu lieben", sagte sie. "Und ist das nicht das schönste Geschenk, das dir eine Prüfung im Leben machen kann?".
Diese Irritation hinsichtlich der Erzählperspektive verzeiht man der Geschichte aber gerne, da hier anders als in Band 1 die Handlung deutlich geradliniger erzählt ist und das Worldbuilding durch die überfällige Beantwortung offener Fragen endlich weiter ausgebaut wird. In meiner Rezension zu "The Beautiful" hatte ich kritisiert, dass die Autorin bis zum Ende verklärende Metaphern beibehielt und den Schleier über der Magie nur für vage Andeutungen lüftete. An einigen Stellen wurden in Band 1 zwar Worte wie "Mentalisten", "Gefallene" und die "Bruderschaft" fallen gelassen und als aufmerksame/r LeserIn konnte man sich nach einigen hundert Seiten auch erschließen, dass es sich hier um Variationen von Werwölfen und Vampiren handelt, aber wer nun genau was ist und mit wem verfeindet ist und wieso blieb sehr undurchsichtig und ist auch nach dem Ende der Geschichte schwer zu sagen. In "The Damned" nimmt die Autorin sich nun endlich Zeit, die Regeln der Welt zu erklären, klarzustellen, welche Person welches magische Wesen ist und wie und weshalb die Fronten durch New Orleans verlaufen. So erhalten wir einen besseren Überblick über die Handlung und können jener viel besser folgen als in Band 1.
Bastien: "Für einen Moment verlor ich jedes Gefühl für Zeit und Ort. Es gab nur sie, eine einsame Kerze in einem dunklen Raum. Aber hinter diesem betörenden Lächeln sah ich weit mehr. Eine Welt der Geheimnisse, die sich hinter einem Paar grüner Augen verbarg."
Am meisten von den zusätzlichen Details profitiert jedoch das Setting, welches zuvor für mich zwar durch die geheimnisvolle Atmosphäre und die bunten Schauplätze interessant, aber nicht wirklich rund gewesen ist. Zeit, zusammen mit Celine die Stadt zu erkunden, die Karnevalsumzüge zu besuchen und ganz in die schillernde Unterwelt der Stadt einzutauchen bekommen wir leider auch hier nicht. Das Worldbuilding und das Vampir-Motiv werden hier aber deutlich ausgebaut. Sehr schön ist auch, dass wir hier einen Ausflug in die Anderswelt machen und sich die Autorin neben dem rauschartigen, sündhaften New Orleans noch einen zweiten interessanten Schauplatz erschließt. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Autorin die beiden Welten in den kommenden Romanen nutzen wird. Fest steht, dass ich durch die Kombination aus spannendem Krimiplot, sich entwickelndem Krieg, wachsendem Worldbuilding und dem lebendigen Schreibstil der Autorin eine Menge Szenen und Zitate markiert habe. Etwas schade ist nur, dass viele der hier vorkommenden französischen (teilweise vereinzelt auch italienischen und spanischen) Aussprüche genau wie in Band 1 nicht übersetzt und somit nur beizeiten im Zusammenhang verständlich sind. Mit guten Sprachkenntnissen kann man das als anregend empfinden, ohne diese geht beim Lesen leider etwas verloren.
Odette: "Süßes Blüten, scharfes Eisen, schwüler Wind. Das Schlagen der Herzen. Das Wiehern der Pferde, das Klappern der Hufe aus den Pflastersteinen. Dunkle Schönheit, überall um sie herum. Reif, sie zu ernten."
Sehr gefreut hat mich wieder, dass in "The Damned" nicht nur Renée Ahdiehs typischer mit Metaphern und Wortbildern angereicherter Schreibstil, sondern auch ihre weibliche Hauptfigur wunderbar zur Geltung kommen. Genau wie schon bei Shahrzad aus ihrer 1001-Nacht-Reihe hat sie es wieder geschafft, eine Figur zu erschaffen, welche ihrer Zeit in gewisser Hinsicht weit voraus ist, aber dennoch auf glaubwürdige Art und Weise mit den Einschränkungen der Gesellschaft kämpft. Celine ist leidenschaftlich, mutig, entschlossen, selbstbewusst und trägt auch eine dunkle Seite in sich, womit sie in kürzester Zeit mein Herz im Sturm erobert hat. Während Bastien in Band 1 noch ein wenig blass bleib und unter der Undurchsichtigkeit der Handlung litt, tauchen wir hier tief in sein Gefühlsleben ein und verfolgen seine Entwicklung nach seiner Verwandlung. Dadurch, dass wir nun mehr über seine Vergangenheit, seine Beweggründe und seine Beziehung zu Nicodemus erfahren, bekommt er deutlich mehr Tiefe und hat nun auch seinen Weg in mein Herz gefunden. Positiv überrascht hat mich auch, dass die Autorin hier bereits sehr eindeutig das in Band 1 aufgebaute Liebesdreieck auflöst und die Beziehung zwischen Celine und Bastien auf die nächste Ebene hebt, ohne dabei die Handlung auszubremsen.
Celine: "Ich habe in der Zeit, in der ich meine Erinnerungen verloren hatte, etwas gelernt", sagte Celine. "Ich sollte mich nicht an andere wenden, um meine Wahrheiten zu finden, egal wie dunkel oder verdreht sie sein mögen. ich muss nur ich mich selbst schauen. Alles, was ich brauche, ist hier."
Auch mit Celines Freundinnen aus dem Konvent, Sébastians Freunden vom Hof der Löwen und den Polizisten der New Orleans Metropolitan Police einen ganzen Strauß an interessanten Nebenfiguren geschaffen, über die man gerne mehr erfahren will. Neben dem Ätherischen Arjun und der abgründigen Émilie haben es mir vor allem die rätselhafte Odette und Celines Freundin Pippa sehr angetan, welche hoffentlich auch in den kommenden Bänden noch viele Auftritte haben werden! Ich bin jetzt auf jeden Fall schon sehr gespannt auf Band 3, welcher auf Englisch schon unter dem Titel "The Righteous" (frei übersetzt: "Die Gerechten") erschienen ist, für den aber noch kein Erscheinungstermin der Übersetzung feststeht.
Fazit:
Renée Ahdieh entführt hier abermals in ein düsteres, magisches New Orleans im späten 19. Jahrhundert, welches von Kreaturen wie Vampiren, Werwölfen, Dämonen und anderen Nachtwesen der Anderswelt heimgesucht wird und bereitet so die Bühne für eine historische Romantasy-Reihe. In "The Damned" beantwortet Renée Ahdieh überfällige Fragen und baut ihre Figuren, ihr Worldbuilding und ihre Handlung stark aus, sodass mich die Fortsetzung deutlich besser überzeugen konnte als der Auftakt "The Beautiful".